Die Kommunistische Debatte geht weiter!

Öffentliche Stellungnahme zur Kritik der Broschüre
'Gab es Sozialismus' von der Gruppe wissenschaftlicher Sozialismus

7/8-08

trend
onlinezeitung

Red. TREND dokumentiert von  http://www.wisso.info:

Liebe Genossinnen und Genossen,

im Folgenden könnt Ihr eine Stellungnahme zur Sozialismusdiskussion von Mark Staskiewicz lesen. Diese Bezieht sich auf die Kritik von Benjamin (Kommunistische Initiative – Hebel) an Marks Broschüre „Gab es Sozialismus?“. Wer zuerst die Kritik lesen will, der findet diese nach dem Strich weiter unten. Die Broschüre um die sich die Diskussion dreht findet Ihr auf unserer Homepage unter „Broschüren“.


 

Anfang Mai erfuhren wir vom Roten Oktober, dass die Kommunistische Initiative (auch unter dem Namen Ihrer Zeitung Hebel bekannt) eine Kritik an der Broschüre „Gab es Sozialismus?“ geschrieben haben soll. Auf Nachfrage bei der Kommunistischen Initiative wurde uns mitgeteilt, dass dies stimmt und dass diese Kritik in der nächsten Ausgabe ihrer Zeitung Hebel veröffentlichen will.

Zunächst ist es zu begrüßen, wenn die Kommunistische Initiative die Diskussion über diese Frage aufgreifen will. Wir haben Ihr einst schon ein Treffen zur Diskussion dieser Frage vorgeschlagen. Diese Anfrage wurde bislang nicht beantwortet, wir stehen aber weiter einer Diskussion zur Verfügung.

Liebe Genossinnen und Genossen der Kommunistischen Initiative, lieber Genosse Benjamin, im Folgenden will ich Stellung zu Eurer Kritik, die Eurer Genosse Benjamin verfasst hat, nehmen. Zunächst möchte ich voranstellen, dass ich es sehr begrüße, dass Ihr in die Diskussion dieser spannenden Frage eingreifen möchtet.

Benjamin, Du schreibst: „Neu ist diese Auffassung ja wirklich nicht, oft genug hört man ja “Sozialismus gab es nie” und meist kommt noch hinterher: “... und wird es niemals geben”.“

Oft höre ich nicht die Frage ob es Sozialismus gab, im Gegenteil. Eher hört man: dass nennt sich Sozialismus = ist Sozialismus, aber dieser Sozialismus funktioniere nicht bzw. sei keine Alternative. Wenn ich diese Frage in den Broschüren aufgegriffen habe, so bedeutet dies übrigens keineswegs, dass ich der Auffassung bin, dass es Sozialismus niemals geben wird.

„Wenn eine ´Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus´ in zwei Broschüren erklären will, dass es in der Geschichte noch nie ein sozialistisches Land gab und warum nicht, erwartet man schon einiges.“ heißt es in der Kritik. Dies entspricht aber nicht den Tatsachen. Bereits die Titelseite meiner Broschüre verrät „Beitrag zur Diskussion“. Auf Seite 2 kann man lesen „Ein Beitrag zur Sozialismusdiskussion“. Und im Vorwort kommt zur Sprache was das für eine Broschüre ist: „Und auch in der Organisation Roter Oktober gab es eine Sozialismusdiskussion. Innerhalb dieser Diskussion wurde ein Beitrag zur Sozialismusdiskussion geschrieben, der nun in überarbeiteter Form veröffentlicht wird. […] Die Broschüre soll ein Beitrag zur Diskussion sein und wir sind gespannt Eure Meinung darüber zu erfahren. […] Die Broschüre soll auch Interesse wecken Lion Wagners Broschüre, Sozialismus gab es nie, zu studieren. Denn nach Auffassung des Autors dieser Broschüre (M. Staskiewicz) sind in der Wagner-Broschüre die Beweise für diese wichtige Frage zu finden. […] Der Autor stellt seine Auffassung dar”. Dies zeigt, dass es nicht stimmt, dass die Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus (GWS) in zwei Broschüren erklären will, dass es in der Geschichte noch nie ein sozialistisches Land gab etc. Vielmehr stellt GWS die Position eines Mitgliedes (meine Position) öffentlich zur Diskussion. Und dieses Mitglied verweist dann auch auf die Beweisführung, die in der Broschüre „Sozialismus gab es nie!“ zu finden ist.

Genosse Benjamin schreibt weiter: „Interessant ist das Thema natürlich, weil die Definition des Sozialismus meist sehr vage ist, bzw. es stellt sich jeder etwas anderes darunter vor. […] Der Knoten in der notwendigen Verteidigung der sozialistischen Beispiele der Vergangenheit liegt bereits in der Definition des Sozialismus - nämlich als Übergangsgesellschaft.“

Recht gebe ich Dir bezüglich der vagen Sozialismus-Definitionen und der unterschiedlichen Definitionen, die in der Bewegung kursieren. Allerdings ist es gerade in einem solchen Zusammenhang nicht sehr vorteilhaft, wenn Du selbst dann eine sehr vage Definition des Sozialismus („Übergangsgesellschaft“) bringst.

Und dann behauptest Du „Die ´Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus´ sieht den Sozialismus als kybernetisches Modell.“. Leider gibst Du hierfür keinen Beleg an. Allerdings wird den Leserinnen und Lesern auch hier nicht das Richtige erzählt. Und mir ist auch unklar wie Du zu solch einer unbegründeten These gekommen bist. In unserer Erklärung zur Spaltung haben wir auf S.3 dargestellt, das es in der GWS keine einheitliche Position zur Sozialismus-Diskussion gibt. Wir haben dort die zwei existierenden Positionen wie folgt formuliert: „a) es gab noch keinen Sozialismus und b) es ist fraglich ob es eine Restauration des Sozialismus, ob es Sozialismus gab“. Also um es ganz klar zu stellen, die Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus hat keine entwickelte Position zur Sozialismusdiskussion und stellt die Auffassungen der Mitglieder zur Diskussion. Somit ist jeder Satz der mit „die Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus sieht den Sozialismus“ beginnt schon falsch. Unklar ist mir aber auch wie Du darauf kommst, dass wir den Sozialismus einfach als ein kybernetisches Modell sehen würden. In meiner Broschüre gibt es jedenfalls keinen Anlass für diese These, nicht nur weil ich mich zum Sozialismus bewusst recht wenig geäußert habe. An drei Stellen schreibe ich „aus systemtheoretisch-Kybernetischer Sicht“ und in zwei Zitaten kommt das Wort „kybernetisch“ vor und in einem weiteren Zitat heißt es „systemtheoretisch-kybernetischen Methode“, mehr schreibe ich hierzu nicht. Lieber Genosse Benjamin, wenn Du eine Kritik schreibst, so solltest Du solche Thesen schon begründen!

Du hast an dieser Stelle ja in Deiner Fußnote 1 geschrieben: „So ganz neu ist die Idee nicht, ich erinnere mich an einen Artikel in der anarchistischen Zeitung ‚Befreiung‘ in den 70er Jahren, der dasselbe vorschlug“. Nun kenne ich diese Zeitung nicht und kann nicht sagen ob sie den Sozialismus als kybernetisches System sieht. Es könnte hier aber auch der Eindruck entstehen, dass es quasi die Anarchisten gewesen seinen, die die Kybernetik mit dem wissenschaftlichen Sozialismus in Verbindung gebracht hätten. Dies stimmt nicht. In meinem Anhang zur Kybernetik in der ich Georg Klaus zitiere heißt es: „Eine führende Rolle bei der Herausbildung der neuen Wissenschaften spielte der Mathematiker N. WIENER (Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machin, 1948), der dem neuen Gebiet den Namen gab. Vorarbeiten, die unabhängig von dieser Entwicklung geleistet wurden, lieferten in der Sowjetunion der Physiologe P.K:ANOCHIN, der Mathematiker A.N.KALMOGOROW u.a.“. In der DDR war die Einführung der Kybernetik Personen wie dem Genossen Georg Klaus zu verdanken.

Weiter schreibst Du: „Das heißt, ein gesellschaftliches System wie der Sozialismus beruht auf dem Prinzip der Selbstregulierung - wie ein Thermostat. Dies soll möglich sein, weil der Sozialismus dem Kapitalismus per definitionem überlegen ist. Wäre er es nicht, dann könnte man auch nicht von Sozialismus sprechen.“

Zwar kommen in meiner Broschüre Begriffe wie Regulator bzw. regulieren vor. Allerdings taucht das Wort „Selbstregulator“ nicht einmal auf.

Bezüglich der Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus solltest Du doch erwähnen, dass dies keine Behauptung ist, die ich aufgestellt habe, sondern dass sie Ergebnis der marxistischen Auffassung vom Übergang der Gesellschafsformationen ist. Wenn Du es so siehst, dass der Sozialismus dem Kapitalismus nicht überlegen sein muss, würde mich eine Begründung für eine solche These sehr interessieren. Deine diesbezüglichen Ausführungen sind zumindest widersprüchlich, später schreibst Du dann ja selbst, dass der Sozialismus Fortschritt sein muss, worin ich Dir vollkommen zustimme.
Und weiter schreibst Du: „(Wenn´s klappt, ist es Sozialismus, wenn nicht, dann war´s eh´ nie einer - ganz einfach!)

Oder anders ausgedrückt: Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf.“

Und wieder fügst Du kein Beleg an, auf welche Stelle in der Broschüre beziehst Du Dich?
Eine Behauptung, dass den Sozialismus keiner aufhalten könne, habe ich nicht aufgestellt. An dieser Stelle möchte ich auf das Zitat aus der Broschüre von Genosse Lion Wagner verweisen, das ich auf Seite 52 in meiner Broschüre zur der Frage anführe, welche Ausnahmen eine Konterrevolution auch innerhalb eines sozialistischen Systems ermöglichen:

• „die Anwendung bewaffneter politischer Gewalt, weder von außerhalb (Krieg zwischen sozialistischen und imperialistischen Staaten), noch von innen (konterrevolutionärer/ revolutionärer Bürgerkrieg), noch durch eine Kombination beider Kriegstypen;
• eine Hungerkatastrophe aufgrund einer Naturkatastrophe;
• eine medizinische Versorgungskatastrophe aufgrund von Epidemien und
• eine ökonomische Erpressbarkeit wegen der aus dem Kapitalismus übernommenen materiell-technischen Basis und/ oder fehlender Rohstoffbasis“ [Lion Wagner, Sozialismus gab es nie; S. 22].
Später führst Du aber selbst diese Punkte an, was mich dann noch mehr verwundert, dass Du zur genannten Behauptung gekommen bist. Des Weiteren ist es ja auch so, dass es im Sozialismus natürlich noch Widersprüche gibt.
Sehr richtig schreibst Du z.B. „Der historische Fortschritt kann nur in eine Richtung gehen (Sozialismus/Kommunismus) und nicht sinnlos und endlos zwischen verschiedenen Gesellschaftssystemen kreisen.“


Und etwas später schreibst Du: „Zweifellos lässt sich die falsche Aussage, Sozialismus wäre immer im Vergleich zur sogenannten Marktwirtschaft immer eine unterlegene Mangelwirtschaft sofort relativieren: Wir erleben es gerade, dass die Bevölkerung Haitis hungert, während es im Nachbarstaat Kuba ein solches Problem absolut nicht gibt.“ Genosse Benjamin, dies bedeutet also, dass Du der Auffassung bist, dass in Kuba ein sozialistisches System herrscht? Woran Du dies festmachst, wäre interessant zu erfahren.
Dann scheibst Du: „Es bleibt jedoch bei der Tatsache, dass auch unter Lenin und Stalin - nicht erst unter dem Revisionismus an Chruschtschow - die Sowjetunion in ihrer Wirtschaftsleistung den führenden imperialistischen Ländern nicht gleichkam. Aber was war denn der Ausgangspunkt? Es ist wohl nicht zu viel verlangt, erst einmal zu sehen, wie die Startbedingungen in Russland aussahen: Ein im Vergleich zu Westeuropa unglaublich rückschrittliches Land, das die Zarendiktatur gerade gestürzt hatte, kaputt geschossen im Weltkrieg, vernichtet im darauffolgenden Bürgerkrieg und den ausländischen Interventionen, in dem die Leute verhungerten.“ Hier gebe ich Dir bezüglich der Wirtschaftsleistung als auch bezüglich der Einschätzung der Ausgangsituation im Wesentlichen Recht.
Ich stimme vollkommen Deinem folgenden Satz zu: „Kein Zweifel: Der Sozialismus ist dem Kapitalismus überlegen - welchen Sinn hätte sonst unser Kampf?“ Und hier würde ich Dir keineswegs unterstellen, dass Du der Meinung wärst, dass den Sozialismus nichts aufhalten könne, wie Du es mir unterstellt hast.

Und dann scheibst Du: „Sieht man die Entwicklung in der Sowjetunion Lenins und Stalins an, die Wiederaufbauleistung nach dem II. Weltkrieg, können die großartigen Erfolge dieser Epoche nicht abgestritten werden.“

Es ist keineswegs so, dass ich behaupten würde, dass es keinen Fortschritt gegeben hätte und natürlich ist jeder Fortschritt anzuerkennen. Aber kann man Fortschritt nur anerkennen, wenn man sagt die SU muss dann auch sozialistisch gewesen sein? Sehr überspitzt ausgedrückt müsste man dann konsequenter Weise auch sagen, dass der Kapitalismus Sozialismus wäre, da es ja auch aktuell noch Fortschritte (z.B. bezüglich wissenschaftlicher Erkenntnisse) gibt.

Du schreibst: „Der Verfasser der beiden Broschüren, Staskiewicz, bemerkt zu seinem Erstaunen, dass sich Sowjetrussland vom ersten Augenblick ´sozialistisch´nannte. Er geht darauf nicht weiter ein, sieht es als eine Widersprüchlichkeit und wundert sich. Es handelt sich aber keineswegs um eine Fußnote der Historie, geschweige denn um einen Fehler Lenins. Es ist ein Konzept.“

Hier beziehst Du Dich auf die S. 22-23 in meiner Broschüre. Dort heißt es:
„Ich möchte aber auch nicht verheimlichen, dass Lenin widersprüchlich schreibt, wenn er auf der einen Seite sagt, dass man noch im Übergang zum Sozialismus ist, aber es dennoch richtig sei die Bezeichnung „sozialistische Sowjetrepublik“ zu führen:
„Ich mache mir keine Illusion, ich weiß, dass wir eben erst in die Periode des ÜBERGANGS zum Sozialismus eingetreten sind. Aber Sie werden richtig handeln, wenn Sie sagen, dass unser Staat eine sozialistische Sowjetrepublik ist. Sie werden ebenso richtig handeln, wie diejenigen, die viele bürgerliche Republiken des Westens demokratisch nennen, obwohl allen bekannt ist, dass es auch unter den demokratischen Republiken keine einzige gibt, die vollkommen demokratisch wäre. […] So handeln wir jetzt. Es ist noch ein weiter Weg, bis wir die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus beendet haben werden.“ [LW Bd. 26; S. 464-465, Dritter Gesamtrussischer Sowjetkongress;1918]”

Also, in der Stelle gibt es widersprüchliche Ausführungen bezüglich des Sozialismus und der Bezeichnung als sozialistisch. Aber siehst Du hier keinen Widerspruch? Wie ich in meiner Broschüre dargestellt habe, ging Lenin davon aus, dass man sich in der Übergangsgesellschaft zwischen Kapitalismus und Sozialismus befindet.

Und weiter heißt es in deiner Kritik: „Sozialismus kann nichts fertiges sein - eine fertige Übergangsgesellschaft ist ein Widerspruch in sich“ und in der dortigen Fußnote heißt es:
„Übrigens definierte Walter Ulbricht in den 60er Jahren den Sozialismus genau in diesem Sinn (also eigentlich so wie Staskiewicz) als eine eigene geschichtliche Periode.“

Lieber Genosse, ich habe nirgends behauptet, dass der Sozialismus etwas Fertiges sei. Natürlich entwickelt sich eine Gesellschaftsformation, sonst wäre sie das Ende der Geschichte. Du tust nun aber so, dass sei die Übergangsgesellschaft zwischen Kapitalismus und Sozialismus eine Erfindung von mir. Dabei unterlässt Du es weitestgehend auf die von mir angeführten Zitate von Marx, Engels und Lenin einzugehen. Was nun der Bezug zu Walter Ulbricht bezwecken soll weiß ich nicht. Wie Du selbst sagst, hat er diese Position später zurückgenommen. Somit dürfte er diesbezüglich wieder Deiner Meinung gewesen sein und was heißt dies nun? Es ist doch entscheidend ob etwas stimmt oder nicht und nicht wer etwas gesagt hat oder?

Du stellst Die These auf: „Die Sowjetmacht unter Führung der Kommunisten, Industrie und Banken verstaatlicht, Landwirtschaft und Handwerk unter revolutionärer Kontrolle - dies ist in einem gewissen Sinn bereits Sozialismus“. Mich würde interessieren, wie Du diese These begründest. Aber leider bleibt Deine 7-seitige Kritik weitestgehend eine Aneinanderreihung von unbegründeten Thesen. Auf die entscheidenden Argumente, die ich in meiner Broschüre aufliste, gehst Du leider nicht ein, eben sowenig auf die Beweisführung in Lion Wagners Broschüre, auf die ich verweise.

Das Einzige was Du nun dazu schreibst ist: „Nach der Oktoberrevolution 1918 waren die eben aufgezählten Punkte im Großen und Ganzen verwirklicht - aber weder gab es eine sozialistische Planwirtschaft noch waren die Kleinproduktion und die Warenproduktion schlechthin abgeschafft. Somit löst sich der angebliche Widerspruch zwischen Zitaten, in denen Lenin von Vorstufen zum Sozialismus und jenen, in denen er vom sozialistischen Russland spricht, auf. Natürlich finden sich in einer Übergangsgesellschaft Elemente verschiedener Systeme, es kommt darauf an, welche dominiert!“

Im oben angeführten Zitat von Lenin schreibt aber er selbst wortwörtlich: „Es ist noch ein weiter Weg, bis wir die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus beendet haben werden“. Also Lenin geht hier keineswegs vom Sozialismus aus, das Zitat ist aus dem Jahre 1918. Und Du sagst es wäre ein angeblicher Widerspruch, findest Du es wirklich nicht widersprüchlich, wenn Lenin innerhalb weniger Sätze schreibt, warum es legitim ist, dass die SU sich sozialistisch nennt, aber, dass es noch lange dauert bis der Übergang zum Sozialismus beendet ist? Nun weiß ich auch nicht warum Du darauf hinweist, dass die Warenproduktion noch nicht abgeschafft war. Sollte die Warenproduktion abgeschafft werden? Oder meinst Du hier die kleine Warenproduktion. Jedenfalls löst Deine Feststellung den Wiederspruch nicht auf, warum sollte dies den Widerspruch auflösen?

Du schreibst: „Staskiewicz versucht nun durch Lenin-Zitate nachzuweisen, dass Lenin immer nur von einer Übergangsform zum Sozialismus in Russland sprach, nie aber vom Sozialismus selber. Das ist nicht überzeugend. Wenn Lenin sagt [Fußnote zit. Br. 1, S. 26], das Genossenschaftswesen “ist noch nicht die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft, aber es ist alles, was zu dieser Errichtung notwendig und hinreichend ist”, dann war mit der Kollektivisierung der Landwirtschaft ab 1929 der Sozialismus auch in dieser Hinsicht Realität.“ Wenn meine Zitate von Lenin seine Position falsch darstellen, so solltest Du dies belegen. Jedenfalls bringt ein Verweis auf 1929 nichts, da Lenin da bereits nicht mehr lebte. Dann müsstet Du schon das Lenin-Zitat, dass es „keineswegs aber“ bedeutet,“dass die neuen ökonomischen Zustände als sozialistisch bezeichnet werden“, widerlegen.

Und weiter sagst Du „Und: “Sowjetmacht plus Elektrifizierung ist gleich Kommunismus.”“. Heißt dies, dass Du nach der Elektrifizierung von der SU gar vom Kommunismus ausgehst?

Du schreibst: „Stalin sagt ganz klar, dass die Sowjetunion in die Phase des Sozialismus eingetreten ist“. Lieber Genosse, das stimmt, ist aber kein Widerspruch zu meinen Ausführungen, dies stelle ich in meiner Broschüre ja auch da, ab wann die KPdSU(B) bzw. Stalin vom Sozialismus ausgeht.

Etwas widersprüchlich wirst Du dann aber, wenn Du nach Deiner Bestreitung der richtigen Darstellung Lenins selbst sagst: „In diesem Sinn war eine Übergangsperiode zum Sozialismus nötig.“

Du schreibst: „In der ersten Broschüre folgen nun Stalin-Zitate, die zu Recht aussagen, dass die Sowjetunion mit Kollektivierung und Fünfjahresplan in die Phase des Sozialismus eingetreten ist.“ Aber gerade hier wäre es jetzt interessant Deine Begründung dafür zu erfahren, warum Deiner Auffassung nach die SU in dieser Zeit in die Phase des Sozialismus eingetreten sein soll.

Und dann schreibst Du: „Jetzt wird es interessant. Die erste Hälfte der Broschüre hat sich mit dem eigentlichen Thema noch gar nicht befasst: Gab es Sozialismus (in der Sowjetunion) oder nicht?“

Dem muss ich wiedersprechen. Die Frage, wie die Klassiker zur Frage der Übergangsgesellschaft standen, ab wann die SU meinte, dass sie in die Phase des Sozialismus eingetreten sei etc. hängt natürlich mit der Thematik zusammen. Ansonsten hättest Du Dich in Deiner Kritik sicher zu diesem Teil auch nicht weiter geäußert. Es stimmt, dass ich die Frage an dieser Stelle noch nicht beantwortet habe, aber es ist nichts außergewöhnliches, dass eine Broschüre die Antwort auf eine gestellte Frage erst nach der Argumentation bzw. Beweisführung formuliert.

Du schreibst: „In der Vorbemerkung zum nächsten Abschnitt (Fußnote Br. 1, S. 36) wird angedeutet: Nein, es war nur ´Sozialdespotismus´ und das heisst, ein Übergang von Kapitalismus zu Sozialismus - der nicht geklappt hat. Der allgemein völlig unbekannte Ausdruck ´Sozialdespotismus´ wird auf dieser Seite nur in der Fußnote erklärt: “... ungenügende Menge und/oder Qualität sozialistischer Elemente”, als Folge davon können “Störgrößen” nicht “ausgeglichen/angeglichen werden”.

Man kann aber in dieser Vorbemerkung nichts lesen, dass sagen würde, dass der Sozialdespotismus der Übergang von Kapitalismus zum Sozialismus sei, wie Du behauptest.

In meiner Broschüre schreibe ich auf S. 36 lediglich: „Des Weiteren weise ich darauf hin, dass es aus dem oben Beschriebenen ersichtlich ist, dass es einen Unterschied gibt, ob man behauptet dass der Sozialismus untergegangen ist bzw. eine kapitalistische Restauration gegeben hat, oder ob man davon ausgeht, dass es sich um die Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus oder um Sozialdespotismus gehandelt hat. In meinen Ausführungen wird es also nicht um einen Nachweis gehen ob es eine Übergangsperiode gab oder nicht. Vielmehr will ich mich mit der These des Sozialismus in diesem Zusammenhang auseinandersetzen.“ Also Genosse Benjamin, ich stelle dar, dass es einen Unterscheid gibt, ob man sagt, dass die SU bereits sozialistisch war oder ob sie sich im Übergang zum Sozialismus befand. Ob es sich aber um die Übergangsperiode zum Sozialismus gehandelt hat, dazu äußere ich mich in meiner Broschüre nicht. Deine Erklärung von Sozialdespoismus ist durch Deine Verkürzung falsch dargestellt. Aus der Definition lässt sich eben nicht einfach ein Großteil streichen. Um den Unterscheid nochmal zu Verdeutlichen, hier nochmal die Definition die Lion Wagner geschrieben hat und die ich in der von Dir besagten Fußnote auf S. 36 zitiere: Die Definition des Allgemeinen und Wesentlichen des Sozialdespotismus lautet: „Sozialdespotistische Gesellschaftssysteme sind durch die Existenz einer unterschiedlich ungenügenden Menge und/oder Qualität sozialistischer Elemente und folglich dem Fehlen einer solchen Struktur bestimmt, durch die alle auf das System wirkenden gesellschaftlichen Störgrößen (Anmerkung: Gesellschaftliche Störgrößen sind politische, ökonomische und ideologische Faktoren) so ausgeregelt werden könnten, dass die gesellschaftliche Grundregelgröße des Sozialismus ständig an dessen gesellschaftliche Grundführungsgröße ausgeglichen angeglichen werden könnte.“ [Sozialismus gab es nie! Lion Wagner; S. 55].

Du schreibst: „Ein “einfaches Zurück vom Sozialismus” kann es nicht geben [Fußnote: Br. 1, S. 37]. Genau das sagte aber auch Stalin - und ´einfach´ war es wirklich nicht: Es dauerte über 70 Jahre bis zum ´einfachen´ Kapitalismus.“

Auf dieser Seite zitiere ich Marx der sagte: „Eine Gesellschaft geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schosse der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“ [MEW Bd. 13; S. 9; Vorwort zur Kritik der Politischen Ökonomie; 1859]. Dazu schreibe ich u.a.:
„Der Marxismus geht davon aus, dass es kein Zurück auf die alte Stufe gibt. Also dass z.B. aus dem Kapitalismus kein Feudalismus mehr werden kann, aus dem Feudalismus keine Sklavenhaltergesellschaft mehr werden kann, und daraus keine Urgesellschaft. Dies ist nicht einfach eine Behauptung sondern dies hängt u.a. mit der erzielten Produktivkraftentwicklung zusammen.“ Und ich füge auch noch die Negation der Negation an. Du zitierst mich dann auch so verkürzt, dass es für Leserinnen und Leser, die meine Broschüre nicht im Original gelesen haben, zu einem falschen Bild kommt. Denn es folgt noch ein zweiter Satz, der mit dem ersten Satz, aus dem Du zitierst im Zusammenhang steht: „Also nach dem Marxismus kann es auch kein einfaches Zurück vom Sozialismus zu einer niedrigeren ökonomischen Gesellschaftsformation geben. Es gibt keine Rückkehr zum Ausgangspunkt, die Grundlage ist nach der Negation der Negation stets eine höhere.“

Weiter schreibst Du: „Warum gibt es aber zu wenig ´sozialistische Elemente´? Weil die Produktivkräfte zu gering sind, um neue Produktionsverhältnisse zu schaffen. So sprach schon die deutsche Sozialdemokratie 1917. So sprachen die Gegner Lenins, wie z.B. Bucharin, und auch der Erzfeind Maos, Deng Hsiao Ping: Bereichert euch! Entwickeln wir zuerst die kapitalistischen Produktivkräfte, dann kommen wir zu sozialistischen Produktionsverhältnissen!“

Nun frage ich Dich aber, warum Du mich mit der Sozialdemokratie in eine Reihe stellen willst, denn das Problem der Produktivkraftentwicklung hatte Genosse Lenin ebenfalls erkannt. Und auf ihn habe ich mich ja auch mehrfach bezogen. Ich füge zur Erinnerung nochmal meine Ausführungen von S. 25-26 an:
„Nach Lenins Aussagen, dass die Entwicklungstheorie schon die Notwendigkeit des Übergangs zeigt, füge ich nun ein weiteres Zitat das zeigt, dass Lenin davon ausging, dass das Wesen der Politik in der Sowjetunion auch in hochentwickelten kapitalistischen Ländern so gehandhabt werden muss, also auch hier eine Übergangsperiode nötig ist:
„In Russland muss sich die Diktatur des Proletariats infolge der sehr großen Rückständigkeit und des kleinbürgerlichen Charakters unseres Landes zwangsläufig durch gewisse Besonderheiten von den fortgeschrittenen Ländern unterscheiden. Aber die Hauptkräfte – und die Hauptformen der gesellschaftlichen Wirtschaft – sind in Russland die gleichen wie in jedem beliebigen kapitalistischen Land“ [LW Bd. 30; S. 92, Ökonomik und Politik in der Epoche der Diktatur des Proletariats, 1919; Unterstreichung von mir]. Dieses Zitat steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem vorherigen, wie die Quellenangabe zeigt. […]Und auch 1921 ging Lenin weiter von einer Übergangsperiode aus:
„Ich bringe nur die Ausführungen über den „Staatskapitalismus“ und über die Grundelemente unserer heutigen Wirtschaft des Übergangs von Kapitalismus zum Sozialismus.“ [LW Bd. 32; S. 341, Über die Naturalsteuer; 1921, Unterstreichung von mir]. In dieser Schrift rief Lenin auch dazu auf „vom Staatskapitalismus der Deutschen zu lernen, ihm mit aller Kraft zu übernehmen“ [ebenda S. 347]. Er schrieb dies weil er der Auffassung war, dass der „Sozialismus […] undenkbar ohne großkapitalistische Technik“ ist [ebenda; S. 346]. Und auf Russland bezogen schrieb er weiter: „In Russland überwiegt jetzt gerade der kleinbürgerliche Kapitalismus, von dem sowohl zum staatlichen Großkapitalismus als auch zum Sozialismus ein und derselbe Weg führt, der Weg über ein und dieselbe Zwischenstation, die ‚allgemeine Rechungsführung und Kontrolle über die Erzeugung und Verteilung der Produkte’ heißt.“ [ebenda; S. 347].

Und weiter schreibt er: „[…] die Besten haben nicht begriffen, dass die Lehrmeister des Sozialismus nicht umsonst von einer ganzen Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus sprachen und nicht ohne Grund die ‚langen Geburtswehen’ bei der Geburt der neuen Gesellschaft [Fußnote in LW = Siehe Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke Bd. 19, S. 21] hervorhoben, wobei diese neue Gesellschaft wiederum eine Abstraktion ist, die nicht anders verwirklicht werden kann als durch eine Reihe mannigfaltiger, unvollkommener konkreter Versuche, diesen oder jenen sozialistischen Staat zu schaffen.“ [ebenda; S. 348, Unterstreichung von mir].

Und dann versuchst Du meine Position so darzustellen: „Die Entwicklung der Produktivkräfte fand nicht statt, d.h. sie war nicht ausreichend, um den Kapitalismus zu übertrumpfen, also war es in der Sowjetunion kein Sozialismus und hätte auch keiner werden können! [Fußnote: Br 1, S. 41: Die Entwicklung zum Kapitalismus in der SU war zwangsläufig!]. Auf jeden Fall hat es eine “Vernachlässigung von ökonomischen Gesetzen des Sozialismus” gegeben [Fußnote: Br. 1, S. 44]. Sehr klar ist diese Argumentation nicht. Wenn es kein Sozialismus war, wie hätte man dann dessen ´ökonomische Gesetze´ anwenden können?“

Lieber Genosse Benjamin, auf S. 4, die Du als Quelle für Deine Behauptung anführst, habe ich keine Aussage dazu gemacht ob die SU sozialistisch hätte werden können oder nicht. Dass sie es angeblich nach meiner Meinung nicht hätte werden können ist eine reine Interpretation von Dir und deshalb wäre ich Dir dankbar gewesen, wenn Du eine solche Behauptung auch als solches gekennzeichnet hättest.

Auf der S. 41 geht es um die Frage des Gesetzes der Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter und Entwicklungsniveau der Produktivkräfte. Auch mache ich auf dieser Seite keine Aussage, wie die, dass sich die SU zwangsläufig zum Kapitalismus hin entwickeln musste, wie Du in Deiner Fußnote behauptest. Auch Dein Zitatbruchstück aus meiner Broschüre “Vernachlässigung von ökonomischen Gesetzen des Sozialismus” reißt Du aus dem Zusammenhang. Bevor es zum Zitat kommt, heißt es im Absatz zuvor, „Würden wir also vom Sozialismus ausgehen“. Aber lass es mich nochmal kurz im Zusammenhang zitieren was ich auf S. 44 schreibe: „Würden wir also vom Sozialismus ausgehen, so hätten wir, nach den oben beschriebenen Erkenntnissen, eine Produktivkraftentwicklung, die eben höher läge als die kapitalistische. Wenn aber die Produktionsverhältnisse sich zum Kapitalismus hin verändert haben, so kann das nur bedeuten, dass die Produktivkräfte noch auf dem Boden oder Niveau waren, wie es für kapitalistische Produktionsverhältnisse noch möglich ist weiter zu existieren. Ansonsten wären die marxistische Erkenntnis über den Widerspruch zwischen PK und PV sowie die darauf wirkenden Gesetze der Dialektik falsch. Diese Gesetze sind aber bereits durch den Marxismus bewiesen worden.

Ist es aber so gewesen, dass die Widersprüche von Elementen (hier von PK und PV) zugelassen werden, so entstehen ökonomische Reibungsverluste, die die Wirksamkeit des Gesamtsystems herabsetzen [vgl. ebenda S. 64]. Es muss also zumindest eine Vernachlässigung von ökonomischen Gesetzen des Sozialismus gegeben haben (ob wissentlich oder unwissentlich spielt für die Wirkung keine Rolle). Es würden dann Diskrepanzen in der Gesellschaft aufkommen, mit der Wirkung, dass die Triebkräfte eines sozialistischen Systems gehemmt würden [vgl. ebenda S. 68]. Da „die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft“ aber „an das Auftreten und die Lösung von Widersprüchen geknüpft ist“ [ebenda; S. 105] muss die Existenz des Sozialismus bestritten werden.“

Nun zu Deiner Frage: „Wenn es kein Sozialismus war, wie hätte man dann dessen ´ökonomische Gesetze´ anwenden können?“ Die Definition des Sozialdepotismus habe ich ja angeführt, darin wird u.a. auch darauf hingewiesen, dass es eine ungenügende Menge und/ oder Qualität sozialistischer Elemente gibt. Es kann also auch ungenügende sozialistische Elemente in einem nicht sozialistischen System geben. Genauso wie die ersten kapitalistischen Elemente ja nicht erst im Kapitalismus entstanden, sondern beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, als aber die kapitalistischen Elemente noch keineswegs die bestimmenden waren.

Du schreibst weiter „Staskiewicz gibt eine Reihe von Punkten an, die das kybernetische System des Sozialismus, das ja eigentlich selbstregulierend alle Schläge locker wegstecken müsste, ins Wanken bringen könnten“. Genosse Benjamin, nimm bitte zur Kenntnis, dass ich nie geschrieben habe, dass der Sozialismus selbstregulierend alle Schläge locker wegstecken müsste.

Auf Seite 52 schrieb ich: „Zum Zeitpunkt nach Stalins Tode gab es keinen solchen Krieg, die Kriegsschäden aus dem 2.Weltkrieg waren zwar noch nicht sämtlich beseitigt, aber im Großen und Ganzen konnten sie kompensiert werden, auch wenn dadurch bestimmte Ziele der Fünfjahrespläne zunächst nicht so eingehalten werden konnten, wie vorgesehen.“
Und was machst Du aus diesem Satz?: „Auch der 2. Weltkrieg mit seinen Konsequenzen konnte recht problemlos kompensiert werden (War es dann vielleicht doch Sozialismus?).“ Während ich also durchaus Probleme anspreche, machst Du daraus einfach eine problemlose Kompensation. Im Textzusammenhang ging es übrigens darum die genannten Ausnahmen für einen angenommene Restauration nach Stalins Tod auszuschießen.

Du schreibst „In Wirklichkeit hatte die Sowjetunion von der Oktoberrevolution bis zum Tode Stalins 1953 wohl alle aufgeführten Tragödien zu ertragen: Hunger, Krieg, Boykott, ...“ Aber dies habe ich nicht bestritten.

Du schreibst „Kybernetik als Modell“, was meinst Du damit, was soll Kybernetik als Modell sein?

Der ganze Satz von Dir lautet:
„Kybernetik als Modell von Staskiewicz und Lion Wagner - auf den sich ersterer beruft - ist völlig ungeeignet, Aussagen über ein Gesellschaftssystem des Übergangs zu machen. Prinzipiell ist ein kybernetisches Modell der gesellschaftlichen Entwicklung und des Klassenkampfes völlig unangebracht.“
Damit bestreitest Du die Anwendbarkeit der Kybernetik auf die marxistische Gesellschaftswissenschaft. Diese These solltest Du begründen. Das einzige was Du sagst ist:
„Einzelne, untereinander im Widerspruch stehende Elemente werden durch andere, noch widersprüchlichere ständig ausgetauscht.“ Da ich nicht sicher bin, wie Du diesen Satz gemeint hast, wäre ich Dir für eine Ausführung dankbar.
Du führst als nächste These an: „Das Prinzip der Dialektik ist unvereinbar mit einem starren kybernetischen Modell, das von der relativen Abgeschlossenheit einer sozialistischen Gesellschaft ausgeht, was völlig falsch ist.“ Aber warum ist ein kybernetisches System starr? Und woher nimmst Du die Behauptung, dass die Kybernetik von einer „relativem Abgeschlossenheit“ ausgeht. Auch an sich ist es schon interessant das Du hier das Wort relativ anwendest, so dass Du also davon ausgehst, dass auch bei der kybernetischen Betrachtung keine vollkommene Abgeschlossenheit vorherrscht, also so starr könnte es dann ja nicht sein.

Du schreibst: „Nicht “eine bestimmte Summe von sozialistischen Merkmalen”, sondern “die Einheit aller seiner Teile und deren Wechselbeziehungen” charakterisieren angeblich den Sozialismus [Fußnote: Lion Wagner, zit. in Br. 1, S. 50]. Übersetzt: Der Sozialismus ist vollständig, komplett, oder er ist nicht.“

Auch hier soll wieder geschlussfolgert werden, dass der Sozialismus sich quasi nicht entwickeln würde. Vielleicht herrscht hier ein zu enges Verständnis von der Einheit der Teile und deren Wechselbeziehungen vor. Wenn Karl Marx im Kapital die Einheit der Teile und Wechselbeziehungen des Kapitalismus aufgezeigt hat, so bedeutet dies doch ebenso wenig, dass keine Entwicklung des Kapitalismus zum Imperialismus mehr möglich sei. Aber auch der Imperialismus basiert, dem Wesen nach, auf der gleichen Einheit der Teile und Wechselbeziehungen des Kapitalismus. Genosse Benjamin, wenn Du auf der gleichen Seite nur ein Zitat weiter schaust, so findest Du dann Sätze wie: „Diese dialektischen Widersprüche sind Quellen der Systembewegung, d.h. des Systemverhaltens. Es wirkt das allgemeine Bewegungsgesetz der materialistischen Dialektik, das Gesetz von der Einheit und dem „Kampf“ der Gegensätze. Die Elemente bedingen einander und wirken auch gegeneinander.” Solche Sätze beschreiben ja gerade die Entwicklungsfähigkeit des Sozialismus. Und weder Genosse Lion Wagner noch ich würden sagen, dass es keine Entwicklung im Sozialismus gäbe, dass wäre dann ja das besagte Ende der Geschichte.

Du hingegen entwirfst Begriffskombinationen wie „kybernetischer Sozialismus“ und unterstellst weiter unhaltbare Dinge: „Ein in sich ruhender ´kybernetischer Sozialismus´ wäre nie in der Lage sich zur kommunistischen Gesellschaft weiterzuentwickeln. Warum sollte er das? Er genügt sich doch selbst. Welches Bedürfnis sollten denn die Werktätigen an einer Weiterentwicklung haben? Welche ökonomischen Widersprüche sollten eine weitere Evolution bedingen? Läuft doch alles wie von selbst.“

Und dann werde ich gar zum Gründer einer eigenen Theorie: „Staskiewicz führt noch ein anderes Argument für seine Theorie an:“. Lieber Genosse Benjamin, was soll denn meine angebliche Theorie ausmachen? Wie würdest Du sie charakterisieren?

Nach Deinem Satz mit meiner Theorie, der mit einem Doppelpunkt endet heißt es:
„Wer sollte denn der soziale Träger der Konterrevolution (Revisionismus) in der Sowjetunion gewesen sein, wenn alle Ausbeuterklassen abgeschafft waren? Es gab nur noch die Klassen der Arbeiter und der Genossenschaftsbauern [Fußnote: Br. 1, S. 46 unten].“ Hier kann der Eindruck entstehen als würdest Du mich zitieren. Dem ist aber nicht so, es handelt sich um ein sinngemäßes Zitat, in das Du Begriffe wie Revisionismus einführst, die ich in diesem Zusammenhang aber nicht verwendet habe. Hier nochmal die Stelle von mir auf die Du Dich beziehst im Original: „Da stellt sich doch gleich die Frage, wer der Träger der Konterrevolution gewesen sein soll? Wer hatte daran ein Interesse?

Wenn die Ausbeuterklasse beseitigt war, existierten keine antagonistischen Klassen mehr. Klassenkämpfe kann es aber nur zwischen antagonistischen Klassen geben. Was noch nicht bestritten wurde, war die weitere Existenz der Nebenklasse der kleinen Warenproduzenten.

Und auch die Kulaken existierten nicht mehr: „Gesiegt hat die Politik der Liquidierung des Kulakentums und der durchgängigen Kollektivierung. “ [SW Bd. 13; S. 308-309, Rechenschaftsbericht an den XVII. Parteitag, 1934]. Es gab aber noch die Grundklasse der Arbeiter und die der Genossenschaftsbauer. Aber weder von den Grundklassen noch der Nebenklasse ist uns von ökonomischen und politischen Kämpfen gegen die kommunistische Partei etwas bekannt [vgl. Lion Wagner, Sozialismus gab es nie; S. 28]. Hierbei geht es nicht um Kämpfe von kleinen Teilen dieser Klassen bzw. regional beschränkte Kämpfe.“ [Gab es Sozialismus?; S. 46]

Und dann heißt es weiter von Dir: „Nein, 1936 spricht die sogenannte Stalinsche Verfassung von drei Klassen: Die dritte Klasse ist die ´Intelligenzia´, gemeint sind die Funktionäre in der Verwaltung des Staates und der Wirtschaft, die Ingenieure, usw. Stalin spricht von unterschiedlichen sozialen Klassen, betont aber, dass es keine antagonistischen Klassen sind, sondern befreundete, die für dasselbe Ziel kämpfen. Es ist richtig, dass diese Klassen nicht von vornherein antagonistisch sind (Warum sollten sie es sein?). Die Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass diese dritte Klasse zur neuen Bourgesoie wurden - näheres bei Bill Bland in der zweiten Broschüre. Wenn es kein Privateigentum mehr gab - fragt Staskiewicz - wie sollte sich denn neues entwickeln können? Ganz kurz gesagt, indem aus Funktionären und Direktoren, die kein Eigentum hatten, aber Befehlsgewalt, sich eine Kaste entwickelte, die von ihrer Kommandobefugnis profitieren wollte, so weit es nur geht, und die dann später nicht nur faktischer, sondern auch formeller Besitzer der Fabriken wurde (genaueres bei Bill Bland, Uwe Wagner, Nils Holmberg, usw. usf.).“

Lieber Genosse, ich habe mir auf Deinen Hinweis nochmal die 146 Artikel der Verfassung von 1936 angesehen. Darin habe ich nichts über eine dritte Klasse „Intelligenzia“ gefunden, ggf. habe ich aber einfach etwas übersehen, deshalb die Bitte mir den entsprechenden Artikel zu nennen auf den Du Dich beziehst. In der Tat spricht aber Stalin über die Intelligenz. Diesbezüglich ist sicher der Artikel „Stalin über die Verfassung“ für Dich von Interesse, auf den ich mich im Folgenden beziehen werde. Ich zitiere aus dem Artikel nach der Fassung aus dem Buch „Die stalinsche Verfassung“ [Verlag Kultur und Fortschritt Berlin 1950].

Auf S. 15f heißt es in dem Artikel hier: „Die Klasse der Gutsbesitzer war bekanntlich schon mit der siegreichen Beendigung des Bürgerkrieges liquidiert worden. Was die anderen Ausbeuterklassen betrifft, so haben sie das Schicksal der Klasse der Gutsbesitzer geteilt. Verschwunden ist die Kapitalistenklasse in der Industrie. Verschwunden ist die Kulakenklasse in der Landwirtschaft. Verschwunden sind die Händler und Spekulanten auf dem Gebiet des Warenumsatzes. Alle Ausbeuterklassen sind somit liquidiert.
Geblieben ist die Arbeiterklasse.
Geblieben ist die Klasse der Bauern.
Geblieben ist die Intelligenz.

Es wäre aber verfehlt zu glauben, dass diese sozialen Gruppen während dieser Zeit keine Veränderung durchgemacht hätten, dass sie dieselben geblieben seien, die sie, sagen wir, in der Periode der Kapitalismus waren.“ Lieber Genosse, was doch hier auffällt ist die Tatsache, dass Stalin zwar im Zusammenhang mit den Arbeitern oder Bauern von Klassen spricht, nicht aber bei der Intelligenz. Allgemein spricht er von sozialen Gruppen und nicht von drei Klassen, wie es Deine Ansicht ist. Dies bleibt auch im ganzen Artikel so. Interessant in diesem Artikel ist auch der Satz, im Zusammenhang mit der Veränderung der Arbeiterklasse, in dem es heißt: „Da sie aber besitzt und die Kapitalistenklasse liquidiert ist, so ist jede Möglichkeit ausgeschlossen, die Arbeiterklasse auszubeuten“ [ebenda S. 16]. Hier wiedersprichst Du, da Du von einer neuen Kapitalistenklasse sprichst, die sich aus der Intelligenz entwickelt habe. Aber hören wir uns zunächst noch an was Stalin in dem Artikel über die Verfassung zur Intelligenz zu sagen hat: „Gehen wir schließlich zur Frage der Intelligenz über, zur Frage der Ingenieure und Techniker, der Mitarbeiter an der Kulturfront, der Angestellten überhaupt usw. Die Intelligenz hat in der vergangenen Periode ebenfalls große Veränderungen durchgemacht. Das ist schon nicht mehr jene alte verknöcherte Intelligenz die sich über die Klassen stellen suchte, tatsächlich aber in ihrer Masse den Gutsbesitzern und Kapitalisten diente. Unsere Sowjetintelligenz ist eine völlig neue Intelligenz, die mit allen Fasern mit der Arbeiterklasse und der Bauernschaft verbunden ist. […] 80 bis 90 Prozent der Sowjetintelligenz entstammen der Arbeiterklasse, der Bauern und den anderem Schichten der Werktätigen. […] Jetzt muss sie dem Volke dienen; denn es gibt keine Ausbeuterklasse mehr. Und gerade deshalb ist sie jetzt gleichberechtigtes Mitglied der Sowjetgesellschaft […]. Wie ihr seht, ist das eine völlig neue, eine werktätige Intelligenz, wie ihr sie in keinem Lande der Welt findet. Das sind die Veränderungen, die in der verflossenen Zeit in der Klassenstruktur der Sowjetunion vor sich gegangen sind. Wovon zeugen diese Veränderungen?
Sie zeugen erstens davon, dass die Grenzlinien zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft, ebenso wie diejenigen zwischen diesen Klassen und der Intelligenz sich verwischen, dass die alte Klassengeschlossenheit verschwindet. Das bedeutet, dass der Abstand zwischen diesen sozialen Gruppen sich immer mehr verringert. Sie zeugen zweitens davon, dass die ökonomischen Gegensätze zwischen diesen sozialen Gruppen dahinschwinden, sich verwischen.“ [ebenda S. 17f]. Auch hier benutzt Stalin nicht den Begriff der Klasse für die Intelligenz. Für Dich Genosse Benjamin ist also aus der Intelligenz die zu 80-90% aus der Arbeiterklasse bzw. der Bauernklasse entstammte und zu einer neunen werktätigen Intelligenz geworden sei, eine neue Ausbeuterklasse entstanden. Aber bevor ich auf diesen Irrtum eingehe, halte ich es für nötig noch etwas prinzipielles über Klassen zu sagen.

Unter Klassen sind große sozialökonomische Menschengruppen zu verstehen die sich unterscheiden:
 Nach ihrem Platz im System der gesellschaftlichen Gesamtarbeit (Produktion und Zirkulation),
 ihrer Rolle bei der Organisation,
 nach ihrem Verhältnis zum Kapital, zu den Produktionsmitteln
 nach der Art ihrer Aneignung und Größe ihres Anteils an der gesellschaftlich erzeugten Wertmasse.
Klassen selbst setzen sich wiederum aus unterschiedlichen sozialen Schichten zusammen.
Klassen sind Gruppen von Menschen von denen sich die einen die Arbeit der anderen aneignen können. Klassen bildeten sich mit der Entwicklung der Produktivkräfte heraus, also mit der Entstehung eines Mehrprodukts und des privaten Eigentums an Produktionsmitteln.

Im Kapitalismus stehen die Hauptklassen Bourgeoisie und Proletarier sich antagonistisch gegenüber (in der Sklavenhaltergesellschaft waren es Sklavenhalter und Sklave und im Feudalismus Feudalherr und Hörige bzw. leibeigene Bauern). Der Antagonismus ist eine besondere Art des Widerspruchs im gesellschaftlichen Bereich, der an die Existenz der Klassen gebunden ist und auf den unversöhnlichen Gegensatz zwischen den verschiedenen Klasseninteressen beruht [vgl. Lion Wagner, Krieg und Gesellschaftssystem, S. 149ff]. Die Kapitalistenklasse hat so z.B. das Interesse einen möglichst großen Profit (genauer eine möglichst hohe Profitrate) zu erzielen, während der Arbeiter nicht das (objektive) Interesse hat seine Arbeit an den Kapitalisten verkaufen zu müssen, sich von diesen ausbeuten und unterdrücken zu lassen. Somit hat die Arbeiterklasse objektiv das Interesse an der Beseitigung der Klassengesellschaft. Karl Marx hat beweisen, „dass die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist; … dass der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt; … dass diese Diktatur selbst nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet“ [Karl Marx in MEW Bd. 28; S. 508].

Das Verhältnis der Kapitalistenklasse zu den Nebenklassen ist zwar immer ein Verhältnis der Herrschaft und Knechtschaft aber nicht immer ein Verhältnis der Ausbeutung. Die Nebenklassen haben selbst u.a. das Ziel die Existenz ihrer Klasse zu verteidigen (bzw. Sie kämpfen teilweise gar dafür zur Hauptklasse heranzuwachen, was aber in ihrer Masse illusorisch ist). Somit wirkt ihr Klasseninteresse auch systemerhaltend und nicht systemüberwindend.

„Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüber stehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt“ [Karl Marx, nach Lenin Bd. 21 S. 47].

Für Dich ist die Intelligenz eine dritte Klasse der Sowjetgesellschaft gewesen. Deshalb die Frage an Dich, was unterschied sie von den bestehenden Klassen bezüglich ihres Platzes im System der gesellschaftlichen Gesamtarbeit (Produktion und Zirkulation), ihrer Rolle bei der Organisation, nach ihrem Verhältnis zum Kapital, zu den Produktionsmitteln und nach der Art ihrer Aneignung und Größe ihres Anteils an der gesellschaftlich erzeugten Wertmasse? Die Intelligenz in der kapitalistischen Gesellschaft, findet sich in allen Klassen (Kapitalisten, kleinen Warenproduzenten und Proletariat) wieder. Allerdings steigt die Zahl der Intelligenz innerhalb der Arbeiterklasse tendenziell. Für mich gibt es keinen Grund warum die Intelligenz sich nach der Beseitigung des Kapitalismus zu einer eigenständigen Klasse entwickeln sollte, da ich die an Dich gestellte Frage so nicht abstrakt beantworten kann. Die Intelligenz wird sich weiter in den dann noch bestehenden Klassen und all ihren Schichten wiederfinden. Somit gibt es auch kein vollkommen übereinstimmendes, gemeinsames sozialökonomisches Interesse der Intelligenz. Wenn für Dich die Intelligenz zu einer neuen Kapitalistenklasse wurde (Du sprichst verwirrenderweise in diesem Zusammenhang auch von der Herausbildung einer Kaste, was ist sie denn nun eine Klasse oder eine Kaste?), so sagst Du, dass die Angestellten, Techniker und Ingenieure der Intelligenz, die Stalin beschrieb, nun insgesamt zu einer Kapitalistenklasse geworden sei. Welche Rolle spielten Deiner Meinung nach die Techniker, Ingenieure und Angestellte der Intelligenz überhaupt in der Produktion in der Sowjetunion?

Du hast geschrieben: „Wenn es kein Privateigentum mehr gab - fragt Staskiewicz - wie sollte sich denn neues entwickeln können? Ganz kurz gesagt, indem aus Funktionären und Direktoren, die kein Eigentum hatten, aber Befehlsgewalt, sich eine Kaste entwickelte, die von ihrer Kommandobefugnis profitieren wollte, so weit es nur geht, und die dann später nicht nur faktischer, sondern auch formeller Besitzer der Fabriken wurde (genaueres bei Bill Bland, Uwe Wagner, Nils Holmberg, usw. usf.).“ Hier machst Du es Dir sehr einfach. Die Frage wie es passieren kann, wenn es kein Privateigentum mehr gab, das neues entstand beantwortest Du schlicht damit, dass es so wurde. Welche ökonomische Grundlage aber die neue Klasse haben soll, darauf gehst Du nicht ein. Warum soll sie aus ihren Kommandobefugnissen profieren wollen, welche Interessen haben sie? Dass es falsch ist zu sagen, dass die Direktoren zu formellen Besitzern der Fabriken wurden, habe ich in meiner Kritik an Bland bereits ausgeführt und Verweise an dieser Stelle darauf.
Du beziehst Dich hier auch auf den von mir kritisierten Bland. Desweiteren führst Du Uwe Wagner an. Dieser gehörte einst der KPD/Aufbauorganisation an und schrieb meines Wissens nach in diesem Zusammenhang nur das Buch aus der Reihe Materialistische Wissenschaften Nr. 15 „Vom Kollektiv zur Konkurrenz: Partei und Massenbewegung in der DDR“ (Oberbaumverlag Berlin 1974). Also eine Schrift zur DDR, vermutlich meintest Du eher Charles Bettelheim, der in derselben Reihe „Die Klassenkämpfe in der UdSSR“ schrieb (Oberbaumverlag Berlin) oder auf welche Schrift von Uwe Wagner beziehst Du Dich? Der dritten Autor, Nils Holmberg, ist mir kein Begriff, deswegen bitte ich Dich mir hier die Schrift zu nennen auf die Du Dich beziehst.

Dann schreibst Du: „Das Üble an der Geschichte ist die faktische Auflösung jeder Revisionismus-Kritik: Ob Lenin, Stalin, Chruschtschow, Breschnew oder Gorbatschow - kein Unterschied, es war von Anfang an alles völlig falsch.“ Lieber Genosse, auf was beziehst Du Dich, wo hat Lion Wagner oder wo habe ich geschrieben das „alles völlig falsch“ sei? Außerdem stimmt es auch nicht, dass die von uns vertretende Position bedeutet, dass man jede Revisionismus-Kritik faktisch auflösen würde. Als Widerlegung Deiner diesbezüglichen These möchte ich auf „Sozialismus gab es nie“ von Lion Wagner verweisen. Hier findest Du im Teil 2 (also zweite Broschüre) eine Studie zum Opportunismus, Reformismus und Revisionismus. Mich würde interessieren wie Du trotz dieses Teils zu Deine These kommst.

Und dann heißt es in Deiner Kritik: „Lion Wagner schreibt: “Der Führungswechsel ... nach Genossen Stalins Tod kann den Charakter eines sozialdespotischen Parteifraktionsputsches getragen haben. Allerdings hat der Autor diesbezüglich keinerlei Untersuchungen angestellt.” [Fußnote: zit in Br. 1, S. 54] Aha.
Gab es eine längere revisionistische Entwicklung? Auch nicht, sagt Staskiewicz, denn: “Das einfache Ein- und Ausschalten von Elementen aus zwei verschiedenen Systemen in einem System ist aber nicht möglich ohne z.B. das angenommen sozialistische System zu zerstören.” [Fußnote: Br. 1, S. 55]” Genosse Benjamin, siehst Du einen Widerspruch zwischen dem Satz von Lion und meinem Satz (mein Satz, das hast Du leider nicht hinzugefügt, ist übrigends ein vergleichendes Zitat von Lion Wagner und somit dem Wesen nach gar nicht mein Satz)? Ich sehe keinen. Im Textzusammenhang geht es bei dem Satz aus meiner Broschüre auch nicht um eine längere revisionistische Entwicklung, so stellst Du es aber dar, sondern um die Frage ob eine allmähliche kapitalistische Restauration stattfand. Dies ist ein Unterschied!

Du führst weiter aus: „Die Frage, was denn das in der Sowjetunion war, etwa eine Übergangsform zwischen Kapitalismus und Sozialismus, wird entsprechend beantwortet. Da Sozialismus eben kein Übergangssystem ist, kann es nur von Anfang an Kapitalismus gewesen sein. Warum aber Lenins Periode eine Übergangszeit zwischen Kapitalismus und Sozialismus sein konnte, wie es am Anfang der Broschüre heißt, ist völlig unklar. Es kann nur so interpretiert werden, dass nach dieser Leninschen Übergangszeit durch Kollektivierung der Landwirtschaft und Fünfjahresplan der Kapitalismus eingeführt wurde!“
Du behauptest also ich würde sagen der Sozialismus sei kein Übergangssystem. Dazu sollten wir nochmal in meine Broschüre blicken. Hier heißt es auf S. 28:
„Wer der Auffassung ist, dass zwischen Kapitalismus und Sozialismus keine Übergangsperiode liegen muss, der widerspricht den Ansichten der Klassiker des Marxismus-Leninismus und entfernt sich selbst von ihnen, revidiert sie (ob wissentlich oder unwissentlich). Die Behauptung, dass es zwischen Kapitalismus und Sozialismus keine Übergangsperiode geben würde, ist übrigens nicht neu, schon Lenin kämpfte gegen sie:
„Ferner sagt Gen. Rykow, dass es eine Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus nicht gebe. Das stimmt nicht. Das heißt mit dem Marxismus brechen.“ [LW Bd. 24; S. 235; Siebte Gesamtrussische Konferenz der SDAPR(B); 1917]. Nicht falsch wäre es aber zu sagen, dass der Sozialismus die Übergangsgesellschaft zum Kommunismus nach dem Sieg der Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus ist.“ (Die Unterstreichung wurde hier zur Verdeutlichung hinzugefügt). Desweiteren habe ich mich in der Broschüre nicht abschließend mit der Frage beschäftigt ob Lenins Einschätzung bezüglich der Übergangsgesellschaft vom Kapitalismus zum Sozialismus auf die SU in dieser Zeit zutrifft. Deine Interpretation ist meiner Ansicht nach aber nicht durch meine Ausführungen in der Broschüre zulässig. Keineswegs schreibe ich, dass der Kapitalismus durch die Kollektivierung oder 5-Jahrespläne eingeführt worden sei. Vielmehr schreibe ich, dass es sich keineswegs um Kapitalismus gehandelt haben kann!

Du schreibst: „Nach dieser Sozialismus-Definition wäre das Sowjetsystem zur Zeit Lenins eine Übergangsform zur Übergangsform gewesen. Und die Volksdemokratie eine Übergangsform zur Übergangsform zur Übergangsform, und die antifaschistische Demokratie der DDR eine Übergangsform zur Übergangsform zur Übergangsform zur ... Kommen wir damit weiter? Wenn die Übergangsformen kippen können, die letzte Übergangsform aber nicht, weil sie schon perfekt ist, dann sagen wir doch zu den Übergangsformen unter revolutionärer Führung ´Sozialismus´ und zum perfekten Endstadium ´Kommunismus´ und die Sache hat sich.“

Was verstehst Du unter einer „Volksdemokratie“? Zu den Übergängen möchte ich nur kurz sagen, dass es einen grundlegenden Unterscheid zwischen dem Übergang zwischen Kapitalismus und Sozialismus (hier ist die Wer – wen- Frage noch nicht entscheiden) und dem Sozialismus, in dem diese Frage positiv für das Proletariat entschieden ist, gibt. Siehst Du dies anders?

Zu meiner zweiten Broschüre schreibst Du: „Bill Bland´s Buch ´Die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion´ wird fast die ganze zweite Broschüre gewidmet. Als Resultat wird dieser Text als ”schädlich” bezeichnet, dessen Verbreitung man unterbinden müsste. Warum eine so überzogene Reaktion?

Wenn Bland sehr detailliert und sehr überzeugend die Entwicklung in der Sowjetunion zum Kapitalismus schildert, dann spuckt er ins kybernetische Süppchen: Wenn in der SU niemals Sozialismus war, konnte man in der von ihm geschilderten Weise auch nicht den Kapitalismus restaurieren, das wurde weiter oben schon erklärt.“

Was an der Broschüre schädlich ist, sind die falschen Methoden bei dem Beweisführungsversuch und die daraus folgenden falschen Thesen die verbreitet werden. Du schreibst das Bland sehr detailliert und sehr überzeugend die Entwicklung schildern würde. Ich habe hingegen nicht eine sehr detailierte Darstellung der Entwicklung gesehen und somit würde mich interessieren was Du hier so detailliert findest. Das sein Buch mich nicht überzeugt, habe ich in meiner Kritik dargestellt und möchte dies hier nicht erneut näher anführen. Mich würde aber interessieren ob es Dich wirklich überzeugt, wenn Bland die SU als faschistisch beschreibt und seine Beweisführungsversuche auf Zitate aus der Zeitung The Gardien und Amnesty International Materialien konzentriert. Du hast z.B. meine Kritiken an solchen Methoden nicht in deiner Kritik begrüßt, heißt dies, dass Du sie nicht teilst, oder warum lehnst Du meine Kritik ab und erwähnst nicht einen Satz den Du korrekt findest? Ist in Deinen Augen alles falsch an ihr?

Du schreibst: „Was nun zuerst ins Auge fällt, ist die Form der Kritik. Die Vorbemerkung kann als Entschuldigung gesehen werde:
“... ist meine Kritik nicht vollständig und ich werde nicht in jedem Punkt eine längere Ausführung machen. (...) auch eine wirklich thematische Sortierung habe ich nicht vorgenommen. Und es kommt auch zu gewissen thematischen Wiederholungen...” (61)
Tatsächlich handelt es sich um eine Art von Aphorismen-Sammlung: Auf rund 40 Seiten sind rund 80 Punkte aufgereiht. Es gibt keine Abschnitte, Kapitel, Paragraphen o.ä.
Das sieht dann z.B. so aus. Der letzte Punkt auf Seite 61 besteht aus einem einzigen Satz: “Die versprochene Analyse des ökonomischen Systems findet nicht statt.” Der nächste Punkt kritisiert die “Aufzählung von Systemelementen”, darauf folgt die Kritik daran, dass Bland die SU schon in den Jahren 1917-21 als sozialistisch bezeichnet, dann kommt ein Punkt zum Personenkult. Damit endet die Seite 62. Seite 63 handelt von der Einschätzung der Geheimdienstchefs Jeschows und Berijas, sowie der Quellen Blands.“
Genosse Benjamin, es stimmt, dass ich in Stichpunkten Bland kritisiere und keine Kapitel etc. verwendet habe (übrigens Absätze gibt es viele). Sicherlich wird eine Kritik durch Kapitel übersichtlicher. Aber an sich sagt dies erstmal nichts über den Inhalt der Kritik aus, eine Kritik kann trotz Kapiteln, Überschriften etc. richtig oder falsch sein und dies ist auch bei den Stichpunkten der Fall. Etwas paradox an Deiner Kritik an meinem Kritikaufbau finde ich es dann aber schon, dass Du selbst für Dich dann nicht die Konsequenz daraus ziehst. In Deiner Kritik an meiner Broschüre schreibst Du zwar im Text 1.-5. (Und „zur zweiten Broschüre“) aber in diesen 5 Punkten gibt es auch keine klaren Thematiken, keine Kapitel sondern schreibst Du z.T. zu unterschiedlichen Punkten etwas und die Punkte haben keine Überschriften. Allerdings würde ich nicht sagen, dass Kapitel und Überschriften bei einer Kritik an Inhalten meiner Broschüre zwingend nötig sind.
Nach wie vor bin ich der Auffassung, dass die Stichpunktkritik, nach dem Studium der ersten Broschüre von mir und dem Studium der zwei Broschüren von Lion Wagner vollkommen ausreicht. Denn wenn die Beweisführung von Lion Wagners Broschüre richtig ist (nimm dies mal bitte hypothetisch an um Dich in meine Schlussfolgerung hineinzuversetzen), so ist Bland bereits dadurch widerlegt.

Übrigens wenn Du die thematischen Sprünge kritisierst, so kritisierst Du damit auch den Aufbau von Bland, da ich ja seinem Aufbau gefolgt bin, also die Broschüre von Anfang bis Ende mit den Stichpunkten durchgehe (natürlich beschränke ich mich aber hier auf einzelne Sätze und nehme nicht zu jedem Wort Stellung).

Es stimmt, dass z.B. der letzte Satz von S. 61 aus einem Satz besteht. Aber es ist nicht so, dass zu der Frage ob es eine ökonomische Analyse des Systems im Bland-Buch nur dieser Satz mit meiner These steht. Vielmehr versuche ich dann mit den vielen folgenden Punkten und meinen Kritiken diese These zu beweisen.

Du schreibst: „Offensichtlich fühlte man sich genötigt, ganz, ganz schnell noch Bland zu verreißen, sonst könnte man der neuen ´Kapitalismusthese´ wohl nicht glauben.“ Wie begründest Du diese Unterstellung? Zur angeblich neuen „Kapitalismusthese“ habe ich mich ja bereits geäußert.

Du behauptest: „Die häufig wiederholten Vorwürfe gegen Bland sind u.a. das Fehlen von Nachweisen speziell bei seinen politischen Wertungen. In keinem einzigen Fall wird aber der Analyse von Bland eine andere Position entgegengesetzt.“ Dass ich keine Position entgegenstellen würde, entspricht nicht den Tatsachen. An vielen Stellen beziehe ich Position, auf Wunsch kann ich gern viele Beispiele anführen, wir können ja gern mal im Zuge eines Diskussionstreffens die Punkte durchgehen und prüfen ob ich Position beziehe oder nicht.

Du bist der Auffassung: „Tatsächlich sind bedingt durch die Unzugänglichkeit der Quellen [Fußnote: Zum Beispiel wurde das ´Stalin-Archiv´, also das Archiv des Generalsekretariats der KPdSU mit sämtlichen Berichten der verschiedenen Ebenen der Parteiorganisation, nach kurzer Zeit von Putin wieder verschlossen.] sehr viele Vorgänge der sowjetischen Geschichte nur durch Indizien zu rekonstruieren.“ Bei welchen Vorgängen würdest Du dies z.B. so sehen?

Und weiter heißt es in Deiner Kritik: „Ein anderer Vorwurf ist die Nutzung bürgerlicher Quellen. Hier hätte sich der Autor die Mühe machen müssen, konkret zuschreiben, warum die jeweilige Quelle falsch oder unglaubwürdig ist.“
Lieber Genosse, es ist nicht so, dass ich dies unbegründet ließ. So schrieb ich z.B.:
„Kurios wird es dann beim Nachweis des Antisemitismus. Nun will ich auch nicht bestreiten, dass es Antisemitismus gegeben hat, dies sicher aber auch noch zu Lebzeiten Lenins und Stalins (auch wenn z.B. Stalins Position in der Tat gegen den Antisemitismus gerichtet war, wie Bland richtig darstellt). Die Quellen für den Antisemitismus in der Sowjetunion die Bland hier anführt sind ein Buch das den Titel „Jude im Gulag“ [vgl. S. 114-115] trägt (da wäre es wohl so als würde man das Buch „Juden unter Stalin“ anführen, das sicher ebenso ein antikommunistisches Buch ist wie dieses) sowie Quellen von Amnesty International [vgl. S.115]. Amnesty International ist aber keine „unpolitische“ Organisation. Sie wertet sehr stark und bezeichnet immer wieder gerechte Kämpfe als terroristisch. Von Amnesty International (ai) würde man auch negative Zitate über die Stalin Zeit finden. So sei das US-Gefangenenlager Guantánamo in Kuba nach ai der "Gulag der heutigen Zeit" oder „Zur Misshandlung Gefangener im von den Amerikanern geführten irakischen Gefängnis Abu Ghraib etwa habe es nie angemessene Ermittlungen gegeben. Die Inhaftierung so genannter feindlicher Kämpfer, die nicht den Status von Kriegsgefangenen erhalten, verglich sie mit dem Vorgehen Stalins in der Sowjetunion.“ [http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/28/0,3672,2303004,00.html]. Oder wie ai-Rußland schreibt: „Stalin festigte seine Macht durch gezielten Terror gegen seine Widersacher. Seit 1928 wurde die staatliche Wirtschaft 5-Jahresplänen unterworfen und die Landwirtschaft kollektiviert. Im August 1939 unterschrieb Stalin einen geheimen Nichtangriffspakt mit Hitler und sicherte sich die Eingliederung der ostpolnischen Gebiete, des Baltikums und Bessarabiens. Nach dem Überfall Deutschlands auf Russland am 22. Juli 1941 trat Russland an der Seite der Alliierten in den zweiten Weltkrieg (in Russland Grosser Vaterländischer Krieg genannt) ein und führt Hitler bei Stalingrad eine schwere Niederlage zu. Zu Ende des Krieges besetzten sowjetische Truppen schließlich japanisches Gebiet im Fernen Osten (Manchuria, Karafuto, Kurilen). Nach Ende des Krieges, aus dem die UdSSR als Siegermacht hervorging, entfremdete sich die Sowjetunion jedoch zunehmend von den Alliierten und sicherte sich großen Einfluss auf die angrenzenden Länder Polen, Bulgarien, Rumänien, Ostdeutschland, Tschechoslowakei, Ungarn und Albanien, wo Russische Truppen stationiert blieben. 1950 erfolgte ein Allianz-Vertrag mit China und der Versuch, eine internationale kommunistische Weltordnung zu schaffen. Die Sowjetunion lancierte damit eine politische Offensive gegen den nicht kommunistischen Westen. Die Blockade von Berlin 1948/48 löste die Teilung Berlins und Versorgung über eine Luftbrücke aus. In der Folge bildeten die westlichen Staaten einen eigenen Block (NATO) gegen den Osten. Stalin starb am 6. März 1953.“ [http://www.usta.de/RefAk/Amnesty/russland.html]. Solche antikommunistischen Quellen führen bei der Beweisführung nicht weiter, die Glaubwürdigkeit von Aussagen die ai getroffen hat, müsste erst anders belegt werden. Wenn Bland die Beweisversuche nur auf solche Quellen bezieht, so würde es auch ausreichen einfach seine Vermutungen zu nennen. Denn auch das Zitat aus der britischen Tageszeitung ‚The Guardian’[vgl. S. 115] führt hier nicht weiter wenn der Inhalt von deren Aussagen nicht weiter geprüft wurden. Es wäre ja nicht das erste mal, dass ein Film in einer Zeitung anders dargestellt wird, als er war, das muss deshalb zumindest geprüft werden.“[Gab es Sozialismus S. 84f]. Nun würde mich interessieren was an dieser Kritik falsch sein soll.

Du unterstellst mir weiter: „Da es angeblich nie Sozialismus in der Sowjetunion gegeben hat, kommt der Autor der Broschüre Staskiewicz sofort dazu, die Entwicklung zum Revisionismus zu verteidigen.

“Dass die Sowjetunion aber im Unrecht war, mit ihrer Behauptung eines sozialistischen Systems, was Bland vergeblich nachzuweisen versucht, wurde bereits im Punkt 3 nachgewiesen. Es wäre aber falsch, daraus zu schlussfolgern, dass es sich dadurch automatisch um ein kapitalistisches System gehandelt haben muss.” [Fußnote: Br. 2, S. 66]”
Aber was ist an meinem Satz eine Verteidigung einer revisionistischen Entwicklung?

Du bist der Auffassung: „Klingt irgendwie nach Trotzki.“ Nun mag ich nicht beurteilen ob es nach Trotzki klingt oder nicht, aber nehmen wir mal an Du hättest Recht, was bedeutet dies nun?

Dafür, dass Du der Auffassung bist, dass Bland eine überzeugende, detaillierte Analyse geschrieben hat, gehst Du recht wenig auf meine Kritik an seinen Thesen ein.
Dein letzter Satz lautet: „Letztendlich ist das Resultat der Broschüren von Staskiewicz nur der Verzicht auf Analysen der konterrevolutionären Entwicklung in der Sowjetunion und anderswo.“ Leider finde ich keinen Nachweis für eine solche These in Deiner Kritik.

Nun bin ich gespannt auf den weiteren Verlauf der Diskussion.

Mit solidarischen Grüßen
Mark Staskiewicz

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Es folgt nun die Kritik von Benjamin (Hebel) im Original


Kritik der Broschüre “Gab es Sozialismus?”
der ´Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus´




Neu ist diese Auffassung ja wirklich nicht, oft genug hört man ja “Sozialismus gab es nie” und meist kommt noch hinterher: “... und wird es niemals geben”. Also ist der Anspruch von vornherein hoch: Wenn eine ´Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus´ in zwei Broschüren erklären will, dass es in der Geschichte noch nie ein sozialistisches Land gab und warum nicht, erwartet man schon einiges.

Interessant ist das Thema natürlich, weil die Definition des Sozialismus meist sehr vage ist, bzw. es stellt sich jeder etwas anderes darunter vor. Es liegt im Interesse der Konterrevolution, es dabei bleiben zu lassen.

Nichts scheint gerade heute so schwierig zu sein, wie überzeugend von einer gesellschaftlichen und ökonomischen Alternative zum globalisierten Kapitalismus zu sprechen.

Der Knoten in der notwendigen Verteidigung der sozialistischen Beispiele der Vergangenheit liegt bereits in der Definition des Sozialismus - nämlich als Übergangsgesellschaft.

1
Die ´Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus´ sieht den Sozialismus als kybernetisches Modell [Fußnote 1: So ganz neu ist diese Idee nicht, ich erinnere mich an einen Artikel in der anarchistischen Zeitschrift ´Befreiung´ in den 70er Jahren, der dasselbe vorschlug.]. Das heißt, ein gesellschaftliches System wie der Sozialismus beruht auf dem Prinzip der Selbstregulierung - wie ein Thermostat. Dies soll möglich sein, weil der Sozialismus dem Kapitalismus per definitionem überlegen ist. Wäre er es nicht, dann könnte man auch nicht von Sozialismus sprechen.

(Wenn´s klappt, ist es Sozialismus, wenn nicht, dann war´s eh´ nie einer - ganz einfach!)
Oder anders ausgedrückt: Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf.

Man sollte sich aber nicht zu sehr darüber lustig machen. Eine solche Idee - der von vornherein unbesiegbare, unschlagbare und absolut überlegene Sozialismus - hat ihren Ausgangspunkt natürlich in der Enttäuschung darüber, wie ruhmlos die sich sozialistisch nennenden Staaten von der historischen Bildfläche verschwanden. Weg waren sie und niemand vergoss eine Träne darüber.

Wie kann eine so klägliche Auflösung möglich sein, wenn der Sozialismus doch die von der geschichtlichen Entwicklung bestimmte, überlegene Alternative zum Kapitalismus darstellen muss? Der historische Fortschritt kann nur in eine Richtung gehen (Sozialismus/Kommunismus) und nicht sinnlos und endlos zwischen verschiedenen Gesellschaftssystemen kreisen.

Wieso war der Konsumstandard in der kapitalistischen BRD höher als in der ´sozialistischen´ DDR? Zweifellos lässt sich die falsche Aussage, Sozialismus wäre immer im Vergleich zur sogenannten Marktwirtschaft immer eine unterlegene Mangelwirtschaft sofort relativieren: Wir erleben es gerade, dass die Bevölkerung Haitis hungert, während es im Nachbarstaat Kuba ein solches Problem absolut nicht gibt.

Es bleibt jedoch bei der Tatsache, dass auch unter Lenin und Stalin - nicht erst unter dem Revisionismus an Chruschtschow - die Sowjetunion in ihrer Wirtschaftsleistung den führenden imperialistischen Ländern nicht gleichkam. Aber was war denn der Ausgangspunkt? Es ist wohl nicht zu viel verlangt, erst einmal zu sehen, wie die Startbedingungen in Russland aussahen: Ein im Vergleich zu Westeuropa unglaublich rückschrittliches Land, das die Zarendiktatur gerade gestürzt hatte, kaputt geschossen im Weltkrieg, vernichtet im darauffolgenden Bürgerkrieg und den ausländischen Interventionen, in dem die Leute verhungerten.

Vierzig Jahre später wurde genau aus diesem Land der erste Satellit in den Kosmos geschossen.

Kein Zweifel: Der Sozialismus ist dem Kapitalismus überlegen - welchen Sinn hätte sonst unser Kampf? Wir wollen nicht die Armut verteilen, sondern eine wirklich reiche Gesellschaft. Die politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Vorlagen werden jedoch nicht von uns bestimmt. Die sind von der Geschichte gegeben. Sieht man die Entwicklung in der Sowjetunion Lenins und Stalins an, die Wiederaufbauleistung nach dem II. Weltkrieg, können die großartigen Erfolge dieser Epoche nicht abgestritten werden. Der Revisionismus ging eben diesen Weg nicht weiter - und scheiterte!

2
Nach 1917 behauptete u.a. der Sozialdemokrat Kautsky (später auch die Trotzkisten), die Oktoberrevolution war nie sozialistisch, sie wäre - wenn überhaupt - eine besondere bürgerliche oder Bauernrevolution gewesen, denn Russland hatte in seiner sozio-ökonomischen Entwicklung nicht den Punkt erreicht, an dem eine sozialistische Umwandlung überhaupt zur Debatte gestanden hätte. Lenins Konzept war konträr dazu: Eben nicht der am weitesten entwickelte kapitalistische Staat ist reif für den Umsturz, sondern die Revolution findet dort statt - und zwar erfolgreich - wo “das Kettenglied am schwächsten ist” und das war eben nicht England oder die USA, sondern Russland. In diesem Land waren die sozialen und politischen Gegensätze am stärksten, die Revolutionäre am besten, die Konterrevolution am schwächsten.

3
Die Leninsche Konzeption ist nur akzeptabel, wenn Sozialismus tatsächlich nur als Übergang gesehen wird. Wir haben eine bestimmte Situation vor uns: eine kleine und kompakte, überaus bewusste Arbeiterklasse, eine überaus komplexe Situation auf dem Land, verheerende Kriegsschäden, usw. usf. Davon gehen wir aus, unser Ziel ist klar.
Der Verfasser der beiden Broschüren, Staskiewicz, bemerkt zu seinem Erstaunen, dass sich Sowjetrussland vom ersten Augenblick ´sozialistisch´nannte. Er geht darauf nicht weiter ein, sieht es als eine Widersprüchlichkeit und wundert sich. Es handelt sich aber keineswegs um eine Fußnote der Historie, geschweige denn um einen Fehler Lenins. Es ist ein Konzept.

Sozialismus kann nichts fertiges sein - eine fertige Übergangsgesellschaft ist ein Widerspruch in sich [Fußnote 2: Übrigens definierte Walter Ulbricht in den 60er Jahren den Sozialismus genau in diesem Sinn (also eigentlich so wie Staskiewicz) als eine eigene geschichtliche Periode. Diese Idee wurde von ihm später wieder zurückgenommen.]. Die Sowjetmacht unter Führung der Kommunisten, Industrie und Banken verstaatlicht, Landwirtschaft und Handwerk unter revolutionärer Kontrolle - dies ist in einem gewissen Sinn bereits Sozialismus [Fußnote 3: Auch in der Periode der NÖP ging man von diesen Prinzipien keineswegs ab!]. Nach der Oktoberrevolution 1918 waren die eben aufgezählten Punkte im Großen und Ganzen verwirklicht - aber weder gab es eine sozialistische Planwirtschaft noch waren die Kleinproduktion und die Warenproduktion schlechthin abgeschafft. Somit löst sich der angebliche Widerspruch zwischen Zitaten, in denen Lenin von Vorstufen zum Sozialismus und jenen, in denen er vom sozialistischen Russland spricht, auf. Natürlich finden sich in einer Übergangsgesellschaft Elemente verschiedener Systeme, es kommt darauf an, welche dominiert!

Zudem haben wir einen bedeutenden Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialistischen Revolution: Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist in der bürgerlichen Revolution bereits präsent, es geht um die politische Macht der Bourgeosie. Nach der proletarischen Revolution haben wir jedoch die sozialistische Wirtschaft erst aufzubauen und zu organisieren. [Fußnote 4: Siehe auch Lenin-Zitat Br. 1, S. 22]

Staskiewicz versucht nun durch Lenin-Zitate nachzuweisen, dass Lenin immer nur von einer Übergangsform zum Sozialismus in Russland sprach, nie aber vom Sozialismus selber. Das ist nicht überzeugend. Wenn Lenin sagt [Fußnote 5: zit. Br. 1, S. 26], das Genossenschaftswesen “ist noch nicht die Errichtung der sozialistischen Gesellschaft, aber es ist alles, was zu dieser Errichtung notwendig und hinreichend ist”, dann war mit der Kollektivisierung der Landwirtschaft ab 1929 der Sozialismus auch in dieser Hinsicht Realität. Und: “Sowjetmacht plus Elektrifizierung ist gleich Kommunismus.”
Stalin sagt ganz klar, dass die Sowjetunion in die Phase des Sozialismus eingetreten ist, “denn der sozialistische Sektor hält jetzt alle wirtschaftlichen Hebel der gesamten Volkswirtschaft in seinen Händen, obwohl es noch weit ist bis zur Vollendung der sozialistischen Gesellschaft und bis zur Beseitigung der Klassenunterschiede” Fußnote 6: zit. Br. 1, S. 30].

D.h. in einer so komplexen Gesellschaft wie in der russischen des Jahres 1917, in der Imperialismus, Feudalismus, Patriarchismus zusammenliefen [Fußnote 7: siehe auch Lenin, zit. Br. 1, S. 22 oben], bedeutete die Machtübernahme durch die Sowjets der Arbeiterklasse und die sofortige Enteignung des Kapitals, bedingt durch die Stärke besonders der bäuerlichen Kleinproduktion, noch keinen wirklichen Sieg des Sozialismus, der sich als Produktionsweise noch nicht voll durchgesetzt hatte. In diesem Sinn war eine Übergangsperiode zum Sozialismus nötig.

In der ersten Broschüre folgen nun Stalin-Zitate, die zu Recht aussagen, dass die Sowjetunion mit Kollektivierung und Fünfjahresplan in die Phase des Sozialismus eingetreten ist.

Jetzt wird es interessant. Die erste Hälfte der Broschüre hat sich mit dem eigentlichen Thema noch gar nicht befasst: Gab es Sozialismus (in der Sowjetunion) oder nicht?
In der Vorbemerkung zum nächsten Abschnitt [Fußnote 8: Br. 1, S. 36] wird angedeutet: Nein, es war nur ´Sozialdespotismus´ und das heisst, ein Übergang von Kapitalismus zu Sozialismus - der nicht geklappt hat. Der allgemein völlig unbekannte Ausdruck ´Sozialdespotismus´ wird auf dieser Seite nur in der Fußnote erklärt: “... ungenügende Menge und/oder Qualität sozialistischer Elemente”, als Folge davon können “Störgrößen” nicht “ausgeglichen/angeglichen werden”.

Ein “einfaches Zurück vom Sozialismus” kann es nicht geben [Fußnote 9: Br. 1, S. 37]. Genau das sagte aber auch Stalin - und ´einfach´ war es wirklich nicht: Es dauerte über 70 Jahre bis zum ´einfachen´ Kapitalismus.

Warum gibt es aber zu wenig ´sozialistische Elemente´? Weil die Produktivkräfte zu gering sind, um neue Produktionsverhältnisse zu schaffen. So sprach schon die deutsche Sozialdemokratie 1917. So sprachen die Gegner Lenins, wie z.B. Bucharin, und auch der Erzfeind Maos, Deng Hsiao Ping: Bereichert euch! Entwickeln wir zuerst die kapitalistischen Produktivkräfte, dann kommen wir zu sozialistischen Produktionsverhältnissen!

Die Entwicklung der Produktivkräfte fand nicht statt, d.h. sie war nicht ausreichend, um den Kapitalismus zu übertrumpfen, also war es in der Sowjetunion kein Sozialismus und hätte auch keiner werden können! [Fußnote 10: Br 1, S. 41: Die Entwicklung zum Kapitalismus in der SU war zwangsläufig!] Auf jeden Fall hat es eine “Vernachlässigung von ökonomischen Gesetzen des Sozialismus” gegeben [Fußnote 11: Br. 1, S. 44]. Sehr klar ist diese Argumentation nicht. Wenn es kein Sozialismus war, wie hätte man dann dessen ´ökonomische Gesetze´ anwenden können?

Wenn die Produktivkräfte zu wenig entwickelt waren für den Sozialismus, wäre es dann nicht besser gewesen, mit Kerenski und den russischen Menschewiki gegen Lenin zu kämpfen und den Leuten damit viel Leid zu ersparen?

4.
Staskiewicz gibt eine Reihe von Punkten an, die das kybernetische System des Sozialismus, das ja eigentlich selbstregulierend alle Schläge locker wegstecken müsste, ins Wanken bringen könnten [Fußnote 12: Br. 1, S. 52]: Krieg, Naturkatastrophe, Versorgungskatastrophe aufgrund von Epidemien, Erpressbarkeit durch fehlendes know-how und/oder Rohstoffe durch den internationalen Kapitalismus. Dies alles gab es in der Sowjetunion nicht, behauptet Staskiewicz. Auch der 2. Weltkrieg mit seinen Konsequenzen konnte recht problemlos kompensiert werden (War es dann vielleicht doch Sozialismus?). In Wirklichkeit hatte die Sowjetunion von der Oktoberrevolution bis zum Tode Stalins 1953 wohl alle aufgeführten Tragödien zu ertragen: Hunger, Krieg, Boykott, ...
Aber kann man die Existenz des Weltkapitalismus allgemein nicht zur Liste dazuzählen? Kann man politische, kulturelle und weltanschauliche Traditionen dazuzählen? Kann man das Vorhandensein der Warenproduktion, von Lohn und Geld dazuzählen [Fußnote 13: Siehe dazu: Stalin, Ökonomische Probleme des Sozialismus, 1952]? Wenn ja, ist die Argumentation daneben: Wenn Krieg und Naturkatastrophen die imperialistischen Staaten nicht vom Gleis werfen - warum sollte dann der Sozialismus so hilflos dagegen sein? Warum kann es abgesehen von der christlichen Apokalypse überhaupt noch etwas geben, das ein wahrhaft sozialistisches System kippen kann?

Kybernetik als Modell von Staskiewicz und Lion Wagner - auf den sich ersterer beruft - ist völlig ungeeignet, Aussagen über ein Gesellschaftssystem des Übergangs zu machen. Prinzipiell ist ein kybernetisches Modell der gesellschaftlichen Entwicklung und des Klassenkampfes völlig unangebracht. Einzelne, untereinander im Widerspruch stehende Elemente werden durch andere, noch widersprüchlichere ständig ausgetauscht. Das Prinzip der Dialektik ist unvereinbar mit einem starren kybernetischen Modell, das von der relativen Abgeschlossenheit einer sozialistischen Gesellschaft ausgeht, was völlig falsch ist. Nicht “eine bestimmte Summe von sozialistischen Merkmalen”, sondern “die Einheit aller seiner Teile und deren Wechselbeziehungen” charakterisieren angeblich den Sozialismus [Fußnote 14: Lion Wagner, zit. in Br. 1, S. 50]. Übersetzt: Der Sozialismus ist vollständig, komplett, oder er ist nicht. Wie ist dies mit seiner Eigenschaft als Übergangsgesellschaft zu verbinden? Ein in sich ruhender ´kybernetischer Sozialismus´ wäre nie in der Lage sich zur kommunistischen Gesellschaft weiterzuentwickeln. Warum sollte er das? Er genügt sich doch selbst. Welches Bedürfnis sollten denn die Werktätigen an einer Weiterentwicklung haben? Welche ökonomischen Widersprüche sollten eine weitere Evolution bedingen? Läuft doch alles wie von selbst.

5.
Staskiewicz führt noch ein anderes Argument für seine Theorie an:
Wer sollte denn der soziale Träger der Konterrevolution (Revisionismus) in der Sowjetunion gewesen sein, wenn alle Ausbeuterklassen abgeschafft waren? Es gab nur noch die Klassen der Arbeiter und der Genossenschaftsbauern [Fußnote 15: Br. 1, S. 46 unten 15].
Nein, 1936 spricht die sogenannte Stalinsche Verfassung von drei Klassen: Die dritte Klasse ist die ´Intelligenzia´, gemeint sind die Funktionäre in der Verwaltung des Staates und der Wirtschaft, die Ingenieure, usw. Stalin spricht von unterschiedlichen sozialen Klassen, betont aber, dass es keine antagonistischen Klassen sind, sondern befreundete, die für dasselbe Ziel kämpfen. Es ist richtig, dass diese Klassen nicht von vornherein antagonistisch sind (Warum sollten sie es sein?). Die Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass diese dritte Klasse zur neuen Bourgesoie wurden - näheres bei Bill Bland in der zweiten Broschüre. Wenn es kein Privateigentum mehr gab - fragt Staskiewicz - wie sollte sich denn neues entwickeln können? Ganz kurz gesagt, indem aus Funktionären und Direktoren, die kein Eigentum hatten, aber Befehlsgewalt, sich eine Kaste entwickelte, die von ihrer Kommandobefugnis profitieren wollte, so weit es nur geht, und die dann später nicht nur faktischer, sondern auch formeller Besitzer der Fabriken wurde (genaueres bei Bill Bland, Uwe Wagner, Nils Holmberg, usw. usf.).
Das Üble an der Geschichte ist die faktische Auflösung jeder Revisionismus-Kritik: Ob Lenin, Stalin, Chruschtschow, Breschnew oder Gorbatschow - kein Unterschied, es war von Anfang an alles völlig falsch.

Lion Wagner schreibt: “Der Führungswechsel... nach Genossen Stalins Tod kann den Charakter eines sozialdespotischen Parteifraktionsputsches getragen haben. Allerdings hat der Autor diesbezüglich keinerlei Untersuchungen angestellt.” [Fußnote 16: zit in Br. 1, S. 54] Aha.

Gab es eine längere revisionistische Entwicklung? Auch nicht, sagt Staskiewicz, denn: “Das einfache Ein- und Ausschalten von Elementen aus zwei verschiedenen Systemen in einem System ist aber nicht möglich ohne z.B. das angenommen sozialistische System zu zerstören.” [Fußnote 17: Br. 1, S. 55 17].

Die Frage, was denn das in der Sowjetunion war, etwa eine Übergangsform zwischen Kapitalismus und Sozialismus, wird entsprechend beantwortet. Da Sozialismus eben kein Übergangssystem ist, kann es nur von Anfang an Kapitalismus gewesen sein. Warum aber Lenins Periode eine Übergangszeit zwischen Kapitalismus und Sozialismus sein konnte, wie es am Anfang der Broschüre heißt, ist völlig unklar. Es kann nur so interpretiert werden, dass nach dieser Leninschen Übergangszeit durch Kollektivierung der Landwirtschaft und Fünfjahresplan der Kapitalismus eingeführt wurde! Nach dieser Sozialismus-Definition wäre das Sowjetsystem zur Zeit Lenins eine Übergangsform zur Übergangsform gewesen. Und die Volksdemokratie eine Übergangsform zur Übergangsform zur Übergangsform, und die antifaschistische Demokratie der DDR eine Übergangsform zur Übergangsform zur Übergangsform zur ... Kommen wir damit weiter? Wenn die Übergangsformen kippen können, die letzte Übergangsform aber nicht, weil sie schon perfekt ist, dann sagen wir doch zu den Übergangsformen unter revolutionärer Führung ´Sozialismus´ und zum perfekten Endstadium ´Kommunismus´ und die Sache hat sich.

Zur zweiten Broschüre

Bill Bland´s Buch ´Die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion´ wird fast die ganze zweite Broschüre gewidmet. Als Resultat wird dieser Text als ”schädlich” bezeichnet, dessen Verbreitung man unterbinden müsste. Warum eine so überzogene Reaktion?

Wenn Bland sehr detailliert und sehr überzeugend die Entwicklung in der Sowjetunion zum Kapitalismus schildert, dann spuckt er ins kybernetische Süppchen: Wenn in der SU niemals Sozialismus war, konnte man in der von ihm geschilderten Weise auch nicht den Kapitalismus restaurieren, das wurde weiter oben schon erklärt.
Was nun zuerst ins Auge fällt, ist die Form der Kritik. Die Vorbemerkung kann als Entschuldigung gesehen werde:

“... ist meine Kritik nicht vollständig und ich werde nicht in jedem Punkt eine längere Ausführung machen. (...) auch eine wirklich thematische Sortierung habe ich nicht vorgenommen. Und es kommt auch zu gewissen thematischen Wiederholungen...” (61)
Tatsächlich handelt es sich um eine Art von Aphorismen-Sammlung: Auf rund 40 Seiten sind rund 80 Punkte aufgereiht. Es gibt keine Abschnitte, Kapitel, Paragraphen o.ä.
Das sieht dann z.B. so aus. Der letzte Punkt auf Seite 61 besteht aus einem einzigen Satz: “Die versprochene Analyse des ökonomischen Systems findet nicht statt.” Der nächste Punkt kritisiert die “Aufzählung von Systemelementen”, darauf folgt die Kritik daran, dass Bland die SU schon in den Jahren 1917-21 als sozialistisch bezeichnet, dann kommt ein Punkt zum Personenkult. Damit endet die Seite 62. Seite 63 handelt von der Einschätzung der Geheimdienstchefs Jeschows und Berijas, sowie der Quellen Blands.
In der Vorbemerkung heisst es, die Falschheit von Bland´s Thesen, ist eh schon offensichtlich. Also kann man sich doch Zeit lassen und einen durchdachten, schlüssigen Text entwerfen. Dies ist aber nicht der Fall. Offensichtlich fühlte man sich genötigt, ganz, ganz schnell noch Bland zu verreißen, sonst könnte man der neuen ´Kapitalismusthese´ wohl nicht glauben.

Die häufig wiederholten Vorwürfe gegen Bland sind u.a. das Fehlen von Nachweisen speziell bei seinen politischen Wertungen. In keinem einzigen Fall wird aber der Analyse von Bland eine andere Position entgegengesetzt. Tatsächlich sind bedingt durch die Unzugänglichkeit der Quellen [Fußnote 18: Zum Beispiel wurde das ´Stalin-Archiv´, also das Archiv des Generalsekretariats der KPdSU mit sämtlichen Berichten der verschiedenen Ebenen der Parteiorganisation, nach kurzer Zeit von Putin wieder verschlossen.] sehr viele Vorgänge der sowjetischen Geschichte nur durch Indizien zu rekonstruieren. Ein anderer Vorwurf ist die Nutzung bürgerlicher Quellen. Hier hätte sich der Autor die Mühe machen müssen, konkret zuschreiben, warum die jeweilige Quelle falsch oder unglaubwürdig ist.

Da es angeblich nie Sozialismus in der Sowjetunion gegeben hat, kommt der Autor der Broschüre Staskiewicz sofort dazu, die Entwicklung zum Revisionismus zu verteidigen.
“Dass die Sowjetunion aber im Unrecht war, mit ihrer Behauptung eines sozialistischen Systems, was Bland vergeblich nachzuweisen versucht, wurde bereits im Punkt 3 nachgewiesen. Es wäre aber falsch, daraus zu schlussfolgern, dass es sich dadurch automatisch um ein kapitalistisches System gehandelt haben muss.”[ Br. 2, S. 66 19]. Klingt irgendwie nach Trotzki. Offenbar war die Sowjetunion doch eine Art Übergangssystem zum Sozialismus - genau das wird aber in der ersten Broschüre abgelehnt [Fußnote 20: Br. 1, S. 55 ff. 20]!

Was bleibt? Konfusion darüber, was in der Sowjetunion zwischen 1917 und 1929, 1929 und 1953, 1953 und 1989 eigentlich für eine Gesellschaftsform war (Welche Übergangsperiode hätten´s denn gern?). Oder war alles einfach Kapitalismus?
Die Kybernetik wird zu Hilfe genommen, um ein völlig falsches Bild des Sozialismus zu entwerfen: Die Idee einer stabilen Gesellschaftsform, die nicht von ihrem Weg abzubringen ist. Stalin und Mao hatten ein anderes Konzept: Sozialismus als Kampf, als Periode zugespitzter Klassenkämpfe. Dies passt nicht in die Kybernetik.
Letztendlich ist das Resultat der Broschüren von Staskiewicz nur der Verzicht auf Analysen der konterrevolutionären Entwicklung in der Sowjetunion und anderswo.

Benjamin (vom ´Hebel´)
 

Zur Sozialismusdiskussion empfehlen wir die Broschüren:

"Gab es Sozialismus?" von Mark Staskiewicz, 4 € + Porto

und

"Sozialismus gab es nie!" von Lion Wagner, 4 € + Porto

Wir hoffen heute viele von Euch auf der Antriprepressionsdemo zu sehen, die heute um 18:30 am Berliner hauptbahnhof startet.

Solidarische Grüße

Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus (GWS)
http://www.wisso.info

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir per Email (Newsletter) von der Gruppe Wissenschaftlicher Sozialismus (GWS). Wir spiegelten die HTML-Fassung von deren WEBSITE.