Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
„Einwanderungspakt“ der EU auf Vorschlag der französischen Ratspräsidentschaft hin verabschiedet

7/8-08

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Unterdessen erhält der Plan zur „Quoten“einwanderung in Paris einen (scheinbaren) offiziellen Dämpfer – der die konservative Regierung nicht davon abhält, in dieser Richtung weiterzuarbeiten

Am Montag, den 6. Juli waren die Innenminister der 27 Staaten der Europäischen Union in Cannes an der Côte d’Azur versammelt, um den vom seit 1. Juli amtierenden EU-Ratspräsidenten Nicolas Sarkozy vorgeschlagenen „Pakt zu Einwanderung und Asyl“ (Pacte d’immigration et d’asile) zu verabschieden. Dieses Projekt war durch das französische „Ministerium für Einwanderung und nationale Identität“, das unter Präsident Sarkozy im Mai 2007 neu eingerichtet worden und mit Sarkozys „rechter Hand“ Brice Hortefeux besetzt worden ist, ausgearbeitet und Ende Mai dieses Jahres vorgelegt worden. 

 Zu den wesentlichen Bestandteilen dieses Pakts zählt der „Verzicht auf massive Legalisierungsoperationen für illegale Einwanderer“. Hinzu kommt die Einigung auf gemeinsame Abschiebeprozeduren für die unerwünschten Zuwanderer, sowie die Definition von „Integrationsmechanismen“ für die erwünscht oder „legal“ nach Europa einreisenden (Arbeits-)Migranten. Abgerundet wird das Ganze durch das Streben nach formalisierten Beziehungen zu den Herkunftsländern von Einwanderer, um zusammen mit deren Regierungen und Regimes eine „Steuerung der Migrationsströme“ sowie „Rücknahme“-Abkommen für die Unerwünschten auszuhandeln. 

Streitpunkt „Legalisierungs“prozeduren 

Zunächst zum wichtigsten Streitpunkt im Vorfeld der europäischen Innenministerkonferenz, also der Frage nach Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von nationalen Regelungen zur „Legalisierung“ bislang „illegal“ im Lande lebender Einwanderer. 

Im Hintergrund steht der seit vier bis fünf Jahren anhaltende Konflikt zwischen Frankreich und Spanien: Paris erhob in den vergangenen Jahren heftige Vorwürfe gegen Madrid unter Premierminister Zapatero (und, abgeschwächt, auch gegen Rom unter der vorherigen Regierung unter Romano Prodi), weil deren Regierungen mehreren Hunderttausend auf ihrem Staatsgebiet lebenden Menschen nachträglich Aufenthaltspapiere verschafft hatten. Dies nennt man im Französischen eine „Legalisierungsoperation“ oder opération de régularisation. In Spanien waren davon im Jahr 2005 rund 700.000 Menschen betroffen. 

Die italienische und insbesondere die spanische Regierung fanden dabei durchaus ihr Interesse: Spanien, das unter dem 1975 verstorbenen Diktator Franco noch überwiegend ein Agrarland - zuzüglich Kolonial-Rente für die Oberklassen plus einen gewissen Anteil Tourismusindustrie - war, hat seit 1990 einen sprunghaften Wachstumsschub erfahren. Sieben Millionen neue Zuwanderer haben in den letzten beiden Jahrzehnten dazu beigetragen, Industrie und Dienstleistungsgewerbe auf- und auszubauen, die Bauwirtschaft anzukurbeln und entvölkerte dörfliche Gebiete im Landesinneren wieder zu besiedeln. Viele unter diesen Einwanderer waren „illegal“, und sie kamen oft aus spanischsprachigen Staaten in Lateinamerika (Ecuador, Peru…) oder aus Osteuropa. Ihr Platz in der Nationalökonomie gilt der Mehrheit der spanischen politischen Klasse inzwischen als unverzichtbar. Gleichzeitig fand die Staatsmacht ihr eigenes Interesse an der nachträglichen „Legalisierung“ der bisherigen „illegalen“ Situation dieser Einwanderer: Wurden diese bis dahin „schwarz“ beschäftigt, werden nunmehr Sozialbeiträge für sie abgedrückt. Waren die Sozialversicherungskassen vorher in den roten Zahlen, wurden sie dadurch in die schwarzen Zahlen gehoben. 

In Frankreich sah man dies, auf offizieller Seite, völlig anders. Auch hierzulande gehören „illegale“ Einwanderer zwar als fester Bestandteil zum Arbeitskräftereservoir mehrerer Wirtschaftsbranchen: insbesondere Bauindustrie, Gaststätten-, Reinigungsgewerbe. Nur verweigert man hier den ‚Sans papiers’, jedenfalls in ihrer überwiegenden Mehrzahl, die „Legalisierung“ bzw. gewährt selbige nur nach „Einzelfallprüfung“ und ausnahmsweise. Dies bedeutet nicht, dass es künftig keine „illegalen“ Einwanderer in den entsprechenden Wirtschaftsbranchen mehr gäbe - nur verweigert man ihnen die Rechtspositionen und den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, die mit einer „Legalisierung“ ihres Aufenthalts verbunden wäre. Dadurch behält man sie in einer prekären und (relativ) rechtlosen Situation, in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber ihrem Arbeitgeber. 

Darum drehte sich der heftige Streit innerhalb der EU, bei dem (leicht vergröbert und vereinfacht) sich u.a. Paris und Berlin auf der einen Seite, die südeuropäischen Länder auf der anderen Seite gegenüber standen. 

Ausgang des Konflikts um die „Legalisierung“ oder „Nichtlegalisierung“ 

Nunmehr wurde dieser Streit weitgehend zugunsten der französischen Position entschieden. Allerdings hat Spanien, nach längerem hinhaltendem Widerstand, die Aufnahme einer oberflächlichen Kompromissformulierung in die entscheidende Passage des Beschlusses erreicht. Und so verabschiedete die europäische Innenministerkonferenz folgenden Satz: „(Der Ministergipfel) kommt überein, sich im Rahmen der nationalen Gesetze auf fallweise und nicht allgemeine Legalisierungen aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen zu beschränken.“  (Unterstrichen durch uns.) Dadurch hat sich, völlig eindeutig, die französische Position - zugunsten von „Einzelfallprüfungen“, die je nach politischen Vorgaben ausfallen, und gegen kollektive „Legalisierungs“regeln - durchsetzen können.  

Hingegen fantasiert und halluziniert die deutsche Tageszeitung ‚taz’, wenn sie dies als „erste Niederlage“ für Frankreichs Hardlinerpräsidenten Sarkozy bewertet und gar behauptet, dass damit dessen so genannter Einwanderungspakt nun „vom Tisch“ sei. (Vgl. http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/legalisierung-von-illegalen-nicht-illegal/) Da sind wohl ihrer „europhilen“ respektive pro-EU-blinden und naiven Brüsselkorrespondentin, Daniela Weingärtner, mal wieder sämtliche Gäule durchgegangen. Alle französischen Zeitungen, ob nun Sarkozy-kritisch oder -unkritisch, bezeichneten unterdessen die Verabschiedung des „Einwanderungspakts“ durch die europäische Innenministerkonferenz am Montag in Cannes als faktischen Triumph für Sarkozy und Hortefeux.  

Sonstiger Inhalt des „Einwanderungspakts“ 

Dieser „Pakt“ beinhaltet noch weitere wichtige Punkt, neben dem Ausschluss kollektiver und allgemein gehaltener „Legalisierungs“regelungen zugunsten von „Einzelfallprüfungen“.  

Da findet sich insbesondere der klare Vorzug, der dem Zuzug von nach ökonomischen Nutzbarkeitskriterien ausgewählten Migranten (de facto zu Lasten von Familienzusammenführung und Asylrecht) gegeben wird. Auch sollen die Zuwanderer dazu verpflichtet werden, nicht nur die jeweiligen Landessprachen der betreffenden EU-Länder zu erlernen und zu beherrschen, sondern auch deren „nationale Identitäten“ zu studieren und zu respektieren. Diese Wortwahl widerspiegelt haargenau die Namensgebung unsäglichen des Ministeriums „für Einwanderung und nationale Identität“, das durch die Herren Sarkozy und Hortefeux eingerichtet wurde. 

Allerdings wurden gegenüber dem ursprünglichen französischen Vorschlag an einem Punkt Abstriche vorgenommen. Die konservative Pariser Staatsführung hatte nämlich vorgeschlagen, für alle Neuankömmlinge obligatorische „Integrationsverträge“ vorzusehen und in den Pakt aufzunehmen. In Frankreich ist ein so genannter ‚Contrat d’accueil et d’intégration’ (CAI, Aufnahme- und Integrationsvertrag) seit den letzten beiden Novellen im Bereich der Ausländergesetzgebung, der ‚Loi Sarkozy-II’ vom Juli 2006 und der ‚Loi Hortefeux’ von November 2007, gesetzlich vorgeschrieben und allen Neuankömmlingen zur Pflicht gemacht worden. Darin sind insbesondere der Erwerb französischer Sprachkenntnisse sowie ein Sich-Vertraut-Machen mit Grundzügen der französischen Nationalgeschichte vorgesehen. Dinge, die zwar an und für sich nicht verkehrt oder unnütz sind – das Beherrschen einer Sprache dient zur besseren Verständigung mit Menschen und der Gesellschaft -, aber den „Ausländern“ in Form einer autoritären Anforderung aufoktroyiert statt als Angebot zur Verfügung gestellt werden. Zumal nunmehr die in dem ‚Vertrag’ enthaltenen Kriterien auch andernorts zur Auslese (tendenziell eher unerwünschter) Einwanderungskandidaten benutzt werden. So wird beim Familiennachzug bei den bislang im Ausland lebenden, und potenziell nachreisenden, Familienmitgliedern die französische Sprachkenntnis schon im Konsulat in ihrem Herkunftsland getestet. Sicherlich, die dabei abgeforderten Sprachkenntnisse sind relativ schwach, verglichen mit den vergleichbaren Anforderungen in vielen anderen EU-Staaten. Und dennoch wird das Ganze als ein Ausleseinstrument benutzt, um zu verhindern, dass zumindest bestimmte Einwanderungskandidaten (in dem Falle nachziehende Familienmitglieder) überhaupt kommen können. Das Erlernen einer Sprache findet aber nun mal am besten in einer französischen Umgebung und ohne Druck statt, und nicht unter dem Druck einer autoritären Aufforderung in einer fremdsprachigen Umgebung. – Noch wesentlich härtere Bedingungen herrschen in manchen anderen EU-Ländern, insbesondere in Niederlande und Dänemark, wo „Rechtspopulisten“ bzw. klar rassistische Parteien in jüngerer Zeit an der Regierungs- oder jedenfalls an der parlamentarischen Mehrheitsbildung mitwirken konnten. 

Hingegen opponierte Spanien gegen die Passage im „Einwanderungspakt“ der EU, welche die französische Regierung zu dem Thema vorschlug. Nunmehr hat sich der entsprechende Passus dazu verändert: Die Rede ist nunmehr von „Integrationsmechanismen“, welche die jeweiligen Mitgliedsländer der EU auf nationalstaatlicher Ebene zu definieren hätten. Theoretisch wird dadurch ein anderer Blickwinkel eingenommen, denn statt der Bestimmung einer „Pflicht“ für die Immigranten wird nunmehr die Definition einer „Pflicht“ für die jeweiligen (Mitglied-)Staaten vorgenommen. Allerdings bedeutet dies in der Praxis auch, dass den jeweiligen Nationalstaaten weitgehend freie Hand für eine – oft, aber wohl nicht immer – repressive Politik gegenüber den Neuzuwanderern belassen wird. Ein Land wie Spanien, dessen Einwanderer oft die eigene Nationalsprache schon im Herkunftsland sprechen (wenn es sich um Lateinamerikaner handelt), weist an diesem Punkt sicherlich eine andere, „grobzügigere“ Tradition auf als viele nordeuropäische Staaten. Neben Letzteren ist allerdings auch die Pariser Regierung eher Verfechter einer harten Haltung, obwohl auch im französischen Falle sehr viele Einwanderer – insbesondere aus Nord-, West- und Zentralafrika – schon von ihrem Herkunftsland her Französisch sprechen. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass sich der französische Nationalismus (anders als der deutsche, der sich zumindest historisch stark über Bezüge auf „das Blut“ definierte) stark über die eigene Sprache, ihre internationale „Ausstrahlung“ und deren möglichst perfekte Beherrschung bestimmte. Dabei kann eben das jeweils erreichte, hohe oder niedrige, „Sprachniveau“ auch zum „Integrations-“ respektive Auslesekriterium werden. 

Kaum Konflikte gab es zu dem Punkt, dass die Europäische Union künftig die Abschiebung unerwünschter Zuwanderer konsequent durchführen und konzertiert organisiert möchte. Die am 18. Juni 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedete „Rückkehr-Richtlinie“ definiert dabei erstmals gemeinsame Eckpunkte für eine mögliche „Harmonisierung“ der Praktiken. Besonders ins Auge fällt dabei, dass die Dauer der zulässigen Höchstdauer der Abschiebehaft dabei stark nach oben angepasst wird, auf 18 Monate (nach bisherigem deutschem Recht). Nur ein einziger EU-Staat, das kleine Litauen, sah bislang eine höhere Dauer vor – 20 Monate -, die Mehrzahl unter ihnen jedoch eine wesentlich kürzere Periode, sofern die zulässige Höchstdauer gesetzlich definiert war (was nicht für alle Mitgliedsländer gilt). Zusätzlich zur Bekräftigung des, bereits durch die Annahme der EU-Richtlinie festgeschriebenen, politischen Wunschs nach Vereinheitlichung der Abschiebepraktiken sieht der „Einwanderungspakt“ auch ein gemeinsames Vorgehen bei der „Entfernung“ unerwünschter Einwanderer vor. Etwa in Form durch mehrere EU-Länder kollektiv organisierter Sammelflüge für Abschüblinge. 

Nicht zuletzt möchte die EU ihre Beziehungen zu den Regierungen und Regimes in den (Haupt-)Herkunftsländern von Migranten nutzen, um die „Migrationsströme“ zusammen mit ihnen besser zu „steuern“. Zumindest in Frankreich ist dies freilich ein alter Hut. Die EU-Agentur „Frontex“, die beispielsweise die Küstenlinien in den westafrikanischen Ländern Senegal und Mauretanien sowie die Mittelmeerzone überwacht und nach Booten mit unerwünschten Einwanderungskandidaten Ausschau hält, soll mit stärkeren Mitteln ausgestattet werden. 

Ein letzter Punkt betrifft die Ausarbeitung eines gemeinsamen Asylverfahrens, eventuell sogar mit einem EU-weit für die Untersuchung von Asylanträgen zuständigen Amt (vergleichbar mit dem deutschen ‚Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge’ in Zirndorf oder der französischen OFPRA), auf EU-Ebene. Laut dem „Einwanderungspakt“ soll dies bis 2012 geschehen. In einigen Fällen dürfte dies für Asylsuchende sogar tatsächlich Vorteile bringen, denn in einigen Mitgliedsländern – insbesondere in Osteuropa, aber auch in Griechenland – existieren nur rudimentäre Asylverfahren und –behörden und sind die Anerkennungsquoten, sofern vorhanden, äuberst gering. In Griechenland etwa haben Asylsuchende aus dem Irak eine Anerkennungs„chance“ von nur 5 Prozent, verglichen mit circa 70 Prozent in anderen EU-Ländern. Dies sorgt wiederum dafür, dass Asylbewerber quer durch die EU reisen, auf die Suche nach besseren Chancen. Dem versuchte die Europäische Union zwar durch das Dublin-Abkommen einen Riegel vorzuschieben – es sieht vor, dass ein/e Asylsuchende/r in jenes EU-Land zurückkehren muss, dessen Boden er o. sie zuerst betreten hat. Aber deswegen „schummeln“ zahllose Flüchtlinge (begreiflicherweise), da vor allem die Iraker/innen und Afghaner/innen oft über Griechenland in die EU einreisen. Zudem „können“ andere Mitgliedsländer Asylsuchende bspw. nach Griechenland zurücksenden, „müssen“ es aber nicht – und mitunter annullieren daher französische Richter behördliche Aufforderungen zur Rückreise nach Griechenland, weil etwa Verfahrensregeln missachtet wurden.Diesem „Asyltourismus“ möchte die französische EU-Ratspräsidentschaft nunmehr einen Riegel vorschieben, durch eine Angleichung und Vereinheitlichung der Asylverfahren in den kommenden Jahren. Dagegen sträubt sich bislang allerdings, wie einem Bericht der ‚taz’ im Juni dieses Jahres zu entnehmen war (vgl. http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/zypries-bremst-b esseres-asylrecht/) – die deutsche Bundesregierung. Das deutsche Asylrecht ist seit 1993 tatsächlich derart mies, dass eine europaweite „Harmonisierung“ den Asylsuchenden in diesem Falle unter Umständen sogar Verbesserungen einbringen könnte... 

Gipfel zur Einwanderung im Oktober 2008 

Im Vorfeld der Annahme dieses „Einwanderungspakts“ hatte es besonders zwischen Paris und Madrid eine rege Reisetätigkeit gegeben, da man sich seitens der spanischen Regierung längere Zeit gegen einige Bestimmungen des vorgeschlagenen Textes (s.o.) sträubte. Nunmehr haben sich aber die Wogen allem Anschein nach geglättet. 

Ratifiziert werden soll der „Pakt“ nunmehr auf einem Sondergipfel der EU am 13. und 14. Oktober 2008 in Paris, der speziell den Themenbereich Migrationspolitik und Asyl gewidmet sein wird. Dagegen findet am darauf folgenden Wochenende, dem 17. und 18. Oktober, ebenfalls in Paris ein Gegengipfel zu denselben Themen von Bürgerrechtler/inne/n und Solidaritätsvereinigungen statt (> fest im Kalender vormerken!). 

Scheinbarer Dämpfer für Quoten-Einwanderung 

Unterdessen hat in Paris eine Regierungskommission, die nach ihrem Vorsitzenden – einem ehemaligen Verfassungsrichter und früheren Chirac-Vertrauen benannte „Mazeaud-Kommission“, in der zweiten Juliwoche ihren (vorläufigen) Untersuchungsbericht zur Einwanderungspolitik vorgelegt. Sie war Ende Januar 2008 vom zuständigen Minister Brice Hortefeux eingerichtet worden und sollte insbesondere prüfen, ob (nach Berufsgruppen sowie Herkunftsländern bzw. „Weltregionen“ aufgeschlüsselte) Quoten bei der Neuzuwanderung eingeführt werden können – und wie dafür die französische Verfassung zu ändern sei. Nach bisherigem Verfassungsrecht wäre dies nämlich wahrscheinlich ein Verstob gegen geltende Verfassungsregeln, und insbesondere gegen die Regel nach „Gleichbehandlung vor dem Gesetz“, da Einwanderungskandidaten je nach ihrer Staatsbürgerschaft behandelt – aufgenommen oder abgewiesen – würden. Je nachdem, ob für „ihr“ Land die Quote schon voll wäre oder nicht. 

Die Mazeaud-Kommisssion kam nunmehr zu dem Schluss, dass die Quote eher keine gute Idee sei, und legte ihre „Skepsis“ dazu an den Tag. In fast allen Medien wurde nun diese Passage ihrer Auslassungen zitiert. In Wirklichkeit aber fällt der Dämpfer für die konservative Regierung nicht ganz so hart aus, wie es vor allem in den linksliberalen Medien zunächst den Anschein hatte. Denn die Kommission äubert sich aus folgenden Gründen gegen eine Einrichtung fester (länderspezifischer) Kontingente: Erstens könne der Zuzug von nachreisenden Familienmitgliedern – Stichwort Familienzusammenführung – sowie vion Asylsuchenden nicht „quotiert“ werden. Denn die betreffenden Personen hätten Rechtsgarantien aufgrund internationaler Konventionen: Genfer Konvention, Konvention zum Schutze des Kindes... Dies hat allerdings auch die konservative Regierung auf dem Schirm. Und selbst ihr Hardline-Minister Brice Hortefeux hatte im Vorfeld erklärt, eine Quotierung von Asylsuchenden (nach länderspezifischen Kontingenten) komme nicht in Frage. Und was die Familienzusammenführung betrifft, so dürfte die Einrichtung von Länderquoten ebenfalls am Verfassungsgericht scheitern. 

Zweitens, so die Kommission, sei die Einrichtung von Länderquoten für Arbeitsmigration deshalb keine gute Idee, weil dadurch – weil der Zuzug von Asylsuchenden sowie nachziehenden Angehörigen in Frankreich lebender Familien nicht wirksam durch Quoten gesteuert werden könne – „die Einwanderung insgesamt stark anwachsen würde“. Dazu aber sei „die französische Gesellschaft heute nicht bereit“. Und drittens, so die Kommission, könne „illegale Einwanderung“ durch Quoten nicht gesteuert werden – was per definitionem richtig sein dürfte... 

Allerdings ist dies alles auch der konservativen Regierung bekannt, die diese Punkte bereits in ihre Strategie eingebaut hat. Deswegen dürfte sich an ihrer künftigen Praxis nicht so viel ändern, auch wenn nun alle Welt – vorübergehend - von einem „Dämpfer“ für Hortefeux/Sarkozy und ihre Politik spricht. Den derzeitigen politischen Machthabern ist bewusst, dass sie Asyl und Familiennachzug nicht durch länder- und berufsgruppenspezifische Quoten werden steuern können. Allerdings besteht ihr Ziel denn auch darin, den Zuzug dieser beiden Einwanderergruppen – vor allem den Familiennachzug – möglichst stark zu begrenzen, um im Gegenzug (bei insgesamt gleich bleibenden Einwanderungszahlen!) den Zuzug von „nützlichen“, qualifizierten Arbeitsmigranten zu begünstigen. Und dies je nach auf dem nationalen Arbeitsmarkt fehlenden und abgefragten Qualifikationsprofilen. Die Gesetzesnovelle ‚Loi Hortefeux’ vom November 2007 hat den Familiennachzug bereits erheblichen Beschränkungen unterworfen. 

Was nun die spezielle Einwanderung von qualifizierten Arbeitsmigranten betrifft, so hat die Kommission ihre „Quotierung“ gar nicht ausgeschlossen. Auch wenn sie die Kontingent-Einwanderung generell für nicht so gut praktikabel erklärte, befand sie auch, im Bereich der (qualifizierten) Arbeitsmigration liebe sich durchaus darüber nachdenken, bestimmte Quotenschlüssel „vielleicht auf nationalstaatlicher oder auf europäischer Ebene“ zu definieren. Es ist deswegen nicht allein Demagogie, wenn konservative Regierungspolitiker – in Reaktion über Medienberichte über den „Dämpfer“, den konservative Migrationspolitik durch den Kommissionsbericht erhalten habe – erklärten, die Arbeit der Kommission ginge „in dieselbe Richtung wie die Regierungspolitik“. Beide sind in ihren Grundabsichten durchaus konform, wenngleich die Kommissionsmitglieder gegenüber dem gewählten Mittel – der Quote – eher skeptisch scheinen. 

Am Freitag, den 12. Juli erklärte Hortefeux nun, in einem Gesetz für 2009 „zahlenmäbig definierte Ziele“ (des objectifs chiffrés) für die Zuwanderung festschreiben zu wollen. Nur ein anderes Wort für – Quote...?!

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.