Die Kommunistische Debatte geht weiter!
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Wie wird die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und eine kommunistische Eigentumsordnung aussehen? "

Robert Schlosser antwortet auf einen LeserInnenbrief

7/8-08

trend
onlinezeitung

Der nachfolgende  Brief ging an die Trend Redaktion. Robert Schlosser aus dem Beirat der Redaktion hat versucht die darin angeschnittenen Fragen aus seiner Sicht möglichst kurz und klar zu beantworten. 

Datum: Tue, 10 Jun 2008 04:14:19 +0200

Karl Marx hat gesagt, dass zur Überwindung des Kapitalismus das Privateigentum an Produktionsmitteln vergesellschaftet werden muss und dass die Verstaatlichung der Produktionsmittel nicht dasselbe ist wie die Vergesellschaftung der Produktionsmittel.

Das Kapital war für Marx nicht nur ein Eigentumsbegriff, sondern auch ein soziales Verhältnis (Kapitalverhältnis). Er hat aber auch gesagt, dass es in jeder Gesellschaftsordnung bestimmte Eigentumsverhältnisse gibt, da diese das Ergebnis der Herrschaft des Menschen über die Natur seien. 

Demzufolge muss es doch auch in einer postkapitalistischen Gesellschaft eine konkrete Eigentumsordnung und konkrete Eigentumsträger geben. Die Aufhebung des Privateigentums kann nicht die Aufhebung des Eigentums an sich sein.  

Marx hat logischerweise keine konkreten Aussagen über diese Eigentumsordnung gemacht, weil sie ein Ergebnis der gesellschaftlichen Entwicklung sein wird und nicht ein vorgefertigtes System, das einfach installiert wird.

Dennoch muss Marx eine gewisse Vorstellung von der Eigentumsordnung einer kommunistischen Gesellschaft gehabt haben.  

Ich persönlich habe keine konkrete Vorstellung. *Wie wird die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und eine kommunistische Eigentumsordnug aussehen? 

Die Arbeiter sollen eine Assoziation freier und gleicher Produzentenbilden.

Wer wird aber dann Eigentümer der Produktionsmittel sein: Der Staat, die Arbeiter als Verein, Genossenschaft oder Mitarbeiter AG?

Wie wird sich ihr Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln ausdrücken: Durch Anteilscheine, Aktien usw.?

Wenn die Arbeiter aber ein Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln haben, könnte es z.B. dazu kommen, dass sie aus irgendwelchen Gründen ihre Anteile verkaufen, was langfristig wieder auf ein neues Kapitalverhältnis hinauslaufen würde.  

Wenn man dieses Problem nun dadurch lösen würde, dass den Arbeitern untersagt wird ihre Eigentumsrechte so zu verwenden, wie sie es wollen, würde man das Eigentumsrecht der Arbeiter und ihre Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel untergraben.  

Ich denke, es muss eine konkrete, wenn auch nicht gänzlich verbindliche Vorstellung von einer realistischen kommunistischen Eigentumsordnung auch aus unserem heutigen Verständnis und unserer heutigen Wirtschaftsordnung geben.

Marx hat über die Aufgaben der Kommunisten geschrieben, sie sollen die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse analysieren, um fortschrittliche Tendenzen herauszufinden und diese zu beschleunigen und damit allgemein die gesellschaftliche Entwicklung zu beschleunigen. Um aber ableiten zu können, was fortschrittlich ist und was nicht, muss doch eine relativ konkrete Zielvorstellung vorhanden sein, oder nicht?

Ich hoffe, Sie können mir bei meinen Fragen weiterhelfen. 

Ich freue mich auf Ihre baldige Antwort und danke Ihnen im Voraus für Ihre Hilfe. 

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Keil 

Lieber Alexander Keil,

grundsätzlich sehe ich das genau wie Du, die KommunistInnen müssen selbstverständlich „eine relativ konkrete Zielvorstellung“ haben, die sich aus der Kritik des Kapitals und der gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen ableiten lässt. 

Zweifellos sind „Vergesellschaftung der Produktionsmittel“ und „Verstaatlichung der Produktionsmittel“ nicht dasselbe, aber sie sind auch kein sich ausschließender Gegensatz. Nach meiner Meinung führt der Weg zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel nur über deren Verstaatlichung. Wenn man an realen gesellschaftlichen Verhältnissen und Tendenzen anknüpfen will, dann kommt man um die Verstaatlichung nicht herum, um die Vergesellschaftung der Produktionsmittel einzuleiten.  

Die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft hat den National-, bzw. Nationalitätenstaat als die bisher höchste Form großräumiger gesellschaftlicher Organisation hervorgebracht. Die Entwicklung dieser Staaten ging einher mit der Entwicklung eines „inneren Marktes“ für Kapitalakkumulation. Das Kapital setzt aber schon bei seiner Entstehung eine gewissen Entwicklung des Weltmarktes voraus und es entwickelt diesen Weltmarkt immer weiter, bis auch der letzte Winkel in die allgemeine Warenproduktion integriert ist. Im Zuge dieser Entwicklung und vor dem Hintergrund der Resultate imperialistischer Weltkriege schuf die bürgerliche Klasse internationale politische Organisationen wie den Völkerbund oder die UNO, die Ausdrücke realer Weltvergesellschaftung sind. Der durch das Kapital in Gang gesetzte weltumspannende Vergesellschaftungsprozess der Menschheit schreitet voran und überschreitet die Grenzen von National- und Nationalitätenstaaten.

Wenn man also von Vergesellschaftung der Produktionsmittel spricht und dabei an realen Entwicklungen anknüpfen will, dann dürfte klar sein, dass die Vergesellschaftung in den wichtigsten kapitalistischen Ländern gleichzeitig begonnen und realisiert werden muss. Die internationale Arbeitsteilung ist soweit entwickelt, hat zu einer solchen gegenseitigen Abhängigkeit geführt, dass jede Vorstellung von einem „Sozialismus in einem Land“ im Sinne des Wortes „weltfremd“ ist. 

Die einzelnen Staat, wie auch die UNO sind wesentlich politische Organisationen der bürgerlichen, auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaft. Sie sind Ausdruck einer durch das Kapital betriebenen Vergesellschaftung und Garanten der Fortsexistenz des Kapitalverhältnisses. Sie sind ausgestattet mit der Macht die Rahmenbedingungen für Kapitalverwertung zu gestalten und schützen das Privateigentum. (Diese Macht stützt sich letztlich auf einen Gewaltapparat in Gestalt von Heer, Polizei etc.)

Will man das Privateigentum an Produktionsmitteln beseitigen und durch Gemeineigentum ersetzen, dann kommt man aus 2 Gründen an der politischen Organisation der bürgerlichen Gesellschaft nicht vorbei.

1.      Kann dieses Gemeineigentum nur dann als gesellschaftlich gelten, wenn es auf dem Reifegrad der tatsächliche bereits erreichten Vergesellschaftung (großräumige Vergesellschaftung der Menschen) fußt und nicht dahinter zurück fällt

2.      Werden die mit politischer Macht ausgestatteten Privateigentümer von Produktionsmitteln nicht freiwillig auf ihr Besitzmonopol an Produktionsmitteln verzichten. 

Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, d.h. ihre Überführung in Gemeineigentum, kann also nur mit „despotischen Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse“ (Manifest der kommunistischen Partei) beginnen und das setzt voraus, dass die Masse der Lohnabhängigen sich als Klasse politisch organisieren und politische Macht erobern. Die Einführung des Gemeineigentums an Produktionsmitteln kann nur eine politische Tat sein, die die Produktionsmittel in verschiedenen Staaten (EU, USA und einige mehr) in staatliches Eigentum überführt. 

Wenn dieser Akt kein formaler bleiben soll, sondern der Beginn der realen Vergesellschaftung der Produktionsmittel, die Aneignung der gegenständlichen Bedingungen ihrer Reproduktion durch die Masse der Lohnabhängigen, dann hängt alles weitere davon ab, wie diese Staaten verändert werden, ob sie ihren politischen Charakter verlieren und zu „absterbenden“ Staaten werden.

Die Diktatur einer Partei, die sich hartnäckig zur Diktatur einer Klasse erklärt, ist unvereinbar mit kommunistischen Zielen. Sofern der Übergang zum Kommunismus diktatorischer Maßnahmen bedarf, muss das reduziert bleiben auf die „despotischen Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse“. Jede Form der Unterdrückung von Meinungsfreiheit, der Aufbau von Repressionsapparaten zur Sicherung des „Sozialismus“ deutet schon auf die Geburtsfehler einer sozialen Revolution hin.

Nachdem die Produktionsmittel in staatliches Eigentum der wichtigsten kapitalistischen Ländern überführt wurden, muss jeder weitere Schritt in der Vergesellschaftung der Produktionsmittel vielmehr darin bestehen, die Organisation von Selbstverwaltung auf verschiedenen Ebenen der realen Vergesellschaftung auf- und auszubauen und dadurch den materiellen Reproduktionsprozess einer planmäßigen Gestaltung jenseits des Marktes unterwerfen. Es geht also um die positive Gestaltung der gesellschaftlichen Alternative und nicht um Unterdrückung eines „Klassenfeindes“, den so gar nicht mehr geben könnte, wenn die soziale Revolution wirklich in den wichtigsten kapitalistischen Ländern gleichzeitig begonnen würde und die überwiegende Mehrheit der Lohnabhängigen sie wollte. 

Tatsächliches Gemeineigentum an Produktionsmitteln setzt organisierte Gemeinschaft, freie Assoziation voraus. Du schreibst:

Wer wird aber dann Eigentümer der Produktionsmittel sein: Der Staat, die Arbeiter als Verein, Genossenschaft oder Mitarbeiter AG?

Wie wird sich ihr Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln ausdrücken: Durch Anteilscheine, Aktien usw.?

Wenn die Arbeiter aber ein Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln haben, könnte es z.B. dazu kommen, dass sie aus irgendwelchen Gründen ihre Anteile verkaufen, was langfristig wieder auf ein neues

Kapitalverhältnis hinauslaufen würde.

Meiner Meinung nach muss das Gemeineigentum an Produktionsmitteln jedes individuelle Eigentum daran ausschließend. Es dürfte also keine Anteilsscheine, Aktien etc. geben. Die Produktionsmittel wären ausschließliches Eigentum des Staates, die von teilautonomen Belegschaftskollektiven betrieben würden, ohne daß diese Kollektive Eigentumsrechte an „ihrem“ Betrieb hätten.

Was aber, wenn diese Staaten tatsächlich absterbende Einrichtungen wären, die sich in Selbstverwaltung auflösen?

Du schreibst:

Die Aufhebung des Privateigentums kann nicht die Aufhebung des Eigentums an sich sein.

Wieso nicht? Frage ich zurück?

Du sprichst von „Eigentumsordnung“ oder gar „Eigentumsrechten“.

Bevor es das Privateigentum an Grund und Boden gab haben Menschen den Grund und Boden gemeinsam genutzt, ohne „Eigentumsordnung“ und „Eigentumsrechte“. So etwas lag ganz jenseits ihres Vorstellungsvermögens und sie hatten keinen Begriff von „Eigentum“. Wieso sollte eine kommunistische Gesellschaft, in der die Produktionsmittel selbstverständlich Gemein“eigentum“ wären, ein Recht auf Gemeineigentum kennen? Gegen wen sollte dieses Recht in Geltung gebracht werden? Der Rechtshorizont ist meiner Meinung nach ganz an Privateigentum und Privatinteresse geknüpft.

Doch spätestens ab hier würde eine weitere Diskussion ins Utopische abdriften und eine solche Diskussion möchte ich nicht führen. Mir geht es um Weg und Ziel das Kommunismus, wie sie sich aus den vorgefundenen Verhältnisse ergeben. 

Mit freundlichen Grüßen

Robert Schlosser 

p.s. Im Anhang erhältst Du noch ein kleines Manuskript von mir, dass sich unter etwas anderer Fragestellung mit Weg und Ziel des Kommunismus beschäftigt.