Kein
Auszug aus dem diesjährigen Prüfbericht der Europäischen
Beobachtungsstelle zur Einhaltung des Potsdamer Abkommens der
Alliierten der Antihitlerkoalition vom 2. August 1945, die es
trotz Artikel 139 Grundgesetz nicht gibt, sondern zufällige
Sprachfunde:Am 14. Juni berichtete das Deutschlandradio
in der Sendung »Fazit« vom »Zweifrontenkrieg« des
Eisenacher Theaters zwischen Stadtspitze und
Landesregierung. Ein Berliner Möbelversandhaus wirbt für ein
Möbelstück: »Kommode Eiche kolonial«.
Im Tagesspiegel vom 22. Juni sprach der
brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm über »Entkirchlichung«
und »Entbürgerlichung« in der DDR, während der Philosoph Jürgen
Habermas Gründe für die Gefährdung des öffentlichen Diskurses in
einer »Entformalisierung der Öffentlichkeit und in einer
Entdifferenzierung entsprechender Rollen« erkennt, so ein
FAZ-Artikel vom 23. Juni. Die Zeit
vom 10. Juli pries eine Historikerin: Sie »entglorifiziert Maos
Langen Marsch.« Das sind nur fünf Beispiele des wieder hoch im
Kurs stehenden Einsatzes der Vorsilbe ent-, hinreichend
analysiert von Victor Klemperer in seinem Werk »Lingua
Tertii Imperii«, unter
Ausführungen zum mechanisierenden Sprachgebrauch. Der zentrale
»Motor der Sprache«, der heute alle Ent-Wirklichungen
»ankurbelt« und steuert, ist das Wort »funktionieren.«
Ein Werbespot der Bundesagentur für Arbeit lautet:
»Volltreffer Ausbildung.« Im Inforadio Berlin-Brandenburg hört
man in der Werbung plötzlich wieder das preußische »Zicke zacke
Zicke zacke«, das in Nazideutschland sehr verbreitet war: Herms
Niel, Kapellmeister des Reichsarbeitsdienstes und Komponist,
verrührte es mit dem Wort »Infanterie« zu einem »zackigen«
Marsch, die Autorin Trude Sand veröffentlichte ein
Hitlerjugendbuch mit dem Titel »Zicke zacke Landjahr Heil!
Leben, Treiben, Taten und Abenteuer der Jungen und Mädel im
Landjahr«.
In einer Buchbesprechung der Süddeutschen Zeitung vom
28./29- Juni zu einem ganzen anderen Buch
wird von einer »heute gängigen Kurz- und Mittelstreckenepik«
gesprochen. Die Berliner Zeitung vom 4. Juli 2008
vermeldet »eine Schau in der Neuen Nationalgalerie«. Statt
»Ausstellung« oder »Exposition« das überrumpelnde Wort »Schau«
zu setzen, ist ebenfalls LTI.
In der ver.di-Zeitung publik vom Juni/Juli 2008 wird
eine Betriebsratsvorsitzende mit den Worten zitiert: »Wir
wollen aber kein Lauffeuer auslösen, das das Ende des
Flächentarifs bedeutet.« Das Wort »Lauffeuer«, das man heute nur
noch im übertragenen Sinne für schnelle Verbreitung einer
Nachricht verwendet, wird hier in seiner ursprünglichen
militärischen Bedeutung als die zur Fernzündung dienende
Pulveraufschüttung reaktiviert, und dies mit dem Nebeneffekt,
daß durch die Wortkombination von »Flächentarif« und »Lauffeuer«
das unausgesprochene Wort »Flächenbrand« mitschwingt.
In Bäckereien gibt es wieder den »Kameruner« - ein
kolonialistisches Unwort, das
jahrzehntelang nicht im Gebrauch war. Der damit bezeichnete
Kleinkuchen aus Pfannkuchenteig wurde als Proviant für die
Kaiserlichen Truppen in Deutsch-Kamerun entwickelt.
Für ein Handy wirbt ein BVG-Bus mildem Slogan »Psst, mach es
mit Mobil!«, in Anspielung auf die Nazi-Propaganda-Losung »Psst,
Feind hört mit!«.
In der Sendung »Fazit« des Deutschlandradios vom 12. Juli
lobte der Chef der Ägyptischen Abteilung des Kestner-Museums
Hannover, Christian Loeben, eine Ausstellung, die »einen
Rundumschlag bietet«. In derselben Sendung berichtete der
Direktor des Deutschen Literaturarchivs
Marbach, Ulrich Raulff, über die Leistungen seines Archivs auf
unterschiedlichen Arbeitsgebieten!: »An all diesen Fronten haben
wir gearbeitet.«
Und am Jahrestag der Französischen Revolution, in der »Fazit«-Sendung
vom 14. Juli, pries Thüringens Kultusminister Bernward Müller
das Deutsche Nationaltheater Weimar mit den Worten »Weimar hat
einen Bomben-Ruf.«
Fortsetzbar ad libitum.
Bert Brecht: »Wenn man Bronze oder
Eisenstücke im Schutt findet, fragt man: Was waren das in alter
Zeit für Werkzeuge? Wozu dienten sie? Aus den Waffen schließt
man auf Kämpfe; aus den Verzierungen auf Handel. Warum macht man
es mit den Gedanken aus alten Zeiten nicht auch so?« Die
Bronzezeit, die bis zum i. Jahrtausend v.u.Z. dauerte, brachte
sumerische Texte hervor. Die heute von den »deutschen Eliten aus
Politik, Wirtschaft und Kultur« immer häufiger »ins Feld
geführte« Sprache der Mobilmachung führt in keine neue Epoche
menschlicher Zivilisation. Am Ende eines solchen Redens und
Schreibens, dem letzten aller deutschen Wintermärchen, stünde,
blieben wir widerstandslos, unsere Selbstvernichtung.