Empirismus [griech] -
Name für eine Klasse von erkenntnistheoretischen Lehren,
die die methodisch allein in Beobachtung, Messung und
Experiment gegründete Erfahrung mit Erkenntnis überhaupt
gleichsetzen |
Wird unter Erfahrung die sinnliche Erfahrung in Form
der Empfindung verstanden, so wird der Empirismus auch als
Sensualismus bezeichnet.
Der Name «Empirismus» ist, wie die Namen «Sensualismus» und
«Rationalismus» (Ggs), keine Bezeichnung für eine
philosophische Grundrichtung, sondern charakterisiert nur
die Stellungnahme einer Erkenntnistheorie zum Problem des
Ursprungs der Erkenntnis. Er sagt nichts darüber aus, ob
diese oder jene Erkenntnistheorie die Grundfrage der
Philosophie materialistisch oder idealistisch beantwortet.
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Der Name «Empirismus» ist deshalb
zur eindeutigen Qualifizierung des weltanschaulichen Gehalts
einer Erkenntnistheorie unzureichend. Weitergehend ist zwischen
materialistischem und idealistischem Empirismus zu
unterscheiden. Wird davon ausgegangen, daß die Erfahrung
objektive Erkenntnisse, Abbilder der objektiven Realität
vermittelt, handelt es sich um materialistischen Empirismus.
Wird dagegen behauptet, die Erfahrung vermittele keine
objektiven Erkenntnisse, sondern sei in dieser oder jener Form
nur etwas Subjektives, weil die objektive Realität nur aus
Komplexen von Empfindungen und dergleichen bestehe, so haben wir
es mit idealistischem Empirismus zu tun (LENIN
14, 120).
Vorformen eines materialistischen Empirismus sind die
Erkenntnislehren des Epikureismus, der Stoa, des
Nominalismus. Die erste ausgeprägte
materialistisch-empiristische Erkenntnistheorie entwickelten
BACON, vor allem LOCKE, dessen Lehre im französischen
Materialismus des 18. Jahrhunderts eine konsequent
materialistische Ausgestaltung und Weiterbildung erfährt.
Andererseits entwickeln BERKELEY und HUME im Anschluß an LOCKE
im Rahmen ihrer subjektiv-idealistischen Philosophien eine
idealistisch-empiristische Erkenntnistheorie, die zum
Vorbild der Erkenntnistheorien des Empiriokritizismus,
des Positivismus überhaupt wird. Die Entwicklung des
Empirismus von BACON zu LOCKE und innerhalb des französischen
Materialismus des 18. Jahrhunderts war eine historisch
progressive Erscheinung des Kampfes der Ideologen der
aufstrebenden Bourgeoisie gegen das feudal-klerikale Weltbild,
insbesondere gegen die spekulative Methode und Naturauffassung
der mittelalterlichen Scholastik. Insofern die philosophische
Entwicklung von BACON zu LOCKE und über LOCKE hinaus zu HUME
vorwiegend erkenntnistheoretisch-empiristisch orientiert war,
wird der Name «Empirismus» in einem weiteren Sinne oft auch zur
Bezeichnung dieser philosophischen Entwicklung in Anspruch
genommen; man spricht dann meist - nicht
ganz exakt - von englischem Empirismus. Allgemein ist der
Empirismus eine einseitige, inkonsequente und unzureichende
erkenntnistheoretische Richtung. Er betont zwar richtig, daß die
Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt, daß «die Empfindungen die
einzige Quelle unserer Kenntnisse» sind (lenin). Indem er jedoch
einseitig die sinnliche Stufe der Erkenntnis mit Erkenntnis
überhaupt gleichsetzt, vernachlässigt
er deren rationale Stufe, ohne die Erkenntnis unmöglich ist.
Indern der Empirismus in der Regel weiter nicht eindeutig zu
erkennen gibt, ob die von ihm gemeinte Erfahrung objektive
Inhalte als Erkenntnis vermittelt, begeht er eine
Inkonsequenz, die es ermöglicht, sowohl materialistische als
auch subjektiv-idealistische Schlußfolgerungen aus seinem
Standpunkt herzuleiten. Indem der Empirismus schließlich völlig
unzureichend die Erfahrung als das bloße Resultat der
Einwirkungen der Außenwelt auf unsere Sinne (materialistischer
Empirismus) oder in dieser oder jener Form als bloße
Empfindungskomplexe, als bloße Verbindungen von Empfindungen
(idealistischer Empirismus) betrachtet, verleiht er der
Erkenntnis einen ausgesprochen kontemplativen, passiven und
undialektischen Charakter. Der dialektische Materialismus
anerkennt zwar den richtigen erkenntnistheoretischen Ansatz des
Empirismus, vor allem des materialistischen Empirismus, daß die
Erfahrung die Grundlage und die Empfindung die Quelle der
Erkenntnis ist, identifiziert diese jedoch nicht mit Erkenntnis
überhaupt. Zur Erfahrung und Empfindung muß das theoretische
Denken (Abstraktion, Verallgemeinerung, Theorienbildung,
logische Analyse usw.) hinzutreten, damit Erkenntnis zustande
kommt. Und die Erkenntnis findet ihr Kriterium nicht, wie der
Empirismus will, wieder an der Erfahrung, sondern in der Praxis
und durch sie. «Um zu begreifen, muß man ... von der Empirie zum
Allgemeinen aufsteigen» (LENIN 38, 196).
Konsequent vertretener Empirismus führt letzten Endes nicht zur
Wissenschaft, sondern von ihr weg. «Man mag noch so viel
Geringschätzung hegen für alles theoretische Denken, so kann man
doch nicht zwei Naturtatsachen in Zusammenhang bringen oder
ihren bestehenden Zusammenhang einsehen ohne theoretisches
Denken.» Die «alle Theorie verachtende, gegen alles Denken
mißtrauische Empirie» ist «der sichere Weg», der «in den ödesten
aller Aberglauben» führt (marx/engels
20, 346, 345).
Editorische
Anmerkungen
Der Text wurde entnommen
aus:
Buhr, Manfred,
Klaus, Georg
Philosophisches Wörterbuch Band 1, Berlin 1970, S.278
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