Venezuela hat heute für Teile der Linken die Funktion, die
einst Kuba und später Nicaragua hatte. Der Prozess einer
emanzipatorische Umgestaltung der Gesellschaft mobilisiert viele
Menschen gerade in Metropolen, in denen die Machtverhältnisse
scheinbar festgefügt sind und selbst die kleinsten Veränderungen
utopisch erscheinen. In dieser Situation gibt ein Land wie
Venezuela natürlich Mut und Inspiration. Doch immer besteht auch
die Gefahr, dass Venezuela als Ersatzobjekt für die
Unmöglichkeit einer Veränderung in den Metropolen missbraucht
wird.
Das beste Beispiel dafür liefert die Antiimperialistische
Koordination (AIK) aus Wien, die alle Bewegungen und
PolitikerInnen in die Arme schließt, wenn sie nur gegen die USA
sind, den iranischen Präsidenten eingeschlossen. Sie haben auch
schon längst Chavez entdeckt und nutzen dessen Namen, um sich
bekannt zu machen. Soziale Prozesse im Land interessieren sie
wenig. Ihnen reicht es, bedingungslos solidarisch mit dem
venezolanischen Präsidenten zu sein.
Fragen einer kritischen Solidarität
Dabei gibt es sehr wohl viele Fragen für die
Venezuela-Solidaritätsbewegung. So könnte man sich fragen, was
die Parole "Hände weg von Venezuela" eigentlich bedeuten soll.
Schließlich ist ja unbestritten, dass auch das Venezuela unter
Chavez noch eine kapitalistische Klassengesellschaft ist. Mit
wem also ist man solidarisch, wenn man von Venezuela redet?
Kennt der Solidarischbewegte wieder einmal keine Klassen sondern
nur noch VenezuelanerInnen? Und gehören die Chavez-GegnerInnen
nicht zu Venezuela, obwohl sie doch sehr heftig die
Venezuela-Fahne schwenken. Was soll das obligatorische "Hände
weg...". Die Solidaritätsbewegung weltweit mischt sich doch auch
ein und das ist auch gut so. Also müsste es richtig heißen,
Keine Einmischung von dem oder jenen Machtblock.
Wer den gegenwärtigen politischen Prozess in Venezuela
beurteilen will, darf nicht bei Chavez stehen bleiben. Die
sozialen Prozesse in den Fabriken, den Barrios etc. sind sicher
am interessantesten. Wie setzen sich die Veränderungen auf
politischen Gebiet dort um?
Wie arbeiten die Menschen in den besetzten Fabriken zusammen?
Wie organisieren sie die Arbeit neu? Gibt es Überlegungen, die
Fabriken tatsächlich in gesellschaftliches Eigentum umzuwandeln
und nicht nur zu verstaatlichen? Welche Schwierigkeiten sind in
diesem Prozess noch zu erwarten?
Dass sind Fragen, die einem im heutigen Venezuela auf Schritt
und Tritt begegnen. Sie sollte sich auch eine Bewegung stellen,
die ihre Solidarität aus dem Interesse bekundet, den
Kapitalismus weltweit zu bekämpfen.
Dem Berliner Filmemacher Dario Azzellini gelang kürzlich mit
seinem Film "5 Fabriken" ein Blick auf die sozialen Akteure des
revolutionären Umgestaltungsprozesses in Venezuela. Chavez kommt
in dem Film nur indirekt vor.
Hier finden sich Gruppen und Initiativen, die eine
solidarische Beschäftigung verdienen. Die Beschäftigung damit
kann ein erster Schritt sein
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir
von Peter Nowak zur Veröffentlichung.