Marx versus Sraffa
Das „Transformationsproblem“ und die Widersprüche simultaner Wert-Preis-Rechnungen seit Bortkiewicz

von Hans-Peter Büttner

7/8-06

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1. Die Marxsche Behandlung der Wert-Preis-Rechnung hat in der von Marx hinterlassenen Form bekanntlich den Vorwurf provoziert, daß er seine Wert-Preis-Transformation nicht zu Ende führe und folglich auch nicht auf die Elemente des konstanten (C) sowie des variablen Kapitals (V) ausweite. Lediglich der neu geschaffene Mehrwert (M) wird von Marx umverteilt entsprechend der Durchschnittsprofitrate, welche sich aus dem gesamten neu geschöpften Mehrwert im Verhältnis zur Wertsumme aller produktiv konsumierten Waren (M/C+V) herausbildet. Diese Durchschnittsprofitrate bleibt quantitativ gleich, und ob sie in Werten oder Produktionspreisen berechnet wird ist hier unerheblich, denn die Aggregate entsprechen einander im Wert- wie im Preissystem. Die Wertprofitrate bildet hier die sichere Brücke zwischen Wertsystem und Preissystem. Eine simultane Transformation aller Größen – also neu geschöpfter Mehrwert und Wareninputs an konstantem und variablen Kapital – findet bei Marx nicht statt. Inwiefern Marx diesen Tatbestand tatsächlich als Mangel empfand und ob dieser "Mangel" nicht auf mangelhafte Textanalyse und eine mangelhafte Interpretation zurück zu führen ist, stellt eine viel zu selten gestellte Frage dar. Wir wollen diese Frage im Folgenden dennoch stellen.

2. Paul M. Sweezy stellte den angeblichen Marxschen „Irrtum“ in bis heute oft wiederholter Form heraus:

„Es ist nicht schwer, die Quelle des Marxschen Irrtums zu finden. In seinem Preisschema bleiben die Aufwendungen der Kapitalisten an konstantem und variablem Kapital genau die gleichen wie im Wertschema. Das konstante Kapital und das variable Kapital, das bei der Produktion benutzt wird, werden immer noch in Werten ausgedrückt. Ausstöße werden dagegen in Preisen ausgedrückt. Nun ist klar, daß in einem System, in dem die Preisrechnung universal ist, sowohl das in der Produktion verwendete Kapital als auch das Produkt selbst in Preisen ausgedruckt werden müssen. Die Schwierigkeit besteht darin, daß Marx bei der Transformation der Werte in Preise auf halbem Wege stehenblieb“[1]. 

Nun liegen bekanntlich eine Reihe verschiedenster Versuche vor, das „fehlerhafte“ Marxsche verfahren zu korrigieren. Die klassische und auch von Sweezy favorisierte Lösung des Problems unter Beibehaltung der Marxschen Wertlehre stammt von Ladislaus von Bortkiewicz und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt. In einem simultanen Gleichungssystem sollten sämtliche Warenwerte (also auch die bei Marx nicht transformierten Anteile des konstanten und des variablen Kapitals) in Produktionspreise überführt werden. Durch dieses System simultaner wechselseitiger Verflechtung musste aber eines der Marxschen „Invarianzpostulate“: 

A) Summe der Preise = Summe der Werte

B) Summe des Mehrwerts = Summe der Profite 

aufgegeben werden. Bortkiewicz entschied sich für A) um die (vermeintlich wichtigere) Ausbeutungstheorie nicht zu gefährden und die Goldware zum Numéraire zu machen. In seinem Gleichungssystem werden drei Produktionssektoren vorausgesetzt, die Produktionsmittel (Abteilung I), Konsumgüter (Abteilung II) und Luxusgüter (Abteilung III) produzieren. Das Ganze hat dann die folgende Gestalt: 

                                   (c1x + v1y) (1+r) = (c1 + c2 + c3) x

                                    (c2x + v2y) (1+r) = (v1 + v2 + v3) y

                                   (c3x + v3y) (1+r) = (m1 + m 2+ m3) z

Hierbei sind x, y und z die Preiskoeffizienten, welche auch als Transformations-Koeffizienten bei der Umrechnung von Werten in Preise verstanden werden können. Die für alle drei Sektoren gleiche Profitrate ist 1+r. In der jeweils linken Spalte werden die Wertbestanteile des konstanten und des variablen Kapitals jedes Sektors nach Multiplikation mit dem jeweils zuständigen Umrechnungsfaktor (x bzw. y) addiert und dann mit der allgemeinen Profitrate multipliziert, so daß dem transformierten variablen und konstanten Kapital der Durchschnittsprofit zugeschlagen wird. Auf der rechten Seite der Gleichung wird z.B. in Abteilung 1 das konstante Kapital aller drei Sektoren (c1 + c2 + c3), welches ja den Output von Abteilung I darstellt, zusammengezählt und mit x als dem Transformations-Koeffizienten multipliziert. Durch das Gleichheitszeichen wird garantiert, daß sämtliche in Preise ausgedrückten Bestandteile an konstantem Kapital aller drei Sektoren mit dem transformierten Gesamtaufwand des ersten Sektors (der diese Bestandteile ja herstellt) identisch sind. Es gilt hier das Saysche Gesetz, Konstanz der Technik und eine gleiche Umschlagszeit für alle Kapitalien. Das System ist rein statisch und behandelt Inputs wie Outputs, denn die Transformations-Koeffizienten stehen auf beiden Seiten identisch. Zeit und Kausalität gibt es in dieser Modellwelt folglich nicht, Vorprodukte und Endprodukte stehen in einem Verhältnis quantitativer Identität, die durch den Produktionsprozeß nicht tangiert wird.

Wie mit Sektor 1 wird mit Sektor 2 und 3 verfahren. Den drei Gleichungen stehen, wie wir leicht erkennen können, vier Unbekannte gegenüber: Die Umrechnungs-Koeffizienten x, y und z sowie die Profitrate r[2]. Bortkiewicz schließt das System nun durch die Vorgabe von z = 1. Somit wird die Luxusgüter-Abteilung 3 zum Numéraire und die Identität von Werteinheit und Preiseinheit im Luxusgütersektor als gegeben vorausgesetzt. Folglich stimmt durch dieses Verfahren die Mehrwert- mit der Profitsumme überein, denn der addierte Mehrwert aller drei Sektoren wird mit Eins multipliziert und somit nicht verändert. Allerdings wird diese Invarianz in Sektor 3 mit dem Effekt bezahlt, daß Wert- und Preissumme in aller Regel divergieren. Warum ist dies so?

Dies liegt daran, daß, wie in jedem Sektor auch in Sektor 3, die organische Zusammensetzung des Kapitals über oder unter dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegen kann und folglich der Preis der Luxusgüter ebenfalls variieren kann. Diese Veränderung begründet sich ja dadurch, daß mit der Wert-Preis-Transformation der Mehrwert in Profit verwandelt wird, daß die Bemessungsgrundlage der Rentabilität also nicht mehr das variable Kapital ist, sondern das konstante plus dem variablen Kapital. Paul M. Sweezy hat dies unter Voraussetzung, daß in Sektor 3 Gold als Luxusgut produziert wird, so ausgedrückt:

„Da ex hypothesi Preis und Wert einer Einheit Gold zahlenmäßig beide gleich eins sind, kann die Tatsache, daß ihr Preis ‚höher’ als ihr Wert ist, nur durch die Tatsache ausgedrückt werden, daß der Durchschnittspreis aller anderen Waren niedriger ist als ihr Durchschnittswert. Noch anders ausgedrückt: Wenn die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Goldindustrie relativ hoch ist, wird die Transformation von Wert in Preis die Kaufkraft des Goldes erhöhen“[3].

Die Abweichung der Wertsumme von der Preissumme ist somit selbst unmittelbar die Folge der Normierung des dritten Sektors, denn Sektor 3 transformiert sich letztlich doch, nämlich relativ über seine eigene Kaufkraft im Preissystem. Akkumuliert wird nicht in diesem System, sondern der gesamte Mehrwert verkonsumiert, es handelt sich also um ein System mit „einfacher Reproduktion“. Offensichtlicher Nachteil der Bortkiewiczschen Lösung ist die quantitative Differenz zwischen Wert- und Preissumme, die außer bei dem sehr speziellen Fall gleicher organischer Zusammensetzung aller drei Sektoren oder bei einem Mehrwert von null in jedem weiteren Fall vorkommt[4].

Der Lösungsvorschlag Bortkiewicz’ wurde verschiedentlich verbessert[5] und durch Francis Seton von einer Lösung bei drei Sektoren zu einer Lösung mit beliebig vielen Sektoren erweitert[6]. Mit Setons Beitrag aus dem Jahre 1956 ging diese Phase der Diskussion zu Ende. Bei Sraffa[7] wurde dann ein dem Bortkiewiczschen Verfahren nicht unähnliches Alternativ-Verfahren entwickelt, welches die Arbeitswerttheorie gänzlich aufgab, statt dessen die stoffliche Verflechtungsstruktur einer „Warenproduktion mittels Waren“ zur Basis machte und daraus ein Preissystem entwickelte, welches unabhängig von subjektiven Nutzenschätzungen Warenpreise bestimmt. Allerdings verzichtet Sraffa auf die Arbeitswerttheorie, auch wenn er die mathematischen Grundlagen zur endgültigen Lösung des „Transformationsproblems“ aus Sicht der Gleichgewichtsökonomie liefert.

3. Ob die Lösung durch Bortkiewicz befriedigt und somit das Transformationsproblem als gelöst betrachtet werden kann, ist ein strittiger Punkt. Friedrun Quaas beispielsweise hält dafür, daß es mit dem Verfahren Bortkiewicz’ „möglich ist, Produktionspreise aus den Arbeitswerten konsistent abzuleiten“[8]. Allerdings ist seit Sraffas Grundlegung des modernen Neoricardianismus im Jahre 1960 klar, daß sich Bortkiewicz' Algorithmus in letzter Instanz in ein Gleichungssystem verwandeln läßt, in welchem Arbeitswerte nur noch als redundante Nebenprodukte vorkommen[9]. Dieser "Sraffa-Schock" hat verschiedene Antworten von marxistischer Seite hervorgerufen:

a)Von (ehemaligen) Marxisten wie Steedman wurde die Arbeitswerttheorie komplett aufgegeben und statt dessen der Fokus auf die auch ohne Rekurs auf Arbeitswerte formulierbare Theorie des physischen Mehrprodukts und der klassenförmigen Verteilung des Surplus gelegt.

b)Von Michio Morishima wurde die Kritik angenommen, aber die prinzipielle Ablehnung der Arbeitswerttheorie zurück gewiesen. Nach Morishima läßt sich nämlich die Ausbeutungslehre insofern rechtfertigen, als daß eine positive Profitrate (und damit Ausbeutung) immer mit der Existenz eines positiven Mehrwerts korrelieren muß. Trotz „Transformationsproblem“ läßt sich der Profit also in letzter Instanz immer auf den Mehrwert und damit auf unbezahlte Mehrarbeit zurück führen. Diesen Sachverhalt bezeichnete Morishima als "Marxsches Fundamentaltheorem"[10].

c)Von Autoren wie Paul Mattick wurde der Erklärungsgehalt der Marxschen Werttheorie so modifiziert, daß das "Transformationsproblem" in seiner quantitativen Gestalt letztlich verschwindet. Eine neuere Version dieser Verteidigungsstrategie vertritt Michael Heinrich, der einerseits die simultane Formalisierung der Werttheorie akzeptiert, andererseits aber die Wertformanalyse als den zentralen Kerngehalt der Werttheorie betrachtet. Folglich können Sraffa-Preise ex post per Wertformanalyse auf abstrakte Arbeit zurück geführt werden. Ein quantitatives Problem der Wert-Preis-Rechnung existiert in Heinrichs "monetärer Werttheorie" folglich nicht mehr.

d)Es wurden unter prinzipieller Anerkennung der Problematik und des „nicht zu Ende geführten“ Marxschen Verfahrens bessere Lösungsvorschläge erarbeitet, die anders als die neoricardianische Methode die Arbeitswerttheorie rehabilitieren. Besonders die "New solution of the transformation problem" der Autoren Dumenil, Foley und Lipietz hat hier einen Gegenstandpunkt gesetzt. Im Rahmen der "New Solution" wird die Transformation auf das Nettoprodukt (also M und V) beschränkt und der Wert der Arbeitskraft nicht mehr als Reallohn, sondern als Geldlohn interpretiert[11]. Interessanterweise wurde diese Lösung bereits in den sechziger Jahren von Joan Robinson antizipiert, blieb aber weitgehend unbemerkt[12]. Mit dem Mitte der neunziger Jahre entwickelten Verfahren einer rein werttheoretisch fundierten Wert-Preis-Rechnung von Reinhard Schaupeter kann die neoricardianische Kritik endgültig als immanent widerlegt und diese Phase der Debatte als abgeschlossen gelten[13].

Dennoch gibt es neben diesen innerhalb der prinzipiellen Logik der neoricardianischen Kritik verbleibenden Ansätzen eine wachsende Zahl marxistisch orientierter Ökonomen, die den methodischen Rahmen der bisherigen Debatte einer kritischen Prüfung unterziehen. Marx einerseits und Bortkiewicz/Sraffa andererseits werden hierbei methodisch vollkommen unvereinbare Herangehensweisen an die Wert- und Preisproblematik unterstellt. Die im Gefolge Bortkiewicz' geübte Marx-Kritik wird hierbei als nicht immanente, sondern auf dem von Marx nicht betretenen Boden der neoklassischen Gleichgewichtsanalyse begründete, rein äußerlich an Marx herangetragene Kritik verstanden. Entsprechend läßt sich Marx jenseits neoklassischer und neoricardianischer - aus Marxscher Sicht sicher als "vulgärökonomisch" zu umschreibender - Ansätze besser und konsistenter rekonstruieren als unter der Voraussetzung bürgerlicher Wirtschaftsanalytik.

4. So verteidigte Ernest Mandel gegen Bortkiewicz‘ und andere Lösungsversuche das Marxsche Transformationsverfahren, denn es ist seiner Ansicht nach nicht konsistent, wenn „Produktionspreise von inputs innerhalb derselben Zeitspanne als Produktionspreise von outputs gerechnet werden“[14]. Das Simultanmodell gibt daher nach Mandel die Marxsche Intention nicht richtig wieder und eliminiert den prozessualen Charakter der Herausbildung von Produktionspreisen und damit die gesamte Zeitdimension. Statt dessen läßt sich das gesamte Marxsche Verfahren als konsistent ausweisen, wenn die Bewertung von Input und Output in der Dimension der Zeit als kausaler Vorgang verstanden wird: 

„Mit anderen Worten: Zulieferungen (inputs), Käufe in laufende Produktionszyklen sind Daten, die am Beginn dieses Zyklus bereits gegeben sind, und sie haben während dieses Zyklus keinen Rückkoppelungseffekt auf den Ausgleich der Profitrate in den verschiedenen Produktionszweigen. Es genügt zu unterstellen, daß sie ebenfalls in Produktionspreisen und nicht in Werten berechnet sind, aber daß diese Produktionspreise sich aus der Ausgleichung der Profitrate während des vorangegangenen Produktionszyklus ergeben, um Ungereimtheiten verschwinden zu lassen“[15]

Eine weitergehende Transformation im Sinne Bortkiewicz’ erübrigt sich bei Mandel durch die strikte Trennung der Input-Waren, deren Preise eben bereits transformierte Werte einer vorhergehenden Produktionsperiode sind[16], von den Output-Waren, die eine durch den laufenden Produktionsprozeß bedingte Verwandlung durchmachen, welche in Produktionspreisen resultiert. Ein „Rückkoppelungseffekt“ wie er im Simultanmodell vorausgesetzt und zu lösen versucht wird – Input und Output gleichzeitig zu berechnen bedeutet zwingend, die Produktion des Output in Nullzeit geschehen zu lassen und jede kausale Beziehung zwischen beiden zu nivellieren – ist zwar mathematisch möglich, aber ökonomisch höchst fragwürdig. Dies sieht auch Alejandro Ramos als zentralen Kritikpunkt an den Marx-Kritikern: 

„Es ist deshalb klar, daß die Produktionspreise, die sich am Ende jedes einzelnen Kapitalkreislaufes ergeben, die während dieses Kreislaufes gebildeten Werte nicht bestimmen können (...). Der Produktionspreis ist nur eine äußere(!), durch die Zirkulation(!) modifizierte Form und vorgegeben durch die bereits bestimmte Wertmasse. Gewiß beeinflussen Produktionspreise, welche am Ende eines Kapitalkreislaufes (i.e. am Beginn des nächsten) bestimmt sind, die Wertverhältnisse im nächsten(!) Kreislauf“[17]

Der laufende Produktionsprozeß wird aber nicht von Größen verändert, die erst aus ihm resultieren. Ein „Rückkoppelungseffekt“ setzt also das Paradoxon voraus, daß eine resultierende Größe noch vor ihrer Herausbildung auf sich selber (und andere Größen) als Ausgangsgröße Einfluß nimmt. Sie entsteht und ist gleichzeitig bereits entstanden. Bei Marx dagegen tritt keine dieser Anomalien auf, denn es werden Produkte aus vorherigen Produktionsperioden mittels Arbeit in neue Produkte verwandelt und dabei finden neben den Produktions- auch Umverteilungsprozesse statt. Statt simultaner herrscht bei Marx somit eine kausal-zeitförmige Logik des Produktionsprozesses. Wertsystem und Produktionspreissystem reflektieren hierbei unterschiedliche Stadien des Prozesses der Kapitalzirkulation. Auch wenn dieses Problem eigentlich augenfällig ist, wird es selten methodisch sauber bedacht. So trifft der Soziologe Heiner Ganßmann auf genau diese Problematik in seiner Studie "Geld und Arbeit", wenn er mit Bezug auf die neoricardianische Theorie schreibt: 

In der neoricardianischen Theorie wird "im Verfahren der Wertbestimmung die Differenz zwischen Arbeit als Prozeß in der Zeit und den gegenständlichen Bedingungen und Resultaten dieses Prozesses eingeebnet. Arbeit wird behandelt, als ob sie zur gleichen Klasse von Gegenständen gehöre wie ein Sack Bohnen oder eine Tonne Eisen. Am deutlichsten wird dies in der Art und Weise, in der die Zeitdimension von Arbeit 'neutralisiert' wird. Aus der Eigenschaft der Arbeit, ein Prozeß in der Zeit zu sein, müßte folgen, daß Produktionsmittel und Produkte datiert werden, weil die einen vor, die anderen nach der Arbeit vorliegen und die Arbeit als Prozeß der Transformation von Produktionsmitteln in Produkte Zeit verbraucht"[18]. 

Ganßmann trifft hier also eindeutig auf das Problem der Zeit und der Kausalität und die Paradoxien, die entstehen, wenn Modelle hier Produktions- und Wertbildungsprozesse beschreiben ohne in Zeit und Raum verankert zu sein. Die simultane Berechnung der Preise von Produktionsmitteln und Endprodukten ist also keineswegs ein "harmloser Formalismus", sondern ein wissenschaftslogisch ungeklärtes Problem aller erster Güte. Auf diese gewaltige, erkenntnistheoretische Lücke verweist auch von Young Bin Hahn von der FU Berlin, der die Kosten der Kombination Marxens mit der neoklassischen ökonomischen Methode anspricht, wenn  

„der epistemologische Unterschied zwischen der Marxschen Arbeitswerttheorie und dem Verfahren von Bortkiewicz nicht erkannt [wird]. Dem Verfahren von Bortkiewicz liegen genau dieselben Postulate zugrunde, die von der Gleichgewichtsökonomie formuliert worden sind: Formalität, Rationalität, Abgeschlossenheit, Quantität, Gleichzeitigkeit usw. Das Wesentliche besteht  jedoch darin, dass aus den formalen mathematischen Gleichungen die Irrelevanz der zeitlichen Dimension des Wirtschaftsprozesses abgeleitet wurde. Mit dieser Abstraktion hat Bortkiewicz bei seiner Darstellung des Marxschen Wert- bzw. Preissystems den entscheidenden Fehler gemacht. Er hat sein Modell unter der Voraussetzung konstruiert, daß alle Waren bzw. Kosten, die in den Produktionsprozeß eingehen, gleichzeitig in Produktionspreise umgerechnet werden können. D.h., er hat vorausgesetzt, daß der gegenwärtige Preis der Inputs vollständig in den zukünftigen Preis der Produktionsresultate eingeht. Der Kostenpreis ist aber in der Marxschen Arbeitswerttheorie eine Kategorie, die erst nach Abschluß der Produktion, also nach der Bildung des Produktionspreises bestimmt werden kann. Input- und Outputpreis können nicht gleichzeitig ermittelt werden, sondern nur nacheinander. Aus dieser Vorabpreisbestimmung wird zudem die Wirkung der Konkurrenz, die bei Marx für die Umwandlung der verschiedenen Mehrwertraten in die allgemeine Profitrate und damit für die Preisbildung wesentlich ist, völlig aus dem Preisbildungsprozeß eliminiert“[19]. 

Die verschiedenen Momente der Herausbildung von Produktionspreisen sind eminent wichtig zum Verständnis des Marxschen Verfahrens und seiner prinzipiellen Differenz zu simultanen Gleichgewichtsmodellen. Marx selbst hat eine simultane Berechnung ausdrücklich für nicht vereinbar mit seiner Methode erklärt und die Kritik bereits vorwegnehmend beantwortet. Die oftmals von Marxkritikern zitierten Stellen möchte ich deshalb gegen den neoklassischen Strich bürsten. So schreibt Marx im "Kapital" zum Problem der Modifikation des Kostpreises: 

"Es ist durch die jetzt gegebene Entwicklung allerdings eine Modifikation eingetreten bezüglich der Bestimmung des Kostpreises der Waren. Ursprünglich wurde angenommen, daß der Kostpreis einer Ware gleich sei dem Wert der in ihrer Produktion konsumierten Waren. Der Produktionspreis einer Ware ist aber für den Käufer derselben ihr Kostpreis und kann somit als Kostpreis in die Preisbildung einer andren Ware eingehen. Da der Produktionspreis abweichen kann vom Wert der Ware, so kann auch der Kostpreis einer Ware, worin dieser Produktionspreis anderer Ware eingeschlossen, über oder unter dem Teil ihres Gesamtwerts stehen, der durch den Wert der in sie eingehenden Produktionsmittel gebildet wird. Es ist nötig, sich an diese modifizierte Bedeutung des Kostpreises zu erinnern und sich daher zu erinnern, daß, wenn in einer besonderen Produktionssphäre der Kostpreis der Ware dem Wert der in ihrer Produktion verbrauchten Produktionsmittel gleichgesetzt wird, stets ein Irrtum möglich ist"[20].  

Was sagt uns Marx hier genau?

Marx sagt, daß wenn wir den Wert der verbrauchten Kostpreis-Waren so verstehen, daß er nicht seinerseits das Produkt eines Kapitals ist, das selber dem Gesetz der Durchschnittsprofitrate unterworfen ist, wir zu falschen Schlußfolgerungen kommen können. Selbstverständlich sind die Waren, die ein bestimmter Sektor als Produktionsmittel und Lohngüter bezieht Endprodukte eines anderen Sektors (bzw. in Spezialfällen auch eigene Endprodukte). Es wäre also "ein Irrtum", wenn dieses Verhältnis von Vorprodukten und Endprodukten sowie die Vernetzung der Sektoren übersehen wird.

Wird damit aber der Bortkiewiczschen Kritik der Nicht-Transformation der Vorprodukte das Wort geredet und somit das von Bortkiewicz ausgearbeitete, neoricardianische "Transformationsproblem" von Marx selbst formuliert?

Ich denke nicht, denn der nun folgende Abschnitt schließt direkt an den vorherigen an und schließt eine solche Interpretation definitiv aus: 

"Für unsre gegenwärtige Untersuchung ist nicht nötig, näher auf diesen Punkt einzugehen. Dabei bleibt immer der Satz richtig, daß der Kostpreis der Waren stets kleiner als ihr Wert. Denn wie auch der Kostpreis der Ware von dem Wert der in ihr konsumierten Produktionsmittel abweichen mag, für den Kapitalisten ist dieser vergangene Irrtum gleichgültig(!). Der Kostpreis der Ware ist ein gegebener, ist eine von seiner, des Kapitalisten, Produktion unabhängige Voraussetzung(!!!), während das Resultat(!!!) seiner Produktion eine Ware ist, die Mehrwert enthält, also einen Wertüberschuß über ihren Kostpreis. Sonst hat der Satz, daß der Kostpreis kleiner ist als der Wert der Ware, sich jetzt praktisch in den Satz verwandelt, daß der Kostpreis kleiner ist als der Produktionspreis. Für das gesellschaftliche Gesamtkapital, wo Produktionspreis gleich Wert, ist dieser Satz identisch mit dem früheren, daß der Kostpreis kleiner ist als der Wert. Obgleich er für die besonderen Produktionssphären abweichenden Sinn hat, so bleibt ihm immer die Tatsache zugrunde liegen, daß, das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, der Kostpreis der von diesem produzierten Waren kleiner als der Wert oder der hier, für die Gesamtmasse der produzierten Waren, mit diesem Wert identische Produktionspreis. Der Kostpreis einer Ware bezieht sich nur auf das Quantum der in ihr enthaltenen bezahlten Arbeit, der Wert auf das Gesamtquantum der in ihr enthaltenen bezahlten und unbezahlten Arbeit; der Produktionspreis auf die Summe der bezahlten Arbeit plus einem, für die besondere Produktionssphäre unabhängig von ihr selbst, bestimmten Quantum unbezahlter Arbeit"[21]. 

Die Zurückweisung einer simultanistischen, neoklassischen Interpretation könnte deutlicher nicht ausfallen. Marx unterscheidet gegen jede neoklassische Logik "Voraussetzung" und "Resultat" des Produktionsprozesses und führt damit zweifelsfrei zwei Momente ein, die der neoklassisch-neoricardianischen Gleichgewichtslehre vollkommen fremd sind: Zeit und Kausalität. Marx verweist explizit auf die makroökonomischen Relationen des gesellschaftlichen Gesamtkapitals, also die berühmten "Invarianzpostulate" der Identität von Wertsumme und Preissumme und Mehrwertsumme und Profitsumme. Weil diese makroökonomischen Verhältnisse dem individuellen Kapital gegenüber über die Konkurrenz vermittelt werden, sind die (makroökonomischen) Wertrelationen immer in letzter Instanz die quantitativen Bestimmungsgründe für die Profitverteilung unter den einzelnen Kapitalien. Diese Tatsache hat Reinhard Schaupeter bereits Mitte der neunziger Jahre zur Formulierung eines konsistenten Algorithmus genutzt, der das Marxsche Verfahren selbst unter den restriktiven Voraussetzungen neoricardianischer Methodik komplett rehabilitiert. Eine solche "Rehabilitation" und immanente Widerlegung der neoricardianischen Marxkritik ist freilich insofern gar nicht nötig, als daß das Marxsche Verfahren außerhalb des neoklassisch-neoricardianischen Rahmens anzusiedeln ist. Wie gesehen geht diese methodische Abgrenzung bereits von Marx selbst aus und läßt sich logisch gar nicht sinnvoll bestreiten, außer man unterstellt Marx, daß er die Begriffe "Voraussetzung" und "Resultat" vollkommen bewußtlos benutzt hat.

Weil die simultanen Gleichungssysteme neoricardianischer Provenienz aber sowohl Input als auch Output gleichzeitig bestimmen (und nicht wie Marx den Input als bereits größenmäßig feststehende Voraussetzung behandeln), und nur äußerlich aufeinander beziehen, bleibt die Wertebene „redundant“ und statt dessen wird die physische Verflechtungsstruktur der Inputs und Outputs zum Ausgangspunkt der Produktionspreisrechnung[22]. Dabei ist die "Redundanz der Werttheorie" nicht etwa Resultat der neoricardianischen Marxinterpretation, sondern bereits in den Voraussetzungen dieses Modells selbst angelegt. Man kommt also in einem logischen Zirkel zum "Redundanz"-Argument, weil die Werttheorie bereits in den Voraussetzungen eliminiert wird. Der anfänglich mit der Marxschen Werttheorie sympathisierende Mario Cogoy hat dies ohne jedes Problembewußtsein ganz offen ausgesprochen, indem er den methodischen Rahmen der Marxinterpretation einzig und allein unter Voraussetzung des "Dualitätsparadigmas" von Werten und Preisen verortet sieht. Dabei folgt aus der Sichtweise, "Arbeitswert- und Produktionspreistheorien unter dem Aspekt der Dualität zu betrachten" logisch zwingend, daß "diese Konzepte als ein dualer Reflex von Strukturen des physisch-technischen Mengensystems zu erfassen [sind]"[23]. Genau dieses Argument (das als Ausgangspunkt der Formalisierung der Werttheorie dient) wird dann allerdings wieder angeführt, um die "Redundanz der Werttheorie" zu beweisen und zu sagen, der Rekurs auf physische Mengensysteme reiche zur Bestimmung von Profitrate und Produktionspreisen. Offenbar dreht sich dieses Argument im Kreise, denn das Resultat steckt hier bereits in den Voraussetzungen - abgesehen davon, daß sich aus diesem Modell letztlich überhaupt keine "Werte" im Marxschen Sinn abstrakter Arbeit bestimmen lassen, sondern nur technologisch bestimmte Mengen konkreter Arbeit[24]. In der neoricardianisch rekonstruierten Marxschen Werttheorie bleiben somit die erkenntnistheoretisch zentralen Punkte Marxens, die Wertform des Arbeitsproduktes und die "abstrakte Arbeit", unberücksichtigt. Eine Unterscheidung von abstrakter und konkreter Arbeit existiert hier nicht, denn "Werte werden (...) nur bestimmt von technologischen Koeffizienten", und diese Werte sind "unabhängig vom Markt"[25]. Es handelt sich hier also um eine mit der Marxschen Wertlehre total inkompatible und erkenntnistheoretisch inferiore Art von "Vulgärökonomie", welche Marx von einer vormarxschen Position aus kritisiert und seine zentralen Fragestellungen noch gar nicht eingeholt hat.

5. Eine „Korrektur“ Marxens mittels eines neoricardianischen, simultanen Gleichungssystems stellt sich somit als ein zwar mathematisch gangbarer Weg heraus, doch sind die Implikationen einer solchen „Transformation“ Marxens – eine über hundert Jahre erstaunlicherweise fast nicht bedachte Frage - genau zu bedenken. Der gesellschaftstheoretische Gehalt der Marxschen Kategorien wird nahezu komplett ignoriert bei jenen Autoren, da der Kern der Marxschen Argumentation darin besteht, die allgemeine Profitrate aus dem Verhältnis der gesellschaftlichen Mehrarbeit zu den gesellschaftlichen Aufwendungen für vergegenständlichte Arbeit („konstantes Kapital“) und Löhne („variables Kapital“) zu entwickeln. Erst nachdem diese spezifische Form der Wertschöpfung durch die sich über den Wert vergesellschaftenden Wirtschaftssubjekte qualitativ entwickelt ist, kann die Konkurrenz der Einzelkapitalien um den Mehrwert als modifizierendes Element berücksichtigt werden. Während die Konkurrenz – was nur ein anderes Wort ist für die gesellschaftliche Arbeitsteilung unter den Produktionsbedingungen des Kapitals – bei der Konstitution des Wertes in zweifacher Hinsicht wirksam ist, nämlich bei der Herausbildung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit innerhalb einer Produktionssphäre sowie zwischen den Produktionssphären, bewirkt die Konkurrenz drittens die Verwandlung des Wertsystems in ein Produktionspreissystem[26]. Dies geschieht eben durch die Konkurrenz der Kapitalien um den Mehrwert, also durch die Kapitalbewegungen zwischen den Produktionszweigen. Dieser dritte Effekt der Konkurrenz existiert nur im Kapitalismus und ist der eigentliche „Modifikator“ des Wertgesetzes – nach dem sich die Waren entsprechend der direkt in ihnen enthaltenen Arbeitsquanta tauschen -, welches Marx im ersten Band des „Kapital“ noch voraussetzt. Der Aufbau des Marxschen „Kapital“ reflektiert auch hier den notwendigen, logischen Aufbau der bürgerlichen Verkehrsformen, die aus den unentwickelten Formen schrittweise genetisch entwickelt werden und jene so „aufheben“.

Das Interesse aller Kapitalien an einer Erhöhung der Mehrwertmasse wird vor dem Hintergrund der Marxschen Analyse nun ebenso verständlich wie die Bewegung zum Ausgleich der Profitraten. Die Wertrechnung ist hier aber der unerläßliche Ausgangspunkt, da die gesellschaftliche Wertschöpfung mittels Arbeit die qualitative Grundlage des Preises als sozialer Form bildet und das Preissystem nur den Wert in seiner Erscheinungsform als Kapital (welches eben den umverteilten Durchschnittsprofit einschließt) reflektiert.  

„Ohne diese Entwicklung bleibt die allgemeine Profitrate (und daher auch der Produktionspreis der Ware) eine sinn- und begriffslose Vorstellung“[27].

 

6. Einen anderen Weg geht der Politökonom Michael Heinrich, der in seiner viel beachteten Monographie „Die Wissenschaft vom Wert“ die Transformation von Werten in Preise im Rahmen seiner „monetären Werttheorie“ für überflüssig erachtet, da es für ihn „der kategorialen Logik entsprechend nicht um eine bestimmte Art der Berechnung geht, sondern um ein begriffliches Entwicklungsverhältnis[28]. Heinrichs Verständnis der Marxschen Werttheorie als monetärer Werttheorie wendet sich gegen die oftmals implizit vertretene Auffassung einiger Autoren, „abstrakte Arbeit“ sei eine quasi-physische Substanz, welche durch den Arbeitsprozeß in die Ware einfließt wie Marmelade in einen Pfannkuchen[29]. Dagegen wendet Heinrich zurecht ein, daß derartige Interpretationen vom Geld absehen (da hier schon vor dem Austausch durch das Geldmedium de facto abstrakte Wertquanta existieren) und damit eigentlich vom Tausch generell, ist doch „abstrakte Arbeit“ die Wertsubstanz eines Gesellschaftssystems, bei dem private Arbeit erst über den Tausch vergesellschaftet wird und somit Wertgegenständlichkeit zugewiesen bekommt. Auch ist Heinrich in seiner Analyse zuzustimmen, daß  

„Tausch zu Produktionspreisen bedeutet, daß es jetzt nicht mehr allein das Verhältnis der individuell verausgabten Arbeit zur gesellschaftlichen Gesamtarbeit ist (...), sondern zugleich auch das Verhältnis der Größe des individuellen Kapitals zum gesellschaftlichen Gesamtkapital, was die Austauschverhältnisse bestimmt“[30]

Da aber vor dem Tausch keine Wertgegenständlichkeit existiert und im Tausch unter kapitalistischen Produktionsbedingungen allein der Produktionspreis sich realisieren läßt, „kann es auch keine quantitative Determinierung des Produktionspreissystems durch ein irgendwie geartetes, präexistentes Wertsystem geben“[31]. Für Heinrich sind „die Kategorien Wert und Mehrwert begriffslogisch Voraussetzungen für das Verständnis der Kategorien Profit und Produktionspreis“[32]. Für die Untersuchung der spezifisch kapitalistischen Form der Aneignung unbezahlter Arbeit „ist die Kategorie Mehrwert nicht als quantitative Kategorie entscheidend, sondern insofern sie auf einer abstrakten Ebene den Formgehalt des Austausches zwischen Kapital und Arbeit ausdrückt“[33]. Heinrich erklärt die Transformation also für im Prinzip überflüssig, da Wert- und Preissystem nur begrifflich aufeinander beziehbar sind. Eine wie auch immer geartete quantitative Verbindung beider Ebenen existiert aber nicht, da nach Heinrich eine Verwandlung von Werten in Preise ein physiologisches, prämonetäres Verständnis des „Wert“-Begriffes voraussetzt.

Allerdings bleibt die Frage somit offen, wie die „begriffslogischen Voraussetzungen“ sinnvoll zu denken sind, wenn die quantitativen Ergebnisse der von Heinrich akzeptierten  simultanen Transformation letztendlich keine quantitativ nachvollziehbare Verbindung mehr zwischen gesellschaftlicher Arbeit und Preissystem erkennen lassen[34]. Auch kann selbst eine „monetäre Werttheorie“ nicht ignorieren, daß in der Zirkulationssphäre nur erscheinen kann, was vorher an (später als gesellschaftlich notwendig ausgewiesener) Arbeitszeit in den Waren vergegenständlicht wurde. Die objektive Geltung kommt der verausgabten Arbeitszeit selbstverständlich nur zu in der Realisierungssphäre, vorher ist jede Produktion nur potenzieller Wert. Realer Wert wird wirklich (eben „real“) nur durch die Realisierung im Austausch mit Geld. Es besteht aber eine logische Verbindung zwischen Produktions- und Zirkulationssphäre, die nicht zugunsten der einen oder der anderen übersehen werden sollte. Sonst hätten wir es mit prämonetären Werttheorien oder nicht-werttheoretisch fundierten Preistheorien zu tun. Heinrichs Methode, quantitative Fragen auszublenden und dann faktisch Preise über die Wertformanalyse in Werte zu verwandeln (bzw. Preise rein formgenetisch als Werte auszuweisen) ist zwar gangbar, bedeutet aber die Preisgabe sämtlicher quantitativer Aspekte an die neoricardianische Preistheorie. Der Marxismus tritt dann quasi nur noch ex post auf den Plan und verweist wertformanalytisch darauf, daß jeder Preisstruktur eine Wertstruktur zugeordnet werden kann. Er wird so letztlich zurückgezogen auf die "uneinnehmbare Festung" der Wertformanalyse in ihrer allgemeinsten Form. Die Möglichkeit der Zuordnung von Werten zum neoricardianischen Preissystem freilich vertreten Neoricardianer bereits selbst, wobei dann die Frage bestehen bleibt, wie dieses Wertsystem durch all die quantitativen Probleme hindurch genau begründet werden soll. Soll dann die neoricardianisch abgeleiteten "datierten Arbeitsmengen" gelten oder wird einfach den neoricardianischen Preisen nur auf höchster Abstraktionsebene die Wertform unterstellt? So ganz geklärt erscheinen mir diese Fragen nicht. Es gibt allerdings – neben Schaupeters Verfahren - eine bessere Alternative zu dieser totalen Auslieferung an die neoricardianische Preistheorie.

Wird die Transformationsprozedur an der Marxschen Formel der Kapitalzirkulation[35] orientiert, kann die monetäre Werttheorie ohne Rekurs auf die neoricardianische Gleichgewichtslehre rekonstruiert werden. Marx geht nämlich davon aus, dass die Bestandteile des produktiven Kapitals (Produktionsmittel und Arbeitskraft) W zu Geldpreisen gekauft werden durch die Investitionssumme G, welche vor dem Beginn des Produktionsvorganges bereits feststeht als äußeres Datum, und die sich im Laufe der Produktion nicht verändern kann (dies macht eben seinen kausal-zeitförmigen Standpunkt aus!). Auf diese Geldbewegung I folgt dann der Produktionsprozeß, also die produktive Kombination von C und V, und aus ihm resultiert eine Ware (W’), welche stofflich im Wert gesteigert ist, deren monetäre Bewertung aber noch aussteht. Erst wenn W’ im Tausch gegen Geld (G’) realisiert wird ist mit Geldbewegung II der Zirkulationsprozeß abgeschlossen und das Kapital verwertet. Der monetäre Charakter dieses Prozesses ist genauso offenkundig wie sein kausal-zeitförmiger Charakter und die substanztheoretische Fundierung des Geldes in gesellschaftlicher Arbeit. Zwischen Input und Output stehen kausale Prozesse in realer Zeit. Der „Wert“ der Produktionsmittel und der Lohngüter (als Elemente des Kostpreises) besteht also in der vor Beginn des Produktionsprozesses bezahlten Geldsumme, die für den Erwerb dieser zwei „Warenkörbe“ verausgabt wurde. Weil es sich hier um eine Geldsumme handelt und nicht um prämonetäre Waren ohne Geldausdruck (wie in der neoricardianischen Wert-Preis-Rechnung) ist auch eine Kritik, wie sie an Bortkiewicz’ simultanem Verfahren geübt werden muß, hinfällig. Wo bei Sraffa jede einzelne, prämonetäre Ware individuell transformiert wird simultan zum Output, wird bei Marx der Input getrennt vom Output monetär bewertet. An die Stelle prämonetärer, disaggregierter Realgrößen in einem simultanen Gleichungssystem treten hier also monetäre, aggregierte Wertgrößen in einem kausal-zeitförmig organisierten Produktions- und Verwertungsprozeß.

Marx wies selber im zweiten Band des „Kapital“ in einer Kritik an Bailey darauf hin, „daß Wert nur als Kapitalwert oder Kapital fungiert, sofern er in den verschiedenen Phasen seines Kreislaufs, die keineswegs contemporary[36] sind (!!!), sondern nacheinander fallen, mit sich selbst identisch bleibt und mit sich selbst verglichen wird“[37].

Umgekehrt setzt Heinrichs „monetäre Werttheorie“ die Gültigkeit simultaner Gleichgewichtsmodelle als angemessene Methode zur Berechnung von Preisen aus Preisen voraus, denn er unterscheidet nicht zwischen Geldbewegung I und II  wie Marx in seinem Modell der Kapitalzirkulation. Der zweite Band des "Kapital" und seine kausal-zeitförmigen Implikationen werden also auch von Heinrich nicht hinreichend beachtet und seine "monetäre Werttheorie" verbleibt deshalb im neoklassischen Diskursfeld.

7. Ein solch radikaler Rückzug erscheint allerdings nicht notwendig, denn Heinrich selbst ahnt, daß eine reine Preistheorie immer bereits voraussetzt, was sie eigentlich sowohl qualitativ als auch quantitativ zu entwickeln hätte. So erkennt er, daß die Konkurrenz zwischen den einzelnen Sphären zwar „nicht für den Übergang von Werten in Produktionspreise sorgt“, wohl aber für „die Verwandlung eines ‚deformierten‘ Produktionspreissystems (...) in eines, das wieder für jede Branche annähernd dieselbe Profitrate ermöglicht“[38]. Heinrichs „deformiertes“ Preissystem verweist uns nun wieder an Marxens Methode, als Ausgangspunkt der Transformation ein Preissystem zu nehmen, welches den Mehrwert einer bereits erfolgten Ausgleichsbewegung enthält und dessen neue Wertschöpfung nun im Zuge der Konkurrenz durch die Kapitalbewegungen selbst umverteilt wird. Diese „Umverteilung“ ist kein „prämonetärer“ Prozeß, sondern erinnert uns daran, daß die Herausbildung des Preissystems ein Prozeß konkurrierender Einzelkapitale ist, deren Zusammenhang über die Konkurrenz um die getrennt geschöpfte Mehrwertmasse hergestellt wird. Die verschiedenen Produktionszweige erwirtschaften durch ihre produktive Leistung einen betrieblichen Mehrwert, der einem Formwandel unterliegt, insofern diese Mehrwerte „wegschmelzen“ durch die Konkurrenz und sich in unter Konkurrenzbedingungen allein realisierbare Durchschnittsprofite verwandeln. Seine „monetäre Werttheorie“ bringt Heinrich somit in die Nähe bürgerlicher Gleichgewichtsökonomen und hindert ihn, Produktion und Verteilung als Prozeß zu betrachten, der beständig das Verhältnis zwischen mikroökonomischer und makroökonomischer Logik (also Mehrwert und Durchschnittsprofit) herstellt.

Die Realisierung des Warenwertes ist zweifellos der Moment der Vergesellschaftung individueller Arbeitsprodukte und erst über das Geld möglich – hier liegt der wahre Gehalt einer „monetären Werttheorie“ gegenüber prämonetären Werttheorien wie auch Hans-Georg Backhaus seit den sechziger Jahren herausgearbeitet hat. Aber bis zu dieser Realisierung des Warenwertes ereignen sich kausal-zeitförmig angelegte Formwandlungen des Werts, die im Falle der Kapitalzirkulation in Geldbewegung I, Produktionsprozesse und Geldbewegung II zerfallen (s.o.).

Der Marxschen Analyse des Kreislaufprozesses liegt somit kein quasi-physiologisches Verständnis von „abstrakter Arbeit“ zugrunde sondern die Erkenntnis, dass die Zirkulationssphäre nur zum Erscheinen bringen kann, was vorher potenziell bereits angelegt war. W’ ist keine prämonetäre Ware, sondern die stofflich „verwohlfeilerte“ Ware vor ihrer gesellschaftlichen Anerkennung durch den Tausch mit der Geldware, also die Ware an einem bestimmten Punkt ihrer Zirkulationsbewegung. In ihrer verkürzten Gestalt kann eine „monetäre Werttheorie“ also zu durchaus falschen Ergebnissen führen.

Es handelt sich beim Marxschen Verfahren um eine permanente Bewegung vom Gleichgewicht zum Ungleichgewicht und umgekehrt. Jede Wertschöpfung individueller Kapitale stellt ein „Ungleichgewicht“ dar, welches sich durch die Konkurrenz (welche auch in der Kapitalzirkulation wirkt) in ein „Gleichgewicht“ verwandelt. Beständig geht dieser Formwandel vor sich und schafft Gleichgewichte, die sofort wieder instabil werden durch neue Verwertungsbewegungen des Kapitals. Die Konkurrenz synthetisiert die „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit“ heraus und bewirkt gleichzeitig ihre Umverteilung zwischen den Kapitalien. Produktionspreise stellen somit den Endpunkt einer Kreislaufbewegung dar, welche mit einem Ungleichgewicht aus Sicht des Kapitals beginnt und die in einer Ware mit Durchschnittsprofit im Gleichgewicht resultiert.

Dies hat bereits Isaak Rubin als wesentlichen Aspekt bei der Frage nach dem Verhältnis der Wert- zur Preisstruktur angesehen, denn Arbeitswerte wie Produktionspreise stellen Gleichgewichtssysteme dar, 

„aber der Arbeitswert entspricht einem Gleichgewichtszustand in der Verteilung von Arbeit auf die verschiedenen Sphären (...), während der Produktionspreis den Gleichgewichtszustand in der Verteilung der Kapitale auf die verschiedenen Sphären in der kapitalistischen Wirtschaft angibt. (...) Die Gleichheit [der ökonomischen Bedingungen, d.A.] hängt von der objektiven Gesellschaftsstruktur ab, die der Gesamtwirtschaft zugrunde liegt. Im einen Fall wird es sich um eine Gleichheit der Arbeit handeln, im anderen um eine Gleichheit des Kapitals[39]. 

9. Lineare Modelle à la Sraffa und Bortkiewicz sind reine Gleichgewichtsmodelle des Preissystems, während Marx die Herausbildung eines Gleichgewichtszustandes aus einem Ungleichgewichtszustand untersucht[40]. Nur wenn beide Zustände gedacht werden und zueinander in Beziehung gesetzt werden, kann von einer sinnvollen Rekonstruktion des kapitalistischen Tauschsystems gesprochen werden. Bei Marx sind beide Zustände gedacht, und der Übergang vom einen zum andern findet über Produktionsprozesse statt, die konkurrenzförmig in der Zeit ablaufen[41]. Man kann das Marxsche Verfahren m.E. auch so interpretieren, daß es die widersprüchliche Wechselwirkung zwischen der mikroökonomischen Produktion von Mehrwert (als individueller Profit) und seiner makroökonomischen Nivellierung (im Durchschnittsprofit) berücksichtigt. Statt nur die eine oder die andere Ebene zu betrachten untersucht Marx beide Ebenen und setzt sie ins Verhältnis. Ohne die Ungleichgewichte in der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfung würden die Akteure keinen betriebswirtschaftlichen Profit erwirtschaften können und hätten folglich auch keinen Anreiz zu Innovationen und Investitionsbewegungen[42]. Wenn also der Realität des Verhältnisses von individuellem Kapital zu gesellschaftlichem Gesamtkapital oder von betriebswirtschaftlichem Einzelprofit zu Durchschnittsprofit sinnvoll Rechnung getragen werden soll, ist der Marxsche Ansatz sehr viel leistungsfähiger als die Simultan-Methode mit ihrer streng getrennten, prozeßlosen „Zwei-Welten-Lehre“ von Wert und Preis[43]. Letztlich ist natürlich klar, daß in der Realität das empirische Preissystem immer

Dabei ist das Wertsystem am Beginn ein Ungleichgewichtssystem – hervorgebracht durch das Profitstreben einzelner Kapitalien nach Extraprofit -, das durch Innovationen, Technik- oder Nachfragewechsel nicht mehr mit den Reproduktionsbedingungen des Kapitals vereinbar ist und das in ein Preissystem mündet, welches den Verwertungsbedürfnissen der konkurrierenden Kapitale - und damit dem Gesamtkapital - entspricht. Dieses Preissystem markiert den für das Einzelkapital realisierbaren Anteil am Gesamtmehrwert, der „durch die Konkurrenz zwischen den einzelnen Sphären (ein Prozeß, der in realer Zeit abläuft)“[44] umverteilt wird. Es ist also sowohl logisch als auch empirisch einsichtig, wenn Marx nicht allein vom Preissystem her denkt, sondern das Preissystem als etwas prozeßhaft sich herausbildendes begreift, das nur vom Wertsystem her verstanden werden kann. Sein Transformationsverfahren hat gerade seine Stärke darin, daß es den Prozeß der Verwandlung von Ungleichgewichten (Wertsystem und Wertschöpfung) in Gleichgewichte (Preissystem und Zirkulation) betrachtet – die simultanen Modelle kennen bekanntlich nur Gleichgewichtszustände, deren Zustandekommen aber vollkommen unklar und nicht nachvollziehbar ist. Der Markt produziert beide Zustände, doch markiert Marx das Verständnis des Weges vom einen zum andern, den Motor der Akkumulation und der Preisbildung. Idealtypisch geht Marx davon aus, daß mit dem Ende des Produktions- und Zirkulationsprozesses die Verwandlung des Wertsystems in das Preissystem abgeschlossen ist und die Konkurrenz ihre doppelte Wirkung – Konstitution des Wertsystems gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit und dessen gleichzeitige Transformation in ein kapitalförmiges Gleichgewichtssystem - zur Gänze entfaltet hat[45].

10. Die Forschungsarbeit der "International working Group on Value Theory" (IWGVT) im angelsächsischen Raum besteht nun zum größten Teil in der Rekonstruktion der Marxschen Wettheorie auf der Basis einer kausal-zeitförmigen Interpretation des kapitalistischen Produktionsprozesses. Die von den Autoren der IWGVT vertretene Werttheorie und ihre preistheoretischen Implikationen wird als "Temporal Single System" bezeichnet. Mit "temporal" ist hierbei die kausal-zeitförmige Methode gemeint und mit "Single System" die Ablehnung des Dualitätsparadigmas. „Preis und Wert sind ein und das selbe in verschiedenen Phasen der Existenz des Kapitals“[46], so Alan Freeman von der IWGVT. Eine „duale Werttheorie“, welche Marx vorwirft, ein und die selbe Ware einerseits als Wert (soweit sie im Kostpreis auftaucht) und andererseits als Produktionspreis (soweit sie Resultat eines Produktionsprozesses ist) zu behandeln, sie also praktisch zwei mal existieren zu lassen mit verschiedenen quantitativen Bewertungen, kann also nur von einem simultanistischen Standpunkt aus - dem oben geschilderten "Dualitätsparadigma" - vertreten werden. Eine immanente Kritik der Marxschen Wert-Preis-Rechnung stellt dieses Verfahren nicht dar, denn Marx operiert ausdrücklich nicht simultan, sondern kausal-zeitförmig. Sein Verständnis des Zusammenhanges von Ursache und Wirkung in der Zeit entspricht dem allgemein anerkannten und lediglich von den an Walras’ Allgemeiner Gleichgewichtstheorie orientierten Ökonomen geleugneten Wissenschaftskonzept. So schreibt schon Kant hierzu überaus hellsichtig: 

„Der Satz der Kausalverknüpfung unter den Erscheinungen ist (...) auf die Reihenfolge derselben eingeschränkt, da es sich doch bei dem Gebrauch desselben findet, dass er auch auf ihre Begleitung passe, und Ursache und Wirkung zugleich sein könne. Es ist z.B. Wärme im Zimmer, die nicht in freier Luft angetroffen wird. Ich sehe mich nach der Ursache um, und finde einen geheizten Ofen. Nun ist dieser, als Ursache, mit seiner Wirkung, der Stubenwärme, zugleich; also ist hier keine Reihenfolge, der Zeit nach, zwischen Ursache und Wirkung, sondern sie sind zugleich, und das Gesetz gilt doch.

Der größte Teil der wirkenden Ursachen in der Natur ist mit ihren Wirkungen zugleich, und die Zeitfolge der letzteren wird nur dadurch veranlasst, daß die Ursache ihre ganze Wirkung nicht in einem Augenblick verrichten kann. Aber in dem Augenblicke, da sie zuerst entsteht, ist sie mit der Kausalität ihrer Ursache jederzeit zugleich, weil, wenn jene einen Augenblick vorher aufgehört hätte zu sein, diese gar nicht entstanden wäre. Hier muß man wohl bemerken, daß es auf die Ordnung der Zeit, und nicht auf den Ablauf derselben angesehen sei; das Verhältnis bleibt, wenn gleich keine Zeit verlaufen ist. Die Zeit zwischen der Kausalität der Ursache, und deren unmittelbaren Wirkung, kann verschwindend (...) sein, aber das Verhältnis der einen zur andern bleibt doch immer, der Zeit nach bestimmbar. Wenn ich eine Kugel, die auf einem ausgestopften Kissen liegt, und ein Grübchen darin drückt, als Ursache betrachtet, so ist sie mit dieser Wirkung zugleich. Allein ich unterscheide doch beide durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider. Denn, wenn ich die Kugel auf das Kissen lege, so folgt auf die vorige glatte Gestalt desselben das Grübchen; hat aber das Kissen (ich weiß nicht woher) ein Grübchen, so folgt darauf nicht eine bleierne Kugel. Demnach ist die Zeitfolge allerdings das einzige empirische Kriterium der Wirkung, in Beziehung auf die Kausalität der Ursache, die vorhergeht[47].  

Kant besteht auf der Verbindung von Kausalität und Zeit, auch wenn Ursache und Wirkung scheinbar zusammenfallen. Er unterscheidet beide aber temporär begründet „durch das Zeitverhältnis der dynamischen Verknüpfung beider“. Für ihn ist klar: 

„Alle Erscheinungen überhaupt, d.i. alle Gegenstände der Sinne, sind in der Zeit, und stehen notwendiger Weise in Verhältnissen der Zeit“[48]. 

Allein die von Léon Walras ausgehende Gleichgewichtstheorie und ihre marxistischen und neoricardianischen Ableger operieren zeitlos und damit ohne kausale Zusammenhänge, ohne Ursache und Wirkung, folglich in einer Modellwelt ohne Zeit und Raum.

11. Somit ist auch das Verhältnis Bortkiewicz‘ zur Marxschen Methode kritischer zu beurteilen und aufzuarbeiten als das beispielsweise Friedrun Quaas tut, wenn sie sagt: 

„Bortkiewicz‘ Ansatz steht in keinem einzigen Punkt im Widerspruch zu Marx‘ Intentionen“[49]

Schließlich weist sie selber darauf hin, daß das Bortkiewiczsche Verfahren bei genauer Betrachtung eine unvollständige Transformation darstellt, denn  

„anders als Bortkiewicz glaubte, kann mit seinem Ansatz die Profitrate nicht so ohne weiteres als von den Verhältnissen (der organischen Zusammensetzung) der dritten Abteilung unabhängig angesehen werden, denn in C und V gehen ja auch c3 und v3 ein[50]

Die „Lösung“ von Bortkiewcz stellt sich also ihrerseits als unvollständige Transformation heraus, da Sektor 3 nicht transformiert wird. Nach Bortkiewicz‘ eigener Argumentation ist es allerdings nicht einzusehen, weshalb c3 und v3 in Wertgrößen statt in Preisgrößen berechnet werden, zumal ja generell die Waren innerhalb der Produktionsabteilungen mit einem Umrechnungskoeffizienten multipliziert werden und sich somit „innerhalb dieser Blöcke (...) nach wie vor zu Werten tauschen“[51]. Im Gegensatz zu Marx hat Bortkiewicz aber diese Abweichung nicht bemerkt, folglich auch nicht begründet, und deshalb ist ihm hier ein offensichtlicher Irrtum unterlaufen[52].

Methodisch hat sich Bortkiewicz im übrigen selbst zur Schule der neoklassischen Gleichgewichtstheorie von Léon Walras – „seinem Mentor und Kollegen“[53] – zugerechnet: 

„Die moderne Theorie der Volkswirtschaft fängt an, sich allmählich von dem succesivistischen Vorurteil zu befreien, wobei in dieser Beziehung der mathematischen Schule mit Léon Walras an der Spitze das Hauptverdienst gebührt. Die mathematische, speziell algebraische, Darstellung erscheint eben als der adäquateste Ausdruck dieses überlegenen, der Eigenart der ökonomischen Zusammenhänge Rechnung tragenden Standpunktes[54]. 

Für Sweezy, Quaas, Heinrich u.a. stellt diese bei Bortkiewicz hergestellte Synthese von Marx und Walras offensichtlich eine unproblematische Angelegenheit dar. Ganz im Gegensatz dazu wundert sich Andrew Kliman, daß Bortkiewicz „zahlreiche Marxistische (und Sraffianische) Nachfolger“ gefunden hat, die „typischerweise leugnen“, was Bortkiewicz noch wußte: nämlich „daß die Wertkonzeption des ‚Kapital‘ sukzessivistisch oder zeitförmig statt simultan“[55] angelegt ist. Freilich sieht Bortkiewicz seinen Algorithmus nicht als einen Ausweis für die „Redundanz“ der Werttheorie, sondern als eine immanente Korrektur, welche einen bloß formalen „Rechenfehler“ behebt ohne das Fundament der Werttheorie anzutasten. Die methodische Differenz zwischen der simultanen und der kausal-zeitförmig operierenden Methode reflektiert er allerdings nicht weiter, er stellt sie nur fest und entscheidet sich für erstere. Daß in letzter Konsequenz aus seinem Algorithmus die prinzipielle Irrelevanz des Wertsystems folgt, hat Bortkiewicz bereits gewusst und ausgesprochen[56]. Die neoricardianische Kritik hat in der Folge die unvollständige Transformation Bortkiewicz’ zu Ende gebracht und damit aus Sicht des Walrasianischen Marxismus die Redundanz der Werttheorie endgültig „bewiesen“ bzw. das „Transformationsproblem“ mit den Mitteln des simultanen Paradigmas „gelöst“. Am Ende dieser Operation war bekanntlich der Patient tot. Mit der neueren Debatte im Gefolge des „Temporal Single Systems“ (TSS), welches von US-Ökonomen der IWGVT als marxistische Antwort auf die neoricardianische Zerstörung der Werttheorie mittels simultaner Gleichungen entworfen wurde, kann auch ein neuer Blick auf das Marxsche Verfahren geworfen werden, das mit den Pathologien des Walras-Bortkiewicz-Sraffa-Marxismus nichts zu tun hat[57] und neu überdacht werden sollte.
 

Literaturliste:

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--Young Bin Hahn (1999): Die Geldtheorie von Marx und Keynes (Diss. der FU Berlin).

--Ladislaus von Bortkiewicz (1976): Wertrechnung und Preisrechnung im Marxschen System. In: Horst Meixner/Manfred Turban (1976): Etappen bürgerlicher Marx-Kritik, Lollar/Gießen.

--Ladislaus von Bortkiewicz (1976): Zur Berichtigung der grundlegenden theoretischen Konstruktion von Marx im dritten Band des „Kapital“. In: Horst Meixner/Manfred Turban (1976): Etappen bürgerlicher Marx-Kritik, Lollar/Gießen.

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--Hans-Georg Sprotte (1978): Quantitative Aspekte der Marxschen Theorie. In: FHW-Forschung Bd. 1/1978 der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, Berlin.

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--Georg Stamatis (1995): Zum Transformationsproblem. In: Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung, Nr. 21, März 1995, Frankfurt.

--Paul M. Sweezy (1971): Theorie der kapitalistischen Entwicklung, Frankfurt. 

Homepage der International Working Group On Value Theory (IWGVT):

http://www.gre.ac.uk/~fa03/iwgvt/

Texte der IWGVT gibt es hier nachzulesen:

http://www.iwgvt.org/index.php

Anmerkungen

[1] Paul M. Sweezy (1971), S. 140.

[2] Indem r eine Unbekannte ist, scheidet eine wertförmige Brücke zwischen Wertsystem und Preissystem aus. Somit sind auch makroökonomische Wertrelationen bei Bortkiewicz irrelevant zur Berechnung der Durchschnittsprofitrate.

[3] P.M. Sweezy (1971), S. 148.

[4] Den dritten denkbaren und überaus interessanten Fall, der selbst bei simultaner Wert-Preis-Rechnung das Marxsche Verfahren stützt, nämlich den Fall strukturkonstanten Wachstums, bei dem das System in Standardproportionen wächst (eine Akkumulationsquote von 100% ist hierfür erforderlich), erörterte Hans-Georg Sprotte (1978) in einer sehr lesenswerten Untersuchung.

[5] Sh. dazu z.B. Friedrun Quaas (1999), S. 34 ff.

[6] Sh. zu Francis Setons Beitrag Friedrun Quaas (1992), S. 92 – 96.

[7] Sraffas Weiterentwicklung des Bortkiewiczschen Systems - angewendet auf die Marxsche Problematik -  besteht wesentlich darin, daß er es möglich macht, sämtliche Waren (und nicht Warenblöcke) individuell zu transformieren mittels Kenntnis der physischen Verflechtungsstruktur. Werte und Preise werden so simultan ermittelt aus Gebrauchswertstrukturen. Dergestalt „zerstört es [das Transformationsproblem] sich sozusagen selbst, da man nicht bei einer Transformation der Werte in Preise anlangt, sondern bei einer Bestimmung der Preise, die unabhängig ist von den Werten“ (Claudio Napoleoni (1974), S. 201). Wie wir sehen werden, betrifft diese „Selbstzerstörung“ aber nur den Marx der neoricardianisch rekonstruierten Gleichgewichtsökonomie, nicht den originären Marx, der eine simultane Gleichgewichtsökonomie ablehnt.

[8] Friedrun Quaas (1999), S. 37.

[9] Wie ich später noch zeigen werde, war dies Bortkiewicz bereits klar und wurde von ihm ebenso offen ausgesprochen wie seine Anlehnung an die bürgerliche Gleichewichtslehre Leon Walras', deren Unvereinbarkeit mit der Marxschen Theorie Bortkiewicz ebenso deutlich erkannte.

[10] Zur Diskussion des Marxschen Fundamentaltheorems und der Kontroverse zwischen Steedman und Morishima sh. meinen Aufsatz Büttner (2006a).

[11] Zu Bedeutung und Methode der "New Solution" sh. Michael Heinrich (1988), S. 24 ff. und Michael Heinrich (1999), S. 276.

[12] Eine Ausnahme ist die Besprechung von Joan Robinsons Algorithmus durch Bertram Schefold (1974), S. 170 ff. Später hat Bertram Schefold meines Wissens kein Wort mehr verloren über Robinsons Ansatz, über den er 1974 noch schrieb: "Bei Unterstellung der Robinsonschen Lösung des Transformationsproblems ist es kaum mehr möglich, Marx wesentliche analytische Widersprüche vorzuwerfen, wie es die Verfechter der Transformation nach Seton-Morishima zu tun gezwungen sind" (ebd., S. 172).

[13] Zur genauen Analyse des Schaupeterschen Algorithmus sh. meine Studie Hans-Peter Büttner (2006b).

[14] Ernest Mandel (1991), S. 213.

[15] Ebd., S. 214.

[16] Hein Paragenings (2004, S. 92) kommt ebenfalls in seiner formtheoretischen Untersuchung zum Verhältnis von Werten zu Produktionspreisen zu dem Ergebnis, dass der Kostpreis „selbst nur ein vorausgesetztes und im Geld verselbständigtes Resultat der Kapitalbewegung ist, Resultat der Produktionsprozesse aller Kapitale und zugleich Bedingung des Produktionsprozesses jedes einzelnen Kapitals“. Paragenings insistiert im Gegensatz zu marxistischen Autoren „soweit sie der neoricardianischen Linie folgen“ (S. 100) darauf, dass die Kapitalbewegung „selbst ein zeitlich dimensionierter Prozeß ist“ (S. 103). Hervorh. d.A.

[17] Alejandro Ramos (2000), S. 130. Alle verwendeten Zitate von Ramos sind übersetzt aus dem Englischen.

[18] Heiner Ganßmann (1996), S. 81. Hervorh. HPB.

[19] Young Bin Hahn (1999): Die Geldtheorie von Marx und Keynes, S. 114. Analog zu Hahn verwende ich den Begriff „Gleichgewichtsökonomie“ zur Kennzeichnung der methodisch verwandten Konzepte von Neoklassik, Neoricardianismus und Standard-Arbeitswertlehre, die alle einen zeitlosen und geldlosen „Gleichgewichts-Begriff“ verwenden bei der Bestimmung der Preisstruktur.

[20] MEW 25, S. 174.

[21] Ebd. Hervorh. HPB.

[22] „Wenn der Wert des vorgeschossenen Kapitals erst einmal eine zu bestimmende Größe geworden ist, kann er nicht länger als ein bestimmender Faktor darauf folgender Werte und Preise dienen. Statt dessen ist es eine notwendige Implikation simultaner Wertrechnungen, dass die physische Verflechtung des Wirtschaftssystems der einzige unmittelbare Bestimmungsgrund von Preisen und Rentabilität wird“ (Andrew Kliman (2000), S. 101) . Alle verwendeten Zitate von Kliman sind übersetzt aus dem Englischen.

[23] Mario Cogoy (1982), S. 40.

[24] Zur Problematik der neoricardianisch abgeleiteten "Arbeitswerte" sh. Heiner Ganßmann (1983) sowie Johannes Berger (1978) und (1979).

[25] Michio Morishima (1973), S. 14 f.

[26] Alle diese drei Wirkungen entfaltet die Konkurrenz permanent und parallel zueinander. Deshalb ist die konkurrenzförmig organisierte Wertschöpfung immer schon auf den Ausgleich der Profitrate hin wirksam. Die Gleichzeitigkeit dieser drei Effekte der Konkurrenz hat aber nichts mit der simultanen Gleichzeitigkeit der Gleichgewichtsökonomie zu tun, denn der kausale Unterschied zwischen Input (Voraussetzung) und Output (Resultat) bleibt gewahrt bei Marxens Kreislaufanalyse.

[27] MEW 25, S. 167. Hervorh. HPB.

[28] Michael Heinrich (1999), S. 281.

[29] Diese „Pfannkuchen-Theorie des Werts“ wurde 1977 ironisierend von Ulrich Krause in seinem Aufsatz „Logik der Wertform“ formuliert: Sie geht davon aus, „daß Waren (...) gemeinsam mit Wert gefüllt werden, wie die Pfannkuchen mit Marmelade“ (ebd., S. 158). „Wert“ und „abstrakte Arbeit“ werden somit quasi-physiologisch verstanden, nicht als Tauschabstraktionen, welche sich im Tausch vollziehen.

[30] Michael Heinrich (1999), S. 281.

[31] Ebd., S. 282. Ganz deutlich sagt Heinrich ein Stück weiter: „Kapitalistische Produktion findet immer zu Produktionspreisen statt“.

[32] Ebd. Hervorh. d.A.

[33] Ebd.

[34] Nach Georg Stamatis’ (1995, S. 175) Resumée der simultanen Transformationsmethode ist klar, „dass trotz der entgegengesetzten Ansicht von Marx weder der Produktionspreis des gesamten Mehrprodukts d.h. der Gesamtprofit, dem Wert des gesamten Mehrprodukts, d.h. dem Gesamtmehrwert, noch der Produktionspreis des gesellschaftlichen Gesamtproduktes, d.h. die Summe aller Produktionspreise, dem Wert des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, d.h. der Summe aller Werte, stets gleich ist“.

[35] Die exakte Formel des Kapitalkreislaufes bei Marx lautet: G – W (Ak+Pm) …P…W’ – G’ . Ak steht für “Arbeitskraft“, Pm für “Produktionsmittel” und P für „Produktion“. Sh. MEW 24, S. 31 ff.

[36] „Contemporary“ bedeutet übersetzt „gleichzeitig“ bzw. „simultan“!

[37] MEW 24, S. 110. Hervorh. d.A.

[38] M. Heinrich (1999), S. 283/284.

[39] Isaak Rubin (1973), S. 202.

[40] Gleichgewichtsökonomische Elemente enthält die Marxsche Theorie zwar auch in den Annahmen einer einheitlichen Mehrwertrate, einer Durchschnittsprofitrate und "vollkommener Konkurrenz" zur Herausbildung der "gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit". Methodisch verabsolutiert sie diese Annahmen aber nicht, indem sie durch ihren kausal-zeitförmigen Erkenntnisstandpunkt Raum läßt für Ungleichgewichte, den tendenziellen Fall der Profitrate und eine differenzierte Geldtheorie.

[41] Der japanische Ökonom Sadao Ohno stellt deshalb zurecht fest: „Was den Prozeß von Input und Output anbetrifft, so sind Beginn und Ende von Input und Output zwei offensichtlich unterschiedliche Zeitpunkte“ (Sadao Ohno (1993), S. 169).

[42] Man muß das Marxsche Verfahren logisch so verstehen, daß es die widersprüchliche Wechselwirkung zwischen der mikroökonomischen Produktion von Mehrwert (als "individuellem" Profit) und seiner makroökonomischen Nivellierung (im Durchschnittsprofit) berücksichtigt. Beide Prozesse beziehen sich logisch aufeinander und müssen zusammen gedacht werden. Könnte das Einzelunternehmen keinen "individuellen" Profit schöpfen, gäbe es den Stachel der Mehrwertproduktion gar nicht und jedem Unternehmen würde sein Profit einfach zufallen. Dies wäre aber mit kapitalistischen Produktionsverhältnissen und den Motiven seiner Teilnehmer nicht vereinbar. Der Prozeß der Kapitalzirkulation erklärt uns also die verschiedenen Phasen von der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfung bis zur Verwandlung des Mehrwerts in Durchschnittsprofit in der Realisierungssphäre.

[43] Letztlich ist natürlich klar, daß in der Realität das empirische Preissystem immer zwischen Gleichgewicht und Ungleichgewicht pendelt und weder der eine noch der andere Zustand komplett erreicht wird. Wenn eine Preistheorie letztlich beide Zustände aufnimmt, kann dies also nur als eine Stärke aufgefaßt werden, denn "reine" Ungleichgewichte Scheitern an der Mobilität des Kapitals und "reine" Gleichgewichte an der Zeitstruktur und den mikroökonomischen Motiven der Marktsubjekte. Empirische Daten zu diesem Themenkomplex haben Paul Cockshott und Allin Cottrell (1994) präsentiert.

[44] Michael Heinrich (1999), S. 283. Hervorh. HPB.

[45] Von unterschiedlichen Umschlagszeiten und dem fixen Kapital (das sich über mehrere Perioden hin verschleißt) abstrahiert Marx der Einfachheit halber.

[46] Alan Freeman (1996), S. 17. Alle verwendeten Zitate von Freeman sind übersetzt aus dem Englischen.

[47] Immanuel Kant (1998), S. 299/300, Hervorh. d.A.

[48] Ebd., S. 110.

[49] Friedrun Quaas (1992), S. 64, Hervorh. d.A..

[50] Ebd., S. 61. Hervorh, d.A.

[51] Johannes Berger (1978), S. 14.

[52] Weitere Probleme des Bortkiewiczschen und des neoricardianischen Ansatzes generell zeigt Fritz Helmedag (1994), S. 248 ff. und (1999), S. 75 ff. auf.

[53] Andrew Kliman (2000), S. 102. Dort wird Bortkiewicz‘ methodisch enges Verhältnis zu Walras eingehend erörtert wie auch Marxens komplett entgegengesetzte Auffassung der ökonomischen Methode.

[54] Ladislaus von Bortkiewicz (1976), S. 104. Hervorh. d.A.

[55] Andrew Kliman (2000), S. 102.

[56] Sh. Bortkiewicz (1976), S. 146, wo u.a. gesagt wird, dass es möglich ist, Preise auf ihren „korrekten mathematischen Ausdruck zu bringen, ohne dass man von den entsprechenden Wert- und Mehrwertgrößen auszugehen brauchte, sondern letztere Größen kommen in der Rechnung gar nicht zum Vorschein, wenn man sich der exakten Formeln bedient“.

[57] Wie Andrew Kliman, Alan Freeman u.a. von der IWGVT herausgestellt haben,  sind auch die Probleme negativer Mehrwertquanten bei positiver Profitrate oder das „Okishio-Theorem“ zur Zurückweisung des tendenziellen Falls der Profitrate (auf das sich auch Heinrich positiv bezieht) Resultate der simultanen Wert-Preis-Rechnung. Diese Anomalien und Probleme treten bei zeitförmig-kausaler Interpretation nicht auf und die Marxsche Theorie kann konsistent rekonstruiert werden. Sh. die Aufsätze in: Alan Freeman u.a. (2004).

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung. Zu dieser Thematik veröffentlichte Hans-Peter Büttner im TREND