Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich
Rechtsextreme  blockieren Alpenpass
um Migration aufzuhalten
Etablierte Politik reagiert, indem sie die Sorgen und Ängste.. der Rechtsextremen sehr, sehr ernst nimmt

5-6/2018

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onlinezeitung

Rechtsextreme Aktivisten aus der „identitären“ Bewegung („Lez Id“ für die Eingeweihten, diese Bezeichnung ist eher unfreundlich, auch im inner-rechten Umgang) blockierten am Wochenende des 21./22. April 18 einen verschneiten Alpenpass im französischen Hochalpen-Bezirk (Département Hautes-Alpes), den immer häufiger Migranten passieren, seitdem die französisch-italienische Grenze weiter südlich für Migration weitgehend unpassierbar gemacht wurde.

Bereits seit circa 2011 ist es Menschen, die sich in Migrationsbewegung befinden, quasi unmöglich geworden, in Zügen die Grenze zwischen dem italienischen Vintmille und dem französischen Nizza zu überqueren, Letztere wurde fast hermetisch abgedichtet. In den letzten zwei bis drei Jahren kam daraufhin vor allem ein Tal im Hinterland von Nizza – die Vallée de la Roya – ins Gespräch, wo auch viele Anwohner/innen sich solidarisch zeigten, jedoch auch zum Opfer von Strafverfolgungen wegen „Beihilfe zu illegaler Einreise“ wurden. (Das prominenteste Beispiel dafür liefert der Landwirt Cédric Herrou, dessen Kampf inzwischen auch verfilmt wurde ; vgl. u.a. http://www.infomigrants.net/fr und http://www.liberation.fr/f3 ) Inzwischen ist das weiter nördlich, auf höherem Niveau über dem Meeresspiegel gelegene und - für Übergänge zu Fuß – erheblich gefährlichere Hinterland von Briançon zum neuen Durchgangsgebiet geworden.

Dortselbst marschierten am ganzen Wochenende des 21. / 21. April 18 über einhundert Aktivisten der europäischen „identitären Bewegung“ auf, die Mehrzahl von ihnen aus Frankreich. Unter ihnen waren jedoch auch rechtsextreme „Kameraden“ aus Italien, Deutschland, Österreich, Dänemark und aus dem Vereinigten Königreich. ( In Österreich läuft nunmehr u.a. deswegen ein Ermittlungsverfahren gegen die dortige IB / „Identitäre Bewegung“ wg. Verdachts auf „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und Aufhetzung zur Diskriminierung; vgl. http://www.lefigaro.fr/)

In blauen, uniformähnlich – das mögen solche Leute ja gerne - getragenen Overalls aufmarschierend, führten sie karottengelbe (oder -rote?, na, jedenfalls ungefähr orangene) Grenzzäune mit sich. Auf zunächst eher symbolische Weise riegelten sie die – in dieser Jahreszeit noch verschneite - Passhöhe unter dem Namen Col de l’Echelle in 1.700 Meter Höhe über dem Meeresspiegel ab, um anzuzeigen, hier dürfe niemand unerlaubt durchkommt. Und entrollten Transparente, in denen sie Migranten dazu aufforderten, „nach Hause zu gehen“, und mit der Aufschrift: No way! - Das Ganze wurde auch spektakulär mit zwei Helikoptern begleitet. Am Abend brannten die rechtextremen Aktivisten Fackeln ab, aus denen blau-weiß-roter Rauch – in den Fahnen der französischen Nationalfarbe – aufstieg. (Vgl. u.a. https://actu.orange.fr/) Am Sonntag Abend, den 22. April war der Spuk dort vorläufig wieder vorbei.

Die Firma, die die beiden Hubschrauber zur Verfügung gestellt hatte, droht inzwischen mit einer Strafanzeige: Ihr seien die wahren Absichten der rassistischen Aktivisten verschleiert worden – was die organisierende Jugendvereinigung der französischen „Identitären“ (Letztere sind heute auf mehrere Organisationen aufgefächtert), Génération identitaire, auch selbst bestätigt hat. ( Vgl. http://www.lefigaro.fr/ ) Es handelt sich derzeit um den in der Öffentlichkeit am sichtbarsten auftretenden Teil der „identitären Bewegung“ - ihr gehört ebenfalls ein Teil jener Schläger an, die in den letzten Wochen (zwischen dem 22. März in Montpellier und dem 12. April 18 an der Pariser porte de Clignancourt protestierende Studierende attackierten, wie wir an anderer Stelle berichteten.

Doch wie reagiert nun die etablierte Politik auf diese Meldungen? Aus ihr erklingt, dass man die Sorgen und Nöte sehr ernst nehme – jene der rassistischen Aktivisten.

Brice Hortefeux, er war 2007-09 „Minister für Einwanderung und nationale Identität“ unter Präsident Nicolas Sarkozy (ein gleichnamiges Ministerium existierte von Mai 2007 bis November 2010) und danach dessen Innenministerium, äußerte sich etwa klar in dieser Richtung. Er erklärte, von der Methode her verurteile er zwar das Vorgehend der Aktivisten. Es sei jedoch wichtig, das inhaltliche „Signal“ zu verstehen, dass von ihnen ausgehe – also ihr Anliegen ernst zu nehmen. (Vgl. http://www.lefigaro.fr)

Als amtierender Innenminister unter Emmanuel Macron kritisierte der frühere Rechtssozialdemokrat Gérard Collomb seinerseits die „Gestikulationen“ der Rechtsextremen ( vgl. http://www.lefigaro.fr/); um kurz darauf massive polizeiliche Verstärkung für den Hochalpen-Raum zum intensivierten Grenzschutz anzukündigen. Vgl. http://www.lefigaro.fr/

Ihrerseits betonte die Präfektur (juristische Vertretung des Zentralstaats im Département) zunächst vor allem, die Aktion der Rechtsextremen sei ruhig und geordnet verlaufen. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/ ) Im Unterschied übrigens zu jener von – überwiegend französischen und italienischen sowie schweizerischen – Linksradikalen, die am selben Wochenende einen „Grenzdurchbruch“ mit dreißig Migranten und rund 100 Begleiter/inne/n übten. An deren Rand kam es hingegen zu mehr oder minder massiven Auseinandersetzungen mit der Polizei, wie auch Collomb unterstrich… Und drei Personen sitzen aufgrund dieser Aktion bei Abschluss dieses Artikels ( d.h. in der Nacht vom 30. April zum 01. Mai d.J. ) noch immer in Untersuchungshaft! ( Vgl. dazu u.a. http://www.millebabords.org/ und https://www.tdg.ch/)

Was die „Identitären“ betrifft, so fuhren sie in der darauffolgenden Woche (Kalenderwoche vom 23. bis zum 29. April) in der südostfranzösischen Region damit fort, selbstermächtigte „Grenzpatrouillen“ aufzustellen, Rundgänge zu laufen und – laut eigenen Angaben – Migrationswillige über die Grenze in Richtung Italien „zurück zu begleiten“. So wollen sie lt. eigenen Informationen in der Nacht vom 26. zum 27. April (von Donnerstag auf Freitag) vier Migranten eigenmächtig über die Grenze (zurück) geschickt, und sieben weitere an die Polizei übergeben respektive Letztere auf ihre Präsenz aufmerksam gemacht haben. In der Nacht zum 28. vom 29. April soll es weitere ähnliche Versuche gegeben haben. Daraufhin verkündete die zuständige Präfektur in Gap am Sonntag, den 29. April, man habe solchem Treiben der „Identitären“ – außerhalb jeglicher gesetzlichen Befugnis - im südostfranzösischen Alpenraum nun ein Ende bereitet. ( Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-) Allerdings verkündeten die zuständigen Behörden ebenfalls, es werde keine Strafverfolgungsmaßnahmen gegen die beteiligten Rechtsextremen geben. ( Vgl. http://www.lefigaro.fr/ ) Die „Identitären“ ihrerseits geben an, es stimme nicht, wie die Präfektur behauptet, dass behördliches Eingreifen ihren Aktivitäten einen Schlusspunkt gesetzt habe. Vielmehr sei es allein dem Wetterumschlag in den Alpen geschuldet gewesen, dass man die Aktion beendet habe.

Editorischer Hinweis

Diesen Artikel erhielten wir von B. Schmid für diese Ausgabe.