Krieg in Georgien
Ein Kampf um die Kontrolle der kaspischen Öl- und Gasvorkommen
Stellungnahme des Internationalen Büros für die revolutionäre Partei (August 2008)

7/8-08

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Wahrscheinlich bringt wohl der Wortwechsel zwischen Putin und Bush während der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele die gegenwärtige Lage im Südkaukasus als auch gegensätzlichen Standpunkte der Opponenten am besten auf den Punkt: Putin soll gesagt haben, dass „faktisch ein Krieg in Südossetien“ ausgebrochen sei, dass die Intervention allerdings begrenzt sei, um dann hinzuzufügen, dass „sich in Russland viele Freiwillige gemeldet haben und es zweifellos schwer sein wird, den Frieden in der Region zu erhalten“. Bush begnügte sich damit, zu entgegnen, dass niemand einen Krieg wolle. Die genauen Abläufe die zum Ausbruch des Konflikts in der Nacht vom 7. bis zum 8 August führten sind noch nicht klar. Auf jeden Fall kündigte sich die Eskalation in einer Serie wechselseitiger Provokationen an – so war auch die schon Anfang Juni einsetzende Evakuierung von Frauen und Kindern aus Südossetien ein alarmierendes Zeichen. Bereits im Laufe des nächsten Tages kämpften georgische und russische Truppen um die Kontrolle von Zschinwali, der südossetischen Hauptstadt. Währenddessen griffen russische Kampfflugzeuge die Stadt Gori und andere Ziele auf georgischem Territorium an und zerstörten den Hafen von Poti, der in direkter Nähe zu den Öllagern von Supsa liegt. Es wurden Kampflugzeuge aus Armenien gesichtet, und der Konflikt breitete sich schnell auf die andere separatistische Region Abchasien aus, von wo eine Offensive gegen die georgischen Truppen in der Schlucht von Kodori gestartet wurde. Es ist schwierig, die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung zu schätzen. Russische Quellen gehen von einen Massaker an 1.500 Menschen (darunter viele Zivilisten) aus, aber diese Zahlen werden von Tibliss dementiert. Sicher ist nur, dass keine der Angriffe, sei er nun von ossetischen und georgischen Territorium, die Zivilbevölkerung verschont hat. Der georgische Präsident Saakaschwili hat sich explizit für eine Intervention der USA ausgesprochen: „Es ist keine georgische Frage mehr. Es ist eine Frage Amerikas und seiner Werte. Wir sind eine freiheitsliebende Nation die angegriffen wird.“ Lassen wir für einen Moment den angeblich demokratischen Charakter des reaktionären Saakaschwili-Regimes außer acht, welches genauso wie das seiner amerikanischen Gönner auf Nepotismus und der Repression gegen jede Opposition basiert. Es lieht auf der Hand, dass die Ereignisse in Ossetien nicht nur den Konflikt zwischen Russland und Georgien angeheizt hat, sondern die Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA über die NATO, bzw die NATO-Aktivitäten im ehemaligen sowjetischen Einflussgebiet: Die Kontrolle über die Handels- und Transportrouten der kaspischen Öl- und Gasvorkommen – das sind die eigentlichen „Werte“ die derzeit auf dem Spiel stehen. Dies ist ein weiterer Beweis dafür (falls Beweise überhaupt nötig sind), dass in der Epoche des Imperialismus jede nationale Frage vom viel umfassenderen Prozess des imperialistischen Auseinandersetzungen unweigerlich absorbiert wird. Südossetien bildet davon keine Ausnahme. Dieser Konflikt ist nicht vom Himmel gefallen, sondern schon seit Jahren in Vorbereitung. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 waren die Beziehungen zwischen Georgien und Russland niemals besonders eng. Sie haben sich aber entscheidend nach der sog „Rosenrevolution“ verschlechtert – eine der vielen vom US-Kapital finanzierten Farbenrevolutionen – die das schwache und korrupte Schewardnadse-Regime durch des Ultranationalisten Saakaschwili ersetzte. Die „Spionagekrise“ Ende 2006 war ein weiterer Indikator für das Anwachsen von Spannungen. Damals schrieben wir: „Ursache der Spannungen auf dem Kaukasus ist der grenzenlose Kampf über die Kontrolle der Energievorkommen. Bis jetzt war die einzig gangbare Route für das Öl von Baku bis Tengiz die CPC-Pipeline, die Russland nahezu die ganze Kontrolle über die Ressourcen in der Region ermöglichte. Aber mit der Eröffnung der Baku-Tiblis-Ceyhan Pipeline (BTC) am 13. Juli wird das Öl fließen ohne russisches Territorium zu überqueren. Eine weitere Route für Gas, die South Caucasus Gas- Pipeline ist kurz vor der Fertigstellung.“

Seitdem hat es viele entscheidende Veränderungen gegeben. Spannungen sind an der Frage des Raktenabwehrschildes entstanden, den die USA in Polen und der Tschechei stationieren wollen. Gleichzeitig hat die Errichtung von US-Militärbasen im Kaukasus und Zentralasien den russischen Imperialismus zusätzlich provoziert, da er diese Gebiete als sein „Hinterland“ beansprucht. Ein Ereignis, welches Russlands Geduld über Gebühr strapazierte, war die im letzten Frühling getroffene Vereinbarung über Energieimporte aus Zentralasien ( Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan) die zu heftigen Verlusten von Gazprom führte. Die Staaten in Zentralasien waren in der Lage, annehmbare Preise mit der Drohung auszuhandeln, den Handel anderswo zu verlegen. Hier spielen die Pipelines eine wichtige Rolle.

Aber die Rahmenbedingungen haben sich verändert. In erster Linie hat die internationale Finanzkrise, die mit der sog „sub-prime crisis“ in den USA begann, die innerimperialistische Konkurrenz verschärft. Der russische Außenminister erklärte diesbezüglich: „Die USA sind am Rande einer Überlebenskrise, einer massiven Krise (…) Die USA schlittern in drastische und schreckliche Veränderungen wenn sie nicht lernen mit ihren Mitteln hauszuhalten.“ Er sagte dann eine geringere gegenseitige Abhängigkeit in den Beziehungen zwischen Russland und den USA auf politischer und militärischer Ebene voraus, sowie eine größere Unabhängigkeit von der geschwächten US-Währung. In der Tat kündigt sich eine tiefere Krise des US-Imperialismus an, die untrennbar mit der Finanzkrise verbunden ist. Die USA stecken nicht nur in Afghanistan und im Irak fest, sie haben es dieses Jahr nicht einmal geschafft, Georgien und die Ukraine in die NATO zu holen. Dies hätte die NATO bis an die Grenzen Russlands ausgeweitet. Stattdessen wurde auf dem NATO-Gipfel diesen Jahres in Bukarest, den ehemaligen Sowjetrepubliken aufgrund des Drucks des russischen „Njet“ und des Widerstandes Deutschlands und Frankreichs die Tür zugeschlagen. Dieser missglückte Schachzug der USA führte der russischen Regierung das Ausmaß der Schwäche des US-Imperialismus deutlich vor Augen. Sie signalisiert nun ihre Willen die Führung auf internationaler Ebene zu übernehmen. Sicher ist Russland nicht immun gegen die Krise des Akkumulationszyklus. Dennoch schielt es auf die Möglichkeit, die Krise auszunutzen, und zu versuchen eine Dominanz des Rubels über den Dollar herzustellen und die Energiepreise zu kontrollieren (…).Russland strebt danach, sich im Zentrum der imperialistischen Weltordnung wieder zu etablieren – sowohl auf der Ebene der Rohstoffe für Energie ( Russland ist einer der weltweit größten Exporteure von Gas und Öl) als auch auf dem Finanzsektor. In diesem Zusammenhang muss Putins „Maigesetz“ gesehen werden. Dieses zwang die russischen Unternehmen, den Verkauf von Gold und Öl in Rubel umzusetzen und so eine direkte Konkurrenz zum Dollar herzustellen. Das geopolitische Magazin Limes berichtet, dass es innerhalb des Kremel das Ansinnen gibt, die Gründung einer „Russischen Union“ fortzusetzen. Auch wenn der Name sehr an Sowjetunion erinnert, ist dieses Unterfangen alles andere als eine ahistorische Rückkehr zu alten Herrschaftszeiten. Das neue Projekt ist noch ambitionierter, da es auf der semi-monopolitischen Kontrolle der Energieressourcen, der Transport – und Verkehrswege basiert, und dieses Geschäft einträgliche Revenuen verspricht. Dies würde Russlands Einfluss weit über die alten Grenzen der Sowjetunion ausweiten.

Die verschiedenen imperialistischen Mächte betreiben rücksichtslos die Konzentration und Zentralisation von Kapital um das Machtgefüge in ihrem Sinne zu beeinflussen. Was heute als ein Vorrücken Russlands erscheint, ist in Wirklichkeit nur ein Schritt zu einem viel umfassenderen Konflikt. Was sie betreiben, bedeutet für die Arbeiterklasse nicht nur die Fortsetzung und Intensivierung der Ausbeutung um ein dekadentes System am Laufen zu halten, sondern einen immer größeren Blutzoll, um die imperialistischen Appetite konkurrierender Mächte zu befriedigen.

Internationales Büro für die revolutionäre Partei (August 2008)

Partito Comunista Internazionalista – Battaglia Comunista (Italien)
Bilan et Perspectives (Frankreich)
Communist Workers Organisation (Großbritannien)
Gruppe Internationaler SozialistInnen (BRD)
Internationalist Workers Group / Groupe Internationaliste Ouvrier (USA/Kanada)

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von der Gruppe Internationaler SozialistInnen.