Betrieb & Gewerkschaft

Thyssenkrupp

Angriff auf die gesamte Konzernbelegschaft

Von (gp/ms)

5-6/2019

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Der Thyssenkrupp-Vorstand hat die Stahlfusion mit dem indischen Konzern Tata abgesagt, einen Umbau des Konzerns zu einer Holding und die Vernichtung von 6000 Arbeitsplätzen angekündigt. Darauf stieg der Aktienkurs um 28 Prozent.  

Konkreter Auslöser für die Entscheidung des Thyssenkrupp-Vorstandes war die Ablehnung der Fusion der Stahlbereiche von Thyssenkrupp und Tata durch die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Was ist davon zu halten?

Durch die Verdoppelung der Weltstahlproduktion ist zwischen 2000 und 2018 der Anteil der EU am Weltstahlmarkt von 19,2 Prozent auf 9,4 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil ­Chinas von 15,1 Prozent auf 51,9 Prozent und der von Indien von 3,2 auf 5,9 Prozent. Diese Kräfteverschiebung ist eine Folge der Entstehung neuimperialistischer Länder, die den weltweiten Konkurrenzkampf erheblich verschärft. Vor allem, seitdem sich Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise mehren.

Die EU-Kommission als Instrument vor allem der in Europa ansässigen internationalen Übermonopole agiert ebenfalls in diesem Konkurrenzkampf. Die Ablehnung der Fusion richtet sich gegen eine Ausdehnung des Marktanteils des indischen Tata-Konzerns in Europa und nützt damit direkt dem Hauptkonkurrenten ArcelorMittal. Man kann davon ausgehen, dass Arcelor als größter europäischer Stahlproduzent auf diese Entscheidung entsprechend Einfluss genommen hat. Zugleich will die EU aus machtpolitischen Gründen verstärkt Fusionen innerhalb der EU zur Stärkung des imperialistischen Staatenbündnisses fördern. Darauf drängt unter anderem die Bundesregierung mit ihrer „Nationalen Industriestrategie 2030“. Dabei geht es im Fall von Thyssenkrupp nicht nur um den Zugriff auf eine eigene Stahlindustrie, die von erheblicher militärischer bzw. rüstungspolitischer Bedeutung ist. Die Regierungen in Berlin und Paris wollen auch die Marineindustrie nach dem Vorbild des Airbus-Konzerns bündeln. Dazu werden 2007 aufs Eis gelegte Pläne eines Zusammenschlusses der französischen Naval Group mit dem Marinebereich von Thyssenkrupp jetzt wieder ins Gespräch gebracht. All das ist Bestandteil der zunehmend aggressiven europäischen Rüstungspolitik, des Aufbaus einer eigenen europäischen Armee und der allgemeinen Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung.

Mit der bisherigen Strategie des Thyssen­krupp-Vorstandes im Kampf um Maximalprofite ist damit auch der „Zukunftsvertrag“ als Ergebnis der Klassenzusammenarbeit von Anfang 2018 – nach nicht einmal 1,5 Jahren – schon wieder geplatzt. Jetzt will der Vorstand den Konzern in eine Holding umwandeln. Bei mindestens zwei weiteren Konzernbereichen – dem Anlagenbau und der Autoteilesparte – kann sich der Vorstandsvorsitzende Guido Kerkhoff Fusionen oder Firmenübernahmen vor­stellen – „auch für Teilbereiche“. Auch diese Pläne sind verbunden mit einer Ausbeutungsoffensive und massenhafter Arbeitsplatzvernichtung im ganzen Konzern. Arbeitsdirektor Oliver Burkhard (ehemals NRW-Bezirksleiter der IG Metall) schließt „betriebsbedingte Kündigungen“ als „ultima ratio“ nicht mehr aus. Schon das hat für Unruhe in den Belegschaften gesorgt. Daraufhin hat der Vorstand rasch einen Ergänzungstarifvertrag für den Stahlbereich abgeschlossen, um die Widersprüche zu dämpfen, aber auch die Stahlarbeiter von den anderen Konzernbelegschaften abzuspalten. Der Ergänzungsvertrag soll die im Fusions-Tarifvertrag getroffenen Regelungen, darunter auch Zugeständnisse an die Proteste der Stahl-Kolleginnen und -Kollegen, festschreiben – aber nur bis Jahres­ende.

Doch die Stahlarbeiter wollen wissen, was längerfristig auf sie zukommt. Manche sind unsicher: „Was ist besser, die Fusion oder keine?“ Doch mit oder ohne Fusion will der Vorstand in den nächsten Jahren Tausende Arbeitsplätze als Folge der Neuorganisation der weltweiten Stahlindustrie vernichten.

Vor allem ältere Kolleginnen und Kollegen hoffen, über Altersteilzeit früher ausscheiden zu können. Der völlig berechtigte Wunsch, angesichts der steigenden Ausbeutung die Lebensarbeitszeit zu verkürzen, kann nicht in erster Linie individuell beantwortet werden. Zumal dies den Plänen des Thyssenkrupp-Konzerns nichts entgegensetzt und hinnimmt, dass die Arbeitsplätze für die Zukunft der Jugend fehlen werden. Im Interesse der gesamten Arbeiterklasse ist es, für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zu kämpfen – aber auch für eine Herabsetzung des Rentenalters bei vollem Rentenausgleich, auf 55 Jahre – was die MLPD schon lange für Schwerarbeiter fordert.

Die IG Metall-Führung fordert den „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“. Damit akzeptiert sie zugleich eine angeblich „sozialverträgliche“ Arbeitsplatzvernichtung. Auf diesem Weg sind 600.000 Arbeitsplätze im Bergbau vernichtet worden! Die Erfahrungen bei Opel, im Bergbau und in vielen anderen Betrieben zeigen, wie die „sozialverträgliche“ Abwicklung von Betrieben vor sich geht. Wenn am Ende die Kollegen nicht „freiwillig“ ihr Ausscheiden unterschreiben, werden sie gekündigt.

Die Betriebsgruppen der MLPD schlagen einen gemeinsamen Aktionstag im ganzen Konzern vor. Außerdem eine breite Beratung in den Belegschaften zur Vorbereitung wirksamer Kampfschritte. Kampf um jeden Arbeitsplatz und Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft! 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich! Eine Belegschaft – ein Gegner – ein Kampf! Internationale Arbeitereinheit – Kampf dem Sozialchauvinismus statt Spaltung!

Quelle: https://www.rf-news.de/rote-fahne/2019/nr11/thyssenkrupp-angriff-auf-die-gesamte-konzernbelegschaft 

Erstveröffentlicht in der ROTEN FAHNE Nr.11/2019