Zweieinhalb Wochen nach dem „Mittelmeer-Gipfel“ in Paris:
Eine vorläufige dreiteilige Bilanz von Bernard Schmid


(Teil 3)  (Form-)Wandel und Kontinuität in der französischen Afrikapolitik sowie der militärischen Sicherheitsdoktrin

7/8-08

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„Wir möchten Afrika gerne helfen. Aber es muss uns etwas einbringen!“ Unser dieser Überschrift, die auf ebenso knappe wie geniale Weise den Geist einer Regierung zusammenfasst, erschien am 24. Juni dieses Jahres ein Interview mit dem seit April amtierenden französischen „Kooperationsminister“ Alain Joyandet in der Pariser Tageszeitung Libération. (Vgl. http://www.liberation.fr/) Es sorgte für einen Aufschrei unter den NGOs, die im Bereich der internationalen Solidarität tätig sind. (Vgl. dazu eine öffentliche Erklärung vom 25. Juni: http://survie-france.org/I) Aber so unerwartet kam der Ausspruch denn auch wieder nicht, denn er fasst nur konsequent eine durch die Regierenden längst eingenommene Haltung in Worte. 

 „Kooperationsminister“: Dieses Amt hieb einmal „Kolonialminister“. Nachdem die französischsprachigen Staaten in Nord-, West- und Zentralafrika – gröberenteils im Jahr 1960, einige auch kurz davor oder kurz danach – formell unabhängig wurden, war es jedoch nicht länger opportun, den alten Namen zu führen. Die Inhalte hinter dem Titel haben sich jedoch kaum oder nur notdürftig geändert. 

Obwohl Frankreich seinen traditionellen Großmachtstatus - der eng mit seiner Position als Kolonialmacht zusammen hing - längst eingebüßt hat, hält seine Regierung an Ambitionen auf ein imperial wirkendes Auftreten fest. Eine wichtige Stütze sind ihm dabei, neben der Verfügung über das Statussymbol A-Bombe, insbesondere auch seine privilegierten Sonderbeziehungen zu „befreundeten“ Regimes fast überall auf dem afrikanischen Kontinent. Bei wichtigen Abstimmungen in der UN-Vollversammlung kann Paris noch immer darauf bauen, dass sich zwei Dutzend Hände afrikanischer Botschafter zeitgleich mit jener seines eigenen UN-Vertreters heben. Viele dieser Regimes verdanken ihre Macht auf sehr direkte Weise einer Entscheidung im Elysée-Palast in Paris -oder jedenfalls dem ökonomischen und politischen Einfluss Frankreichs, dem „notfalls“ auch militärisch nachgeholfen werden konnte. 

Diese Connections hätte man früher einmal als „Exklusivbeziehungen“ bezeichnen können. Doch sind diese Zeiten mittlerweile vorüber: Die „Volksrepublik“ China bricht, in ihrem Heißhunger nach Rohstoffen für ihre rasch wachsenden Industrien, zunehmend in diesen (post)kolonialen Hinterhof ein. „Rasend schnell“, wie französische Kommentaren manchmal fasziniert, oft aber voller Befürchtung raunen. Vor kurzem (Mitte Mai 2008) widmeten zwei Autoren - Michel Beuret und Serge Michel - sogar ein eigenes Buch, erschienen unter dem Titel La Chinafrique, dem Auftreten der Chinesen in Afrika. Der Titel ist eine Anspielung auf La Françafrique, wie man - in den letzte Jahren zunehmend - die halbmafiösen Netzwerke bezeichnet, mit denen Paris seinen politischen und ökonomischen Einfluss auf dem Kontinent zu wahren sucht. 

Konkurrent China. Oder: Vom neuen Kalten (Wirtschafts-)Krieg in Afrika 

China bietet nicht nur den dortigen Konsumenten billigere Waren als jene, die aus den europäischen Werkstätten kommen - und sorgt so dafür, dass sich etwa die Bewohner von Mali erstmals en masse beispielsweise kleinere Motorräder leisten können. Weil nämlich jene chinesischer Bauart nur rund ein Viertel so viel kosten wie die anderen, unerschwinglich bleibenden, aus europäischer Fabrikation. Die Chinesen bieten auch den einheimischen Potentaten günstigere Konditionen, um ihre Prestigebauten zu errichten, die mit chinesischer „Effizienz“ hochgezogen werden – zur Freude der Diktatoren. Aber auch um Straßen zu bauen oder zu reparieren. Dadurch wiederum machen die Regimes sich bei ihren Bevölkerungen wieder etwas beliebter, denn in Großstädten wie dem kamerunischen Douala ist man doch sehr erleichtert, wenn der Verkehr nach langen Jahren endlich halbwegs flüssig rollt. Bis dahin war die Ausbesserung des dortigen Straßennetzes den Einwohnern tausend mal versprochen worden - und tausend mal war nichts passiert, weil die dafür eingeplanten Gelder in den tiefen, tiefen Netzen der Korruption versanken. „Dank den Chinesen“ wurde nun manches anders. 

Die chinesischen Firmen rücken auch gleich mit ihren eigenen Arbeitskräften an, um die notwendigen Tätigkeiten zu verrichten, von Algier im Norden bis in Angolas Hauptstadt Luanda im südlichen Afrika. Deren irrsinniger Arbeitsrhythmus - zehnstündige Schichten im ständigen Wechsel, mit Schlafen in Containern auf der Baustelle - verängstigt die Einheimischen, fasziniert sie aber zugleich ob der ungekannten „Effizienz“.  Allerdings verärgert die Bevölkerung auch, dass so gut wie keine Arbeitsplätze, oder jedenfalls keine von längerer Dauer, für die Einwohner des Landes selbst abfallen.  

Laut dem französisch-afrikanischen Magazin Jeune Afrique vom 13. Juli 2008 leben inzwischen 500.000 bis 700.000 chinesische Migranten auf dem afrikanischen Kontinent, „unter ihnen die Hälfte illegal“, d.h. ohne Aufenthaltstitel. Das wären, wenn die Zahl denn stimmt – um die Präsenz der Chinesen ranken sich auch zahlreiche Gerüchte -, ungefähr drei mal so viele, wie Franzosen (dauerhaft) in Afrika leben. Denn, zum Vergleich, man schätzt die Zahl der auf dem afrikanischen Kontinent lebenden Libanesen – die dort, vor allem in Westafrika, einen Grobteil des Handels konzentrieren – auf rund 250.000, die der französischen ‚Expatriés’ auf 110.000 (laut Beuret/Michel, s. S. 14 ihres Buches). Die Franzosen gelten gemeinhin als arrogant, und wenn sie dort leben, dann – jedenfalls sofern es sich um das Personal französischer Unternehmen und nicht um individuell Afrika-Liebhaber handelt – in aller Regel nur mit Klimaanlage, eigenem Boy und kräftigem Lohnzuschlag durch ihren Arbeitgeber. Michel Beuret und Serge Michel zitieren den alternden Staatspräsidenten der Republik Guinea - Lansanca Conté – deswegen mit folgender Aussage: „Die Chinesen leben mit uns im Dreck“ (a.a.O., S. 12), im Gegensatz zu den Europäern, d.h. Erstere hausen in Baracken und arbeiten hart. Wenngleich zwar der guineeische Präsident Conté selbst mit Gewissheit nicht „im Dreck“ lebt, sondern höchst „sein“ Volk, so trifft eine Sache doch zu: Die Lebensbedingungen der dort eingesetzten chinesischen Arbeitskräfte nähern sich denen der Einheimischen weitaus mehr an, als es für die dort lebenden Auslandsfranzosen gilt. Entsprechend ist das Image, das beide Gruppen in breiten Bevölkerungskreisen genießen. 

Richtig unbeliebt machen sich die Chinesen hingegen vor allem dort, wo sie als Händler auftreten und mit billigen Textilien – dank massenhaften Direktimports aus ihrem Herkunftsland – die einheimischen Anbieter ruinieren. Dies sorgt nicht nur für Zoff mit den einheimischen Ladenbesitzern und vor allem den zahllosen Strabenverkäufern im „informellen“ Wirtschaftssektor. Auch das Konsumentenpublikum ist hinterher oft unzufrieden mit der chinesischen Ware, aufgrund mangelhafter Qualität. Nunmehr möchte man in Peking genauer aufpassen, um sich keine neu gewonnenen Sympathien auf diese Weise zu verscherzen.           

Frankreich: Ängste vor dem Verlust der „angestammten“ neokolonialen Positionen  

Angesichts dieser Offensive, die selbstverständlich nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern aus Geschäftsinteresse resultiert, müssen die Franzosen sich in ihrem langjährigen „Hinterhof“ tatsächlich ernsthafte Sorgen machen. Erstmals scheint ihre Rolle dort ernsthaft gefährdet, zumal auch die US-Amerikaner seit den neunziger Jahren dort wachsende Ambitionen geltend machen.  

Allerdings bleibt das Ausmab, in dem „die Chinesen“ angeblich bereits die bisherigen Stellungen des post- oder neo-kolonialen Frankreich in Afrika aufgerollt hat, heftig umstritten. Während manche – vorzugsweise bürgerliche – Quellen die Dinge so hinstellen, als gehöre der französische Neokolonialismus längst der Vergangenheit an, als sei die Ära der ‚Françafrique’ endgültig vorüber und als kontrollierten die Chinesen längst Alles auf dem afrikanischen Kontinent (vgl. die Wirtschaftstageszeitung ‚Les Echos’: „Afrika: Peking setzt Paris auber Gefecht“, unter http://www.lesechos.fr/, behaupten andere Beobachter so ziemlich das Gegenteil. Auf den ersten Blick wirkt das leicht verwirrend auf den oberflächlichen Betrachter. Von einem (eher grobschlächtig) antiimperialistischen Standpunkt aus behauptet eine Quelle beispielsweise, bei dem permanenten Gerede in Frankreich über den Aufstieg einer ‚Chinafrique’ handele sich lediglich um „Ablenkungs-Rhetorik“, um die Aufmerksamkeit vom dem Fortbestand der neokolonialen Kontrolle und Machenschaften des eigenes Landes  fortzulenken. (Vgl. http://www.alterinfo.net/ ) Dabei dürfte feststehen, dass sich zwar tatsächlich so einige Dinge in den letzten Jahren verändert haben dürften - dass der Alarmismus vieler bürgerlicher Ideologen über das fortschreitende Vordringen der Chinesen in Afrika (oder, als blobe Kehrseite davon, das Abwiegeln bezüglich der vorhandenen Reste eigener Präsenz: „Was unser Land betrifft, ist das doch längst Vergangenheit“) aber tatsächlich einer reinen Interessens-Verschleierung dient. 

Alain Joyandet, der neue französische „Kooperationsminister“, musste kurz nach seinem Amtsamtritt im Frühjahr 2008 eine unangenehme Erfahrung machen. Er besuchte im Mai dieses Jahres eine im Bau befindliche Schule im ostafrikanischen Tanzania, die mit französischen Fördergeldern errichtet wird – und traf auf chinesische Arbeiter, die eifrig auf der Baustelle tätig waren. Er musste feststellen, dass die Chinesen bei der Ausschreibung des Projekts gewonnen hatten, weil sie das preisgünstigste Angebot unterbreitet hatten. (Vgl. http://www.lepoint.fr/actualites-monde/ ) Auch deswegen hat er sich geschworen, dass „unsere Hilfe uns etwas einbringen muss“, unbedingt. Schon zu einem frühen Zeitpunkt nach Antritt seines Amts beharrte er darauf, dass „Frankreich seine wirtschaftliche Präsenz in Frankreich verstärken und ausbauen muss“. Der Minister wörtlich: „Frankreich kann nicht nur ein Land sein, das kämpft, um Werte zu verteidigen, während andere die Märkte erobern/die Aufträge einstreichen“ (vgl. http://afp.google.com/article ) Kurz bevor er Ende Mai 2008 eine Ölbohrplattform des französisch(-belgischen) Erdölgiganten TOTAL in der Petrodollardiktatur Congo-Brazzaville einweihen ging, erklärte der Minister konsequenter Weise in einem Aufsehen erregenden Interview mit der französischen Sonntagszeitung ‚JDD’: „Durch meine Anwesenheit zeige ich das Interesse, das der französische Staat an der Anwesenheit und an der Leistungsfähigkeit dieses Konzerns auf dem afrikanischen Kontinent hegt. Die Implantierung der französischen Unternehmen in Afrika ist eine meiner Prioritäten.“ Und gleichzeitig kündigte er eine „neue Beziehung zwischen Frankreich und Afrika“ an – ein schönes Wort, hinter dem aber konkret folgende Ambition steht: „Ich will die französische Einflusspolitik auf ökonomischem Gebiet verstärken. (...) Es ist die Rolle Frankreichs, die (Anm.: eigenen) Unternehmen zu unterstützen, die sich in Afrika niederlassen, wie TOTAL.“ (Vgl. http://www.lejdd.fr/ )  

Mehrere westliche Hauptstädte werfen nun – vor dem Hintergrund der Erfahrung des armen französischen Ministers in Tanzania - Peking vor, als „Trittbrettfahrer“ ihrer so genannten Entwicklungshilfe aufzutreten; und so genannte Hilfsgelder dazu zu benutzen, den „eigenen“ Firmen Aufträge zuzuschanzen. Dem antworteten die Chinesen jedoch sehr gelassen, dass die westlichen Länder seit Jahrzehnten solche Praktiken ausgeübt hätten, dass auch die Volksrepublik Entwicklungshilfe zahle – zuletzt 1,4 Milliarden Euro jährlich – und deswegen nicht hintan stehen zu brauche.  

Joyandet hat sein Problem nun zumindest erkannt... Sein Herangehen, das sich durch Arroganz und allzu laut hinausposauntes Eigeninteresse Frankreichs auszeichnet, dürfte es freilich kaum einer Lösung näher bringen. Unterdessen streitet man sich auch im französischen konservativen Regierungslager auf das Heftigste über die Konsequenzen, die man aus den angetroffenen Problemen der nationalen Afrikapolitik ziehen solle. Der konservative Ex-Minister René Dutrueil (UMP) stellte am 9. Juli dieses Jahres einen parlamentarischen Untersuchungsbericht zum Thema vor, im Namen einer Kommission, die seit Herbst 2007 zur „Neugestaltung der französisch-afrikanischen Beziehungen“ gearbeitet hatte. Prompt kam harsche Kritik auch aus der eigenen Partei: Der UMP-Abgeordnete Jean-Pierre Christ warf seinem Politiker- und Parteikollegen vor, sein Abschlussbericht zeichne sich durch eine „merkantilistische Vision“, also durch nationalen Egoismus und eine auf rein ökonomische Interesse beschränkte Sicht aus. Die Menschenrechte tauchten gar nicht auf. (Vgl. ‚Jeune Afrique’ vom 13. Juli 2008, S. 17, oder http://www.lejdd.fr/cmc/international/

Dutrueil wies die Vorwürfe zwar zurück, die Medienberichterstattung konzentrierte sich aber auf die Kritik und den durch sie ausgelösten Konflikt. Auch wenn letzterer zum Teil auf persönliche Streitigkeiten zurückzuführen sein dürfte – Christ wirft Dutrueil auch vor, faul gewesen zu sein und die Sitzungen der Kommissionen zu oft geschwänzt zu haben -, so hinterlässt er doch einen höchst fatalen Eindruck. Und die Kritik bestätigt, was viele Beobachter über die französische Afrikapolitik schon immer wussten. 

Auf der Suche nach einem neuen Kurs: „Wasch mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass“ 

Aus all diesen Problemen resultiert die Versuchung, bestimmte Formen traditioneller Kontrolle über Afrika aufzugeben, um zu subtileren Mitteln und Methoden zu greifen. Zu den Erstgenannten gehören, klassischer Weise, die Unterstützung einheimischer Autokraten - sofern sie nur bewiesen haben, dass sie über genügend Sitzfleisch verfügen und ein offenes Ohr für die Anliegen „der Metropole“ haben - plus, wenn einmal etwas anbrennt, die Entsendung der französischen Armee. An beiden Standbeinen soll nun ein bisschen gesägt werden. Nur: Amputieren – das kommt überhaupt nicht in Frage. 

Ähnlich wie auf anderen Gebieten, proklamierte der im Mai 2007 zum Präsidenten gewählte Nicolas Sarkozy auch in diesem Bereich, er verkörpere la rupture („den Bruch“, also jenen mit früheren Praktiken). Obwohl jedoch tatsächlich ein paar Veränderungen erfolgten, sollte man diesen Anspruch jedoch auf keinen Fall zu wörtlich nehmen. Was den Einsatz der französischen Armee - um „Unruheherde“ auszutreten oder bedrohte „nationale Interessen“ zu verteidigen - betrifft, so kann von einem Verzicht auf ihn ernsthaft keine Rede sein. Zuletzt feuerte die französische Luftwaffe Ende Juni dieses Jahres mit Drohnen, unbemannten Flugzeugen, auf Rebellentrupps im Osten des Tschad. (Vgl. http://secretdefense.blogs.liberation.fr

Gedenkfeier für Intervention der Fremdenlegion-Brutalos in Kolwezi 

Und am 21. Mai 2008 hatte Sarkozy am Pariser Invalidendom eine offizielle Feier veranstaltet, um in einer triumphalen Ansprache „das“ Symbol des französischen neokolonialen Militarismus zu grüßen: Es war der 30. Jahrestag des berüchtigten Einsatzes von Fallschirmjägern der französischen Fremdenlegion gegen – durch die Sowjetunion, Kuba und das damalige revolutionäre Angola unterstützte - Rebellen in Kolwezi, im Süden des damaligen Zaire, heute der Demokratischen Republik Kongo gelegen. Diese Intervention, die berühmt, ja im Französischen sprichwörtlich geworden ist (‚La légion saute sur Kolwezi’), hatte am 18. Mai 1978 begonnen und diente vorgeblich dazu, rund 3.000 Europäer, die von den Rebellen als Geiseln genommen worden seien, zu befreien. Tatsächlich sollen die Rebellen einige Europäer, die in dieser reichen Minenstadt an der Ausbeutung der Bodenschätze teilnahmen, getötet haben (vgl. http://fr.wikipedia.org/wiki/Sauvetage_de_Kolwezi), wobei ihre „Übergriffe“ vor allem nach den Attacken durch Elitetruppen der damaligen Mobutu-Diktatur in Zaire stattfanden. Die Kolwezi-Intervention wurde damals in der französischen und europäischen Öffentlichkeit überwiegend gefeiert. Erst viel später wurde auch so manches Detail über „Schattenseiten“ dieses Eingriffs bekannt – als da wären, laut einem eigenen Teilnehmer, der zwei kritische Bücher über seine Vergangenheit bei der Legion verfasst hat: „Vergewaltigungen von Frauen, Plünderungen von Häusern, (Missetaten) von Soldaten unter den Augen ihrer untätigen Offiziere“. (Vgl. http://www.wikio.fr/article/22374657

Und das ist noch nicht alles: Am diesjährigen 14. Juli kam es zusätzlich noch zu einer Premiere: Erstmals kamen Fallschirmjäger mitten in Paris zum Einsatz, und sieben von ihnen landeten auf den Champs-Elysées zu Füben der Präsidententribüne. Organisator dieses Spektakels zum diesjährigen Nationalfeiertag war der General Bruno Dary. Er war „damals“, in Kolwezi, dabei. Und die Ankündigung präzisierte, der Absprung solle „unter denselben Bedingungen“ – technischer Art – erfolgen. Der französische Neokolonialismus inszeniert und feiert sich selbst. Nur die Beflaggung hat sich verändert. Denn dieses Mal führten die Fallschirmspringer drei Fahnen mit sich: die französische, die der EU und jene der UN. (Letztere wohl deshalb, weil die UN-Blaumhelmtruppenverbände in diesem Jahr „Ehrengast“ der Pariser Militärparade am französischen Nationalfeiertrag waren.) 

Dennoch gilt es, bestimmte Veränderungen festzustellen - und ein Teil der französischen Militärs werden sie Präsident Sarkozy nicht so schnell verzeihen. Denn das neue „Weißbuch der Verteidigung“, das der Staatschef am 17. Juni vor dreitausend Offizieren präsentierte, sieht unter anderem die Schließung einer französischen Militärbasis in Afrika vor. Das Land unterhält derzeit ein halbes Dutzend Militärstützpunkte auf dem Kontinent, darunter drei größere Basen: in Dakar (Senegal), Libreville (Gabun) und Djibouti. Insgesamt stehen 9.000 französische Soldaten in Afrika, von 11.000 weltweit entsandten.

Neue Militärdoktrin für „nutzbringendere“ Verwendung der Armee... 

Die neue nationale Militärdoktrin sieht nun nicht etwa Abrüstung vor, wohl aber eine Umschichtung der aufgewendeten Mittel. Der Rüstungshaushalt soll nicht verkleinert, sondern umgeschichtet werden: Insgesamt soll die Truppenstärke um 16 Prozent, das entspricht 54.000 Mann, abgebaut werden. Aber die dadurch wegfallenden Soldzahlungen sollen eingespart, sondern in die Materialbeschaffung investiert werden, denn die Rüstungsausgaben sollen bei einer Gesamthöhe von 377 Milliarden Euro gleich bleiben. Das Ganze geht also in Richtung einer hochtechnisierten, aus Spezialisten bestehenden Interventionsarmee.  Die Zahl der innerhalb von sechs Monaten zu Auslandseinsätzen abstellbarer Soldaten soll auf 30.000 hochgeschraubt werden. So werden Interventionen vom eigenen Staatsgebiet aus favorisiert.

Denn gleichzeitig möchte die politische Führung Frankreichs nicht länger, dass ihre Armee dafür herhält, „die Leibgarde für bedrohte Autokraten abzugeben“. Mit ihren Interessen möchte Frankreich sich nur noch bedingt, und nicht mehr unter allen Umständen, identifizieren lassen. Auch an diesem zweiten Standbein der bisherigen französischen Afrikapolitik wird also herumreformiert, ohne aber wirklich tiefe Einschnitte vornehmen zu wollen - Operieren und Herumflicken ist in Ordnung, aber von Amputation war keine Rede!

...stöbt auf erhebliche Widersprüche 

Dennoch besteht aus Sicht vieler französischer Militärs momentan reichlich Grund zur Aufregung. Richtig Ärger gab es im Vorfeld der Militärparade am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, nachdem (Berufs-)Soldaten und Offizieren ihrem Unmut über die geplante Armeereform Luft zu machen begonnen hatten. (Vgl. http://www.trend.infopartisan.net/trd7808/t527808.html ) Statt den Umbau der französischen Armee als Formwandel, der die Letztgenannte zu einem effizienteren und verstärkt weltweit einsetzbaren Instrument machen soll, zu begreifen, erblicken sie in ihm vor allem einen Angriff auf ihren Berufsstand und auf ihre Ehre. Unterstützt werden sie darin durch linksnationalistische Teile der Opposition, wie etwa – besonders lautstark – den früheren Anti-EU-patriotischen (und ex-sozialdemokratischen) Innenminister, Jean-Pierre Chevènement. (Vgl. http://tempsreel.nouvelobs.com/a ) Aber auch die extreme Rechte sucht natürlich ihr Propagandasüppchen auf dem Unmut der Soldaten zu kochen.  

Präsident Nicolas Sarkozy und sein Umfeld haben dadurch erhebliche politische Risiken in Kauf genommen, denn die Kasernenstädte – oftmals kleinere bis mittelgrobe urbane Zentren, insbesondere ostfranzösische Kreisstädte – zählten „bislang zum Herzen, zum harten Kern der Wählerschaft Nicolas Sarkozys“ (vgl. http://abonnes.lemonde.fr/ ). Dort herrscht eine politische Soziologie vor, die von autoritärer (National-)Staatsbindung geprägt ist und die in früheren Jahren dem Front National - FN - überdurchschnittliche Wahlergebnisse eintrug. Eine entsprechende Stimmungslage reicht in diesen so geprägten Städten bis weit in die Unterklassen, die oft vom Militär als gröbtem örtlichem Arbeitgeber abhängig sind, hinein durch. In der vom konservativen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy 2006/07 frisch geschmiedeten, neuen Kräftekoalition nahm dieses Segment der Wählerschaft eine Schlüsselfunktion ein - beispielsweise bei der Rückgewinnung früher rechtsextrem beeinflusster Wählerschichten für den konservativ-liberalen Block. Nun könnte diese Allianz unterdessen schon wieder Risse bekommen.  

Zur selben Zeit hat an der Spitze der Armee möglicherweise ein, jedenfalls symbolisches, Grobreinemachen begonnen: Präsident Sarkozy und seine Umgebung müssen beweisen, dass sie notfalls in der Lage sind, gegen Widersprüche (auch) von dieser Seite her „durchzugreifen“. Am 1. Juli dieses Jahres reichte der Heerschef der Landstreitkräfte, der General Bruno Cruche, seinen Rücktritt ein. Zuvor war er durch Präsident Sarkozy regelrecht aus dem Amt gemobbt worden – in früheren Zeiten hätte man dem Herrn vielleicht wortlos, aber mit unzweideutiger Mimik eine Pistole gereicht, auf dass er sich selbst den Rest gebe. Sein Rücktritt (und das voraus gegangene Mobbing gegen ihn) hingen nicht unmittelbar mit der Armeereform zusammen, wie Cruch auch in seiner Rücktrittserklärung betonte. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/actualite-france )  

Bleibt man an der Oberfläche der Ereignisse, dann lag ihre direkte Ursache vielmehr in der tragischen Schieberei, die sich am 29. Juni im südfranzösischen Carcassonne ereignet hatte: Dort hatte bei einem „Tag der offenen Tür“ in einer Kaserne, anlässlich einer Vorführung von Schusswaffen, ein Sergeant der Armee in die Menge gefeuert und dabei 17 Menschen (unter ihnen viele Kinder) zum Teil schwer verletzt. Die benutzte Waffe hätte „eigentlich“ mit Schreckschuss- statt mit scharfer Munition geladen sein sollen, als er losballerte. Die Hintergründe des Geschehens sind noch relativ unklar. Der beteiligte Sergeant ist vorübergehend verhaftet und in ein Strafverfahren wegen „fahrlässiger Körperverletzung“ (aufgrund der Missachtung v. Sicherheitsvorschriften) verwickelt, jedoch unter Justizkontrolle und Meldeauflagen wieder freigelassen worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich jedoch weder um einen Amoklauf noch um einen schlichten „Unfall“. Ursächlich ist wohl vor allem die Tatsache gewesen, dass es Armeekreise gibt, die bewusst Schreckschuss- und „echte“ Munition gegeneinander austauschen, weil sie sich einem (Waffen- und) Munitionsschmuggel zwecks lukrativen Privatgeschäften hingeben: Schreckschussmunition wird nicht so strikt kontrolliert, „scharfe“ und ihr Verbleib hingegen schon. Insofern kann tatsächlich von einer gewissen Verantwortung der Armeehierarchie – und vor allem der unmittelbaren Vorgesetzten, die solche Vorkommnisse in ihren Kasernen nicht zu unterbinden vermochten - gesprochen werden. Jedoch war das Ereignis (auf örtlicher Ebene) für Nicolas Sarkozy wohl zuvörderst der nicht unwillkommene Anlass, um (auf nationaler Ebene) einen Autoritätsbeweis durchzuführen. Und um, nach den ganzen Meckereien in der Armee, seine angeschlagene Autorität (als lt. Verfassung oberster Befehlshaber der Streitkräfte) wieder herzustellen. Überwiegend wohl deswegen musste die oberste Armeespitze den Kopf hinhalten. Sarkozy attestierte ihr schnell „Unprofessionalität“, nannte ihre „Funktionsstörungen und ihre Versäumnisse absolut unakzeptabel“ und forderte: „Die gesamte Befehlskette wird sich zu rechtfertigen haben.“ Also nicht nur die auf örtlicher Ebene. Durch den Rücktritt des obersten Chefs des Landheeres am 1. Juli wurden seine Forderung und seine Erwartungen erfüllt. Allerdings dürften nun erst recht so einige Offiziere beim Spaziergang mit geballter Faust in der Tasche herumlaufen...

Neoliberale Anforderungen bezüglich ‚Good governance’ versus Stützen auf vertraute Gorillaregimes

Ein Hauptgrund für den - begrenzten - Veränderungsdrang in der französischen Afrika- und Militärpolitik ist, dass man in offiziellen Kreisen zu der Auffassung kam, die von altansässigen Potentaten und ihrer Klientel durch Korruption und Misswirtschaft abgezweigten Gelder seien „verlorenes Geld“. Sofern man neoliberale Kriterien der Good governance, also auch der effizienten Verwendung aller eingesetzten finanziellen Mittel, zugrunde legt, tun sich da tatsächlich gigantische Einsparpotenziale auf, hört man nur, solche Autokraten (auch militärisch) zu schützen. Unter einer Bedingung freilich: Dass man über eine Alternative verfügt, die die von den Rohstoffen der betroffenen Länder profitierenden Staaten auch nicht „teurer“ zu stehen kommt. Die Kehrseite der Medaille ultra-korrupter Regime besteht bekanntlich darin, dass eine Reihe sozialer Bedürfnisse unbefriedigt und Teile der Bevölkerung, die sich nicht Zutritt zum Kreis der Begünstigten verschaffen können, unterversorgt bleiben. Aber falls nun eine Oppositionskraft einen Machtwechsel herbeiführen und dabei nicht nur die Netzwerke kappen, sondern zugleich auch eine volle Bedürfnisbefriedigung für die Bevölkerungen auf ihre Fahnen schreiben würde, käme die Operation am Ende für die Großmächte „teurer“. Müssten sie doch in einem solchen Falle, aller Wahrscheinlichkeit nach, höhere - und das heißt oft: nicht ganz so unanständige - Preise für die Rohstoffe oder Agrarprodukte vieler afrikanischer Länder zahlen. 

Einer, der die Dinge zu wörtlich nahm und dabei nur eine Seite der Medaille sehen wollte, war der Vorgänger des jetzigen französischen „Kooperationsministers“ – Joyandet – im Amt: Jean-Marie Bockel. Dieser, Bürgermeister im elsässischen Mulhouse, ist ein ehemaliger rechter Sozialdemokrat, der im vergangenen Jahr zu Sarkozys Konservativen überlief. Im Januar hatte er bei der Verkündung seiner Neujahrsgrüße an die Presse etwas großspurig verkündet, er sei dabei, „die Sterbeurkunde der Françafrique“ zu unterzeichnen, und er werde dem korrupten Treiben ein Ende bereiten. Konkret zitierte er die Präsidenten bestimmter „Ölstaaten“, die es trotz sprudelnder Petrodollar „nicht schaffen, sich zu entwickeln“. Die hauptsächlich Angesprochenen verstanden den Wink sehr wohl. Die drei Präsidenten, denen Bockels Kritik galt, sitzen in Yaoundé (Kamerun), Libreville (Gabun) und in Kongos Hauptstadt Brazzaville und heiben Paul Biya, Omar Bongo oder Denis Sassou-Ngessou. (Ausführliches dazu siehe unter: http://www.heise.de/- Vgl. auch die dort angegebenen und verlinkten Quellen.)

Der „Pate“ 

Der Pate der Françafrique – der neokolonialen Einflusssphäre Frankreichs in Afrika -, das ist wahrlich Gabuns Präsident Omar Bongo Ondimba. Er lenkt seit Januar 1967 und damit seit schlappen 41 Jährchen die Geschicke der, relativ bevölkerungsarmen, Erdölrepublik. Das dienstälteste Staatsoberhaupt ganz Afrikas, gegen den der – im Westen, aus anderen Gründen, verhasste - Robert Mugabe ein wahrer Waisenknabe ist. (Allerdings unterstützte Omar Bongo den alternden zimbabwischen Präsidenten-Diktator Robert Mugabe auf dem letzten Gipfel der Afrikanischen Union, Ende Juni im ägyptischen Scharm-el-Scheikh. Er verteidigte ihn dort mit den Worten, Mugabe sei „immerhin gewählt“. Nun ja, eine Krähe hackt der anderen bekanntlich kein Auge aus… Vgl. http://www.romandie.com/

Omar Bongo forderte Bockels Rauswurf aus dem Amt - und erhielt, was er forderte. Bei der Regierungsumbildung im März 2008, unmittelbar nach den französischen Kommunal- und Bezirksparlamentswahlen vom 11. und 18. März, verlor Jean-Marie Bockel sein Ministerium und wurde zum Staatssekretär für die Veteranen-Versorgung zurückgestuft. Wahrlich nicht gerade eine Beförderung... Bongo und sein kongolesischer Amtskollege Denis Sassou-Ngessou triumphierten offen. Im Interview mit ‚Jeune Afrique’ (Titelstory der Ausgabe vom 23. März 2008, kurz nach dem erzwungenen Abgang Bockels erschienen) antwortet der kongolesische Staatspräsident auf die Frage, was er „dem früheren Minister Bockel“ bezüglich seiner verbalen Kritik am Postkolonialismus der Marke ‚Françafrique’ und an der Amtsführung bestimmter Diktatoren antworte: „Nichts. Jedenfalls nicht diesem Herrn.“ Verachtungsvoller ging’s kaum mehr... 

Nachfolger des französischen Ministers wurde Joyandet, ein Presseunternehmer aus dem ostfranzösischen Besançon. Dieser „Herr“ hatte wohl verstanden, welche Stunden geschlagen hat – und welche nicht. So sollte er später erklären, unter Anspielung auf Bockels Sprüche von der angeblichen Unterschrift unter „die Sterbeurkunde für die Françafrique“: „Man baut nicht die Zukunft auf, indem man eine Sterbeurkunde unterzeichnet.“ (Vgl. http://www.liberation.fr/

Der Mann hat seine Lektion gelernt. Und er absolvierte seinen allerersten Antrittsbesuch als Minister am 10. April 2008 – wo?: in Libreville, Gabun. Um es genau zu sagen, im Präsidentenpalast von Omar Bongo. Dort musste der frischgebackene Minister freilich eine Stunde auf dem Flur warten. Unterdessen plauderte und kungelte Nicolas Sarkozys persönlicher Berater Claude Guéant, eingeführt durch Frankreichs traditionellen Unterhändler (hinter den Kulissen) in Sachen Afrikapolitik – den in Dakar geborenen französisch-libanesischen Anwalt Robert Bourgi, den Mann für schmutzige Angelegenheiten auf dem afrikanischen Kontinent und früheren Chirac-Vertrauten -  drinnen mit Präsident Omar Bongo. Von der Visite und ihren Details gibt es ein frappierendes Video, das von Journalisten des französischen Fernsehsenders ‚Canal+’ gedreht worden ist. (Vgl. http://www.dailymotion.com/ )  

Vom 1. bis 11. Juli 2008 weilte der alternde Potentat nun seinerseits – einmal mehr - in Paris, diesmal „um die europäische Ratspräsidentschaft meines Freundes Nicolas Sarkozy zu feiern“. Von ihm wurde Omar Bongo auch gleich am 2. Juli empfangen, wobei es freilich ein wenig Knatsch um die Unterstützung des gabunischen Präsidenten für den Verweil seines zimbabwischen Amtskollegen Robert Mugabe im Amt gegeben haben soll (vgl. http://www.afriquecentrale.info/). Und Omar Bongo war daneben wohl auch angereist, weil er in der französischen Hauptstadt nicht weniger als luxuriöse 33 Villen besitzt, weil es sich dort prima Shopping treiben lässt und weil das französische Gesundheitswesen die kleinen Weh-wehchen wohl allemal besser behandelt als dasjenige, das unter ihm in Gabun aufgebaut wurde... Allerdings hat eine Strafanzeige, die die NGO ‚Transparency Internationol’ anlässlich seines jüngsten Besuchs gegen ihn (und vier andere afrikanischen Potentanten) stellte - wegen der in Frankreich geparkten Guthaben und Reichtümer, die laut der NGO „der gabunischen Bevölkerung gestohlen worden sind“ - , Omar Bongo am Schluss doch noch ein bisschen seinen Paris-Aufenthalt verhagelt. Eine gewöhnlich gut unterrichtete Quelle spricht jedenfalls bezüglich seines letzten Besuchs in Paris von „einem guten Start und einem schlechten Abgang“ (vgl. http://www.africaintelligence.fr/). Die bösen Kläger von der NGO möchten gern die Beschlagnahmung des Ferraris, der dem Präsidententöchterchen Pascaline Bongo in Paris zur Verfügung steht und einen Spottpreis von 75.000 Eurochen gekostet haben soll, erreichen. (Es handelt sich um dieselbe Pascaline Bongo, die im Januar 2007 bei der ersten offiziellen Rede Nicolas Sarkozys als Präsidentschaftskandidat mit dabei war.)  

Im Februar und März 2008 hatte es vorübergehenden Ärger zwischen Paris und Libreville gegeben, weil eine für Finanzdelikte wie etwa Geldwäsche zuständige französische Polizeieinheit über die Hintergründe des Kaufs der von Omar Bongo in Paris besessenen Immobilien ermittelte. Anfang März d.J. strahlte, zu allem Überfluss, ein öffentlich-rechtlicher französischer Fernsehsender eine ausführliche Reportage darüber aus. Die Pariser Regierung hatte offensichtlich grünes Licht gegeben, oder jedenfalls die Zügel locker gelassen. Damals war einerseits Bockel noch im Amt. Andererseits gab (und gibt es wohl noch immer) einen Konflikt zwischen den beiden Hauptstädten, weil - so  das Magazin Jeune Afrique kurz darauf, am 18. März - die gabunische Staatsspitze damals den Chinesen neue Förderkonzessionen für eine Eisenerzmine in Belinga gewähren wollte. In einer Einflusszone, die bis dahin die Franzosen für sich reserviert glaubten. Dafür hat das gabunische Umweltministerium übrigens inzwischen auch grünes Licht erteilt (vgl. http://www.gaboneco.com/), trotz Bedenken von Umweltschützer/inne/n und Widerständen der dortigen einheimischen Bevölkerung (vgl. http://www.vsd.fr/. Ärger um den wirtschaftlichen Einfluss der Chinesen gab es übrigens anscheinend auch zwischen Frankreich und Congo-Brazzaville, denn dessen Potentat Sassou-Ngessou erklärt dazu im oben zitierten JA-Interview ausdrücklich: „Wir denken, dass die Zusammenarbeit mit China gut ist, und dass kein Wirtschaftssektor eine vorn vornherein für irgendjemanden (Anm.: in diesem Falle für Frankreich) reservierten Jagdgrund bilden darf. Nicht einmal der Ölsektor.“ 

Nun haben sich die Wogen zwischen Paris und Libreville/Gabun jedoch anscheinend geglättet, und Anfang Juli hielt der „Pate“ also Hof in Paris. Die früher, noch zu Anfang des Jahres, von offizieller französischer Seite (währendd der Bockel-Ära) laut gewordenen Kritiken scheinen verstummt. Und dennoch spielt Omar Bongo auch dort eine Rolle, wo es einen Formwandel der französischen Afrikapolitik zu konstatieren gibt. (FUSSNOTE 1) 

Frankreichs Spiel im Tschad: Pokern mit der Regierungs- und mit der Oppositionskarte

Nehmen wir ihre Einflussnahme im Tschad: Dort hat Präsident Idriss Déby seit Monaten immer wieder mit von der sudanesischen Grenze her vorrückenden, und durch dieses Nachbarland unterstützen, Rebellen und ihren Angriffen auf die Hauptstadt N’Djamena zu kämpfen. Anfang Februar d.J., als er kurz davor stand, gestürzt zu werden, rettete Paris ihm noch einmal den Kopf. Zwar mochte die französische Armee dieses Mal nicht offen eingreifen - aber sie transportierte mehrere Tonnen Munition aus Beständen Libyens, unter dem neuen Freund Muammar al-Gaddafi, an die tschadische Armee. Dies ist inzwischen, nach Enthüllungen durch die französische Presse, auch offiziell eingeräumt worden. Das tschadische Regime nutzte die Gelegenheit, um Anfang Februar einige Oppositionspolitiker „verschwinden“ zu lassen. Unter ihnen Ibni Oumar Mahamat Saleh, der mutmaßlich tot ist, und Ngarley Yorongar. Letzterer aber tauchte nach drei Wochen wieder auf. Die französische Armee hatte ihm das Leben gerettet - eine Patrouille hatte ihn am 12. Februar 08 auf einem Friedhof in N’Djamena aufgegriffen, wohin ihn tschadische Präsidententruppen für eine Hinrichtung oder Scheinrichtung verschleppt hatten.  

Was in den darauffolgenden Wochen passierte, war folgendes: Yorongar rief niemanden anderen als den gabunesischen Präsidenten Omar Bongo an, um Asyl von ihm zu erbitten - so hat er es später Jeune Afrique erzählt (vgl. Ausgabe vom 04-05-2008, s.S. o8). Letzterer wiederum rief Nicolas Sarkozy auf einer Direktleitung an und traf eine telefonische Vereinbarung mit ihm. Yorongar traf am 6. März in Paris und wurde durch die französische Regierung unter ihren Schutz gestellt. In ersten Interviews und Äußerungen gegenüber der Presse verteidigte Yorongar im Prinzip die Präsenz französischer Truppen im Tschad, forderte allerdings Frankreich zu einer „sauberen militärischen Präsenz in Afrika“ auf (Interview mit ‚Europe-1’ vom 11. März, vgl. http://www.europe1.fr/), welch letztere auch in seinem eigenen nationalen Interesse liege und seine Glaubwürdigkeit erhöhe. Frankreich solle lieber als überparteiliche Macht in Erscheinung treten, denn als offen parteiliche Unterstützung des gerade amtierenden Diktators auftreten. 

An diesem Punkt treffen sich also die unterschiedlichen Interessen. Und ein Diktator der „alten Schule“ wie Omar Bongo, dem es erlaubt wird, als Satrap Frankreichs auch über manche Vorgänge in den Nachbarländern zu wachen, kann sich aus taktischen Gründen mit einem solchen Opponenten anfreunden. Ebenso wie Frankreich damit leben kann, sollte eines Tages eine solche Opposition - die eine Wahrung seines Einflusses im Falle eines Führungswechsels gewährleisten würde - einen Zipfel der politischen Macht erlangen. (By the way, andere Oppositionspolitiker sind inzwischen in N’Djamena durch den tschadischen Diktator Idriss Déby ins Regierungskabinett geholt worden, was nicht bedeutet, dass sie wirklich Einfluss auszuüben hätten. Vgl. ‚Le Monde’ vom 25. April 08, http://abonnes.lemonde.fr/

 Yorongar seinerseits hat die Zeichen erkannt: Er begrüßte schon im Mai 2007 auf seinem Blog die Wahl Nicolas Sarkozys. (Vgl. dazu http://www.yorongar.com ) Er wusste wohl, dass ein Oppositionspolitiker im Tschad völlig gegen den Willen der Hegemonialmacht in Frankreichs nichts werden kann. Das darf nicht zu dem Missverständnis führen, die Repression und die Gefahren, denen er in seinem Herkunftsland ausgesetzt ist, gering zu schätzen oder klein zu reden. Denn sobald Frankreich das befreundete Killerregime von Idriss Déby mal nicht an der kurzen Leine hält, sondern ihm freien Lauf lässt, kann es tatsächlich übel zuschlagen. Der Oppositionspolitiker Ibni Oumar Mahamat Saleh, der Anfang Februar 2008 (kurz nach dem Ansturm der von der sudanesischen Grenze her vorrückenden Rebellen auf die Hauptstadt N’Djamena, der mit französischer und libyscher Hilfe zurückgeschlagen wurde) zusammen mit Yorongar festgenommen bzw. durch die Präsidentengarde gekidnappt, bleibt spurlos „verschwunden“. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach ermordet worden. (Vgl. http://www.africatime.com) Dass der eine Oppositionspolitiker längst frei, der andere aber mutmablich tot ist, dürfte nicht unbedingt ihren jeweiligen Positionen geschuldet, sondern vielleicht eher einem puren Zufall geschuldet sein. Im einen Falle hatte Frankreich – durchaus im eigenen Interesse – dem Arm der Mörder und der Schergen des tschadischen Diktators rechtzeitig Einhalt bieten können, im anderen hingegen nicht.  

„Mittelmeerunion“ als Sprungbrett für Europa nach Afrika. Aber bitte nicht umgekehrt, liebe Auswanderungskandidaten...!! 

Eine Reihe anderer diktatorisch regierter oder aber gekrönter Staatsoberhäupter trafen, kaum war Omar Bongo endlich wieder aus Paris abgereist, zum Gipfel der am 13. Juli in der französischen Hauptstadt neu gegründeten „Mittelmeerunion“ ein. Der kleinwüchsige französische Präsident träumte seit längerem davon, durch die Gründung einer solchen Regionalstruktur, deren politisches Gravitationszentrum Paris bilden sollte, an vergangene Größe und Ausstrahlungskraft Frankreichs wieder anknüpfen zu können. Neben der Ost-Orientierung, in Richtung auf die Rohstoffe Russlands und der Ukraine, die vor allem den deutschen Interessen entgegenkommt, sollte in der EU ein zweiter größerer Pol - mit Ausrichtung gen Süden - eingerichtet werden. 

Dies hat nun der Einspruch rivalisierender Mächte, insbesondere Deutschlands und Spaniens, zum Teil verhindert. Nicolas Sarkozys Projekt wurde stark verwässert, und statt um Frankreich - als ökonomisch und politisch stärkstes EU-Land, das eine eigene Mittelmeerküste aufweist - wird das Projekt rund um die Europäische Union als solche aufgebaut sein. Dadurch wird der räumliche Umfang der neuen „Mittelmeerunion“ gewaltig vergrößert, bis an die nördlichen Grenzen EU-Europas, aber zugleich nimmt ihre Integrationstiefe erheblich ab. Und sollte die „Mittelmeerunion“ ursprünglich ein Ausdruck des politischen „Voluntarismus“ nach Gusto Nicolas Sarkozys sein, so wird sie nunmehr nach bürokratischen Brüsseler Regeln funktionieren. Da sie zudem bislang keinen eigenen Haushalt aufweist, dürfte das Ganze also nur äußerst allmählich ins Rollen kommen, und jedenfalls in einer ersten Zeit nur wenige Ergebnisse zeitigen. 

Trotzdem wird die „Mittelmeerunion“ einige wichtige Funktionen erfüllen, und zwar nicht nur für Frankreich, sondern in den Augen der Regierenden auch anderer EU-Staaten. Eine ihrer Hauptaufgaben wird nämlich darin bestehen, gemeinsame Regeln im Mittelmeerraum zum Thema Migration zu entwickeln - die im Wesentlichen darin bestehen werden, einer Elite im Mittelmeerbecken Freizügigkeit zu gewähren, aber für die „Masse“ der (unerwünschten) Einwanderer so genannte Rücknahmeregelungen mit den Staaten am Südufer zu vereinbaren. Marokko, Tunesien oder Libyen haben, ganz in diesem Sinne schon in der Vergangenheit bereitwillig den Gendarmen für EU-Europa gespielt - in Libyen etwa wurden schon 1999 acht große Lager mit Zehntausenden darin gefangenen Migranten, die in Europa als unerwünscht galten, identifiziert.

Sarkozy hatte seine Idee einer „Mittelmeerunion“ in einer Rede am 7. Februar 2007 - die starke koloniale Akzente hatte und zum Gutteil einer Rechtfertigung der französischen Kolonialvergangenheit gewidmet war - in Toulon angekündigt. Dort hatte er sie auch als Kern einer künftigen „EurAfrique“ bezeichnet. Offenkundig ist damit aber nicht eine Brücke für die Bevölkerungen beider Kontinente gemeint, sondern eine neue Barriere, die gegen die Menschen im Süden errichtet wird. Die Staaten im Norden hingegen werden auch weiterhin, auf dem afrikanischen Kontinent wie anderswo, schonungslos ihre Interesse verfolgen. 

(FUSSNOTE 1:)

Anmerkung: Über die im folgenden Absatz zitierte Episode, die Rolle des gabunischen Präsidenten Omar Bongo bei der Gewährung französischer Hilfe (in Gestalt von Zuflucht in Paris) für den tschadischen Oppositionspolitiker Ngarley Yorongar betreffend, hinaus übt Omar Bongo auf kontinentaler Ebene eine oft entscheidende Rolle aus. In vielen Fällen spielt er den „Vermittler“ oder Weichensteller, so dass man oft an ihm gar nicht vorbeikommt. Als uraltem und treuem Verbündeten dürfte die Hegemonialmacht Frankreich ihm auch bestimmte Vollmachten, als „Einfädler“, delegiert haben. Passend zu der Tatsache, dass sein Land in vielen Fälle als Drehschreiberei für Waffenverschiebereien und Ähnliches dienen dürfte... 

Der frühere Rebellenchef im Norden der Côte d’Ivoire/Elfenbeinküste und jetzige ivoirische Premierminister Guillaume Soro gibt etwa von sich’s elbst an, „Omar Bongo sehr nahe zu stehen“. Dass die ehemaligen Rebellen der ‚Forces Nouvelles’ ihre Waffen niederlegten und sich vorübergehend mit Präsident Laurent Gbagbo „aussöhnten“ – die Aussöhnung dürfte aber nach den Wahlen vom 30. November 2008, von denen ein Richtungsentscheid für das Land erwartet wird, ein Ende nehmen – scheint zumindest zum Teil auch dem alten „Paten“ zu verdenken. Guillaume Soro dazu: „Ich freue mich über dieses Verhältnis (zu Omar Bongo), das viel für den diplomatischen Erfolg der ‚Forces Nouvelles’ zählte. Es stimmt, dass wir diese Chance hatten, bestimmte afrikanische Staatschefs zu unseren Unterstützern zu zählen“. (Ausführliches Interview mit Soro in ‚Jeune Afrique’ vom 18. März 2008) 

Und selbst der französische Präsident Nicolas Sarkozy greift gerne einmal auf die Vermittlungsdienste des alten Fuchses Omar Bongo zurück. Ende Februar d.J. weilte Sarkozy zusammen mit seiner neuen Gattin Carla Brun-Sarkozy auf Staatsbesuch in Südafrika. Aber das geplante Zusammentreffen mit Nelson Mandela, „für das Foto“ (so Kritiker), wollte zunächst nicht zustande kommen: Mandela sei krank, so wurde gemeldet. Und wer oder was arrangierte die Zusammenkunft dann am Ende doch noch? Angeblich: ein Anruf bei Omar Bongo... (Vgl. die dies betreffende Aussage dazu auf folgendem Video französischer Fernsehjournalisten: http://www.dailymotion.com/ )  

Derzeit überwacht Omar Bongo auch, als „Vertrauensperson“, den „Friedensprozess“ zwischen dem Regime von Präsident François Bozizé und den Rebellen in der Zentralafrikanischen Republik (RCA). Momentan, Anfang August, scheinen diese Verhandlungen jedoch in einer Sackgasse zu stecken (vgl. http://afp.google.com/). Auch wenn am 21. Juni dieses Jahres ein „globales Friedensabkommen“ zwischen den Parteien unterzeichnet worden war – wo?: in der gabunischen Hauptstadt Libreville.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.