Gruppe Internationaler SozialistInnen

Gegen IWF und Weltbank ...
aber nicht nur gegen die!
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Von 23.-28. September werden im Rahmen des 55. Jahresgipfels von IWF und Weltbank ca. 20.000 RepraesentantInnen des Kapitals: BankerInnen, Wirtschaftsleute und PolitikerInnen ueber das Schicksal von hunderten Millionen Menschen verhandeln. Ihnen geht es dabei mitnichten um die Beendigung von Hunger und Kinderarbeit, Umweltzerstoerung und sklavInnenaehnlichen Arbeitsverhaeltnissen, sondern nur darum, wie sie ihr Stueck des Kuchens auf Kosten anderer vergroessern koennen - koste es, was es wolle!

Die Austeritaetspolitik des IWF, welche kreditnehmenden Laendern aufgezwungen wird bedeutet nichts weiter als mit Entlassungen einhergehende Privatisierungen, Verringerung oeffentlicher Gesundheits-, Sozial- und Bildungsausgaben, Verteuerung von Grundnahrungsmitteln infolge des Wegfalls von Preisstuetzungen und den Angriff auf gewerkschaftliche Rechte. In deren Gefolge kommt es dann zu drastischen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen, Lohnverlust und Massenentlassungen, Vertreibungen, Hunger, Flucht ... .

Vorstellungen, dass IWF, Weltbank und WTO durch Massnahmen wie z.B. die Forcierung einer weiteren "Liberalisierung der Weltwirtschaft" Armut und Hunger vermindern sollen und koennen werden taeglich propagiert. Die Wirklichkeit sieht anders aus: In einem Zeitalter, in dem mehr denn je genuegend Ressourcen vorhanden sind, um die Menschheit zu ernaehren muessen mehr als 1,3 Milliarden Menschen mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen, ueber 1 Milliarde Menschen hungern und 7 Millionen Kinder sterben jedes Jahr vor ihrem 5.Geburtstag an den Folgen von Mangelernaehrung.

Dieser Zustand hat sich im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte weiter verschlechtert. Der Abstand zwischen den aermsten und reichsten Laendern hat sich seit 1960 verdoppelt. 1965 war das Pro-Kopf-Einkommen in den 7 reichsten Staaten 20 mal so hoch wie in den sieben aermsten Laendern. 1995 betrug dieses Verhaeltnis bereits das 40fache. Diese Tendenz nimmt in den letzten Jahren weiter zu. Absurd ist also die oft propagierte Vorstellung, die "Entwicklungslaender" profitierten jetzt von der "Globalisierung": Die Auslandsverschuldung der "Entwicklungslaender" hat sich seit 1980 mindestens vervierfacht. Von den vorgeblichen Reformzielen der Weltbank ist nirgendwo etwas zu sehen. Kein Wunder angesichts des Konglomerats von IWF, MAI, Weltbank, WTO etc., in dem letztendlich die Industrielaender immer mehr Praesenz, prozentual mehr Stimmen und damit im Ernstfall das letzte Vetorecht haben - und das immer im Sinne des Kapitalismus zusammenarbeiten wird - ganz gleich wie viele Menschen verhungern. Ein solches Zusammenspiel ist per se unreformierbar - eventuelle "Reformen" werden genauso wie der sogenannte Technologietransfer immer die Profite und die Ausbeutung des Weltmarkts vor Augen haben und nur mit diesem Ziel stattfinden.

In juengster Zeit gab es trotz all der "entwicklungspolitischen" Eingriffe der besagten Organisationen ueberall auf der Welt neue Armutsschuebe, besonders in Osteuropa, Asien und Lateinamerika. In vielen Laendern wie z.B. Bulgarien, Rumaenien und Russland ist das Elend gerade in den vergangenen Jahren massiv angewachsen - auch die Zahl der Menschen die verhungern oder erfrieren steigt dort stetig weiter an.

In den westlichen Industrielaendern hat die "neue Masche" des Kapitalismus ebenfalls weitere Verschlechterungen mit sich gebracht: "4,2 Millionen Amerikaner[Innen] hungern [...] zumindest zeitweise. [...] 30 Millionen befinden sich in einer <unsicheren Nahrungsmittelsituation>, 26 Millionen sind auf oeffentliche Speisungen oder Lebensmittelgeschenke angewiesen" (FAZ vom 17.9.97). Einen offiziellen Armutsbericht ueber Deutschland gibt es nicht. Sicher ist jedoch, dass sich die Zahl der SozialhilfeempfaengerInnen in den letzten 20

Jahren mehr als verdoppelt hat. Sozialhilfe erhalten mehr als 5 Millionen Menschen. Beinahe noch einmal so viele haben trotz Berechtigung keinen Antrag gestellt. Mindestens 50.000-100.000 Kinder leben auf der Strasse. Die Verschaerfung der Zweiklassenmedizin, die stetige Abnahme sozialer Absicherung und die Zustaende in der Pflege duerften bekannt sein.

"Neoliberalismus" und "Globalisierung"

Der Neoliberalismus und die damit einhergehende "Globalisierung" sind im politischen Diskurs zu Modebegriffen geworden, um die neue Allmaechtigkeit des Kapitalismus zu umschreiben, bzw. Lohnverluste und Angriffe auf Sozialstandards zu legitimieren. Was soll eigentlich das neue an der Globalisierung sein? Die Internationalisierung der Produktion? Die Herausbildung eines Weltmarktes? Der sich verschaerfende Konkurrenzkampf? Handelskriege? Ruestungswettlaeufe? Die weltweite Zunahme militaerischer Konflikte? Dass der Kapitalismus zwar ein barbarisches, zugleich jedoch ein sehr dynamisches globales System ist, mussten bereits Marx und Engels im Kommunistischen Manifest feststellen: "Das Beduerfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz ihrer Produkte jagt die Bourgeoisie ueber die ganze Erdkugel. Ueberall muss sie sich einnisten, ueberall anbauen, ueberall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Laender kosmopolitisch umgestaltet. Sie hat zum grossen Bedauern der Reaktionaere den nationalen Boden der Industrie unter den Fuessen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch tagtaeglich vernichtet. Sie werden verdraengt

durch neue Industrien deren Einfuehrung eine Lebensfrage fuer allezivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimischeRohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der lokalen und nationalen Selbstgenuegsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhaengigkeit der Nationen voneinander.

" Was uns heute als Globalisierung verkauft werden soll ist nicht mehr und nicht weniger als eine Herrschaftsstrategie zwecks Durchsetzung neuer Tendenzen der Vergesellschaftung von Produktion und Reproduktion zur Restrukturierung und Sicherung der Kapitalherrschaft. Neu ist lediglich das Ausmass, in dem Konzerne aus "weltweit verfuegbaren Produktionsquellen schoepfen" koennen. Diese Moeglichkeit vergroessert tatsaechlich das Elend der Menschen und fuehrt zur Verschaerfung bereits bestehender Ungleichheiten. Ueberdies konnten durch den daraus resultierenden oekonomischen Druck die Moeglichkeiten aller emanzipatorischen Bewegungen entschieden zurueckgedraengt werden. Vor allem verbessert das Schlagwort Globalisierung die Moeglichkeiten der Propaganda fuer die herrschende Klasse: In den Standortdebatten und Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre konnten wir leider zur genuege beobachten wie Unternehmerverbaende und Gewerkschaftsfuehrungen mit dem obligatorischen Verweis auf die Herausforderungen des globalen Marktes die Streikbereitschaft runterkochen und einen bisher unabsehbaren Abbau der sozialen Errungenschaften einleiten konnten - also alles durchzusetzen, was fuer die "Teilnahme" am Prozess "Globalisierung" angeblich notwendig ist. Gleichzeitig versucht die herrschende Klasse, Aengste vor der angeblich so neuen weltweiten Entwicklung zu schueren und damit die Entsolidarisierung und protektionistische Ideen zu verfestigen.

. und der "neue Antikapitalismus der dummen Kerls"

Die sogenannte Globalisierung hat jedoch auch ein sehr diffuses Spektrum von Kritikern hervorgerufen, die zuweilen sogar mit redlichen Motiven und herzzerreissender Rhetorik die Praktiken der global players und multinationalen Konzerne beklagen. In diesen Debatten steht in letzter Zeit besonders der franzoesische Soziologe Pierre Bourdieu im Rampenlicht. Er gilt bis ins Spektrum der radikalen Linken als intellektueller Hoffnungstraeger im Kampf gegen die Ideenmacht des Mythos "Globalisierung", die "neoliberale Invasion" und die "neue Weltordnung". Bourdieu versteht sich als Verteidiger der in frueheren Kaempfen errungenen sozialen Rechte, blieb allerdings bei allen seinen Interventionen bisher die Erklaerung schuldig, wer fuer das Elend, die Armut, den Sozialabbau etc. verantwortlich sei. Die Deregulierung? Die Regierung? Der Kapitalismus? Im Endeffekt denunziert Bourdieu lediglich eine unbestimmte Technokratie und deren Strukturen, die seiner Meinung nach der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Demokratie entgegensteht. Aus diesem Sichtwinkel hat der Staat immer zwei Seiten - eine rechte und eine linke Hand. Folglich muesse also diese "linke" Hand des Staatsapparats unterstuetzt werden, damit dieser "die Verteidigung des Allgemeinwohls in die Hand nimmt". Bourdieu und seine AnhaengerInnen bleiben verschwommen in ihrer Argumentation und enden beim laengst gescheiterten Loesungsansatz: Dem legendaeren "Marsch durch die Institutionen". Leider wird nicht einmal dieser "Weg" genauer diskutiert. Im wesentlichen beschraenkt sich der Handlungsspielraum auf "die Mobilisierung der Intellektuellen" - also auf den Wissenschaftsbereich. Sogar wenn Bourdieu das Bildungssystem und die gesellschaftliche Funktion von Diplomen und Privilegien kritisiert, schafft er es, das Zusammenspiel zwischen intellektueller Integration in das System und den Klassenverhaeltnissen auszuklammern. Er spricht zwar vage von einem Klassensystem, schweigt aber zur Frage des Eigentums an Produktionsmitteln ebenso beharrlich wie zur Ausbeutung der Menschen und ihrer Arbeitskraft in diesem System und zur Frage des Klassenkampfs. Wer heute auf die "Vernuenftigen" im "Staate" hofft, "deren Gesetz nicht allein Eigennutz und Gewinnsucht sein kann" und wer "dem Nationalstaat oder besser einem supranationalen Staat (dem europaeischen) einen besonderen Platz einraeumen will" oeffnet damit protektionistischen, eurozentristischen und nationalistischen Ideen Tuer und Tor.

Derartige Ideen spielten bei den Mobilisierungen und Demonstrationen gegen "Globalisierung" und "Freihandel" zwar noch nicht die dominierende aber nach unserem Dafuerhalten eine viel zu bedeutende Rolle. Allgemein herrschte bei den OrganisatorInnen die Tendenz vor, sich in der Kritik der Verhaeltnisse moeglichst bedeckt zu halten, um BuendnispartnerInnen aus dem buergerlichen und reformistischen Spektrum nicht zu vergraetzen.

Doch gerade diese verkuerzte und oberflaechliche Kritik des "globalen Kapitals" eroeffnet einen Freiraum, in dem linke und rechte Ansaetze problemlos zugunsten letzterer vermischt werden koennen: "Jeder Antikapitalismus, der die unmittelbare Negation des Abstrakten versucht und das Konkrete verklaert - anstatt praktische und theoretische Ueberlegungen darueber anzustellen, was die historische Ueberwindung von beiden bedeuten koennte - kann angesichts des Kapitals bestenfalls gesellschaftlich unwirksam bleiben. Schlimmstenfalls wird es jedoch politisch gefaehrlich; selbst dann, wenn die Beduerfnisse, die der Antikapitalismus ausdrueckt, als emanzipatorische interpretiert werden koennen. Die Linke machte einmal den Fehler, zu denken, dass sie ein Monopol auf Antikapitalismus haette oder umgekehrt, dass alle Formen des Antikapitalismus zumindestens potentiell fortschrittlich seien. Dieser Fehler war verhaengnisvoll, nicht zuletzt fuer die Linke selbst." (Moishe Postone: Antisemitismus und Nationalsozialismus)

The Battle after Seattle

Mit den Mobilisierungen von hunderttausenden Menschen gegen die dritte Ministerkonferenz der WTO in Seattle im Dezember 1999 - auf der eine neue Runde zur "Liberalisierung des Welthandels" eingelaeutet werden sollte - wurde trotz ihrer politischen Begrenztheit und ihren inneren Widerspruechen ein Zeichen gesetzt. Die von den buergerlichen Medien verordnete Friedhofsruhe wurde erfolgreich durchbrochen. Durch kreative aber auch direkte Aktionen wurde deutlich gemacht, dass die Herrschenden angreifbar sind. Die Proteste in Seattle inspirierten weltweit AktivstInnen verschiedenster sozialer Bewegungen. Insofern war Seattle zwar ein bescheidener aber wichtiger Schritt hin zur Entwicklung einer global agierenden antikapitalistischen Fundamentalopposition.

Grund genug alles daran zu setzen, um diesen Mobilisierungserfolg in Prag zu uebertreffen und die Tagung von IWF und Weltbank massenhaft zu verhindern. Den neoliberalen Menschenverwaltern muss deutlich gezeigt werden, dass wir ihrem Treiben nicht mehr tatenlos zusehen! Effektiver Widerstand gegen die kapitalistische Globalisierung kann jedoch nur auf revolutionaerer und internationalistischer Grundlage erfolgreich sein. Daher besteht eine der grundlegendsten Aufgaben internationalistisch orientierter SozialistInnen darin, jedem Ansatz entgegenzutreten, soziale Bewegungen und Proteste in reformistisches und nationalistisches Fahrwasser abgleiten zu lassen. Je mehr Menschen sich schon heute diese Aufgabe zu eigen machen, desto groesser stehen die Chancen fuer die Entwicklung einer globalen emanzipatorischen Bewegung, die sich nicht die Verwaltung sondern die mittelfristige Ueberwindung des kapitalistischen Profitsystems zum Ziel setzt!

Weder Freihandel noch Protektionismus!
Fuer die soziale Revolution weltweit!

PS: Abschliessend noch Werbung in eigener Sache.

Folgende Materialien koennen bei uns angefordert werden:

Sozialismus oder Barbarei Nr 1 mit den Themen: The Battle after Seattle - Proteste gegen die WTO / Eurofaschismus / Leo Jogiches / David McNalley, New Socialist Group: Was fuer eine sozialistische Organisation / Victor Serge: Macht und Grenzen des Marxismus / An injury to one is an injury to all! Free Mumia

SoB-Extra: FPOe an der Regierung - Keinen Fussbreit dem Faschismus! (auch in tuerkisch)

SoB Nr 2: Themen: Der Boom der Gentechnologie / Hal Draper: Der Mythos von Lenins "Parteikonzeption" oder was haben sie Lenins "Was Tun" angetan / Nothing as romantic - Zum Tode von Tony Cliff / Natalia Sedowa Trotzki: Bruch mit der Vierten Internationale

SoB-Extra: Gegen IWF und Weltbank ... aber nicht nur gegen die

SoB Nr. 3 erscheint im September

Broschueren:

  • Rosa Luxemburg: Die russische Revolution, DM 2.50
  • Hal Draper: The Two Souls of Socialism, DM 4, -
  • Die Wahrheit ueber den Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, DM 2 -
  • Chile 1973: Parlamentarischer Weg in die Sackgasse, DM 2, 50
  • Der 12. September und die Tragoedie der tuerkischen Linken DM 2, 50
  • Herman Weber: Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht DM 8, -

Eine vollstaendige Buecher-/Broschuerenliste (deutsch/ tuerkisch/ englisch
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Postfach 720129, 70577 Stuttgart
Tel: 030/45 49 45 29 oder 0172/99 31 9 60