Mit wem soll man in Venezuela solidarisch sein ?
E
inige Überlegungen zu einer aktuellen Frage

von Peter Nowak
7/8-06

trend
onlinezeitung

Venezuela hat heute für Teile der Linken die Funktion, die einst Kuba und später Nicaragua hatte. Der Prozess einer emanzipatorische Umgestaltung der Gesellschaft mobilisiert viele Menschen gerade in Metropolen, in denen die Machtverhältnisse scheinbar festgefügt sind und selbst die kleinsten Veränderungen utopisch erscheinen. In dieser Situation gibt ein Land wie Venezuela natürlich Mut und Inspiration. Doch immer besteht auch die Gefahr, dass Venezuela als Ersatzobjekt für die Unmöglichkeit einer Veränderung in den Metropolen missbraucht wird.

Das beste Beispiel dafür liefert die Antiimperialistische Koordination (AIK) aus Wien, die alle Bewegungen und PolitikerInnen in die Arme schließt, wenn sie nur gegen die USA sind, den iranischen Präsidenten eingeschlossen. Sie haben auch schon längst Chavez entdeckt und nutzen dessen Namen, um sich bekannt zu machen. Soziale Prozesse im Land interessieren sie wenig. Ihnen reicht es, bedingungslos solidarisch mit dem venezolanischen Präsidenten zu sein.

Fragen einer kritischen Solidarität

Dabei gibt es sehr wohl viele Fragen für die Venezuela-Solidaritätsbewegung. So könnte man sich fragen, was die Parole "Hände weg von Venezuela" eigentlich bedeuten soll. Schließlich ist ja unbestritten, dass auch das Venezuela unter Chavez noch eine kapitalistische Klassengesellschaft ist. Mit wem also ist man solidarisch, wenn man von Venezuela redet? Kennt der Solidarischbewegte wieder einmal keine Klassen sondern nur noch VenezuelanerInnen? Und gehören die Chavez-GegnerInnen nicht zu Venezuela, obwohl sie doch sehr heftig die Venezuela-Fahne schwenken. Was soll das obligatorische "Hände weg...". Die Solidaritätsbewegung weltweit mischt sich doch auch ein und das ist auch gut so. Also müsste es richtig heißen, Keine Einmischung von dem oder jenen Machtblock.

Wer den gegenwärtigen politischen Prozess in Venezuela beurteilen will, darf nicht bei Chavez stehen bleiben. Die sozialen Prozesse in den Fabriken, den Barrios etc. sind sicher am interessantesten. Wie setzen sich die Veränderungen auf politischen Gebiet dort um?

Wie arbeiten die Menschen in den besetzten Fabriken zusammen? Wie organisieren sie die Arbeit neu? Gibt es Überlegungen, die Fabriken tatsächlich in gesellschaftliches Eigentum umzuwandeln und nicht nur zu verstaatlichen? Welche Schwierigkeiten sind in diesem Prozess noch zu erwarten?

Dass sind Fragen, die einem im heutigen Venezuela auf Schritt und Tritt begegnen. Sie sollte sich auch eine Bewegung stellen, die ihre Solidarität aus dem Interesse bekundet, den Kapitalismus weltweit zu bekämpfen.

Dem Berliner Filmemacher Dario Azzellini gelang kürzlich mit seinem Film "5 Fabriken" ein Blick auf die sozialen Akteure des revolutionären Umgestaltungsprozesses in Venezuela. Chavez kommt in dem Film nur indirekt vor.

Hier finden sich Gruppen und Initiativen, die eine solidarische Beschäftigung verdienen. Die Beschäftigung damit kann ein erster Schritt sein
 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von Peter Nowak zur Veröffentlichung.