„ ...provoziert nicht das griechische Volk“
(Wenn die Masken fallen... Teil zwei)


von Café Morgenland

7/8-06

trend
onlinezeitung

Teil 1 erschien am 06. August 2006 

Nach der Nichtschändung des Mahnmals für die durch die Nazis ermordeten Juden von Thessaloniki, erfolgte der Nichtprotest gegen die israelitische Gemeinde.  

Auf die Verurteilung der Mahnmalschändung seitens der israelitischen Gemeinde, antwortete die KKE und der PAME mit einer ihrer Tat entsprechenden Veröffentlichung[1]: es war keine Schändung, schrieen sie aus Leibeskräften! Nicht nur bezeichneten sie die Verurteilung durch die Gemeinde als eine „Provokation“, die sogar „berechtigte demokratische Gefühle des griechischen Volkes unmittelbar verletzt“ (da weitgehend bekannt, werden wir auf die Frage, was so alles passieren könnte, wenn die Gefühle des griechischen Volkes verletzt würden, nicht näher eingehen), sondern verkündeten auch, dass die Gemeinde auf die Anklagebank gehöre, weil sie es in der Tat sei, die das Mahnmal geschändet habe: „die, die das Mahnmal schänden, sind all diejenigen, die schweigen, oder gar die Bestialität Israels und der Imperialisten gegen die Nahostvölker unterstützen..“ (Rizospastis, 4.8.2006) 

Um es ein für alle Mal zu klären: Wie die PAME und alle PAMEs, wie die zentralen und die dezentralen Komitees, deren Fans oder deren „Gegner“ darüber urteilen, ob es eine Schändung war oder nicht, interessiert uns überhaupt nicht, es ist irrelevant, es spielt keine Rolle, absolut keine Rolle! Das einzige, was uns interessiert, und das einzige, was für unsere Haltung und Verhalten maßgeblich ist, sind die Empfindungen und Gefühle der Überlebenden und ihre Nachkommen. Nach diesem ausschließlichen Kriterium beurteilen wir Taten dieser Art. Alles andere ist Billigware in Zeiten des Sommerschlussverkaufs. 

So nachdrücklich auch die KKE im Bezug auf ihre antizionistischen Tiraden beteuert, sie tue ihre Pflicht, gegen Krieg zu sein, so unverblüht zeigt sich darin zugleich das hässliche Gesicht des Antisemitismus.  Hinlänglich bezeugt wird dies allein durch die Tatsache, dass sie von griechischen Bürgern jüdischer Herkunft „Bekenntnisschreiben“ über den Krieg in Libanon verlangt.  Das Problem ist zweierlei:  

Einerseits will die KKE vergessen machen, wie stark ihre gegenwärtige Antikriegshaltung, die dazu verpflichtet, den Antizionismus zu verurteilen, davon absticht, wie angestrengt eifrig sie sich sonst in Zeiten der nach Krieg schreienden nationalistishen Aufständen in Griechenland darum bemüht, den Stolz der griechischen Patrioten nicht zu verletzen (siehe z.B. die Macedonien-Frage, oder die Imia-Krise, bei der es darum ging, dass „die Türken“ es gewagt haben, aus einem Felsenstück eine Ziege zu klauen.). 

Andererseits ist die Trennung, die sie unter den Bürgern des griechischen Territoriums und namentlich zwischen „einem griechischen Volk, das sich empört“ und „den Juden, die schweigen“ (und gegen die sich jene Empörung richtet), vollzieht, ist nichts anderes als die Logik eines pur nationalistischen Exzesses. 

Darüber hinaus weist der Vergleich der Ereignisse in Libanon mit dem Holocaust, d.h. die Gleichsetzung einer Kriegshandlung mit der systematischen, planmäßigen Vernichtung von 6.000.000 Menschen in den Gaskammern und anderswo, nicht darauf, dass die KKE es nicht geschafft hätte, die Geschichte der Menschheit aufmerksam zu lesen, sondern darauf, dass sie sich selber dazu bekennt, für neue antijüdische Pogrome bereit zu stehen. 

Damals wurde die Tat von der Gesamtheit der Linke, von der Gesamtheit der griechischen Gesellschaft als eine berechtigte Empörung gegen „die Verbrechen von Israel“ usw. gesehen (im besten Fall interessierte es sie gar nicht). Bekanntlich sind die israelitischen Gemeinden das oberste Machtorgan von Israel und die griechischen Juden Bürger eines anderen Landes. So und nur so, ist der Titel der Zeitung Kathimerini zu erklären, als sie über die Protesterklärung der Gemeinde berichtete: „ÜBER DIE PLAKATE VON PAME:  Reaktion von Israelis [2]! 

So und nur so kann die instinkthafte Äußerung über den „ewigen Juden“ in der vom 6.8.2006  datierten Zeitung der linken Organisation NAR (einer Abspaltung aus der KKE)  mit dem Aufmachertitel „Die Juden Mörder müssen zahlen“ verstanden werden. Wie es aussieht, überbieten sich zur Zeit die verschiedenen Gruppierungen der griechischen Linke gegenseitig an antisemitischen Vernichtungsparolen[3], die sich gegen diejenigen richten, die seit eh und je als die „Wurzeln des Bösen“ stigmatisiert werden. 

Und die anderen, all diejenigen mit ihren Untersuchungen, mit ihren historischen Analysen, mit ihren Artikeln, mit den schwertrabenden Kommentaren über Hebraismus, Antisemitismus und so weiter? Keine Solidaritätsbekundung, verdächtiges Schweigen (die raren Personen, die ihre Haltung in einem äußerst feindlichen Umfeld bewahren und unsere volle Annerkennung verdienen, werden in einer Gesellschaft, die vom antisemitischen Gift durchtränkt ist, als leuchtende Ausnahmen bleiben). 

So gingen die Täter eine Woche später, unter Beifall ihrer Umgebung, zum nächsten Schritt ihres revolutionären Prozesses über: Am 8.8.2006 ging es bei der Demo gegen den Krieg in Libanon in die Gasse von Chirs, wo sich die Büros der israelitischen Gemeinde von Thessaloniki befinden, die Demonstranten klebten dort am Eingang ihre Plakate und demonstrierten gegen die Gemeinde, weil diese „immer noch kein Wort über die Bestialität der israelischen Regierung gefunden hat[4]“ usw..

 

Wenn die erste Tat eine Schändung war, war die zweite ekelhaft: Ja, uns läuft schon bei der bloßen Vorstellung dessen eiskalt über den Rücken, dass möglicherweise ... Leute aus der Gemeinde, ... Gezwungenermaßen in ihren Räumen eingeschlossen ... mit heruntergelassenen Rollladen ...; unten, die schreiende Masse, tobend...; selbst dann, wenn sie ihre Ohren zuhalten, vergebens, da das Geschrei der empörten Bürger auf der Strasse das Gehirn durchdringt...; sie müssen warten bis die Meute vorbeizieht, um unversehrt nach Hause gehen zu können...; hoffen, dass die Situation nicht eskaliert..., und diese verdammten Erinnerungen, die 60 Jahre danach sich immer noch nicht abstellen lassen... 

                                                                                                        13. August 2006

Café Morgenland
Terminal 119 – für die gesellschaftliche und individuelle Autonomie


 

Anmerkungen

[3] Nach Auschwitz ist Antisemitismus mit Vernichtung gleichzusetzen.  Es verbietet sich jede andere  Interpretation

[4] „... es folgte eine kämpferische Demonstration zum Zentrum von Thessaloniki. Den Weg öffneten die Palästinenser mit den Fotos von den Opfern der israelischen Bestialität in den Händen und dem Stern am Revers (so wie der, mit dem die Nazis die Juden stigmatisierten) und klagten an, dass diejenigen, die damals Opfer waren, heute Täter sind. Erste Station der Demo war das französische Konsulat, wo eine Delegation der Organisatoren Fotos, die das Verbrechen gegen Zivilisten und Kinder zeigten, klebten. Das Gleiche taten sie am Eingang des Gebäudes, wo das amerikanische Konsulat sich befindet, und etwas später auch in der Gasse von Chirs, wo sich der Sitz der israelitischen Gemeinde befindet, die immer noch kein Wort über die Bestialität der israelische Regierung gefunden hat.“ (9. August, Rizospastis) http://www.rizospastis.gr/page.do?publDate=9/8/2006&id=6806&pageNo=6&direction=1

 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns von den AutorInnen zur Veröffentlichung überlassen.