Betrieb & Gewerkschaft
Die Gewerkschaft tritt auf der Stelle

von "
Aug und Ohr "

7/8-09

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Vorbemerkung.  In Österreich ist es etwas Außergewöhnliches, daß überhaupt gewerkschaftliche Kundgebungen im Freien stattfinden. Jahrelang war da tote Hose. Eine unabhängige Gewerkschaftsbewegung etwa in Form der Cobas, ist, so scheint es, noch lange nicht in Sicht. Der Druck der Basis hat allerdings die monolithische gelbe Einheitsgewerkschaft ÖGB in den letzten Jahren mehrere Male dazu gebracht, einige bombastische und rituelle Großkundgebungen zu veranstalten, die unter der ausschließlichen Kontrolle der gelben Leitung stehen und auf der nur einige wenige Funktionäre sprechen dürfen - immer die selben. Hier wird Bewegung durch mechanische, tote Ausbreitung erstickt, ein altes Rezept.

Es ist wesentlich krasser als in anderen Ländern. Nun hat man seit einiger Zeit einige populistisch recht begabte Professionelle auf die Leute angesetzt, um ein Scheinbild von Militanz hervorzubringen und durch Spektakularität einem jeglichen Basisimpuls das Wasser abzugraben. Vielleicht kommt das in der Schilderung durch.

Den Siemens-Kämpfen in anderen Ländern wird jedenfalls durch eine solche Schaukelpolitik nichts Gutes getan, sie kriegen, wie man in Wien sagt, a Hakl ins Kreiz.

Die Reden der Gewerkschaftler gehen allerdings - wie man an dieser Kundgebung sieht - für österreichische Verhältnisse sehr weit. Klingen äußerst wagemutig und dienen dazu, den Glauben an die Gewerkschaft als reelle Interessensvertretung zu stärken.

Eine Reihe von Betriebsschließungen wurde in den letzten Jahren mit großem kämpferischen Getöse begleitet, letztendiglich segnet die Gewerkschaft die Liquidierungen immer ab und folgt den Intentionen des Kapitals. Wahrhaft eine "organische" Gewerkschaft: sie ist voll in die Kommandostrukturen des Kapitals integriert. In dieser Hinsicht und insbesondere auf der Ebene der Kommunikationspolitik, hat der österreichische Staat wahrhaftig etwas "Totalitäres".

SIEMENS: DIE GEWERKSCHAFT TRITT AUF DER STELLE.

Gut besucht war die Kundgebung der Siemens-Mitarbeiter am Dienstag den 23. Juni trotz des grauenhaften Wetters. Laut Veranstalter waren 2000 Leute zusammengekommen, aber es war wieder eine höchst ambivalente Show, die die Gewerkschaft da abspulte.

Anlaß war die ankündigte Massenentlassung, die dem Riesenkonzern umsomehr angelastet wird, als er im vergangenen Jahr ungeheure Gewinne zu verbuchen hatte.

Die Zahlen gab Ataollah Samadani, Betriebsratvorsitzender von SIS-CT Wien (früher PSE), zu Beginn bekannt. Die traditionsreiche PSE (Program and System Engineering) wurde Anfang April 2009 von der Münchner Konzernführung gegen den Willen der Belegschaft in zwei Einzelbereiche, einen größeren und einen kleineren, SIS und CT, aufgespalten, daher gilt Samadani noch als PSE-Betriebsratvorsitzender, de facto ist er der eines Spaltprodukts.

„Allein in unserem Bereich, SIS International,“ so berichtete der Vorsitzende, „haben wir 2008 5,3 Milliarden Euro umgesetzt. 19 Milliarden Euro beträgt der Umsatz von Siemens weltweit. Für dieses Jahr haben wir, bei SIS, 6,6 Milliarden Euro zu erwarten.“

Auch in kleinsten Regionen gab´s enorme Gewinnanstiege: Allein in Vorarlberg ist der Umsatz von 50 auf 67 Millionen Euro gestiegen, in Niederösterreich beträgt der Anstieg gar 30 %. „Jetzt haltet euch fest. In der Steiermark gab´s dank unseren Kolleginnen einen Auftragseingang von 1,4 Milliarden. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Kolleginnen die das erwirtschaftet haben.“ So Samadani.

Die Zahlen wurden dramatisch vorgetragen, aber im Lauf der Veranstaltung zeigte sich das wahre Gesicht der Gewerkschaft. Denn es zeichnet sich ab, daß sie einen ganz großen Rückzieher machen wird, und Gespräche zwischen dem Betriebsrat und dem WAFF (Wiener Arbeitnehnmer Förderungsfonds, richtet auf die übliche Weise öde Zwangskurse ein) haben, wie die Presse berichtet, bereits stattgefunden. Samadani gab sich an einer Stelle der Veranstaltung bereits geschlagen und akzeptierte eine künftige "Auffanggesellschaft"; ließ aber gleichzeitig öffentlich über eine "Arbeitsniederlegung" abstimmen, was von den Versammelten positiv beantwortet wurde. Ist es eine Politik der gesteuerten Verwirrung?

Der griffig formulierende und beliebte Gewerkschaftler erklärte wörtlich, man suche "effiziente, anständige Auffangstrukturen aufzubauen" und hob dabei ein niederländisches Modell hervor, mit dem Arbeitslose aus Forschung und Entwicklung in staatlichen Forschungsbereichen eingesetzt werden, akzeptierte damit also den zu erwartenden Kahlschlag, ließ aber andererseits die Versammelten auf der zu einer Betriebsversammlung umfunktionierten Kundgebung wie auf einer Bühne für eine "Arbeitsniederlegung" abstimmen.

Dabei erwähnte er das Angebot der Gegenseite, eine Transfergesellschaft einzurichten, bei der man auch auf die freiwillige Abfertigung verzichten müsse, und fragte darauf drei Mal: "Wollt ihr dieses Angebot?" Drei Mal die Antwort: Nein.

Man habe am Vorabend bis um 1/2 10 in der Nacht Gespräche geführt. "Bewegung: Null."

Und er fragte prägnant: "Sollte die Firma ohne Rücksprache und Einigung mit uns die Leute bei AMS anmelden, seid ihr dann auch bereit, die Arbeit niederzulegen?"

Die Antwort lautete: Ja!

Und er forderte auf, die Antwort zu wiederholen. "Ja!" war einhellig zu vernehmen. "Auch das war laut genug".

Daraufhin werden 600 schwarze Ballons in den Himmel geschossen, Symbol für die 632 Siemens-Mitarbeiter, die entlassen werden sollen. "Sie sind schwarz wie die Seele jener Menschen, die 632 Menschen arbeitslos machen wollen", so Samadani.

Das Wort "Streik" wurde weder von dem ebenfalls anwesenden Katzian (Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten), noch von den anderen Rednern in den Mund genommen.

Das Ziel der sozialdemokratischen Politiker dürfte es sein, einen kleinen dramatischen Protesttupfer in Form einer "Arbeitsniederlegung" - die vielleicht auch nur zwei Stunden lang andauern mag - anzubringen, quasi als Begleitung des angekündigten totalen Abbaus, der in eine "Auffangstruktur" münden wird, die von der Gewerkschaft bereits jetzt konzipiert und akzeptiert wird.

Und wieder sprach niemand von der Belegschaft auf der ganzen Kundgebung, nur Funktionäre!

Und das soll eine "Betriebsversammlung" sein?

Das soll eine kämpferische Gewerkschaft sein?

Anmerkung:

Der Proteste gegen die Entlassungen bei Siemens begannen in Österreich mit einer größeren Kundgebung im vergangenen November. Wir versuchen, die populistischen Strategien der gelben Gewerkschaft zu schildern. Siehe dazu den ersten Teil: AuO: Bewegung via Gewerkschaft

Editorische Anmerkungen

De Text erschien zunächst bei Indymedia am 26.6.09. Wir spiegeln von dort.