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Hauptstadt
Der Milliarden-Bluff

von Wolfgang Reuter und Mathew D. Rose
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Diskret hat die Bankgesellschaft Berlin einen Verlust von 1,5 Milliarden Mark bei ihrer Immobilientochter IBG wegbilanziert: Die Firma wurde dazu quasi neu gegründet - und soll an die Börse.

E ndlich eine gute Nachricht für die Hauptstadt: Der Chef der Berliner Bankgesellschaft, Wolfgang Rupf, hat Gewinn erwirtschaftet. Und sein Institut, das zu 57 Prozent dem Land Berlin gehört, wird dem klammen Stadtstaat wohl auch in diesem Jahr eine Dividende zahlen.

Die schlechte Nachricht freilich hat der Bankchef verschwiegen: Die Gewinnausschüttung der Bank ist nur möglich, weil Rupf und seine Kollegen mit fragwürdigen Bilanztricks einen Verlust von 1,5 Milliarden Mark vertuscht haben.

Die abenteuerliche Geschichte, in deren Verlauf die Versager in der Chefetage zu Helden wurden, begann Ende vergangenen Jahres. Damals "brannte die Hütte lichterloh", erinnert sich ein Bankmanager. Denn für die Konzerntochter IBG GmbH, in der ein Großteil der Immobilienengagements des Instituts gebündelt sind, "wird für das Jahr 2000 ein negatives Ergebnis vor Steuern von ca. DM 1,5 Milliarden eingeplant", hieß es in der Vorlage für den Konzernvorstand vom 7. November 2000. Selbst das Eigenkapital der IBG, rund 500 Millionen Mark, würde "zum Ausgleich des negativen Ergebnisses nicht ausreichen".

In anderen Worten: Die IBG mit 2165 Mitarbeitern war faktisch pleite, der Mutterkonzern hätte deshalb mindestens eine Milliarde Mark in die Gesellschaft pumpen müssen. Dadurch freilich wäre die Bank tief in die roten Zahlen gerutscht, an eine Dividende war nicht zu denken.

Doch mit Hilfe der Investmentbanker von J. P. Morgan haben Rupf und Co. die Zahlen auf den Kopf gestellt. Der raffinierte Trick kaschiert nicht nur den Verlust, in verändertem Gewand lässt er die Firma obendrein in neuem Glanz erstrahlen. In zwei, drei Jahren soll sie an die Börse.

Der Kern der kreativen Bilanzkosmetik ist die von der Bank in Windeseile gegründete Aktiengesellschaft IBAG, die zunächst freilich nur eine leere Hülle war.

Aus den Immobilienengagements der IBG GmbH, die in der Vorlage als IBG-alt bezeichnet wird, haben die Banker nun einzelne Engagements herausgepickt - vor allem Immobilienbeteiligungs-Gesellschaften wie zum Beispiel die Bavaria Objekt- und Baubetreuungs GmbH.

Die Bavaria entwickelt bundesweit Wohngebiete, Einkaufszentren, Seniorenheime und Bürokomplexe. Neben dem operativen Geschäft, also dem Kauf, der Entwicklung, dem Bau und der Vermarktung der Projekte, ist die Firma auch Mietgarantien und andere vertragliche Verpflichtungen eingegangen, die ihr immer wieder das Geschäft verhageln.

Bei anderen IBG-Töchtern ist die Situation ähnlich. Das operative Geschäft läuft, doch alte Verpflichtungen bergen die Risiken und bringen die Verluste.

In der Vorlage wird der Wert der auserwählten Firmen auf 1,6 Milliarden Mark "unter der Voraussetzung veranschlagt, dass die bewerteten Unternehmensteile von den derzeit in der Gruppe liegenden Risiken befreit sind".

Der Mutterkonzern hat also die Engagements der IBG zweigeteilt. Die neue Aktiengesellschaft IBAG bekam die operativen Einheiten dieser Gesellschaft, also die von Altlasten befreiten Sahnestückchen.

Zuvor jedoch "sind die in Generalmietverträgen liegenden Risiken ebenso auf die IBG-alt zu übertragen wie die Verpflichtungen aus Höchstpreis- und Konditionengarantie", heißt es in der Vorlage. Und so kam es: Die Verlust bringenden Verpflichtungen landeten bei der IBG-alt.

Durch diesen Kunstgriff konnten die Banker nun eine ganz andere Rechnung aufmachen. Denn vor der Zweiteilung standen dieselben Engagements, laut Vorstandsvorlage, mit nur 100 Millionen Mark in den Büchern. Nachdem die Risiken ausgelagert waren, stieg der Wert der von allen Altlasten bereinigten Tochterfirmen auf wundersame 1,6 Milliarden Mark, zumindest auf dem Vorstandspapier.

Nun folgte der Verkauf der Engagements an die neue IBAG. Der Erlös ist "vollständig zum Schutz der Bankgesellschaft zur Risikovorsorge in der IBG-alt einzusetzen", heißt es in der Vorlage. Damit hatten sich die Verluste quasi in Luft aufgelöst.

Von roten Zahlen konnte nun auch in der Konzernbilanz keine Rede mehr sein. Obendrein ließ sich die Bankgesellschaft laut der Vorlage von der verkleinerten IBG-alt 310 Millionen Mark Eigenkapital zurückzahlen.

Der ganze Trick war jedoch nur unter einer Voraussetzung möglich. Die Bankgesellschaft durfte vor dem Verkauf der Engagements aus bilanzrechtlichen Gründen auf keinen Fall mehrheitlich an der neuen IBAG beteiligt sein.

Und wie durch ein Wunder haben sich Finanzinvestoren gefunden, die den noch leeren Mantel der IBAG von dem Institut übernahmen. Wer die ominösen Geldgeber sind - dazu schweigt die Bank. Nur so viel verrät sie: Bei der Auswahl der Geldgeber wurde sie von J. P. Morgan beraten.

Die neuen Besitzer erhöhten das Kapital der IBAG um eine Milliarde Mark und kauften der Bankgesellschaft dann die ausgewählten Engagements der IBG-alt ab. Zusätzlich aber erwarben sie für die IBAG noch weitere Immobilienengagements aus anderen, nicht zur IBG-alt gehörenden Teilen des Konzerns. Der Kaufpreis stieg dadurch auf zwei Milliarden Mark - rund 500 Millionen Mark mehr, als die Bankgesellschaft für die IBG-alt benötigte.

Die Hauptstadtpresse nahm es positiv auf, "Bankgesellschaft macht Kasse", titelte die "Berliner Zeitung". Aus dem ursprünglichen Verlust war nun im Bild der Öffentlichkeit sogar ein Profit geworden.

Das war der gewünschte Effekt. Unter den in der Vorstandsvorlage aufgelisteten "Vorteilen der geplanten Umstrukturierung" ist unter anderem zu lesen: "Bereinigung des voraussichtlichen Ergebnisses der IBG für das Jahr 2000 und damit Schaffung einer Basis für die notwendige Erfolgsstory der IBG sowie hohe Ausschüttungen an den Konzern".

Der Bankgesellschaft freilich bleibt die Last der IBG-alt, samt ihrem Sammelsurium von Verpflichtungen und faulen Engagements, wie beispielsweise der verlustträchtigen Rennstrecke Lausitzring, an der die IBG-alt zu 67 Prozent beteiligt ist.

Trotzdem hofft die Bank laut der Vorlage, dass "nach diskreter Lösung der Hausaufgaben bei der IBG" ein Zusammenschluss mit der IBAG möglich ist.

Das Institut bestätigte, dass der in ihren Augen legale Deal in wesentlichen Zügen entsprechend der Vorlage umgesetzt wurde. Lediglich Details hätten sich geändert, so sei ein geplanter Kredit von 1,25 Milliarden Mark an die IBAG auf etwa ein Zehntel dieses Volumens reduziert worden.

Eine - halbwegs - gute Nachricht bleibt nachzutragen: Immerhin haben Rupf und seine Vorstandskollegen angesichts der prekären Lage lange diskutiert, ob sie die Risiken nicht offen legen, einige Jahre lang keine Dividende zahlen - und ihr Geschäft von Grund auf sanieren sollen.

Die schlechte Nachricht freilich ist: Am Ende siegte die Angst vor dem Hauptaktionär. Seinen Kollegen gegenüber sagte Rupf resigniert: "Wenn ich weiß, dass ich mir an einer Wand den Kopf blutig schlage, dann renn ich nicht dagegen."