Nach zähen
Verhandlungen einigten sich die Gewerkschaft
ver.di und der Bundesverband Druck und Medien
(bvdm) am 3. Mai auf einen Tarifabschluss für
die gewerblich Beschäftigten in
tarifgebundenen Unternehmen der
Druckindustrie. Der Lohnabschluss läuft über
36 Monate und sieht eine Erhöhung in drei
Etappen vor: Ab dem 1. Mai 2019 2,4 Prozent,
ab 1. Juni 2020 2,0 Prozent und ab 1. Juni
2021 noch einmal 2,0 Prozent. Im Rahmen der
Laufzeit des Lohntarifvertrages wird über
eine Veränderung des Manteltarifvertrages
(MTV) verhandelt. “Die Verhandlungen finden
ergebnisoffen statt. Für den Fall, dass es zu
keiner Verständigung über eine Neuregelung
kommt, ist die Nachwirkung des MTV ab dem 1.
Mai 2021 auf jeden Fall sichergestellt”,
erklärte ver.di zum Verhandlungsergebnis.
Die Laufzeit
des Lohnabschlusses steht im unmittelbaren
Zusammenhang mit der Wirksamkeit des MTV. Das
ist der Grund für die 36 Monate Laufzeit.
Üblich sind Lohnabschlüsse über 12 Monate, um
möglichst jährlich in der Verteilungsfrage
eingreifen zu können. Manteltarifverträge haben
im Gegenzug meistens lange Laufzeiten. Es sind
immer auch grundlegende Auseinandersetzungen
(z.B. 35-Stunden-Woche), die die Unternehmer
nicht jedes Jahr haben wollen und die
Gewerkschaftsbewegung will in dieser Frage
Sicherheit für ihre Mitglieder. Über die
vergangenen Jahre haben sich längere Abschlüsse
über zwei Jahre in den nichtindustriellen
Bereichen etabliert. Aber im Zusammenhang mit
MTV-Auseinandersetzungen kommt es vermehrt zu
längeren Laufzeiten für die Lohnabschlüsse, was
nicht Ausdruck von gewerkschaftlicher
Durchsetzungsstärke ist.
ver.di und
bvdm verständigten sich darauf, den besonders
umstrittenen Manteltarifvertrag rückwirkend zum
1. Oktober 2018 unverändert für zwei weitere
Jahre wieder in Kraft zu setzen. Bis zum 30.
April 2021 gebe es aber "die bindende
Verpflichtung" den Manteltarifvertrag unter
Friedenspflicht, also ohne gewerkschaftliche
Kampfmaßnahmen, neu zu verhandeln, teilte der
bvdm mit. Für den Unternehmerverband sind die
im Manteltarifvertrag geregelte
35-Stundenwoche, Zuschläge für Sonn- und
Feiertagsarbeit, Weihnachts- und Urlaubsgeld
"überholt"und seien für die Betriebe "nicht
mehr praxistauglich".
Tarifabschluss! MTV wieder in
Kraft und Lohnabschluss
Manteltarifvertrag (MTV)
-
Die unveränderte Wiederinkraftsetzung
des kompletten Manteltarifvertrags und
seiner Anhänge für alle Beschäftigten
für die nächsten zwei Jahre.
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Auf dieser Grundlage sollen in den
nächsten Monaten Gespräche zwischen
ver.di und den Arbeitgebern der
Druckindustrie stattfinden, in die auch
ver.di Forderungen, z.B. die
Allgemeinverbindlichkeit der
Tarifverträge einbringen wird.
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Die Verhandlungen finden ergebnisoffen
statt. Für den Fall, dass es zu keiner
Verständigung über eine Neuregelung
kommt, ist die Nachwirkung des MTV ab
dem 1. Mai 2021 auf jeden Fall
sichergestellt.
Lohn und Gehalt
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Erhöhung zum 1. Mai 2019 um 2,4 %
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Erhöhung um weitere 2,0 % zum 1. Juni
2020
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Erhöhung um weitere 1,0 % zum 1. Mai
2021
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bei einer Laufzeit von 36 Monaten bis
zum 31. August 2021
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alle Erhöhungen auch für die
Ausbildungsvergütungen
"Dieses Ergebnis konnte nur durch den
ausdauernden Streikdruck vieler
Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben
erreicht werden!“, so
ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke.
"Wir haben nicht lockergelassen und
konnten so massive Verschlechterungen und
die Spaltung der Belegschaften verhindern
und einen akzeptablen Lohnabschluss
erzielen.“, so Werneke weiter.
Bis zum 31. Mai ist eine Erklärungsfrist
vereinbart worden.
Quelle:
ver.di |
Am 22.
November 2018 hatte ver.di die zentralen
Verhandlungen für die Druckindustrie nach der
sechsten Runde abgebrochen und versucht, in
regionalen Runden einen Abschluss zu erzielen.
Da ver.di flächendeckend keine Streikkraft hat,
sollte in drei Tarifbezirken mit regionalen
Streiks der Druck auf die Unternehmer so erhöht
werden, dass es zu einem Abschluss kommt. Wie
nicht anders zu erwarten, waren die
Druckunternehmen in den drei Bundesländern
nicht bereit, mit ver.di zu verhandeln.
Nennenswerte Streiks gab es nur in Bayern und
in Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfahlen
waren es nur wenige Betriebe, die vereinzelt an
Aktionen teilgenommen haben. In NRW, dem
Bundesland mit den meisten Unternehmen im
regionalen Verband der Druckindustrie, gab es
nur vereinzelte Aktionen und dann hatten sie
auch noch einen betrieblichen Hintergrund.
Jetzt wurde am
9. April und 2. Mai 2019 wieder zentral
verhandelt, damit ver.di am Ende nicht komplett
das Gesicht in den Belegschaften verliert und
es zu einem Tarifabschluss kommt. Die
Unternehmer wollten aber auch raus aus den
betrieblichen Aktionen der Arbeiter*innen. In
den Streikbetrieben von ver.di herrscht
durchaus eine kämpferische Stimmung.
Der jetzige
Druckabschluss ist nicht der erste mit einer
längeren Laufzeit beim Lohn, da man keine
längerfristige Wirksamkeit des
Manteltarifvertrages mehr durchsetzen konnte.
Historisch kommt in ihm aber die anhaltende
Schwäche von ver.di in der Druckindustrie zum
Ausdruck. Die Transformation der Printmedien
(Zeitungen, Zeitschriften, Werbeprospekte etc.)
stellt eine ernsthafte Herausforderung für die
Gewerkschaft dar, von der Frage der
Verteilungsauseinandersetzung einmal abgesehen.
Die Schließung von Druckereien und die
Übernahme der Aufträge durch andere, tariflose,
Druckunternehmen sind seit Jahren übliche
Vorgänge. Gerade aktuell hat eines der größten
Zeitschriftendruckunternehmen der Welt (Circle
Media Group) in den Niederlanden Insolvenz
angemeldet und Geschäftsaktivitäten, wie im
April 2019 das (Buch)Druckunternehmen CPI an
einen Finanzinvestor, verkauft. Prinovis, ein
Bertelsmann-Unternehmen, will in Deutschland
seinen Druckstandort in Nürnberg schließen. Die
Funke Mediengruppe will ihre Zeitungsdruckerei
in Essen schließen. Weitere Schließungen von
Zeitungsdruckereien großer Medienunternehmen in
Deutschland werden gehandelt.
ver.di sieht
in der Schließung von Druckereien leider immer
wieder »böse Absichten« der Unternehmer, die
auch im Rahmen von Marktbereinigungen
stattfinden, und verortet sie im Bereich der
»Insolvenz-Trickserei«, so die
Außendarstellung. Der Transformationsprozess
der Gattung der gedruckten Medien wird eher
ausgeblendet. Zu Recht führt man einen
notwendigen Abwehrkampf in den Unternehmen, die
in ihrer Existenz bedroht sind. Wo die Kraft
dazu besteht (Pronovis Itzehoe oder
LVZ-Druckerei), tritt man in Form von
Sozialtarifverhandlungen auf und kämpft um
einen ehrbaren Abgang.
Intern wird in
ver.di mit Blick auf die Druckindustrie aber
klar kommuniziert, dass dieser Industriezweig
untergeht. Es gibt keinerlei ernsthafte
Überlegungen, wie man sich neu formiert. Da
ver.di in der Medienwirtschaft lediglich in der
Druckindustrie einen nennenswerten
Organisationsgrad in Teilbereichen hat, aber
nicht in den Verlagen und Redaktionen, wo er
unter 5 Prozent liegt, hätte so ein Agieren
Folgen für den gesamten Wirtschaftszweig mit
seinen rund 200.000 Beschäftigten. Ohne eine
grundlegende Neuformierung in den
Industriebetrieben (1.100 Unternehmen) der
Druckindustrie werden die Tarifbindung und die
Streikkraft von ver.di weiter abnehmen. Das ist
kein einfacher Weg, weil zur Verteidigung der
Errungenschaften von Tarifabschlüssen
streikfähige Belegschaften erforderlich sind.
Davon gibt es aber immer weniger.
Die
journalistische Sparte in ver.di, deutsche
journalisten/innen union (dju), hatte in der
Druckrunde 2018 darauf gesetzt, dass sie sich
bei ihrer offenen Runde in den
Tageszeitungsredaktionen an den Warnstreiks in
Bayern und BaWü in der Druckindustrie
beteiligt. Man wollte in diesen beiden
Bundesländern einen besseren Abschluss erzielen
als der Deutsche Journalisten-Verband (DJV).
Diese berufsständische Gewerkschaft der
Journalisten hat den Tarifvertrag für alle
Zeitungsredaktionen, zuerst im Verbund mit
ver.di, ausgehandelt. Formal gab es für die in
ver.di organisierten Journalisten/innen keine
Erhöhung seit 2017. Faktisch übernehmen die
Verlage aber einfach den DJV-Abschluss für
alle. Angesichts der aktuellen Abschlusshöhe
für die Drucker lag der DJV-Abschluss für die
Journalisten/innen gerade einmal 0,1 Prozent
darunter, wenn man den Zeitraum von 24 Monaten
vergleicht.
Eine insgesamt
sehr schwere Lage für ver.di in den
Tarifbereichen Druck, Verlage und Redaktionen.
Mit den beiden Abschlüssen (Lohn und MTV) hat
man Zeit gewonnen, eine einheitliche Strategie
zu entwickeln. Vieles spricht dagegen, dass es
dazu kommen wird. Bei einer Kündigung des MTV
durch die Unternehmen dürfte es in Zukunft
keinen MTV mehr geben, juristisch wirkt er
sowieso nach. Mit den aktuellen
Zusammenschlüssen verschiedener Fachbereiche in
ver.di, u.a. Medien, Ent- und Versorgung sowie
Telekom, wird man die Ausrichtung auf den
Industriezweig Druck weiter runterfahren und es
erscheint heute unrealistisch, dass es zu einer
längerfristigen Regelung kommt. Es sei denn,
man kommt den Unternehmern weitgehend entgegen.
Editorische
Hinweise
Wir spiegelten
den Artikel von
http://www.kommunisten.de/rubriken/kapital-a-arbeit/7555-tarifabschluss-fuer-drucker-innen
Holger Artus ist Aktivist bei
ver.di, war bis Februar 2018 viele Jahre
Betriebsratsvorsitzender bei der Hamburger
Morgenpost und Mitglied der Tarifkommission.

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