Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Keine OAS-Stele mehr in früher rechtsextrem regierter Stadt: Denkmal für Rechtsterroristen in Marignane muss abgerissen werden
 

7/8-08

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Es gibt doch keinen Freifahrschein für Kommunen, deren Rathäuser von Rechtsextremen regiert werden: Alles geht nicht durch! Das Denkmal für die 1962 vom französischen Staat hingerichteten Rechtsterroristen der OAS (Organisation geheime Armee), das 2005 im südfranzösischen Marignane - einer Vorstadt von Marseille - errichtet worden war, muss nun doch abgerissen werden. Dies entschied am 9. Juli 2008 ein Verwaltungsgericht in Marseille, das der Kommune insgesamt vier Monate Zeit gab, um das Urteil in Taten umzusetzen, also den Abriss durchzuführen.  

Es annullierte einen Flächennutzungsplan für den öffentlichen Raum (in diesem Falle für den Friedhof von Marigane), den der frühere rechtsextreme Bürgermeister der Stadt, Daniel Simonpieri, am 23. Juni 2005 unterzeichnet hatte. Das Gericht erklärte, aufgrund der tendenziösen und einseitigen Geschichtsdarstellung auf dem Denkmal sei dessen Errichtung auf öffentlichem Boden nicht mit „dem Prinzip der (weltanschaulichen) Neutralität des öffentlichen Dienstes“ vereinbar. (Vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com/) 

Unterdessen plädieren 20 antirassistische Vereinigungen und NGOs gemeinsam dafür, dass das Denkmal sofort abgerissen werden solle. So machten insbesondere, die Liga für Menschenrechte (LDH), die Antirassismusbewegung MRAP, die (gröbte) Lehrer/innen/gewerkschaft FSU und ein Historikerkollektiv gegen die Rehabilitierung des Kolonialismus gegen das Denkmal von Marignane mobil. (Vgl. http://www.lexpressiondz.com/)  

Dieses hätte ursprünglich am 5./6. Juli dieses Jahres – dem Jahrestag der Unabhängigkeit Algeriens (5. Juli 1962) sowie der Hinrichtung des OAS-Rechtsterroristen Roger Degueldre (erschossen am 6. Juli 62) – offiziell eingeweiht werden sollen. (Vgl. http://www.lexpressiondz.com ) Nachdem die Anfang Juli 2005, unmittelbar nach Errichtung des Denk- respektive Schandmals, geplante Einweihungsfeier aufgrund eines Verbots des Präfekten geplatzt war (siehe unten), sollte diese nun offiziell nachgeholt werden. Und wieder verpatzt: Daraus wird nun nichts!  

Who the fuck is Simonpieri? 

Den Bau des höchst umstrittenen Denkmals hatte der aus der extremen Rechten kommende frühere Bürgermeister, Simonpieri, veranlasst. Aber wer, zum Teufel, ist nun dieser „Simon Petrus“? 

Simonpieri (der laut früheren Handballkollegen einstmals beim Training ein kleines Hakenkreuz um den Hals getragen haben soll) gehörte seit 1974 dem rechtsextremen Front National, der damals zunächst noch eine Splitterpartei war, an. Im Juni 1995 wurde er, als örtlicher Spitzenkandidat auf einer Liste des FN, zum Bürgermeister des rund 40.000 Einwohner zählenden Marignane gewählt. Später verließ er den FN: Anlässlich dessen Spaltung in Le Pen- und Mégret-Anhänger zum Jahreswechsel 1998/99 kehrte er der „Rumpfpartei“ unter Jean-Marie Le Pen den Rücken und schloss sich ihrem „Spaltprodukt“ an, dem damals von Bruno Mégret angeführten FN-Mouvement National (inzwischen MNR). Der spätere MNR wurde in übrigen in einer Stadthalle „seiner“ Kommune, Marignane, im Januar 1999 gegründet. Im März 2001 wurde Simonpieri erneut zum Bürgermeister gewählt, im Namen des MNR, aus dem er aber kurze Zeit darauf austrat, frustriert von der chronischen Erfolglosigkeit der Mégret-Partei.  

Seit dem Jahr 2004 sitzt Simonpieri als parteiloser Abgeordneter in der Fraktion der konservativen Regierungspartei UMP im Bezirksparlament von Marseille. Die UMP stellte ihn sogar als ihren offiziellen Kandidaten zur jüngsten Kommunalwahl, im März 2008, auf. Doch dieses Mal verlor Simonpieri gegen einen „Dissidenten“ aus den Reihen des konservativ-liberalen Lagers, Eric Le Disses, und musste aus dem Rathaus ausziehen. Inzwischen sitzt er also, zumindest auf kommunaler Ebene, auf den Oppositionsbänken sein Sitzfleisch platt. 

Und wer oder was war die OAS? 

Die rassistische Terrororganisation OAS hatte 1961/62, als der französische Kolonialkrieg in Algerien verloren war, gegen den Rückzug aus dem nordafrikanischen Land gebombt. Einige ihrer Köpfe, die den damaligen Präsidenten Charles de Gaulle zu ermorden trachteten oder gegen ihn zu putschen versuchten, wurden - ungefähr zeitgleich zur Proklamation der algerischen Unabhängigkeit - deswegen hingerichtet. Vier von ihnen war das Denkmal von Marignane, für das eine Vereinigung früherer Algerienfranzosen, Kolonialsiedler und OAS-Anhänger – eine Sippschaft mit Namen ANDIMA - zuvor  intensive Lobbyarbeit betrieben hatte, speziell gewidmet. Es trug ihre Namen und Todesdaten sowie den Vermerk, die angeblichen Märtyrer seien „dafür gefallen, dass das Französische Algerien leben könne“. In Wirklichkeit waren sie nicht „gefallen“, sondern für Morde und Terrorakte verurteilt und daraufhin (nach damaligem, infolge des Algerienkriegs geltendem, Ausnahme-Recht) hingerichtet worden. 

An der Einweihung des Denkmals, Anfang Juli 2005, wollten rund 600 Personen, überwiegend aus den Reihen der extremen Rechten und der „vertriebenen“ früheren Algerienfranzosen, teilnehmen. Aufgrund einer Verordnung des Präfekten von Marseille, der die Einweihung - jedenfalls als Massenveranstaltung - verboten hatte und den Friedhof sperren ließ, mussten sie jedoch draußen vor den Toren und Absperrgittern ausharren. Nunmehr ist wohl endgültig Schluss mit den Faxen: Das Schandmal muss nun in absehbarer Zeit zerstört werden.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.