Stellungnahme des Dokumentations- und Informationszentrums für Rassismusforschung Marburg e.V. / D.I.R.: 
"Maßnahmen gegen Rassismus"
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D.I.R.
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Marburg, 04. August 2000

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

zur gegenwärtigen Diskussion über ein Verbot der NPD und anderer Maßnahmen 
gegen Rassismus bezieht das D.I.R. im folgenden Stellung:

Wie in jedem Jahr wird auch im Jahr 2000 das Presse - Sommerloch dazu benutzt, 
auf dem Rücken der Opfer rassistischer Gewalt eine Diskussion über Maßnahmen 
gegen rechts zu führen.

Die aktuelle Diskussion in den audiovisuellen und Print - Medien, die von führenden 
PolitikerInnen, Medienleuten und Intellektuellen geführt wird, hat im wesentlichen drei 
Schwerpunkte:

? Verbot rechtsextremistischer Parteien wie der "NPD"
? Gesetzliche Maßnahmen gegen rechte "Homepages" im Internet
? Appelle an die "Zivilcourage" der Bevölkerung

Eine neue Erkenntnis dieses Sommers ist die weitgehend geteilte Auffassung, daß 
"rechte Gewalttäter" mit Zustimmung und Duldung weiter Kreise der Bevölkerung 
rechnen können. Mit dieser Erkenntnis wird die Schwierigkeit des dritten Ansatzes, 
gegen Rassismus vorzugehen, deutlich: wenn Rassismus in weiten Kreisen geteilt 
wird, ist kaum mit couragiertem Handeln aus Teilen eben dieser Bevölkerung zu 
erwarten. 

Zum anderen wird aber deutlich, daß der Kampf gegen Neofaschismus und 
Rassismus auch hier ansetzen muß: wenn 30% der deutschen Bevölkerung sich als 
"rassistisch" oder "sehr rassistisch" bezeichnen (Studie der EU: "Racism and 
Xenophobia in Europe.", Hrsg.: Europäische Kommission, Generaldirektoriat V, 
1998), nach anderen Studien zwischen 13 und 20 % der Bevölkerung "rechte" oder 
"rechtsextremistische" Denkmuster teilen, müssen die Maßnahmen zur Bekämpfung 
alle Teile der Gesellschaft ansprechen.

Auf diesen Aspekt weist auch der zweite Ansatz hin, rechte Homepages im Internet 
zu verbieten oder zu kontrollieren. Auch hier ist der Ansatz ein rechtspolitischer, 
indem mit polizeilichen oder legislativen Mitteln versucht werden soll, das Angebot an 
Hate-Pages zu bekämpfen. Hier liegt das Problem unserer Gesellschaft darin, daß 
politisch ungebildete junge Menschen auf rassistische und NS-apologetische Inhalte 
stoßen sowie in der Freizeit über Musik - Angebote mit rechten Inhalten geködert 
werden. Abgesehen von der technischen Unmöglichkeit einer ausreichenden 
Kontrolle - und der generellen Fragwürdigkeit des Einsatzes polizeilicher Mittel in 
politischen Fragen - bleibt auch hier festzuhalten, daß repressive Maßnahmen den 
Kern des Problems verfehlen: rechte Kreise nutzen jede Möglichkeit zur Verbreitung 
volksverhetzender und den Faschismus verharmlosender Thesen, sie würden 
jederzeit auf andere Angebote und technische Mittel ausweichen können. 

Zum Verbot neofaschistischer Parteien wie der NPD bleibt anzumerken, daß diese 
zwar tatsächlich mit verfassungsfeindlichen Grundsätzen argumentiert, die Würde 
aller Menschen leugnet und organisatorisch sehr eng mit den führenden Neonazis in 
Deutschland zusammenarbeitet, die zum Teil bereits innerhalb der NPD agieren, daß 
aber ein Verbot dieser Partei weitgehend am eigentlichen Problem vorbeizielt: die 
Auseinandersetzung muß mit den Inhalten geführt werden; für die Straftaten, die im 
Umfeld dieser Partei ausgeübt werden, reicht das Strafrecht und die Ausstattung der 
Exekutive in Deutschland aus.

Der Kampf gegen rassistische, nationalistische und antisemitische Ideologien muß 
nach Auffassung des D.I.R. statt dessen inhaltlich geführt werden: Wenn rechte 
Gesinnung aus der Mitte der Gesellschaft kommt und dort auf bereitwillige Träger 
dieses Gedankenguts trifft, muß die Auseinandersetzung dort inhaltlich und 
historisch geführt werden. Sämtliche Anstrengungen in den Schulen, in der 
Sozialarbeit, Mahnaufrufe, Mahnwachen und Interkulturelle Trainings werden schon 
alleine durch Aussagen prominenter Politiker und Künstler kontakariert, die 
Rassismus bestätigen, Abschiebungen durch angebliche "Überfremdung" 
rechtfertigen, das Recht auf Asyl vollends abschaffen wollen, den 
Nationalsozialismus "historisieren", den Holocaust relativieren und die deutsche 
Vergangenheit "normalisieren" wollen.

Als wesentlich wirksamer im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus würde 
sich die Unterstützung bereits existierender Aktivitäten gegen rechts erweisen. So 
sollte die Bundesregierung statt groß angelegter Kampagnen wie dem "Bündnis für 
Demokratie und Toleranz", daß bis heute kein Programm und keine 
Organisationsplanung besitzt, lieber diejenigen unterstützen, die seit Jahren vor Ort 
antirassistisch arbeiten wie etwa die im "Deutschen Netzwerk gegen Rassismus" 
aktiven 90 Organisationen. 

Die Bundesregierung könnte - wie im Koalitionsvertrag noch vorgesehen - mit der 
Umsetzung des Artikels 13 des Amsterdamer Vertrages in nationales Recht, der ein 
Antidiskriminierungsgesetz vorsieht, eine wichtige Grundlage schaffen, um den von 
Rassismus Betroffenen eine individuelle Handhabe zu verschaffen. Die permanent 
vorgetragene Gleichsetzung von "rechter" und "linker" Gewalt, wie sie von Ämtern 
des Verfassungsschutzes seit Jahren proklamiert wird und wie sie in Brandenburg 
durch Jörg Schönbohm betrieben wird, der den engagierten Menschen im 
Brandenburger "Bündnis für Demokratie und Toleranz" die Mittel entzieht und sie 
bekämpft, ist ebenso wie die anderen Maßnahmen der Regierung im mit Emphase 
verkündeten Vorgehen gegen rechts kontraproduktiv.

Mit antirassistischen Grüßen

Ihr D.I.R. – Team - Jochen Corinth
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