Braunbuch DDR
Fakten, an denen man als Linker nicht vorbeikommt


von
Karl-Heinz Schubert

7/8-09

trend
onlinezeitung

Als das BRAUNBUCH DDR 1981 in erster Auflage erschien, galt es gemeinhin unter Linken als Propagandamachwerk des Kalten Krieges, um dem in der DDR 1965 veröffentlichten BRAUNBUCH entgegen zu wirken, das SS-Dienstränge und NS-Parteiämter von 1.800 Wirtschaftsführern, Politikern und führenden Beamten der Bundesrepublik Deutschland auflistete.

Nun folgte nach  Überarbeitungen des Datenbestands die zweite Auflage des BRAUNBUCH DDR  im Frühjahr 2009.

Der Autor, Olaf Kappelt, ist, daran lässt er keinen Zweifel, ein Vertreter der bürgerlichen Soziologie. Der positivistische Soziologe René König lieferte ihm die Untersuchungsmethode, wie sie in der bürgerlichen Empirischen Sozialforschung gang und gäbe ist; die sich expressis verbis als Gegenentwurf zur Kritischen Theorie versteht und mit dieser um den ideologischen Einfluss - vornehmlich an den westdeutschen - Universitäten ringt. Folgerichtig hängt Kappelt politisch der Totalitarismus-These "rot=braun" an.

Ganz in diesem Sinne lieferte Otto von Habsburg - Führungsfigur der rechtskonservativen Paneuropa-Union ("Für ein Europa der Völker") 1981 das erste Vorwort. Darin heißt es in platter Holzschnitt-Rhetorik: "Die vorliegende Dokumentation ist somit eine brauchbare Waffe gegen jene, die Deutschland diskreditieren wollen. Man wird Widersacher nicht zum Schweigen bringen, aber den Gutgläubigen zeigen, dass die sogenannte DDR und nicht die Bundesrepublik das geistige Erbe Hitlers übernommen hat."

Im zweiten Vorwort richtet  Wendehals Günter Scharbowski als DDR-Insider voll dem Zeitgeist folgend das ideologische Feuer auf die Linkspartei: " So illegitim und anmaßend es ist, wenn sich die Linke und zuvor die PDS als Rächer der „enterbten Ostdeutschen" aufwirft, die sie selbst enterbt hat, so wenig einspruchslos kann es hingenommen werden, wenn diese Partei unter Berufung auf eine anti-faschistische Seelenbeschaffenheit die Rolle eines besonders ausgewiesenen Wächters oder gar Richters in der bundesdeutschen Demokratie übernimmt, wenn es um Neonaziumtriebe geht."

Kurzum bei dem hier vertretenen Wissenschaftsverständnis und den platten Propagandasprüchlein in den Vorwörtern gehen einem als Linken die Nackenhaare schon hoch. Dennoch befördert Kappelt schlussendlich gestützt auf seine  rot=braun-These Tatsachenmaterial zu Tage, das Deutschland quer zu den politischen Absichten des Herrn Habsburg sehr wohl diskreditiert. Daran kommt man als Linker nicht vorbei. Hier findet sich tausendfach empirisches Material fürs antideutsche Geschichtsbild.

Deutsche Lebensläufe

Aus dem rund 1000 Personen umfassenden Datenmaterial habe ich einige Lebensläufe wahllos aus dem ersten Drittel herausgegriffen. Ein weiterer Kommentar dazu erübrigt sich.

  • Arnold, Richard

geb.  21.10.1885 in Naschhausen-Orlamünde, gest.:  03.03.1966

Vor 1945:

Fabrikantensohn, ab 1901 Besuch des Lehrerseminars in Altenburg, 1906 dort Reifeprüfung, ab 1909 Anstellung als Volksschullehrer in Roda, 1912 Ableistung der Mittelschullehrerprüfung, ab 1913 Mittelschullehrer in Roda, 1914 Bestehen der Rektorenprüfung, ab Juni 1915 Teilnehmer am 1. Weltkrieg, ab September 1915 russische Kriegsgefangenschaft, 1920 Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft in Sibirien, Beurlaubung vom Schuldienst, Studium in Jena und Leipzig, 1923 Promotion zum Dr. phil. an der Universität Leipzig, 1924 Wiedereintritt in den Thüringischen Schuldienst, Sonderbeauftragter für Berufsberatung und volkswirtschaftliche Belehrung, Berufsschullehrer in Gera, zeitweise stellv. Schulrat, ab 1928 Referent und Regierungsrat in der Abteilung Volksbildung im Thüringischen Ministerium für Volksbildung und Justiz. Am 1.4.1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 1 792 249, Mitglied der NSDAP-Ortsgruppen Weimar (Gau Thüringen) und Berlin, Angehöriger der SA, Beförderung zum SA-Oberscharführer, seit 1933 Mitglied im NS-Lehrerbund und seit 1.7.1934 Mitglied in der NSV, August 1933 Beförderung zum Ministerialrat, bis 1939 Abteilungsleiter im Volksbildungsministerium des Landes Thüringen, 1936 Besuch der Staatsschule für Führertum und Politik in Bad Berka, seit 1937 Mitglied im Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK), 1938 Verleihung des Treudienst-Ehrenzeichens durch Adolf Hitler, zeitweise Vorsitzender des Prüfungsamtes für Volksschullehrer und Vorsitzender bei den Vorprüfungen der Polizeibeamten, von 1939 bis 1945 Ministerialrat im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin.

Simon Wiesenthal zitiert aus seinen Lebenslauf, in dem Arnold selbst bekannte: „zuständig für die vollständige Entjudung des deutschen Geisteslebens. Diese Entjudung ist nicht nur personell durchzuführen - durch Beseitigung aller Juden und Judenknechte aus Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Es geht um die Tilgung jeglicher Spur Judengeistes aus der deutschen Kultur".

Nach 1945:

erneute politische Betätigung, Eintritt in die NDPD, Dozent an der Hochschule für Nationale Politik in Waldsieversdorf, anschl. Redaktionssekretär des theoretischen Organs der NDPD „Der nationale Demokrat", jahrelanger Vorsitzender der Nationalen Front der DDR in Berlin-Treptow, Lektor im DDR-Verlag der Nation, in der DDR-National-Zeitung wird sein Wirken entsprechend gewürdigt: „Ihr Vorbild gab vielen Angehörigen des städtischen Mittelstandes und ehemaligen Mitgliedern der NSDAP Klarheit, Kraft und Mut."

Auszeichnungen: Ehrenkreuz für Frontkämpfer, Treuedienst-Ehrenzeichen (1938), Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Bronze

  • Ball, Kurt Herwarth

geb: 07.09.1903 in Berlin

Vor 1945:

Landwirtssohn, 1920/21 und 1921/22 Besuch der Landwirtschaftlichen Winterschule in Angermünde, 1924 Kreisvorstandsmitglied der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP), 1924/25 Mitbegründer und 1. Vorsitzender des Junglandbundes im Kreis Angermünde, Teilnahme am Küstriner Putsch, 1925/1926 Schriftleiter der Angermünder Zeitung, Mitglied des Alldeutschen Verbandes, 1930 Geschäftsführer der DNVP in Rathenow, Braunschweig und Beeskow, am 1.5.1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 3 545 700, Blockhelfer der NSDAP. Ab 1.1.1932 bis 31.12.1935 Hauptschriftleiter der völkischen und antisemitischen SS-Zeitschrift „Hammer", Mitarbeit bei dem SS-Zentralorgan Schwarze Corps und den Zeitungen „Freiheitskampf' (Sachsen), .Deutschlands Erneuerung", „Braune Post", ab 1933 ständiger Mitarbeiter des Reichssenders Leipzig in der Abteilung „Weltanschauung", teilweise publizistische Tätigkeit unter Pseudonym „Jochen Dreetz" bzw. „Joachim Draetz", Verfasser zahlreicher völkischer Romane, die nach 1945 auf der „Liste der auszusondernden Literatur" standen, u.a.: „Die Wege der Wolfssöhne" (1938), „Germanische Sturmflut" (Erzählung, 1936), „Spuk an der Oder" (1938), „Der blinde Bauer" (1939), der Reichssender Leipzig beschrieb in einem Beitrag am 30.4.1936 Balls Bücher als „Kampfschriften des nordischen Geistes", das Schulungsamt der SS empfahl seine Bücher als Lektüre, Hörfunkautor beim Reichssender Leipzig (u.a. „Fahnen des Ruhmes - getragen in Ehre", „Bewährung ist Sieg") ab 1937 V-Mann des SD im Rahmen eines als „geheime Reichssache" deklarierten Vorgangs für das Reichssicherheitshauptamt (Außenstelle Leipzig), 1940 freiwillige Meldung zu einer Propagandakompanie, Angehöriger der Polizeireserve Leipzig, zeitweise während des 2. Weltkrieges in Den Haag für die weltanschauliche Betreuung der Ordnungspolizei zuständig, SS-Kriegsberichterstatter, Kriegseinsätze in Italien, Frankreich, Jugoslawien und an der Ostfront.

Nach 1945:

Beschlagnahmung seines Eigentums in Leipzig wegen seiner NS-Belastungen, zeitweise Hilfsarbeitertätigkeit in einer Gießerei in Leipzig, Kulturjournalist bei der „Leipziger Volkszeitung", Anfang 1949 Eintritt in die NDPD und Zulassung als freier Schriftsteller durch das Volksbildungsamt der Stadt Leipzig, Mitglied der Gewerkschaft Kunst im FDGB, Arbeiterschriftsteller im Auftrage des FDGB in einem großen Textilbetrieb, ab März 1949 NDPD-Ortsverbandsvorsitzender in Leipzig, 1950 Referententätigkeit für die Nationale Front in Leipzig, 1948 Eintritt in den Kulturbund und Mitbegründer eines Schriftstelleraktivs im DDR-Kulturbund. Autor von etwa 13 Büchern, die in den Verlagen „Neues Leben", „Aufbau-Verlag" und „Verlag der Nation" erschienen, 1951 Eintritt in die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF), 1949 bis 1952 Redakteur der Leipziger Beilage der DDR-National-Zeitung und Stadtbezirksverordneter in Leipzig-West, Mitarbeit beim DDR-Friedensrat, 1963 Leiter des Zirkels schreibender Arbeiter im VEB-Braunkohlenwerk Profen b. Zeitz, ab 1964 Sekretär des DDR-Schriftstellerverbandes im Bezirk Leipzig, 1968 begrüßte er in verschiedenen publizistischen Stellungnahmen die Okkupation der CSSR, um „Ruhe und Ordnung wieder herzustellen."

Auszeichnungen: Ehrennadel der Nationalen Front der DDR (1957)

  • Bretschneider, Anneliese

geb:  1898 gest.: 1984

Vor 1945:

Arbeitete seit 1924 in Marburg am Grundlagenwerk „Deutscher Sprachatlas", 1932 Eintritt in die NSDAP, übernahm im Kulturpolitischen Archiv des Amtes Rosenberg bedeutsame Forschungsaufgaben, verfasste Gutachten über Fachkollegen, 1939 begründete sie das „Brandenburgisch-Berlinische Wörterbuch", Mitarbeiterin für den Sicherheitsdienst (SD), diente sich dem Auswärtigen Amt als Mitarbeiterin an, um Besitzansprüche gegenüber Polen durch wissenschaftliche Fundierung geltend zu machen, erwarb sich als NS-Linguistin frühzeitige wissenschaftliche Reputation, insbesondere durch ihre ideologisch einseitig geprägte Schrift „Deutsche Mundartenkunde".

Nach 1945:

Weiterarbeit an sprachwissenschaftlichen Projekten, insbesondere für das „Brandenburg-Berlinische Wörterbuch", 1957 Lehrauftrag an der Humboldt-Universität zu Berlin, Ernennung zur Professorin in Potsdam, Mitglied der DDR-Akademie der Wissenschaften.

  • Dreßler-Andreß, Horst

geb.: 08.04.1899 in Zeitz    gest.:t 19.12.1979 in Berlin

Vor 1945:

Tischlersohn, Tätigkeit in einer Lederfabrik, ab 1917/18 Freiwilliger im 1. Weltkrieg in einem Infanterieregiment, danach erste schriftstellerische Betätigung, Besuch der Reinhardt-Schule des Deutschen Theaters in Berlin, Regisseur am Theater am Kurfürstendamm in Berlin, 1925 bis 1928 am Theater in Gera, am 1.5.1930 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 237 435, leitende Tätigkeit in der Nationalsozialistischen Betriebsorganisation (NSBO), laut Deutschem Führerlexikon von 1934 „theoretischer Begründer einer nationalsozialistischen Theaterpolitik" und „1930 Gründer der nationalsozialistischen Gruppenbewegung der Künstler und geistigen Arbeiter; seit 1929 Begründer und Führer der nationalsozialistischen Rundfunkpolitik", Leiter der Rundfunkabteilung der Reichsleitung der NSDAP, 1932 NSDAP-Abgeordneter des Preußischen Landtages. Ab 1933 bis 1938 Leiter der Abteilung Rundfunk im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda im Rang eines Ministerialrates sowie Präsident der Reichsrundfunkkammer, 1934 Gründer und von 1934 bis 1937 Reichsamtsleiter der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" (KdF) in der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Oktober 1938 Ruhestandsversetzung.

Der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, erkannte in Dreßler-Andreß den Verfasser von ideologischen Schriften, „darunter 'Der Rundfunk - das Verkündigungsmittel der Nationalsozialistischen Weltanschauungseinheit' und 'Der Rundfunk - das Instrument des neuen Staates'. In einem Brief an Heinrich Himmler hob der berüchtigte Massenmörder SS-Obergruppenführer Kurt Daluege die Verdienste Horst Dressler-Andress 'um den Rundfunk' besonders hervor".

1934 Autor des Buches „Deutsche Kultur im Dritten Reich". Ab 1940 Angehöriger der Deutschen Wehrmacht, Einsatz in Polen zur Sicherung des General-Gouvernements, Mai bis September 1940 Teilnehmer am Frankreichfeldzug, seit Sept. 1940 Propagandaleiter der NSDAP in Lublin, wozu Simon Wiesenthal ermittelte: „Zu diesem Verwaltungsbezirk gehörten übrigens die Massenvernichtungslager Majdanek und Belzec", ab 8.5.1941 Leiter des Führungsamtes 2 beim Arbeitsbereich 2 der NSDAP in Krakau, ab August 1941 Beauftragter der NSDAP in Lemberg, Aufbau der NSDAP-Organisation im Distrikt Galizien, April 1943 Verfasser einer Propaganda-Denkschrift zum „zehnjährigen Nationalfeiertag der Deutschen Arbeit", seit Oktober 1943 hauptamtlich beim Gouverneur des Distrikts Krakau als Leiter der Propagandaabteilung tätig, von der Regierung des Generalgouvernements für den Parteidienst freigestellt, hat sich durch seinen dienstlichen Einsatz schwere Erkrankung zugezogen. Seit März 1945 ebenfalls Erkrankung seiner Kinder, deshalb ansässig in Steinach/Thüringen.

Nach 1945:

erneute politische Betätigung, Wirtschaftshelfer und Schriftstellertätigkeit, bekannte sich im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens zum „wissenschaftlichen Sozialismus als den einzig möglichen Weg zur Lösung des sozialen Problems" und wurde im März 1948 als „Minderbelasteter in die Bewährungsgruppe eingestuft", ab 1948 maßgeblich beim Aufbau der NDPD beteiligt, Mitarbeiter beim Parteivorstand der NDPD-Landesverbände Berlin und Thüringen, Leiter der Abteilung Presse- und Rundfunk des NDPD-Landesverbandes Thüringen, Mitglied im Hauptvorstand der NDPD, Mitarbeiter des Nationalrates der Nationalen Front der DDR, 1955 Beteiligung an der Werbekampagne zur Bildung der DDR-Armee, Vortragstätigkeit in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, ab 1959 Regisseur in Eisenach, ab 1962 Oberspielleiter in Meiningen, ab 1963/64 Spielleiter in Eisenhüttenstadt, dort zeitweise künstlerischer Leiter des Arbeiter-Theaters, starb 1979 in Berlin.

Auszeichnungen: Komturkreuz des Ordens der Krone von Italien (1937), Kriegsverdienstkreuz (1. Kl.), Verdienstmedaille der DDR (1969)

  • Funke, Heinz

geb.: 06.05.1911 in Waldenburg / Sachsen  gest.: 03.04.1993

Vor 1945:

Handlungsgehilfensohn, Abitur, 1930 bis 1936 Medizinstudium an den Universitäten Wien, Breslau, Würzburg und München, am 3.11.1933 Eintritt in die SS, Mitglieds-Nr. 121 347, SS-Angehöriger in Würzburg, Beförderung zum SS-Scharführer, Promotion zum Dr. med., am 1.5.1937 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 4 846 055, Angehöriger der NSDAP-Ortsgruppe Osterburg (Gau Magdeburg-Anhalt), ab 1936 Medizinalassistent und ab 1938 1. Assistenz-Arzt am Stadtkrankenhaus in Osterburg, Medizinischer Sachbearbeiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Angehöriger der Ärztekammer Magdeburg-Anhalt, beauftragt mit der Führung der SS-Sanitäts-Staffel 1/17, ab 1939 Angehöriger der Sanitäts-Ersatz-Abteilung 11 in Bückeburg, Oberarzt der Deutschen Wehrmacht, Teilnehmer am 2. Weltkrieg an der Westfront und am Russlandfeldzug, zeitweise Tätigkeit im General-Gouvernement.

Nach 1945:

Erneute politische Betätigung, Eintritt in die SED, 1951 Chefarzt und 1952 ärztl. Direktor des Kreiskrankenhauses Lichtenstein, 1950 bis 1958 ABGEORDNETER der DDR-VOLKSKAMMER und zeitweise Mitglied im Ausschuss für Gesundheitswesen, 1958 bis 1963 Mitglied des DDR-Bezirkstages Dresden, 1963 Delegierter beim 6. SED-Parteitag, ab 1955 ärztl. Direktor und Chefarzt des Bezirkskrankenhauses in Görlitz, Ernennung zum Obermedizinalrat.

Auszeichnungen: Verdienter Arzt des Volkes (1952), Aktivist, Medaille „Für ausgezeichnete Leistungen", u. a.

  • Gereke, Günter

geb.: 06.10.1893 in Gruna bei Delitzsch / Sachsen, gest.: 01.05.1970

Vor 1945:

Geburt auf dem Rittergut Grunabei Delitzsch, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie der Nationalökonomie an den Universitäten Leipzig, München, Würzburg und Halle, Promotion zum Dr. jur. und Dr. rer. pol., 1917 Regierungsreferent in Kyritz, anschl. Regierungsassessor in Potsdam, Bürgermeister in Meyenburg und ab 1919 Landrat in Torgau, deutschnationaler Abgeordneter des sächsischen Provinziallandtages, ab 1924 Abgeordneter des Deutschen Reichstages, bis 1929 Mitglied der Deutsch-Nationalen-Volkspartei (DNVP), Präsident des Deutschen Landgemeindetages, 1930 Mitbegründer und Angehöriger der Christlich-Nationalen Bauern- und Landvolkpartei, erneut Mitglied des Deutschen Reichstages, Dozent an der Landwirtschaftshochschule Berlin. Mitglied des Reichswirtschaftsrates, 1932 Mitglied der Reichsregierung Schleicher, 1933 MITGLIED der REICHSREGIERUNG ADOLF HITLER, Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung, wegen Unterschlagung von 1,2 Mill. Reichsmark verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, 1935 Haftentlassung, 1944/45 erneut inhaftiert.

Nach 1945:

Erneute politische Betätigung, 1945 bis 1946 Leiter der Innenabteilung der Provinzialregierung von Sachsen-Anhalt, Wechsel in die britische Zone und Eintritt in die CDU, von Dezember 1946 bis April 1947 Innenminister von Niedersachsen, am 14.4.1947 Rücktritt als Innenminister nach Vorwürfen wegen seiner Zugehörigkeit zu den Kabinetten Schleicher und Hitler, geschäftsf. Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Niedersachsen, Juli 1947 Wahl in den Zonenvorstand der CDU, von Juni 1948 bis Juni 1950 stellv. Ministerpräsident und niedersächsischer Landwirtschaftsminister, 1950 Vorstandsmitglied im kommunistischen „Gesamtdeutschen Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft" in Ost-Berlin, 8. Juni 1950 Verhandlungen in Ost-Berlin und Zusammentreffen mit Walter Ulbricht, daraufhin Juni 1950 Vertrauensentzug durch CDU-Landtagsfraktion, Rücktritt als Landwirtschaftsminister und stellv. Ministerpräsident Niedersachsen, Ausschluss aus der CDU, 1950 Eintritt in den Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) in Niedersachsen, Vorsitzender der BHE-Landtagsfraktion, 1951 Ausschluss aus dem BHE,
1951 bis 1952 Abgeordneter der Deutsch-Sozialen Partei in Niedersachsen.

Juli 1952 Übersiedlung in die DDR, Eintritt in die CDU, von 1954 bis 1970 Mitglied im PRÄSIDIUM des NATIONALRATS der NATIONALEN FRONT der DDR, bis 1969 Präsident der Zentralstelle für Zucht- und Leistungsprüfungen der Vollblut- und Traberpferde der DDR, ab 1955 Vizepräsident des Internationalen Meetings der Vollblutzucht, 1956 bis 1969 Bezirksvorsitzender der Nationalen Front der DDR im Bezirk Frankfurt/Oder, 1969 bis 1970 Ehrenpräsident der Zentralstelle für Pferdezucht beim Rat für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der DDR.

Veröffentlichung: „Ich war königlich preußischer Landrat" (Agitationsausschuss beim Nationalrat der Nationalen Front, Berlin 1970)

Auszeichnungen: Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Gold (1963), u. a.

  • Gerstner, Karl-Heinz

geb.: 15.11.1912 in Berlin-Charlottenburg

Vor 1945:

Botschaftersohn, 1930 bis 1931 Auslandsaufenthalt in den USA, Werkstudent der Deutschen Bank, Studium der Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft, am 1.5.1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 2 673 178, Angehöriger den NSDAP-Ortsgruppe Berlin und der NSDAP-Auslandsorganisation, Mitglied in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und ab 1934 in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), ab 1935 Ausbildung zum Gerichtsassessor, jeweils dreimonatiger Aufenthalt in Italien und Spanien, 1934 bis 1937 in Berlin-Charlottenburg, zeitweise Tätigkeit beim Kammergericht, 1937 Promotion zum Dr. jur. an der Universität Erlangen, ab 1935 Mitglied im Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, Angehöriger des diplomatischen Dienstes, 1937 bis 1939 Tätigkeit in Frankreich u.a. für die Deutsche Handelskammer in Paris, Politischer Leiter der NSDAP im Propagandaapparat der NSDAP-Auslandsorganisation, 1939 bis 1940 erneut in Berlin-Charlottenburg, ab 1941 Legationssekretär an der Deutschen Botschaft in Paris, Mitarbeiter der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft, 1944/45 Mitarbeiter im Reichsaußenministerium in Berlin, entsprechend einer Einschätzung der Auslandsabteilung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda war Gerstner „ausserordentlich tüchtig" und „ohne weiteres" besonders geeignet, um „Gefangene zu vernehmen und Übersetzungen vorzunehmen."

Der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, schrieb über Gerstner: „Zu seinen besonderen Gönnern zählten Botschafter Otto Abetz (wegen Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt) und SS-Standartenführer Helmuth Knochen. Dr. Gerstner verfasste eine Reihe von Broschüren über die Wehrmacht, er soll aber auch den Kontakt mit der Resistance gepflegt haben. Die Widerstandsgruppe Pierre Reval und Jacques Robinet behaupteten, Beweise dafür zu besitzen, daß er sich als Agent provocateur betätigte. Eine von Dr. Gerstner damals für die Wehrmacht verfasste Broschüre trägt den Titel 'Verniggertes Frankreich'."

Nach 1945:

Erneute politische Betätigung, Eintritt in die KPD später in die SED, 1945 stellv. Bezirksbürgermeister in Berlin-Wilmersdorf (britischer Sektor), wegen falscher Angaben im Lebenslauf abgesetzt, Inhaftierung im NKWD-Lager Hohenschönhausen und im Januar 1946 Freilassung, ab Herbst 1946 Referent in der Deutschen Zentralverwaltung für Außenhandel, 1947 persönlicher Referent von Präsident Josef Orlopp, 1950 bis 1982 Mitglied der Redaktion der „Berliner-Zeitung" in Ost-Berlin, 1961 bis 1972 Chefreporter der „Berliner Zeitung", 1956 bis 1959 Mitglied im Zentralvorstand des DDR-Journalistenverbandes, Tätigkeit für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Informeller Mitarbeiter (IM) unter dem Operativnamen „Ritter", 1965 bis 1978 Moderator der Fernsehsendung „Prisma", 1955 bis 1988 Kommentator bei Radio DDR, anschl. Ruhestand.

Auszeichnungen: Orden Banner der Arbeit (1969), Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Bronze (1965), Silber (1972) und Gold (1982), Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden (1987),

Olaf Kappelt
Braunbuch DDR - Nazis in der DDR

Vorwort von G. Schabowski,
Günter und O.v. Habsburg

BHV Berlin historica
49,80 Euro
500 S. - 22 x 17 cm
2., überarb. Aufl. / Auslieferung über: buchhandel@bod.de oder Fax. 040-534 335 84