DIE GIFTSPRITZE AUF DER GEWINNERSTRASSE

von
Fritz Viereck

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"Wenn also nationalistische Emotionen die Politik beherrschen, wenn niemand mehr in der Lage ist, rational zu denken und zu handeln, ist nur das Schlimmste zu befürchten. Und das heißt unter den bestehenden Vorzeichen: Blutbäder, wie wir sie aus Bosnien und aus dem Kosovo kennen, sind nicht mehr ausgeschlossen, ja sie werden von Tag zu Tag wahrscheinlicher."

Da sagt jemand, wie’s ist. Wie wohltuend, endlich einmal einen Kommentar in der bürgerlichen deutschen Presse zu lesen, der die Dinge beim Namen nennt, den Nationalismus als ein Wahnsystem begreift, das gerade mal wieder dabei ist, Massengräber zu füllen - sehr richtig das alles, so sieht es heute in Mazedonien aus ... Wo steht diese eindringliche Warnung? Auf der Meinungsseite der taz, aha. Wer hat sie verfaßt? Erich Rathfelder. Nun muß man ja doch einmal trocken schlucken.

Date sent: Thu, 05 Jul 2001 02:07:16 +0200

KALASCHNIKOV - DAS RADIOMAGAZIN FÜR MILITANTEN PAZIFSMUS / PRESSEDIENST (KPD)

Liebe Leute,
der Herr Rathfelder hat in der "taz" vergangene Woche mal wieder seinen Senf zu Milosevic, Kosovo etc. abgegeben; Kollege Viereck schoß in unserer letzten Sendung (vom 27.6.01) scharf zurück: Die Giftspritze auf der Gewinnerstraße ... Nachdruck und elektronische Reproduktion unter Quellenangabe ist wie immer erwünscht.

Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Bröhling
DFG-VK Marburg

Kalaschnikov ist seit 1996 bei "Radio Unerhört Marburg" auf Sendung und wird produziert von der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Marburg

Was ist in Herrn Rathfelder gefahren? Er, der noch jede nationale Separation auf dem Balkan unter der Fahne des Selbstbestimmungsrechtes verfocht, der den Teufel, und sein Name ist Milosevic, auf die Seiten der taz malte, den Unterdrücker, den Diktator, den Völkergefängniswärter, er denunziert die nationalistische Unvernunft? Er sieht die mörderischen Folgen des Separatismus voraus?

Halt, von Separatismus war bei Herrn Rathfelder nicht die Rede. Er meint ausdrücklich nicht die UCK, die gerade dabei ist, ihre geknechteten albanischen Landsleute vom Joch des mazedonischen Staates zu befreien; ganz im Gegenteil: wer da seinen nationalistischen Emotionen freien Lauf läßt, das sind bei Herrn Rathfelder die Mazedonier, die in den letzten Tagen vorm Parlament in Skopje gegen den freien bewaffneten Abzug der UCK unterm Schutz der Nato aus Aracinovo protestierten. Damit hat sich die mazedonische Bevölkerung entlarvt, und Herr Rathfelder weiß nun, woran er mit ihr ist.. Er hat nun erkannt, daß das Gerede vom multi-ethnischen Mazedonien Illusionsmacherei war; das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher ethnischer Gruppen in einem Staat, das konnte ja nicht gut gehen; Herr Rathfelder hat das wahrscheinlich schon immer gewußt, aber nach diesen bestürzenden Ausbrüchen der Intoleranz bei den slawischen Mazedoniern muß es auch jedem Rathfelder-Leser klar werden: Es war pure Notwehr, als die UCK ihren Separationskrieg, den sie im Kosovo begonnen hatte, auf Mazedonien ausdehnte, sie kannte die verschlagenen Slawen eben besser als der treuherzige Herr Rathfelder und wußte bereits vorher, wie intolerant und repressiv die reagieren, wenn sie mal ein paar Terroranschläge wegstecken müssen. Aber nun haben sie verschissen, nun sind sie beim taz-Korrespondenten unten durch, und wenn sie nicht ganz schnell Vernunft annehmen, werden sie noch erleben, was das heißt, denn er deutet schon an, was unausweichlich folgen wird:

"Was aber tun? Soll sich die Nato vollends in den Konflikt reinziehen lassen? Es ist zu befürchten, sie steckt schon drin. Es geht jetzt nicht mehr um die Rettung der Illusion einer zivilen Gesellschaft. Den Frieden aber mit Waffengewalt durchzusetzen, dazu fehlen bisher die Logistik, der Wille und das Personal."

Sich nicht von nationalistischen Emotionen beherrschen lassen, rational denken und handeln, daß heißt bei Herrn Rathfelder, die Nato ein weiteres Mal für den nationalen Separatismus der UCK ins Feld ziehen zu lassen, diesmal in Mazedonien, wo sie ohnehin schon steht - eigentlich alles nur noch ein Frage der Ausweitung des Mandats, nicht wahr?

Es wird immer schwerer verständlich, wieso Herr Rathfelder sich seine Brötchen immer noch bei der taz verdienen muß. Ist denn im Außenministerium kein Plätzchen mehr für ihn frei? Gegen die Unermüdlichkeit, mit der er den Willen zum Einsatz militärischer Gewalt stärkt, die Logistik dafür einwirbt und das Personal motiviert, wirken die Bemühungen der Herren Fischer und Scharping geradezu blaß. Er kann das, weil sein Weltbild gefestigt ist. Erich Rathfelder weiß, wo’s lang geht. Schwarz und weiß, gut und böse, die internationale Gemeinschaft und verstockte nationalistische Regimes, er scheidet sie wie den Tag von der Nacht. Frage ihn keiner nach seinen Gründen und Kriterien. Der martialische Aufzug slawischer Mazedonier vorm Parlament in Skopje ist von irrational-nationalistischen Emotionen geleitet; die Anschläge der UCK fallen offenbar nicht weiter ins Gewicht, und Nato-Unterstützung der albanischen Separationsbestrebungen ist vernünftig und gerechtfertigt - das ist so. Warum ist das so?

Das ist eine unsinnige Frage. Das ist selbstverständlich so. Wegen des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Wegen der Menschenrechte. Weil wir zur "internationalen Gemeinschaft" gehören, die wie der Club der Superhelden stets für das Gute eintritt, hier für den Frieden, den sie notfalls durchsetzt, indem sie Krieg führt. Weil bisher noch auf jeden Krieg ein Frieden folgte, und weil die Superhelden den Superschurken auch mal die Fresse polieren.

Kein Mensch käme bei der Lektüre eines Marvel-Comics auf die Frage, warum die Guten so gut und die Fiesen so fies sind. In der Comic-Welt des Herrn Rathfelder ist die Sache ebenso klar. Keiner Erwähnung wert sind die Interessenskonflikte innerhalb der Nato, die Auseinandersetzung zwischen den USA und Deutschland über die Haltung zu Grenzveränderungen auf dem Balkan; keine Rolle spielen die Interessen, welche die deutsche Regierung mit ihrer Balkanpolitik verfolgt; unwichtig, wie weit Deutschland seinen Einfluß in Europa in unerhört kurzer Zeit steigern konnte: gerade durch sein Engagement auf dem Balkan, das Grenzänderungen und Separatismus konsequent unterstützt hat.

Nein, der Schuldige steht fest, und um endgültig klarzustellen, daß die Verantwortung dort liegt, wo sie liegen muß, um derartige Überlegungen gar nicht erst anzustellen, muß er nur noch rechtskräftig verurteilt werden. Das ist schon lange überfällig: "Eigentlich war es schon nach der Verhaftung von Slobodan Milosvic klar: Der jugoslawische Expräsident und Hauptverantwortliche für die systematische Vertreibung hunderttausender von Kosovoalbanern muß an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert werden. Damals zierte sich die jugoslawische Führung noch. Doch der Hinweis des neuen Präsidenten Vojislav Kostunica, laut Verfassung dürften jugoslawische Bürger nicht ausgeliefert werden, erwies sich bald als nicht haltbar. Jugoslawien ist als Mitglied der UN verpflichtet, mit einer UN-Organisation zusammenzuarbeiten."

Und hier läßt sich Herr Rathfelder auf keine Diskussion ein, hier macht er einen Punkt:

"Punkt."

Das ist deutlich. Die Mitgliedschaft in internationalen Vereinigungen bringt gewisse Verpflichtungen mit sich. Punkt. Im Notfall schert sich die Nato allerdings nicht um irgendwelche UN-Sperenzchen. Sie braucht das nicht, denn erstens, wie gesagt, kämpft sie stets für das Gute, und zweitens ist sie der mächtigste Militärpakt der Welt. Punkt. Und Herr Kostunica braucht sich wegen seiner Verfassung mal nicht so zu haben, wir kümmern uns ja auch nicht um unsere. Trotzdem war es nicht so einfach, Herrn Kostunica zu einer ähnlich laxen Haltung zu bewegen: "Ausschlaggebend für die jetzige Entscheidung war jedoch der starke internationale Druck. Es ging schlicht und einfach um Knete aus dem westlichen Ausland -..." Nicht um internationale Finanzhilfen, um Knete. Sagen wir doch, wie es ist: diese Slawen sind einfach korrupt bis ins Mark allesamt ... es ging also

"...schlicht und einfach um Knete aus dem westlichen Ausland - denn damit steht und fällt jedes Reformprojekt in Jugoslawien."

Herr Rathfelder verrät nicht, um welches Reformprojekt es sich im konkreten Fall handelt. Vielleicht weiß er es nicht. Vielleicht weiß er aber doch etwas, nämlich: daß der für die Überstellung von Herrn Milosevic nach Den Haag versprochene Zuschuß von einer Milliarde Dollar gerade einmal jene Summe abdecken würde, die während des Wirtschaftsembargos an Kapitalschulden aufgelaufen ist. Ob das die internationale Gemeinschaft, der doch soviel an demokratischen Reformen in Jugoslawien liegt, auch weiß?

Jedenfalls läßt sie sich die Aburteilung von Herrn Milosevic etwas kosten. Die Investition dürfte sich politisch auszahlen: es ist ja kein zweiter Club der Superhelden in Sicht, der eine ähnliche Summe aufbringen könnte, um vor einem ähnlichen Tribunal die Verantwortung der westlichen Regierungschefs zu untersuchen. So kann, was in Den Haag herauskommt, immer bestenfalls die halbe Wahrheit sein, und damit ist die internationale Gemeinschaft vollständig zufrieden: der Alleinschuldige ist präsentiert, der Beweis, daß die Nato nicht anders handeln konnte, erbracht; und Herr Rathfelder darf seine Arbeit in dem schönen Bewußtsein fortsetzen, daß er im Troß auf der Gewinnerstraße mitzieht.