ZDF-Topjournalist Ulrich Deppendorf kann
einem wirklich leid tun. Da hatte er
die Wochen zuvor im einsamen Kämmerlein so fleißig an den
Fangfragen an Oskar Lafontaine fürs Sommerinterview
gefeilt, doch als er dann meinte,
endlich den Joker aus der Tasche zu ziehen, lässt der
Saarländer ihn eiskalt auflaufen. Warum die LINKE so
wenig zur Zensur
in China sage, fragte der ZDF-Frontmann mit virtuell erhobenem
Zeigefinger. Worauf Lafontaine sinngemäß meinte, DIE
LINKE sei selbstverständlich gegen jede
Art von Zensur, nicht nur in China, auch
in Deutschland. Dabei ließ der Co-Chef der LINKEN mehr
als nur anklingen, dass gerade
Deppendorf und sein Sender, was Zensur angeht,
wahrlich nicht die Unschuld vom Lande spielen können.
Wie Deppendorf daraufhin sein
Fragekärtchen wegsteckte, sich seine Augen von
Sehschlitzen zu Schießscharten verengten, war
sehenswert. Ein guter Anlass, den
Journalismus im Land der Dichter und Denker einmal wieder
näher unter die Lupe zu nehmen.
Betrachtet man die Medienkonzentration
in Deutschland, fühlt man sich an die
Machtverhältnisse erinnert, wie sie bis Ende des letzten
Jahrhunderts in Lateinamerika herrschten. Die
Oligarchie sammelt sich in zwei
Blöcken, in denen mächtige "Familienclans" das Sagen haben. Da
gibt es einmal den "Schwarzen Block", rechtsreaktionär
bis klerikal-bigott, angeführt vom
Axel-Springer-Verlag, im Kielwasser
Burda und die Medien-Union. Ihnen gegenüber steht der "Gelbe
Block" mit dem Bertelsmann-Imperium
samt Gruner+Jahr, der WAZ-Gruppe und
Holtzbrinck. Zwischen den beiden neoliberal getrimmten Armadas
dümpelt der Verlag Dumont Schaumburg
hin und her.
Die beiden Konglomerate sind vielfach verflochten,
verschwistert und verschwägert mit den
Größen aus Hochfinanz und Industrie. Der
reaktionäre "Schwarze Medienblock" unterstützt - oder
besser dirigiert - vor allem die Union,
der "Gelbe Medienblock" steht der rechten SPD
und den Wirtschaftsliberalen in der FDP nahe, genauer:
Er gibt ihnen die Themen vor. Der
Einfluss dieser Mediengiganten reichte immer schon
bis in die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und
spiegelte sich noch stärker in den
Privatsendern wider. Die ARD war und ist
Schröder-lastig, das ZDF hat eine klare Tendenz zu
Union und FDP.
So ist die Medienmacht verteilt
Den schwarzen Medienblock führt der Axel-Springer-Verlag mit
einem Jahresumsatz von rund 2,5
Milliarden Euro an. Er bringt es mit der
"Bild"-Zeitung auf immerhin noch auf eine Auflage von
3,4 Millionen Exemplaren (bis in die
achtziger Jahre waren es um die 5 Millionen)
und seit 1986 auch auf 109 Rügen des Deutschen
Presserats. "Coupe" und "BZ", ebenfalls
ein Springer-Blatt, folgen im weiten Abstand mit je 15
Rügen. Rund 1,5 Milliarden Euro Umsatz macht Burda pro
Jahr. Das Hauptorgan des Verlags, das
Magazin FOCUS, liegt bei rund 700.000
Auflage. Der Medien Union mit 0,8 Mrd. Umsatz gehören solche
Blätter wie die "Rheinpfalz", die
Stuttgarter Zeitung und deren lokale
Konkurrenz, die Stuttgarter Nachrichten.
Der „gelbe Medienblock" wird dominiert von der
Bertelsmann-Gruppe. Ihr gehören so
illustre Sender wie RTL, VOX und n-tv. Geschätzter Umsatz
des Medienriesen: 7 bis 10 Milliarden Euro. Die
Verlagsgruppe Holtzbrinck mit einem
Umsatz von rund 2 Milliarden Euro gibt unter
anderem solche immer noch von Seriosität umwehte
Blätter wie den "Tagesspiegel" (Auflage
200.000) und die "Zeit" (Auflage 500 000)
heraus. Die ehrwürdige Patina zeigt jedoch hin und
wieder Risse, vor allem dann, wenn es
um korrekte Berichterstattung über die LINKE geht.
Was nicht wundert, denn in den Entscheiderpositionen
der "Zeit" sitzen Leute wie der
SPD-Rechtsaußen und Schröder-Intimus Michael Naumann.
Das Verlagshaus Gruner+Jahr (Umsatz ca. 3 Mrd.) galt lange
Jahre als Hort eines unabhängigen
Journalismus, der sich auch für die
Schwächsten und die Außenseiter der Gesellschaft engagierte.
"Spiegel" und "stern", die beiden
Flaggschiffe des Verlags, hatten in der Ära
Willy Brandt je knapp 2 Mio. Auflage und bildeten ein
Gegengewicht zum Kampagnen-Journalismus
der Springerpresse. Das hat sich geändert. Die
Auflagen der beiden Magazine haben sich inzwischen
halbiert, und die Online-Ausgaben der
beiden Blätter fallen - wenn überhaupt - meist
unangenehm wegen ihres billigen Sozialzynismus auf.
Schließlich kreuzt im "gelben" Medienkonvoi noch die
WAZ-Flotte mit einem Jahresumsatz von
über 3 Mrd. Neben dem „Goldenen Blatt", „Gong"
und „Echo der Frau" gehören zum WAZ-Imperium Dutzende
von Tageszeitungen, vor allem im
Westen, Norden und Osten der Republik mit
einer Gesamtauflage von 2,5 Mio. So auch die
"Westdeutsche Allgemeine Zeitung" (von
ihr ging die Konzentration aus, daher der Name WAZ), die
"Sächsische Zeitung", die "Braunschweiger Zeitung", die
"Rhein/Ruhr-Zeitung", die "Westfalenpost", die
"Thüringer Allgemeine" und die
"Westfälische Rundschau", um nur einige wenige zu nennen.
So mancher würde sich wundern wenn er wüsste, wem seine
Tagezeitung in Wirklichkeit gehört und
meinungsmäßig zu Tribut verpflichtet ist.
Wolfgang Clement war lange Jahre stellvertretender
Chefredakteur der "Westfälischen
Rundschau". Bis heute unterhält er glänzende Kontakte
zur Kommandobrücke des WAZ-Imperiums und spielt das
Scharnier zwischen Mediengigant,
Atomlobby und rechter SPD.
Hin und her zwischen der schwarzen und der gelben Variante
neoliberaler Meinungsmache pendelt das Verlagshaus
Dumont Schaumburg. Der Konzern bringt
es auf 0,5 Mrd. Jahresumsatz und besitzt als
regionaler Monopolist gleich drei Blätter in Köln,
"Express", Kölner Rundschau und Kölner
Stadt-Anzeiger. Außerdem hält Dumont Schaumburg
50 Prozent plus eine Aktie an der Frankfurter
Rundschau. Im Aufsichtsrat des Konzerns
sitzt übrigens kein Geringerer als …,
richtig geraten, Wolfgang Clement.
Früher galt die Frankfurter Rundschau als linksliberales
Blatt. Heute schreibt ein Karl Doemens
vom Handelsblatt dort Leitartikel. Zum
Beispiel letzten Sonntag über den Parteitag der Saar-LINKEN,
übertitelt mit der Gruselzeile „In Lafontaines Bann".
Doemens
unterstellte der LINKEN, eine „programmlose Partei" zu sein
und Lafontaine nennt er einen
„begnadeten Demagogen" – exakt die Wortwahl
Peter Müllers, des politischen Konkurrenten von der
CDU.
Derselbe Karl Doemens meinte übrigens Anfang des Jahres im
„Handelsblatt": Die gesetzliche Rentenversicherung ist
in diesem Jahrzehnt durch massive
Einschnitte stabilisiert und zukunftsfest
gemacht worden. (...) Um ein Fünftel wird das
Leistungsniveau bis 2030 sinken." Zu
diesem Zugang kann man der Frankfurter Rundschau nur
gratulieren.
Öde Talsenke unter Meeresniveau
So weit Fakten, Zahlen und Zusammenhänge. Wenden wir uns dem
Geistigen zu. Ganz generell kann man
die aktuelle deutsche Medienlandschaft mit
einer riesigen Talsenke unter Meeresniveau vergleichen.
Die Gegend um das Tote Meer bietet sich
als Beispiel an. Einöde und Verkalkung
bestimmen das Bild. Die mangelnde Meinungsvielfalt und Frische
in den großen deutschen Medien erklärt
sich zu gleichen Teilen aus den
Besitzverhältnissen, dem Altersstarrsinn der Herausgeber und
der Stromlinienform der meisten
Chefredakteure.
Das von der Alltagsrealität kaum getrübte Ambiente mancher
Höflinge im Dunstkreis der
Verlegerfürsten führt zu einer Art Rokkokomentalität.
Das "niedere" Volk wird als dumm und dumpf karikiert,
die Grundbedürfnisse nach Auskommen und
Selbstwertgefühl werden als
„Anspruchsdenken" diffamiert. Demokratische Opposition gegen
die Demontage sozialer und bürgerlicher
Rechte wird als ungehöriges Verhalten
verunglimpft.
Zwei Beispiele: "Millionen Deutsche", so Reinhard Mohr Anfang
des Jahres in "Spiegel Online" "gieren
nach Glanz und Glamour". Sie hätten
einen Zumwinkel nicht nur verdient, sondern geradezu erzeugt,
meint der Starautor des Hamburger
Nachrichtenmagazins. Menschen wie
Zumwinkel, so Mohr weiter, seien in Wahrheit die "Halbgötter
für Hartz-IV-Hütten".
Mohrs Kollege beim "Spiegel", Carsten Volkery, zeigt sich seit
jeher von Hartz IV begeistert. „Wie die
rote Daggi von Hartz IV profitiert" -
gemeint ist Dagmar Enkelmann - überschreibt der "Spiegel"-Frontmann
einen seiner Artikel aus dem Jahr 2004 und teilt uns
mit: "Die PDS-Kreisverbände nutzen die
Steilvorlage der SPD und schüren den
Volkszorn nach Kräften. Sie bieten Hilfe beim Ausfüllen der
Bewerbungsbögen und verteilen Postkarten, auf denen
steht: 'Von 331 Euro kann man nicht
leben' - darüber ein Bild von Gerhard Schröder mit
dicker Zigarre und VW- Phaeton." Organsierter
Widerstand und Protest
gegen Hartz IV? Für Carsten Volkery ist so etwas
einfach nur ungehörig.
Auch das Spielen mit Zinnarmeen kommt in
einigen Redaktionsstuben wieder in
Mode. Mariam Lau - früher bei der alternativ angehauchten
taz, jetzt wie ihr Ehemann bei Springers "Welt" -
überschreibt Ende Mai 2007 nach dem
Mordanschlag auf drei deutsche Soldaten ihren
Leitartikel mit „Mehr Kriegspropaganda, bitte!" Es gab
Zeiten, da hätte man solche
Überschriften nicht einmal in der "Bild" für möglich
gehalten.
Besonders einig sind sich die beiden Medienblöcke beim Halali
gegen die LINKE, vor allem bei der
Scheusalisierung Oskar Lafontaines. Die
Aversionen oszillieren zwischen Groll und Paranoia, wobei in
den "gelben" Schröder-Medien der Groll
überwiegt, während im "schwarzen" Block
eher Panikmache angesagt ist.
Nicht nur die "Bild"-Zeitung läuft seit drei Jahren beim Thema
LINKE immer wieder zu ihrer gewohnten
Form auf. Auch vermeintlich ehrwüdige
Blätter schicken ihre Schmähbarden in die Arena, wenn es darum
geht, die LINKE zu verteufeln. So
diffamiert Tissy Bruns, früher ebenfalls
bei der taz, Oskar Lafontaine im "Tagesspiegel" als den
"deutschen Haider", nennt den
Saarländer und Gregor Gysi "Rattenfänger".
Christoph Schwennicke von der Süddeutschen Zeitung
vergleicht Lafontaine gar mit
Rumpelstilzchen. "Er wird sie aufpeitschen, er wird
sich aufpeitschen wie der Gnom am Feuer aus dem
Märchen" schreibt der Märchenexeget und
entdeckt im Blick des Linken von der Saar auch
gleich noch ein "machtwohliges Gltizern". Mit "Die
Stunde des Demagogen" betitelt
Schwennicke sein Schauermärchen. Wohl wahr, aber
anders als Schwennicke es meint.
Wenn es um DIE LINKE geht, scheinen bei einigen alle
Sicherungen durchzubrennen. Nicht nur
LINKE-Anhänger tippen sich angesichts
solcher Ergüsse an den Kopf. Niemand hat etwas gegen
ironisches Kolorit. Florettstiche gegen
die Exponenten der politischen Konkurrenz
gehören zu einem gut gewürzten Artikel. Wenn aber
Belege, Fakten, Zahlen völlig fehlen
und nur noch zum Schmutzkübel persönlicher
Diskriminierung gegriffen wird, dann ist der Rubikon
eines vertretbaren Journalismus
überschritten.
Clements gigantischer Sieg
Eine Sonderstellung in der Gilde der Hofautoren nimmt Bettina
Röhl von der "Welt" ein. Ein Jahrzehnt
lang hat Alfred Tetzlaff als verschroben
rechtslastiger CDU-Wähler die Republik zu Lachtränen
gereizt, inzwischen hat Röhl diese
Rolle übernommen. "Der gigantische Sieg, den
Clement eingefahren hat und der in seiner Größe noch
nicht erkannt ist", beginnt einer ihrer
letzten "Top"-Artikel. Es hätte niemanden
gewundert, wenn die Jubel-Story wie ein maoistischen
Traktätchen geendet hätte: "Hoch die
immer siegreichen Schröder-Ideen!".
An unfreiwilliger Komik kann es mit Bettina Röhl wohl nur noch
Wolfram Weimer, Chef des Politmagazins
"Cicero", aufnehmen. In seinem
Leitartikel "Das kalte Herz" klagt er über die Schlechtigkeit
der Welt im allgemeinen und die der
LINKEN im besonderen: "Wer wie Lafontaine
das mephistophelische Bündnis mit Totalitaristen
eingeht, wird Teil davon. Da er mit
seinem Comeback zudem die persönliche Rache als
Stilfigur in die Politik einführt, entfesselt er die
Welt der niederen Instinkte. Es
vollzieht sich jenes Wechselspiel aus Grausen und
Faszination, das sich selber nährt." Grausen ist
tatsächlich angesagt - vor allem beim
Lesen solch schwülstiger Stimmungslyrik.
Sicher, es gibt immer noch Mini-Oasen nonkonformistischer
Meinungsfreiheit, da und dort einen kleinen
Wiesengrund, eine ökologische Nische
der Unabhängigkeit im Kalkgebirge der deutschen
Medienlandschaft: "Die Linkszeitung", "Der Freitag"
oder "Das Blättchen" zum Beispiel - hin
und wieder sogar die taz. Doch im
Vergleich zur alles überschattenden Masse neoliberaler
Traktatliteratur sind die steigenden Nutzerzahlen und
Auflagen dieser Medien noch immer zu
klein.
Richtig ist auch, dass nicht alle "Topjournalisten" ihren
Verlegern nach dem Munde reden und nur
Betthupferl für deren Nachttischchen
schreiben. Noch gibt es Leute wie Heribert Prantl, Peter
Dausend, Robert von Heusinger, die
gegen den Strom denken, mit eigenem Kopf und
Differenzierungsvermögen und dem nötigen Maß an
Sachlichkeit und Fairness. Doch solche
Medienleute sind inzwischen sehr dünn gesät.
Früher gab es Verlegerpersönlichkeiten, Herausgeber und
Chefredakteure wie Theodor Heuss, Henri
Nannen, Grafin Dönhoff, die Wert auf mehr
Meinung als nur ihre eigene legten und die für pure
Polemik nicht zu haben waren, die das
Abrutschen der Artikel auf das Niveau von
Mittelstufenaufsätzen, das Überhandnehmen von
persönlicher Diffamierung in ihren
Periodika konsequent stoppten.
Das krasse Gegenteil zu dieser Art verantwortlicher
Publizisitk stellt Mathias Döpfner dar,
Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG.
"Oskar Lafontaine, der nationale Sozialist" heisst
eines seiner Pamphlete, das er Anfang
Juli 2007 in "Welt" setzte. Es endet mit den
Worten: "Oskar Lafontaine muss mit allen demokratischen
Mitteln bekämpft werden. Aber will sich
das eigentlich noch jemand zumuten?"
Das klingt nach mehr als nur einem versteckten Aufruf zu
Gewalt und erinnert fatal an das
Kesseltreiben gegen Rudi Dutschke vor rund 40
Jahren.
Editorische Anmerkungen
Den Text
erhielten wir über "LINKE-Links,
ex-WASG-Infos" <WASG-Infos@yahoogroups.de>