Thesen zu Mittel- und Südamerika

AL-Antifaschistische Linke & Arbeitsgruppe Marxismus (AGM)
7-8/07

trend
onlinezeitung

In den Ländern Mittel- und Südamerikas, wo insgesamt rund 500 Millionen Menschen leben, findet in den letzten Jahren ein Linksruck von kontinentalem Ausmaß statt. Soziale Bewegungen und Klassenkämpfe gewinnen an Intensität. In Venezuela, Bolivien, Argentinien, Brasilien, Uruguay, Ecuador und Chile wurden in den vergangenen Jahren als fortschrittlich geltende Regierungen gewählt und auch in der nächsten Periode sind weitere Linksverschiebungen in verschiedenen Ländern der Region möglich. Die europäische Linke kann an diesem Phänomen nicht spurlos vorbeigehen und ist gefordert, sich dazu zu positionieren, Einschätzungen und Entwicklungsperspektiven abzugeben. Wir wollen im Folgenden aus unserer Sicht einige wesentliche Eckpunkte markieren.

1. Die Eroberung des Kontinents begann 1492 mit der Fahrt von Christoph Columbus, der eigentlich eine bessere Möglichkeit suchte, den indischen Subkontinent für die europäische Ausbeutung zu erschließen.. Die Besiedelung des amerikanischen Kontinents hatte allerdings bereits rund 15.000 Jahre davor begonnen, als die ersten asiatischen NomadInnen den Weg über die Beringstraße fanden. Im Folgenden entwickelten sich verschiedene Gesellschaftsmodelle vom nomadisch und halbnomadisch bis zu den hoch differenzierten Gesellschaften der Maya, Inka und AztekInnen. Doch auch diese konnten dem überlegenen Waffeneinsatz und den Krankheitserregern der spanischen und portugiesischen EroberInnen nichts entgegensetzen und wurden binnen weniger Jahre besiegt. Diejenigen, die überlebt hatten, wurden entweder ausgerottet oder durch Zwangsarbeit getötet (auf Haiti beispielsweise wurde die indigene Bevölkerung binnen 15 Jahren von ursprünglich 500.000 bis einer Million Menschen auf rund 60.000 reduziert). Bald mussten schwarze SklavInnen aus Afrika importiert werden, um den Arbeitskräftebedarf des Kolonialismus zu decken, was auch zu einer nachhaltigen Veränderung der Bevölkerungsstruktur geführt hat. Diese SklavInnen und der Handel mit ihnen sowie die Rohstoffe Mittel- und Südamerikas (und Asiens) waren verantwortlich für den Aufstieg der europäischen Staaten, vor allem Spaniens,  Portugals und später Frankreichs und Großbritanniens, zu weltweit bedeutenden Kolonialmächten.

2. Bereits im Jahr 1494 wurde Südamerika im Vertrag von Tordesillas zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt. Der östliche Teil, auf dem sich heute Brasilien befindet, wurde Portugal zugeschlagen, der westliche Spanien. Deshalb wird in Brasilien heute Portugiesisch gesprochen, während in fast allen anderen mittel- und südamerikanischen Staaten die Landessprache Spanisch ist. Daneben gibt es einige kleinere Länder oder Kolonien, in denen Französisch bzw. Kreolisch (Französisch-Guyana, Haiti, Guadeloupe, Martinique...), Niederländisch (Surinam, Niederländische Antillen) und Englisch (Guyana, Jamaika, Puerto Rico, Virgin Islands, Antigua...) gesprochen wird. Hinzukommen zahlreiche Indigenensprachen, wobei der Indigenen-Anteil in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ist und von kleineren Minderheiten bis zu einer Mehrheit der BewohnerInnen, wie etwa in Bolivien, reicht. In einzelnen Ländern, z.B. Guatemala, ist die sprachliche Vielfalt der Indigenos/as dabei so verzweigt, dass dies die politische Organisierung der Indigenen äußerst schwierig macht. Doch insgesamt unterstützt das dominierende Spanisch überregionale Organisierungen, da ein sehr großer gemeinsamer Sprachraum besteht, in dem die Aufmerksamkeit für die Situationen in angrenzenden Ländern sehr hoch ist und Bewegungen sich gegenseitig vorwärts treiben können.

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Editorische Anmerkungen
Wir wurden aus dem Kreis unserer LeserInnenschaft auf dieses Statement aufmerksam gemacht und spiegeln es von
www.agmarxismus.net/stellungnahmen/msa_thesen.pdf