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Texte zum Geschlechterverhältnis
Kritik der Ehe

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1.) Einleitung

Um keine Institution, die dermaßen offensichtlich als staatliche Institution zu erkennen ist wie die Ehe, rankt sich ein Mythos, der diese völlig in den Kontext von Privatheit und Intimität rückt. Somit schließt die bürgerliche Ideologie eine Funktionsbestimmung und rationale Kritik an der Ehe schon per definitionem aus. Die Ehe ist seit der Romantik der Ort, an dem die wahre Liebe ihre wirkliche Bestätigung finden soll. Zwar läßt sich in den letzten dreißig Jahren ein Trend zur Abkehr von der Ehe feststellen, was sich in steigenden Scheidungsraten zeigt, jedoch bleibt die monogame heterosexuelle Zweierbeziehung die Norm des bürgerlichen Zusammenlebens, welche der Ehe strukturell ähnlich bis identisch bleibt. Aufgabe linker Kritik sollte es sein, die Ehe zu entmythologisieren, indem ihre Funktion innerhalb der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft analysiert wird.
Im ersten Teil des Textes wird ein Abriß der historischen Entwicklung der Ehe gegeben. Dieser soll verdeutlichen, wie die Ehe zu dem wurde, was sie heute ist. Wie sie zum Gegenstand staatlichen Interesses wurde und Elemente von Diskursen verschiedener Epochen in sich vereinigte.
Danach wird erklärt, welche Interessen der bürgerliche Staat in seiner Funktion als ideeler Gesamtkapitalist an der Ehe hat. Schließlich soll erklärt werden, wie sich die Ideologie der Ehe in Form bürgerlicher Norm als Gewaltverhältnis und Ort patriachaler Machtausübung entlarven läßt.


2.) DIE GESCHICHTE DER EHE

1. DAS MITTELALTER

Normen und Diskurse

Seit Beginn des 13.Jahrhunderts entwickelte die Kirche eine neue Ehemoral, die nun die Ehe zum heiligen Sakrament erhob. Nach kirchlicher Auffassung hatte die Ehe eine dreifache Funktion zu erfüllen: die Erzeugung des Nachwuchses; die Vermeidung von Unzucht und die Gewährleistung der Gnade durch das heilige Sakrament. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Ehe und die damit verbundene Ehemoral die mit heute vergleichbare Form an. Die Bibel diente der Kirche als Vorlage für die Entwicklung der neuen Ehemoral. So begründete der Sündenfall und die Briefe Paulus die Differenzierung der Geschlechter sowie die Unterordnung der Frau. Immer wieder wurde die Schöpfungsgeschichte, bei der die Frau aus einer Rippe des Mannes geschaffen wird, als Beleg für die gottgegebene Hegemonie des Mannes herangezogen: "Denn der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne. Und der Mann ist nicht geschaffen um des Weibes willen, sondern das Weib um des Mannes willen" (1.Korinther 11.8,9). Paulus gebot den Frauen bescheidenes Auftreten und Zurückhaltung. Die Figur der Jungfrau Maria wurde zum Idealbild der vollkommenen Ehefrau und Mutter hochstilisiert.
Die neue Ehedoktrin definierte den Ehemann als das `Zentrum der Familie und `Eheherrn´, dem sich die Frau unterzuordnen hatte. Ihre oberste Pflicht war die Liebe zu ihrem Mann, wobei Liebe hier die vollständige Unterordnung der Frau meinte. Mit zunehmender Bedeutung der Fortpflanzung als Element der Ethik der Ehe rückte die Kontrolle des Mannes über den weiblichen Körper in den Vordergrund. Der Mann mußte dafür sorgen, daß die Frau ihm treu blieb, um zu gewährleisten, daß die Kinder der Frau auch seine waren. Somit wurde Treue zur rein weiblichen Pflicht, was eine völlig unterschiedliche Bewertung des Ehebruchs von Frau und Mann zur Folge hatte. Während Männer fast nie deswegen bestraft wurden, drohte den untreuen Frauen in einigen Gegenden sogar die Todesstrafe. Dem Ehemann wurden die Pflichten der Unterstützung, Belehrung und Korrektur der Frau übertragen.
Schon diese frühe Ehedoktrin schloß die Ehefrau aus der Öffentlichkeit aus, denn sie übertrug dem Ehemann die Aufgabe, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Somit wurde dem Mann auch die Möglichkeit eröffnet, indirekt moralische Kontrolle über die Frau auszuüben. Durch die Pflicht zur Belehrung und Korrektur wurde dem Mann auch das Recht zur Züchtigung der Frau eingeräumt, worin der eklatante Machtunterschied zwischen Frau und Mann deutlich wird. Die Frau war in allen Bereichen dem Mann untergeordnet; nicht einmal auf die moralische Erziehung der Kinder, die im wesentlichem dem Mann vorbehalten blieb, hatte sie entscheidenden Einfluß.
Die mittelalterliche Ehe-Ideologie stattete die Frau mit Eigenschaften aus, die sie genau für die Tätigkeit als Hausfrau prädestinierten: Weisheit, Fleiß und eine Kraft, die sich nicht in ruhmreichen kriegerischen Unternehmungen zeigte, sondern in den unscheinbaren Tätigkeiten des Alltags.

Der Alltag

Die feudale Ordnung (11./12.Jh.)

In dieser Zeit verbot die Kirche jede Ehe mit Ungläubigen sowie sexuellen Kontakt mit Nichtchristen. Vor allem sexueller Kontakt mit Juden galt als besonders große Sünde und wurde mit Sodomie gleichgesetzt auf dem Scheiterhaufen bestraft. Gleichzeitig mit diesen Beschränkungen des Eherechts schrieb die Kirche die Ehe als unauflösbar fest (".. bis daß der Tod euch scheidet") und unterstellte die Eheschließung - gegen den Widerstand lokaler Traditionen- der ausschließlich kirchlichen Gerichtsbarkeit. Dieses Eherechtsmonopol der Kirche setzte sich im 12.Jh. vollständig durch. Parallel dazu wurde die Wahl der EhepartnerInnen frei. Für Frauen bedeutete diese Freiheit jedoch lediglich, daß sie eine Heirat ablehnen konnten. Aus der Unauflösbarkeit der Ehe ergab sich, daß Eheleute, die das gemeinsame Leben nicht mehr ertrugen, sich trennen durften, was jedoch eine spätere Heirat mit einer neuen PartnerIn ausschloß. Eine Trennung kam praktisch einer Verdammung gleich.

Frauenalltag im Spätmittelalter (1250 - 1500)

In dieser Epoche setzten sich in den gehobenen besitzenden Schichten, den Patriziern und dem Adel, die Kinderehen durch, d.h. die Braut war nur etwa zehn bis vierzehn Jahre alt. Dies hatte den "Vorteil", daß die Eltern und Verwandten des Mädchens praktisch unabhängig von ihr den Ehemann bestimmen konnten. Für die besitzlosen Teile der Bevölkerung spielte die Kinderehe keine Rolle. Auch während dieser Epoche wurde die Ehe-Ideologie maßgeblich von der Kirche beeinflußt. Diese schrieb die Unterordnung der Frau immer deutlicher vor, dabei stützte sie sich auf zahlreiche Bibelstellen wie diese: "Ordnet einander unter in der Furcht Christi, die Frauen ihren Männern wie dem Herrn ....."(Eph.5.31). Aus Gerichtsakten dieser Zeit läßt sich entnehmen, daß eine relativ große Zahl von Frauen und ihren Angehörigen Ehemänner wegen roher Gewaltanwendung, die bis zum Totschlag ging, anklagten. Die Klagen wurden jedoch meistens abgewiesen, da den Frauen oft ein Verstoß gegen ihre ehelichen Pflichten nachgewiesen werden konnte. Außerdem häuften sich Fälle von Todesurteilen gegen Ehebrecherinnen, während der Ehebruch von Männern als straffrei erklärt wurde. Die Überwachung der Sexualität in den unteren Schichten war eher gering; hier mußten sich allerdings immer mehr Frauen aus Armut prostituieren.
Die Repression gegenüber Frauen mit unehelichen Kindern wurde im Verlauf der spätmittelalterlichen Phase immer strenger. So drohte vielen Müttern unehelicher Kindern in weiten Teilen Europas die Todesstrafe. Dieses Schicksal traf vor allem viele Prostituierte, sofern sie sich nicht den Praktiken der Empfängnisverhütung oder Abtreibung bedienten. Bedingt durch die starke Repression brachten viele ledige Mütter ihre Kinder um.


2. DIE FRÜHE NEUZEIT

In der vorindustriellen Zeit standen bei Eheschließungen vor allem wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Dies galt sowohl für Bauern- und Handwerkerfamilien als auch für den niederen Adel. Die vorrangigen Ziele bei einer Heirat waren die materielle Versorgung der Familienmitglieder und die Weiterführung des Geschlechts. Emotionale oder sexuelle Einflüsse hatten für die Ehe keinerlei Bedeutung. Die entscheidenden Faktoren für die Wahl eines/r EhepartnerIn war die zu erwartende Arbeitskraft, die in der Hauswirtschaft benötigt wurde, sowie das in die Ehe zu bringende Kapital (Mitgift, Erbe). Die Wahl der EhepartnerInnen war sehr stark institutionalisiert, d.h. sie unterlag einer großen Kontrolle durch die soziale Umgebung. Die Eheschließungen wurden auch von weiteren übergeordneten Institutionen (Grundherren, Gemeinde, Kirche) überwacht. So mußten abhängige Bauern eine Heiratsbewilligung ihres Grundherrn einholen und für die Erteilung des Ehekonsens (so hieß die Bewilligung) eine relativ hohe Gebühr entrichten.Insgesamt läßt sich für die gesamte frühe Neuzeit sagen, daß die ausgeprägte soziale Kontrolle der Eheschließungen der Notwendigkeit entsprach, den begrenzten Nahrungsspielraum durch die Einschränkung der Ehefähigkeit zu sichern.
Im Gegensatz hierzu hatte die Fortpflanzung innerhalb der besitzenden Schichten eine große Bedeutung. Kinder bedeuteten in diesen Schichten Nachwuchs an Arbeitskräften sowie die Garantie für eine Altersversorgung der Angehörigen. Aus der großen wirtschaftlichen Notwendigkeit von Kindern resultierte ein Zwang zur Fortpflanzung und die soziale Verpflichtung der Frau zur Mutterrolle. Ebenfalls damit verknüpft war die unbedingt geforderte Fruchtbarkeit der Frauen, die in manchen Gegenden mit dem Ritus des "Probeliegens" überprüft wurde. Eine unfruchtbare Frau hatte praktisch keine Möglichkeit, einen Mann zu finden.
Während dieser geschichtlichen Periode wurden Heiraten nur innerhalb eines bestimmten sozialen Milieus vollzogen. Teilweise läßt sich dies mit der eminenten Bedeutung der EhepartnerInnen für die jeweilige Hauswirtschaft erklären (besonders in Handwerker- und Bauernfamilien). So heiratete ein Schreiner gerne die Tochter eines Schreinermeisters, da diese schon berufsspezifische Erfahrungen besaß.
Resultierend aus der restriktiven Heiratspolitik gegenüber Dienstboten und einem oft recht hohem Heiratsalter ist davon auszugehen, daß eheliche Sexualität für viele Menschen erst sehr spät oder oft gar nicht möglich war. Zahlen der Kinder aus unehelichen Verhältnissen, die oft von Tal zu Tal stark differierten, lassen darauf schließen, daß es in Europa keinen einheitlichen Standart der sozialen und sexuellen Beziehungen gab, sondern weisen auf sehr unterschiedliche Normen und die damit verbundenen Kontrollmechanismen hin. Trotz einer recht hohen Zahl außerehelicher Kinder kann man nicht auf einen hohen Grad von Sexualisierung schließen, denn diese Zahl ist nur Ausdruck des sozial- und wirtschaftlich bedingten Ausschlusses eines Teils der Bevölkerung von der Möglichkeit zu ehelicher Sexualität. Das eheliche Sexualleben war hauptsächlich auf reinen Geschlechtsverkehr zur Fortpflanzung reduziert. Zärtlichkeit spielte für die eheliche Sexualbeziehung keine Rolle. Küssen und andere Zärtlichkeiten galten als unmännlich und waren lediglich der Mutter-Kind-Beziehung zugewiesen.
Ein völlig gegensätzliches Verhältnis zu Sexualität und Ehe fand mensch in den privilegierten Schichten des Hochadels und bei den Bediensteten an den großen Fürsten- und Königshöfen. Hier setzte sich schon sehr früh eine hedonistisch-ästhetische Auffassung von Liebe und Sexualität durch, da es in den gehobenen Schichten keine Disziplinierung durch wirtschaftliche Notwendigkeiten gab. Es setzte sich ein Dualismus von ehelicher und außerehelicher Liebe und Sexualität durch, wobei erotische Wünsche in der Regel in außerehelichen Beziehungen befriedigt wurden. Die Ehe galt als "vernünftige Ordnung der Sittlichkeit", die von der Kirche geboten wurde.Vor allem im italienischen und französischen Hochadel waren die Ehe als vernünftige Ordnung und Liebe als erotisch-sexuelle Beziehung unvereinbar. Außereheliche Beziehungen beeinträchtigten kaum den Fortbestand einer Ehe und wurden im Grunde als selbstverständlich empfunden (eine adelige Frau ohne Geliebten konnte nur reizlos sein; ein adeliger Mann ohne Mätresse war entweder impotent oder finanziell ruiniert.)

3. INDUSTRIALISIERUNG

Bis weit ins 19. Jahrhundert übten Kirche und weltliche Obrigkeit eine straffe Kontrolle aus. Mit der Entwicklung des Absolutismus wurde die Eheschließung vermehrt unter staats- und bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten geregelt. Heiraten mit Ortsfremden oder Nichtansässigen wurden behindert oder gar verboten. Vielerorts machte man eine Heirat vom Nachweis eines Mindestvermögens abhängig, um die Vermehrung von Armengenössigen zu verhindern. Wohnungsnot oder das Warten auf das väterliche Erbe waren weitere Ehehindernisse.Wirtschaftliche und staatliche Ehebeschränkungen führten im 18. und im 19. Jahrhundert zu zwei Tendenzen: Viele Frauen und Männer blieben zwangsweise ledig, und wenn geheiratet wurde, dann meist spät. Das mittlere Erstheiratsalter von Männern in der Schweiz lag zwischen 27 und 29 Jahren, was angesichts der damalig niedrigen Lebenserwartung schon ein recht hohes Alter war.
In den Städten reifte im 19.Jahrhundert ein Typ der bürgerlichen Familie heran, der historisch Karriere machen sollte. Er unterschied sich in einem zentralen Strukturmerkmal von der Bauern- und Handwerkerfamilie: Wohnung und Arbeitsstätte waren getrennt; die Produktion fand nicht mehr in der Familie, sondern außerhalb statt. Es entwickelte sich das Prinzip der strengen Trennung zwischen Dienstlichem (Öffentlichem) und Privatem. Die Produktionsfunktion der Familie wurde ersetzt durch die Erholungs-(Rekreations-) und Entlastungsfunktion; die häusliche Geborgenheit diente als Zufluchtsstätte nach den Mühen des Arbeitstages; die Familie wurde zu einer Gemeinschaft für Konsum, Freizeit und Entspannung. Mit der Industrialisierung verlor die Ehe ihre ökonomische Bedeutung und erhielt eine neue Grundlage. Die Gatten konnten sich auf ihre Intimbeziehungen und die Aufzucht der Kinder konzentrieren.
Das bürgerliche Familienideal verschärfte die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, denn die Aufspaltung in Privatheit und Öffentlichkeit führte zu einer Neudefinition der Geschlechterrollen. Dem Mann wurde die Rolle als Ernährer zugeschrieben, er war zuständig für die "Außenwelt". Der Frau fiel die dienende Rolle in der "Innenwelt " der Familie zu: sie war für die häusliche Gemütlichkeit verantwortlich, hatte die Kinder zu erziehen und - möglichst liebevoll - für den Ehemann zu sorgen. Es bildete sich das überaus folgenreiche patriarchalisch-hierarchische Geschlechterverhältnis heraus.
Das aufstrebende Bürgertum des 18. Jahrhunderts versuchte erstmals, Liebe, Sexualität und Ehe zu einem Gesamtpaket zu schnüren. Genau dies war das Neue am bürgerlichen Ehemodell, das in der Romantik seine klare Fassung erhielt und das in einer ganzen Flut von Eheratgebern vermittelt wurde. Die (romantische) Liebe wurde allmählich zum einzig gültigen Anlaß und Motiv. (Nichts desto trotz waren auch materielle Aspekte bei der Eheschließung durchaus bedeutsam.) Erstmals war auch sexuelle Erfüllung wichtiger Faktor einer guten Ehe, die allgemein eine Emotionalisierung und Intimisierung erfuhr. Zärtlichkeit zwischen den Partnern wurde integriert und es gab einen starken Bedeutungszuwachs der Rolle des Kindes. Erstmals sprachen sich die Ehegatten mit Du an, später auch die Kinder ihre Eltern Die Kindheit als Lebensabschnitt wurde entdeckt, von der Erwachsenenwelt fürsorglich abgetrennt und zur pädagogischen Provinz erklärt. Es gibt nicht länger nur Prügel; jetzt genießt das Kind Erziehung. Ebenfalls entwickelte sich die Betonung eines häuslichen Ehe- und Familienlebens nach gutbürgerlicher Sittlichkeit.
Dieses Ehemodell einige unwiderrufliche Konsequenzen: So nahm der Einfluß der Eltern und übrigen Verwandten auf die Partnerwahl weiter ab. Liebe läßt sich nicht befehlen, und wenn eine Ehe auf Liebe gegründet wird, muß die Wahl des Ehepartners der jungen Generation überlassen werden. Eine allgemeine Stärkung individueller Werte förderte die Unverwechselbarkeit der PartnerInnen. Die Eheschließung, aber auch das Eheleben, wurden immer mehr zur «Privatsache» der Beteiligten. Damit ging der Einfluß der Kirchen immer stärker zurück.Eine Konsequenz der Liebesehe war, daß damit auch eine Eheauflösung in Frage kam. Wenn die eheliche Liebe Fundament und Sinn einer Ehe ist, wird die Ehe sinnlos, wenn die Liebe verschwunden ist. Weshalb also eine sinnentleerte Beziehung weiterführen? Mit dem Durchbruch der Liebesehe mußte schließlich die Legitimität einer Ehescheidung akzeptiert werden. Die wachsende Scheidungshäufigkeit läßt sich deshalb als soziologische Konsequenz des Sieges der Liebesehe interpretieren.
Im Grunde ist die bürgerliche Liebesehe, die das heutige Eheverhalten bestimmt, ein Versuch, Feuer und Wasser zu mischen. Die Idee, die Ehe (als Institution) mit der Liebe (als Gefühl) zu koppeln, war insofern erfolgreich, als sich dieses Modell im 20. Jahrhundert voll durchsetzte, denn die bürgerliche Ehe wurde nach und nach zu einem Leitbild für alle sozialen Schichten.

4. NATIONALSOZIALISMUS

Um die Fortpflanzung des deutschen Volkes zu sichern, gab es eine gezielte Förderung von Eheschließungen mittels groß angelegter Programme. Seit Juni 1933 konnten Hochzeitspaare ein großzügiges Ehestandsdarlehen erhalten, wobei sich der zurückzuzahlende Betrag mit der Anzahl der Kinder verminderte. Nach vier Geburten galt es als "abgekindert". Das Geld erhielten nur gesunde "arische" Paare, deren politische Einstellung stimmte. Nach Meinung der Nationalsozialisten konnte die Erziehung im Hinblick auf die Ehe gar nicht früh genug beginnen. Deshalb wurde eine spezielle Mädchenerziehung entwickelt, so daß Handarbeiten, Hauswirtschaft, Säuglingspflege und Rassenbiologie zu nur für Mädchen verbindlichen Unterrichtsfächern wurden. Neben Beschränkungen für die Zulassung zum Abitur und der Quote von höchstens 10% für weibliche Studienanfängerinnen führte man ein hauswirtschaftliches Pflichtjahr ein, welches jede ledige Frau vor einer Berufsausbildung zu absolvieren hatte. Man verdrängte Frauen nahezu komplett aus dem öffentlichem Raum und nötigte Frauen zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes, damit sie ihre Funktion als Hausfrau und Mutter erfüllen konnten.
Von allen Frauen wurde die Heirat erwartet. Nicht zu heiraten oder kinderlos zu bleiben, galt als verwerflich und die betreffenden Frauen wurden beschuldigt, dem Volk gesunde Kinder vorzuenthalten. Das nationalsozialistische Frauenideal waren "Weiber, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen". Abtreibung galt als besonders scheußliches Verbrechen und wurde - außer bei jüdischen Frauen - schwer bestraft. Gezielte Propaganda und verschiedene Aktionen erinnerten Frauen an ihre wichtigste staatsbürgerliche Aufgabe. Man reduzierte Frauen gänzlich auf ihre Mutterrolle, deren Glorifizierung sich in der Verleihung des Mutterkreuzes für "herausragende Gebärleistungen" manifestierte. Neben der Durchführung von Erholungsaufenthalten für Mütter und Kinder wurden kinderreiche Familien finanziell mit Kindergeld und Steuerfreibeträgen unterstützt (Steuerfreiheit ab fünf Kindern) und man gründete zahlreiche offizielle Stellen, wie z.B. der Reichsmütterdienst, der Kurse in Säuglingspflege und Kindererziehung organisierte. Insgesamt jedoch wurde die Familie nicht als private Einheit angesehen, sondern als konservativ-bewahrendes Element im Volkskörper. Die Ehe wurde nicht - wie im Bürgertum - als eine Entscheidung zweier Individuen aus Liebe angesehen, sondern stand unter politischer Verantwortung. Sie unterlag der Rassenpolitik und das Gebären von Kindern wurde als nationale Aufgabe verstanden. Die personengebundene familiäre Liebe sollte auf die Volksgenossen und den deutschen Volkskörper übertragen werden.

5. GEGENWART

The golden age of marriage

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Anzahl der Eheschließungen in Deutschland ihren Höhepunkt. Bei der großen Mehrheit der Bevölkerung galten Ehe und Familie als kulturelle Selbstverständlichkeit und zumeist als Merkmal der Vollendung der Erwachsenwerdung. Das Heiratsalter sank deutlich und der Anteil der Ledigen reduzierte sich auf einen historischen Tiefstwert. Insbesondere in den 60er Jahren, dem "golden age of marriage", ist den Statistiken eine überwältigende Ehefreudigkeit zu entnehmen. Ihnen zufolge haben 95% der Bevölkerung wenigstens einmal im Leben geheiratet und wurden ca. 94% aller Kinder ehelich geboren. Es war nahezu selbstverständlich, einmal zu heiraten, sich fruchtbar zu mehren und das Leben, wenn nicht vergnügt, so doch mit dem oder der Angetrauten hinter sich zu bringen. Die Familie war ein millionenfach selbstverständlich gelebtes Grundmuster, und bis weit in die 60er hinein erschien sie als die einzig normale, gesellschaftlich "richtige" und rechtlich legitimierte private Lebensform, zumal sowohl voreheliche Sexualität als auch nichteheliches Zusammenleben (sogenannte "wilde Ehe") verpönt waren. Ehe und Familie wurde als Institution eine grundlegende Bedeutung zugesprochen. Dies zeigte sich im verfassungsgemäß verankertem Schutz von Ehe und Familie in Art.9 des Grundgesetzes sowie in Art. 6 und 13, die die staatlich geschützte Autonomie gewährleisteten und den spezifisch privaten Charakter der Familie unterstrichen. Die Einrichtung eines Familienministeriums (1953) und eine Vielzahl von familienpolitischen Maßnahmen (etwa Kindergeld, Steuerpolitik, Wohnungspolitik) sollten der Stützung und Stabilisierung der Familie dienen und zeigten deren exponierte gesellschaftliche Bedeutung. Charakteristisch war auch - bedingt durch die Trennung von Arbeitsplatz und Wohnung - für die Ehe des 20.Jahrhunderts eine spezifische Rollenverteilung zwischen den Ehegatten, wobei als Folge einer historischen Entwicklung die Frau für die Reproduktion zuständig war: Während die Frau als Hausfrau und Mutter fungierte und im häuslichen Kreis herrschte, verließ der Mann tagsüber die Familie, mußte hinaus ins feindliche Leben, wurde zum vollerwerbstätigen Teilzeitvater und Familienernährer. Diese Trennung zwischen Produktion (Mann) und Reproduktion (Frau) war sogar gesetzlich festgeschrieben und erst 1977 wurde der Begriff "Hausfrau" aus dem Gesetz gestrichen.
Die Liebesgemeinschaft war von Anfang an patriarchal organisiert und ging zu Lasten der Frau. Nicht die Poesie der Herzen, wohl aber die Prosa der Verhältnisse spricht aus dem Ehe- und Familienrecht, das Frauen entmündigte: Bis 1957 war der Mann befugt, ein von der Frau eingegangenes Arbeitsverhältnis zu kündigen. Der Mann besaß ein Recht auf den geschlechtlichen Zugriff: Noch 1967 verlangte der Bundesgerichtshof von einer Frau, den ehelichen Beischlaf nicht teilnahmslos oder widerwillig, sondern in Zuneigung und Opferbereitschaft zu vollziehen. Fast 50 Jahre brauchte der Rechtsstaat bis zu dem Versuch, sexuelle Gewalt auch in der Ehe unter Strafe zu stellen. Erst 1976 wurde ein Paragraph des BGB abgeschafft, wonach die Frau nur dann erwerbstätig sein durfte, wenn dies "mit ihren Pflichten in Ehe und Familie" vereinbar" war.

Pluralisierung von privaten Lebensformen

Ende der sechziger Jahre begann in allen hochindustrialisierten Ländern die bürgerliche Ehekonstruktion mit ihrer Einheit von Sexualität, Zusammenleben und Kindern auseinanderzufallen. Es wurden voreheliche sexuelle Erfahrungen in der jungen Generation populär. 1978 erfolgte im Rahmen des neuen Kinderechts die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder, auch was Erbansprüche betrifft. In den siebziger Jahren wurden nichteheliche Lebensgemeinschaften unter jungen Leuten beliebt, und die Heiratsraten sanken entsprechend. Seitdem gilt auch Nicht-Heiraten als zunehmend selbstverständliches Verhaltensmuster (Anteil der Nicht-Heiratenden in der BRD bei momentan über 40 %) und es zeigt sich eine wachsende Zahl von Singles und Ehen ohne Trauschein, deren Anzahl sich in den letzten 20 Jahren mehr als verzehnfacht hat. Gleichzeitig setzte sich im Zuge der bürgerlichen Neuen Frauenbewegung der Anspruch auf eine partnerschaftliche Ehe immer stärker durch; eine Entwicklung, die mit dem Inkrafttreten des neuen Eherechts 1988 rechtlich verankert werden sollte. Neben der geringeren Zahl der Eheschließungen ist ein Trend zum biographischem Aufschub der Ehe zu erkennen, welches im durchschnittlich gestiegenem Heiratsalter deutlich wird. Parallel zum kulturellen Geltungsverlust des herkömmlichen Ehemodels hatte ab 1966/67 zudem die Zahl der Scheidungen rasant zugenommen, die mittlerweile zum massenstatistischem Phänomen geworden sind. Momentan währt die durchschnittliche Ehe etwa 12 Jahre lang; jede dritte Ehe in der BRD endet vor Gericht. Wurde früher die Ehe selbstverständlich für das ganze Leben geschlossen ("bis daß der Tod euch scheidet"), tritt an die Stelle lebenslanger Monogamie eine sequenzielle Monogamie, die auf einen bestimmten Lebensabschnitt(spartner) beschränkt ist. Die Idee der Ehe als unauflösliche Institution ist grundsätzlich erschüttert und in den siebziger Jahren wurde deshalb schon das Ende der Ehe prophezeit. Mit der Lust an der Ehe schwand auch die Lust am Kind. Derzeit sind von knapp 20 Mio. Ehepaaren fast die Hälfte ohne Nachwuchs und die Zahl kinderloser Ehen nimmt stetig zu: Beim Eintritt ins nächste Jahrhundert dürfte bereits jede fünfte Ehe dauerhaft ohne Kind sein. Parallel dazu gibt es einen Rückgang bei den Mehrkinderfamilien und einen Bedeutungsverlust der Mehrgenerationenfamilie und auch trotz eines Anstiegs von alleinerziehenden Müttern und (seltener) Vätern sind die Geburtenquoten insgesamt rückläufig.
Doch zurück zur Ehe, denn trotz der hohen Scheidungsraten ist von einer endgültigen Absage an diese Institution nichts zu erkennen. Alles deutet darauf hin, daß die Trennungsbereitschaft vornehmlich die rasant gestiegenen Ansprüche an die Beziehungsqualität widerspiegelt und keinesfalls einen Bedeutungsverlust der Partnerschaft anzeigt. Die an die Ehe gerichteten Erwartungen der Paare steigen, was mit einer Idealisierung von Leitbildern hinsichtlich Geborgenheit und Sexualität einhergeht. Die Ehe soll allen Ernstes glücklich machen. Insgesamt bedeutete die Ausbreitung alternativer und nichtfamilialer Lebensformen keineswegs den Niedergang der Ehe oder der Familie, denn nur von einer kleinem Minderheit werden Alleinerziehende, kinder- oder ehelose Lebensformen als idealer und dauerhafter Privatheitsstatus angesehen. Das Kleinfamilienmodell ist in seinem Monopolanspruch zwar relativiert, bleibt aber für die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Fixpunkt und Leitbild.

3.) Kritik der Institution Ehe

a) Das Interesse des Staates an der Ehe

Daß die Ehe nicht Ort tiefster Zuneigung und wahrer Liebe, sondern eine staatliche Institution ist, wird schon an ihrer Verankerung im § 6 des Grundgesetzes deutlich. Dort heißt es:

1) Ehe und Familie stehen und dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.
2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Desweiteren weisen unzählige Gesetze, die über Vollzug, Ablauf und Beendigung von Ehen bestimmen, auf ihre staatliche Institutionalisierung hin. Der Staat hat also vielfältige Eingriffsmöglichkeiten in die Ehe - den angeblichen Ort völliger Privatheit. Durch die Gewährung von Privilegien (z.B. höchster Grad der Autonomie bei der Aufzucht des Nachwuchses, Ehegattensplitting etc.) wird von staatlicher Seite versucht, die Ehe als bevorzugte private Lebensform zu erhalten. Doch welches Interesse hat der Staat an der Institution Ehe?
Mit der Durchsetzung des Kapitalismus und der Industrialisierung verlagerte sich der Ort der Produktion aus dem häuslichen Bereich in die Fabriken, also einen öffentlichen Bereich. Es kam zu einer strikten Trennung von Produktions- und Reproduktionssphäre(1) . Die einzelnen KapitalistInnen gewährleisteten mit dem Lohn zwar die materielle Grundlage der Reproduktion der ArbeiterInnen, jedoch nicht die notwendigen konkreten Reproduktionstätigkeiten, wie etwa Nachwuchsaufzucht, Putzen oder Kochen. Dieses ist Aufgabe des bürgerlichen Staates in seiner Funktion als ideeler Gesamtkapitalist, der die Reproduktion zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise und des gesamten gesellschaftlichen Lebens regeln muß. Ehe und Familie sind der staatlich bestimmte Ort der individuellen Reprodukion. Hier findet eine funktionale Aufgabentrennung zwischen den EhegattInnen statt. Auf Grund historischer Entwicklungen wird dem Mann die Produktionssphäre und damit der öffentliche Raum zugeschrieben, während die Frau in die Privatheit abgedrängt wird, indem ihr die Reproduktion übertragen wird, was mit der Gebährfähigkeit von Frauen legitimiert wird.
Ebenso ist es Aufgabe des Staates Bevölkerungspolitik zu betreiben, was heißt, daß der Staat die Zurverfügungstellung einer ausreichend großen und qualifizierten Masse an Menschenmaterial für die Produktion gewährleisten muß. Die Zurichtung der Menschen zu produktiven Gliedern der Gesellschaft erreicht der Staat einerseits durch die Einrichtung eines Bildungswesens und Schulpflicht und andererseits durch einen Erziehungsauftrag an die Familie (s.§ 6 des Grundgesetzes). Aufgabe dieser ist also die Sozialisation des Nachwuchses, die Einführung der Kinder in Regeln und Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Aufzucht und Erziehung des Nachwuchses nach der Erzeugung dieses auch wirklich passieren, garantiert die staatlich definierte Gleichsetzung von sozialer und biologischer Mutterschaft, somit ist die Frau die ein Kind gebärt auch für dessen Überleben und Aufzucht verantwortlich.
Damit überhaupt ausreichend Kinder geboren werden räumt der Staat den Eltern finanzielle Privilegien wie Kindergeld und Kinderfreibetrag ein. Gleichzeitig wird in Zeiten der Geburtenflaute an eine steuerliche Belastung von Singles und kinderlosen Paaren zu Gunsten von Verheirateten mit Kindern gedacht.
Als repressives Instrument der Bevölkerungspolitik dient dem Staat der § 218. Dieser spricht der Frau ihr Selbstbestimmungsrecht auf ihren Körper ab, indem er Abtreibungen unter Strafe stellt (2). Somit wird die Entscheidung darüber, ob ein Kind ausgetragen wird nicht Sache der Frau, sondern wird staatlich geregelt. Besonders erfolgreich betreibt der Staat Bevölkerungspolitik mit Hilfe des § 218 über die Institution der Ehe, da verheirateten Frauen ein Schwangerschaftsabbruch verstärkt erschwert wird.

b) Nationale Ideologie und Ehe

Die Ehe ist jedoch nicht nur Ort der individuellen Reproduktion und Produktion von Menschenmaterial für das Vorantreiben der Verwertung des Werts, sondern auch Gegenstand nationalistischer und völkischer Interessen. Der Nachwuchs den die Familie hervorbringt soll nicht nur im Hinblick auf seine offensichtliche Verwertbarkeit optimal sein, was humangenetische Beratung bzw. Pränataldiagnostik(3) gewährleisten, sondern auch den Bestand der Nation sichern, welche nur ein gedankliches Konstrukt darstellt. Der nationalistischen Deutschtums-Ideologie zur Folge sind alle die Glieder der deutschen Nation, die deutsches Blut in ihren Adern haben, deren Vorfahren also deutsch waren.
Innerhalb dieser Deutschtums-Ideologie wird auch die Ehe zur Erhaltung des deutschen Volks instrumentalisiert(4). So gibt es ein großes Interesse das Deutsche heiraten und sich vermehren, was sich an Einrichtungen wie der Verleihung des Mutterkreuzes an Frauen mit fünf Kindern und der Übernahme der Patenschaft durch den Bundespräsidenten bei Frauen mit sieben Kindern zeigt. Derartige "Auszeichnungen" und die moralische Verurteilung kinderloser Paare, steht in direkter Kontinuität zur nationalsozialistischen Familienpolitik (vgl. den Abschnitt über den NS im Geschichtsteil). Insgesamt lassen sich deutliche Analogien zwischen der nationalsozialistischen Bevölkerungspolitik und der des postfaschistischen Deutschlands erkennen. Ziel dieser ist die Vergrößerung und qualitative Verbesserung des deutschen Volkskörpers. Völkische, pronatalistische Familienpolitik und Eugenik-Diskurs(5) verweisen eindeutig auf den nationalistischen, völkischen Charakter der Politik im postfaschistischen Deutschland.
Diese Ideologie findet ihre logische Ergänzung in der neuesten Idee AsylbewerberInnen die Heirat mit Deutschen zu verbieten. Einher mit dem Interesse an einer großen Masse deutschen Nachwuchses geht der Versuch, die Vermehrung von AusländerInnen auf deutschem Boden zu unterbinden.
Da kommen plötzlich raffgierige Fremde nehmen uns unsere deutsche Frauen weg, um das zu kassieren, was wir seit Jahren für unsere Nation erwirtschafttet haben und in einem solchen Land werden die Bürger auch noch um das letzte, was ihnen zusteht, betrogen, zu Gunsten von vagabundierenden Schmarotzern. So etwa der Inhalt einer Bütten-Rede beim diesjährigen Kölner- Karneval, die durch den tosenden Applaus des ganzen Saals kommentiert wurde.

4.) Die Ideologie des Gewaltverhältnisses Ehe

Geheiratet wird jedoch nicht auf Grund staatlichen Zwangs, welcher auch gar nicht erforderlich ist, denn die Individuen der bürgerlichen Gesellschaft als StaatsbürgerInnen haben die Ehe längst als Norm der bürgerlichen Existenz verinnerlicht. Trotz steigender Scheidungsraten wird der Institution Ehe keine Absage erteilt sie sind vielmehr Ausdruck eines gesteigerten Anspruchs an sie.
Warum der Wunsch zu heiraten zu dem der bürgerlichen Individuen geworden ist, welche unterschiedlichen Interessen Frauen und Männer an der Ehe haben müssen, wie sich die Konstituierung der geschlechtlichen Identität gerade im Prozeß der Eheschließung vollzieht und warum die Ehe notwendig ein Gewaltverhältnis darstellt ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.

a) Das Vertragsverhältnis als Norm des bürgerlichen Privatlebens

Das Ergebnis der totalen kapitalistischen Vergesellschaftung ist die Warenförmigkeit der sozialen Beziehungen aller ihrer Glieder. Seinen ins äußerste gesteigerten Ausdruck findet dieser Prozeß im Vertragsverhältnis der Ehe. Hier schwören sich zwei Menschen ihre Liebe und lebenslange Treue mit der Unterzeichnung eines von der Staatsgewalt abgedeckten Vertrags. Mit diesem Vertrag wird besiegelt, was die Ehe während ihres gesamten Verlaufs darstellt, ein Tauschverhältnis von Dienstleistungen zwischen einer Frau und einem Mann. Während der Mann als Repräsentant der öffentlichen Sphäre die materielle Versorgung der Frau und der Kinder gewährleistet, der Frau Sicherheit gibt, den Status der Frau bzw. Familie bestimmt (Arztfrau bzw. -familie) und der Frau ihre Identität als solcher gibt, sorgt die Frau für die Reproduktion des Mannes, bietet ihm ihren Körper zur Auslebung seiner Sexualität und befriedigt seinen Wunsch nach vollständigem Besitz an der Frau durch Unterwerfung unter seinen Willen. Zu diesen unterschiedlichen Anforderungen innerhalb des Tauschverhältnisses kommt es auf Grund einer geschlechtsdifferenzierten Rollenzuschreibung innerhalb der bürgerlich-patriachalen Gesellschaft, deren zentrales Merkmal die strukturelle Machtungleichheit zwischen Männern und Frauen ist.
Der Wille zur Eheschließung läßt sich häufig auf eine ökonomische Notwendigkeit zurückführen. Dieser Beweggrund ist in der Regel jedoch nur bei Frauen zu finden. Sie können sich auf Grund der geschlechtspezifischen Aufteilung der gesellschaftlich notwendig zu verrichtenden Arbeit in Produktions- und Reproduktionsbereich nicht materiell versorgen. Desweiteren hindert die Notwendigkeit Kinder aufzuziehen Frauen häufig daran, ihre Arbeitskraft in hinreichendem Maß zu verkaufen.
Die Frau in der bürgerlichen Gesellschaft ist grundsätzlich auf eine Objektrolle zurückgeworfen. Sie dient dem Mann als Objekt seiner Machtbestätigung durch Anmachen, direkte sexuelle Übergriffe oder sprachliche Diskriminierung ("Ich sag es ja immer; Frauen und Technik"). Indem sie sich durch Eheschließung zum Privatbesitz eines Mannes macht, kann sich die Frau durch totale Objektwerdung in gewissem Umfang dem Status als Objekt männlicher Machtausübung entziehen. Der Mann gewährleistet somit durch Heirat die Sicherheit der Frau, er überführt das Freiwild in seinen Privatbesitz. Da Privateigentum nun einmal anerkannter Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft ist, kann sich die Frau durch Heirat der Konkurrenz der Männer um sie entziehen.
Desweiteren erlangen Frauen volle gesellschaftliche Anerkennung erst als Ehefrauen. Der Wert einer Frau bestimmt sich nämlich erst durch das Maß ihrer Anerkennung bei Männern. In der einleitenden Vorstellung der Hauptpersonen aller TKKG-Romane, findet sich bei der Charakterisierung Gaby Glockners kein einziges Wort zu ihrer Person. Sie wird lediglich als Tochter von Kommisar Glockner und Freundin von Tarzan eingeführt.
Während unverheiratete Männer ihrer Freiheit, Unabhängigkeit und Jugendlichkeit bewahren wollen, haben Frauen eben keinen abgekriegt. Sie sind also weniger Wert, weil sich kein Mann für sie interessiert. Der Status einer Frau steigt indem Maße der gesellschaftlichen Anerkennung ihres Mannes. Sprachlich zeigt sich dies in der Anrede Fräulein für unverheiratete Frauen, die eben außerhalb der Ehe keine richtigen Frauen sind. Ein männliche Äquivalent zu Fräulein existiert nicht.
Während die materielle Absicherung durch die Ehe für die Frau eine bedeutende Rolle spielt, ist dieser Aspekt für das Interesse des Mannes an der Ehe zu vernachlässigen. Natürlich sorgt die Frau für seine Reproduktion, doch könnte eine Haushälterin diesen Zweck im gleichen Maße erfüllen. Zentral ist vielmehr das Interesse an der völligen Unterwerfung der Frau, die Bestätigung der eigenen Macht durch den totalen Besitz an ihr.
Eine Szene aus "Titanic" verdeutlicht genau dieses Interesse des Mannes. Cal Hockley legt seiner Verlobten Rose, die vor dem Spiegel sitzt, ein schweres Diamantkollier Ludwig des 16. um den Hals, das ihn ein Vermögen gekostet haben muß. Er betrachtet sich neben der so eben beschenkten, Feindseligkeit signalisierenden Rose im Spiegel: " Ich kann dir alles schenken, alles was du willst, aber öffne dein Herz für mich, Rose."
Der Mann verlangt nach Unterwerfung der Frau, gerade geistig, sie soll sich seiner Herrschaft unterwerfen wollen, um sich seines Besitzes an ihr sicher zu sein. Hierin besteht das primäre Interesse des Mannes an der Ehe. Durch den vertraglich abgesicherten Besitz kann er immer wieder seine Macht an ihr bestätigen.
Besonders krass zeigt sich dies im Recht des Mannes zum sexuellen Zugriff auf den Körper der Frau. Ihr Körper stellt nicht nur die gesicherte Sexualressource des Mannes dar, sondern immer auch den Ort an dem der Mann ihre Unterwerfung praktisch durchführen kann.
Die einmal unterworfene, vollständig Besitz gewordene Ehefrau verliert für den Mann an Reiz, was sich darin zeigt das sich längere Zeit verheiratete Männer in den meisten Fällen eine Geliebte halten. Die Ehefrau bleibt für die Aufzucht der Kinder, die seinen Namen weiterführen sollen, die Erledigung seiner Reproduktion und potentielle Ressource seiner Lustbefriedigung.
Aus der Rolle die sowohl Frauen als auch Männer in der bürgerlichen Gesellschaft zu erfüllen haben ergibt sich also die Notwendigkeit zu heiraten. Dies erklärt, warum der Staat, der ein großes Interesse an der Ehe hat, niemanden zum heiraten zwingen muß, denn die Ehe ist zur individuellen Norm der BürgerInnen geworden.


b) Die Konstituierung der geschlechtlichen Identität in der Ehe

Das heute hegemoniale dichotome Geschlechtermodell, das die Existenz zweier fundamental verschiedener Geschlechter behauptet, ist historisch im Zuge der Aufklärung in der bürgerlichen Moderne entstanden. Der Körper wurde zur Grundlage des Geschlechts, was sowohl zu einer Gleichsetzung von biologischem und gelebtem Geschlecht, als auch einer in der Biologie begründeten Geschlechterdifferenz in allen Bereichen des Körpers und Verhaltens(6). Diese Geschlechterdifferenz als Teil des neuen bürgerlichen Menschenbildes ermöglichte es dem, mit der Genese des Kapitalismus neu entstandenen und gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer wichtiger werdenden Bürgertum, sich nicht nur vom Adel zu distanzieren, sondern auch die Frauen von der Wahrnehmung der Menschenrechte auszuschließen.(7) Das bürgerliche Subjekt zeichnete sich als eigenverantwortlich handelndes, rational denkendes und seine Gefühle und Triebe kontrollierendes Wesen aus. Genau diese Fähigkeiten wurden der Frau jedoch abgesprochen, sie ist ein vom Mann völlig verschiedenes, charakterisiert durch fehlenden Verstand, primäre Gefühlswelt und allgemeine Schwäche. Der Mann wird zum Mensch der Rechte in Anspruch nehmen darf, die Frau wird auf reine Natur reduziert, was auch noch durch ihre Gebährfähigkeit legitimiert wird. Somit kann ihr die Wahrnehmung der Menschenrechte versagt bleiben. Auf diese Weise konnte der Mann die Frau seiner Herrschaft unterwerfen, da sie nur seine sinnvolle Ergänzung darstellte, immerhin gewährleistete sie die Aufrechterhaltung der Art.
Im Laufe der Geschichte wurden den Frauen langsam auch die Bürgerrechte zuteil, was auf der Notwendigkeit ihrer Integration in den kapitalistischen Verwertungsprozeß basierte. Als Bürgerinnen haben sie nun auch Subjektstatus. Diese Entwicklung führte dazu das Frauen in immer währender Schizophrenie leben. Als Bürgerinnen sind sie Subjekte, als Frau jedoch das Andere, bloße Natur. Eine unverheiratete Frau ist permanent dieser inneren Zerrissenheit ausgesetzt. Will sie überleben sich muß sie öffentlich als Mensch auftreten und Subjektstatus erfüllen, zum Beispiel um ihre Arbeitskraft zu verkaufen. In ihrer Identität als Frau bleibt sie auf ihr Geschlecht reduziert, zurückgeworfen auf das bloß Naturhafte.
Der Ausweg aus dieser Schizophrenie für die Frau liegt in der Ehe. Hier kann sie die Notwendigkeit Bürgerin und Subjekt zu sein ablegen und wider ganz Frau sein. Als Ehefrau der Macht des Mannes unterworfen, wird sie wieder zu dem was sie als Frau auszeichnet. Hier ist sie ganz Natur und auf ihr Geschlecht reduziert. Sie sorgt für die Produktion und Aufzucht von Nachwuchs und gibt sich sonst dem Mann hin. Am extremsten vollzieht sich
die Reduktion auf ihr Geschlecht in der Sexualität, hier ist sie nichts anderes als Frau und dient der möglichst erfolgreichen Befriedigung der männlichen Triebe. Ein erfülltes Sexualleben bedeutet für die Frau den männlichen Ansprüchen immer und möglichst erfolgreich gerecht zu werden.
Der Mann dagegen bedarf keiner Frau um sich zu bestätigen, denn bei ihm fällt Subjektstatus und Mann-Sein zusammen. Er kann seiner Erfüllung und Bestätigung im Beruf oder im Sport finden. Jedoch findet er volle Bestätigung in der Unterwerfung der Frau. Mit den anderen Männern konkurriert er um die Frauen, die den höchsten Statusgewinn versprechen. Je jünger, schöner und reiner die Frau, desto höher der ihr Wert für den Mann. Mit der Ehe und der Überführung der Frau in seinen Besitz, entzieht der Mann die Frau dem Einfluß der Konkurrenten und geht als Sieger aus dem Konkurrenzkampf hervor. Nun kann er im Akt der völligen Unterwerfung der Frau seine Macht bestätigen.

c) Das Gewaltverhältnis Ehe

Im Mythos von der "wahren Liebe" der als Beweggrund für eine Heirat angeführt wird steckt immer schon das, daß sich die ParterInnen gegenseitig Eigentum sind, denn in der Vertragsform der Ehe werden Besitzansprüche bezüglich Körper und Handeln der Ehegatten festgeschrieben. Besonders deutlich zeigt sich dies im Recht des Mannes auf sexuellen Zugriff auf den Körper der Frau. Evident wurde die hegemoniale Stellung des Mannes in unserer Gesellschaft und die damit verbundenen sexuellen Rechte an seiner Ehefrau bei der Debatte um die Wiederspruchsklausel, die Männern beinahe die Straffreiheit der Vergewaltigung ihrer Ehefrau erhalten hätte. Frauen haben sich auch außerhalb der Ehe so zu verhalten, daß sie Männer nicht zu Gewalttaten provozieren, womit das "Fehlverhalten der Frau bestraft und männliche Gewalt gegen Frauen legitimiert und sozusagen als zum männlichen Charakter zugehörig dargestellt wird.
In der Ehe wird die Frau gewalttätig in den Bereich der Privatheit abgedrängt und im Akt der eigenen Identitätswerdung auf ihr Geschlecht, also bloße Natur reduziert. Als Objekt männlicher Machtbestätigung ist die Frau permanenter Gewalt ausgesetzt. Die Ehe stellt ein Gewaltverhältnis dar, in dem sich die Herrschaft des Mannes über die Frau manifestiert.

5.) Fazit


Die Ehe als Institution des bürgerlichen Staates ist Ort der individuellen Reproduktion und gewährleistet das Vorhandensein von ausreichendem, genügend qualifiziertem Menschenmaterial. Sie dient also der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise, deren Zweck nicht die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, sonder die Verwertung des Werts, ist.
Im Gewaltverhältnis Ehe manifestieren sich patriachale Strukturen und werden unter dem Deckmantel romantischer Verklärung zur Norm bürgerlichen Zusammenlebens erhoben.

Deshalb fordern wir die Abschaffung der Ehe, samt der Produktionsweise, die sie stützt.


(1) Reproduktion ist die täglich neu stattfindende Wiederherstellung von Individuum und Art und damit des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Sie erhält individuell und gesellschaftlich die Produktivkraft aufrecht. Gleichzeitig ist die Produktion erst materielle Grundlage der Reproduktion (z.B. Nahrungsmittelproduktion). Zur Reproduktion gehören z.B. Erziehung, Bildung, Essen, Schlafen etc.


(2) Es gibt zwar ein neues Abtreibungsgesetz seit Herbst 1995, das Frauen bis zur 12. Woche der Schwangerschaft eine straffreie Abtreibung ermöglicht, hierbei bleibt jedoch trotzdem der Zwang zu einer Beratung bestehen. Also erkennt auch der neue § 218 der Frau die Selbstbestimmung über ihren Körper ab.


(3) Verfahren das feststellt ob Föten Behinderungen aufweisen. Wird dazu verwendet, die Geburt von sogenannten Behinderten zu unterbinden, deren Abtreibung nicht nur legal, sondern erwünscht ist, da sie nur kosten und nicht verwertbar sind.


(4) Ist das Züchten hochwertigen Nachwuchses für die Produktion noch instrumentell vernünftig, wenn auch im Hinblick auf einen irrationalen Zweck, die Produktion um der Produktion willen, so entspringt das Züchten echter Deutscher jedoch reiner Irrationalität.

(5) Die Eugenetik geht davon aus das Menschen sozial wie körperlich durch das Genom bestimmt werden, ihr Ziel ist die Stärkung von Menschen mit guten genetischen Anlagen und die Verdrängung derjenigen mit schlechten genetischen Dispositionen. Gängige Mittel hierfür waren Zwangssterilisationen und Abtreibungen. Ihren Höhepunkt fand die Eugenik im Nationalsozialismus.

(6) Frauen wurden zwar immer als vom Mann abweichend definiert, die Art und Weise wie dies geschah war jedoch recht unterschiedlich. So gab es lange Zeit ein Ein-Geschlecht-Modell, was lediglich graduelle Differenzen zwischen Frauen und Männern annahm. Sowohl Frauen als auch Männer hatten ihre Tage, bei Männern bewies sich dies an Nasenbluten oder blutenden Verletzungen, Frauen hatten zusätzlich die Periode. Die Vagina wurde als der nach innengestülpte Penis definiert. Kleiderordnung, Verhalten und Sitten waren konstitutiv für das Geschlecht und kein als natürlich angenommen Körper. Es soll auch vorgekommen sein das Menschen ihr Geschlechter mehrmals geändert haben.

(7) Das neue Menschenbild des Bürgertums emanzipierte sich von feudalem Geburtsrecht und ständischer Ordnung. Menschen wurde als von Geburt prinzipiell Freie und Gleiche gesetzt. Dieses Menschenbild setzte sich im Zuge der französischen Revolution durch und fand seine Festschreibung in den Menschenrechten.