Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Der Front National ist (vorerst) bankrott! Ausdruck einer Partei in einer tiefen Krise…

7/8-08

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So ernst war die (finanzielle und sonstige) Situation des Front National noch nie: Alle Konten der rechtsextremen Partei sind - vorläufig - blockiert, und wenn der FN sich nicht alsbald als zahlungsfähig erweist, dann wird ein gerichtlicher Bankrottverwalter eingesetzt werden. Unterdessen versicherte die Parteizentrale, zumindest „für den Juli“ - also den laufenden Monat - würden die Löhne und Gehälter der letzten verbliebenen Hauptamtlichen am Parteisitz noch bezahlt. Alsbald wird die Parteispitze des FN aber, zumindest in ihrem kollektiven Namen und ohne in Privatvermögen zu greifen (doch immerhin ist Jean-Marie Le Pen Multimillionär, aufgrund des umstrittenen Erbes des Zementfabrikanten Hubert Lambert von 1976), keinen Pfifferling mehr ausgeben dürfen. 

Am 23. Juli enthüllte die satirische und investigative Pariser Wochenzeitung ‚Le Canard enhaîné’, ein Gerichtsdiener habe die Einfrierung der Konten angeordnet. (Vgl. auch http://www.liberation.fr) Eine solche  drakonische Maßnahme hatte sich als notwendig erwiesen, nachdem die Partei sich als unfähig oder unwillens erwiesen hatte, ihre Schulden gegenüber ihrem momentanen Hauptgläubiger zu berappen. Letzterer ist niemand anders als Ferdinand de Rachinel, seines Zeichens einer von sieben derzeitigen Abgeordneten der französischen rechtsextremen Partei und Druckunternehmer - bislang hatten die Druckereien Le Rachinels nahezu sämtliches Werbe- und Propagandamaterial für den FN fabriziert. 

Im Jahr 2007 hatte Le Rachinel, indem er persönliche Kredite bei den Banken (die der Partei aufgrund einer als „unsicher“ betrachteten Rückzahlungsperspektive kein Geld ausleihen mochten) im eigenen Namen aufnahm, seiner Partei acht Millionen Euro vorgestreckt. Aber weil damals überraschend 360 - von insgesamt rund 550 - Parlamentskandidaten des FN nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kamen, ab deren Überspringen ein/e Bewerber/in einen Anspruch auf Rückerstattung der Wahlkampfkosten hat, blieb selbige Rückerstattung für die Mehrheit der FN-Kandidaten aus. Zudem sank die staatliche Parteienfinanzierung zugunsten des FN drastisch, da die (als Bezugsgröße dienenden) Parlamentswahlergebnisse der Partei stark zurückgegangen waren - von 11 Prozent im Juni 2002 auf nur noch 4,3 % im nationalen Durchschnitt im Juni 2007. 

Von seinen acht Millionen Euro sah Le Rachinel nur 1,5 Millionen wieder. Und für den Rest beschied man ihm in der Parteizentrale: „Wir schulden Dir überhaupt nichts.“ Le Rachinel klagte gegen die eigene Partei, mit Erfolg, und der Prozess fand am 23. Juni 2008 in Nanterre statt - das Urteil wird am 3. Oktober dieses Jahres gefällt werden. Der Europaparlamentarier fordert u.a., neben der Rückzahlung sämtlicher Schulden in Höhe von 6,7 Millionen Euro, zusätzlich noch 500.000 Euro Schadensersatz von der eigenen Partei. 

Druckfirmen, die Le Rachinel gehören, hatten dem FN unterdessen eine bestehende offene Rechnung über 803.482 Euro zugestellt. Aber letztere kam unbezahlt zurück. Nur 89.275 Euro (oder rund 10 Prozent der zu begleichenden Summe) wurden durch die Partei berappt, mit der Begründung – lt. Anwalt des FN -, man habe kein Geld um zu bezahlen. Daraufhin wandte sich der Druckereiunternehmer wieder an die Richter, um  eine Vollstreckung seines Rechtstitels oder aber das Einfrieren der Parteikonten zwecks Sicherung ihrer späteren Zahlungsfähigkeit zu erreichen. (Vgl. http://www.latribune.fr/

Seitens der Le Pens (Vater und Tochter, Jean-Marie und Marine) behauptet man unterdessen unverfroren, Le Rachinel präsentiere „gefälschte Rechnungen“ und habe bislang immer „seine Preise übertrieben, um den Staat bei der Rückerstattung der Wahlkampfkosten zu prellen“. Ferdinand Le Rachinel reicht das Kompliment zurück: „Wenn man bedenkt, dass die Le Pens den Staat so verwalten könnten, wie sie ihre eigene Partei verwalten, dann läuft es einem kalt den Rücken herunter.“ 

Die einzige Hoffnung der Parteispitze dürfte darin bestehen, dass sie ihren alten Parteisitz im Pariser Nobelvorort Saint-Cloud doch noch alsbald - und für die rund 20 Millionen Euro, die sie dafür fordert - verkauft bekommt. Die rechtsextreme Partei hat bereits ihre Umzug von Saint-Cloud nach Nanterre (in eine wesentlich kleinere Parteizentrale, 1.800 statt zuvor über 5.000 Quadratmeter) eingeleitet. Aber bislang hat sie es nicht geschafft, den Verkauf ihres seit 1994 besetzten Parteisitzes in Saint-Cloud schnell und teuer genug über die Bühne zu bringen. Einstweilen gilt unterdessen: Schadenfreude ist die schönste….

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.