Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Näheres zum Verhältnis von FN
und Dieudonné-Liste
Nachtrag zum Abschneiden der französischen extremen Rechten bei den EU-Wahlen

7/8-09

trend
onlinezeitung

Vor kurzem berichteten wir über das Abschneiden der französischen rechtsextremen Listen bei der Europaparlamentswahl vom o7. Juni dieses Jahres (vgl. http://www.trend.infopartisan.net/trd0609/t470609.html). Der Front National (FN) als Hauptpartei der extremen Rechten erhielt im frankreichweiten Durchschnitt o6,3 % der Stimmen. Ein Sammelbecken von Antisemiten unterschiedlicher Couleur in Gestalt der ‚Liste Antisioniste’, die nur im Raum Paris angetreten war, erhielt im dortigen EP-Wahlkreis o1,3 % der Stimmen; ein Ergebnis, das allgemein eher als mager betrachtet wurde.

Letztere „Antizionistische Liste“ basierte auf einem Gemisch aus notorischen Rechtsextremen und „rot-braunen“ Demagogen (Alain Soral), pro-iranischen moslemischen Fundamentalisten (Yahia Gouasmi), altbekannten Auschwitzleugnerinnen mit ex-linkem und möchtegern-‚antiimperialistischem’ Hintergrund (Ginette Skandrani, Maria Poumier) u.a. Sie war vor allem, in führender Position, durch den französischen Schwarzen und früheren Antirassisten Dieudonné M’bala M’bala gemeinsam mit Alain Soral aufgestellt worden. 

Nun berichtete die rechtsextreme doch parteiunabhängige Wochenzeitung ‚Minute’(in ihrer Ausgabe vom 10. o6. 09) in näheren Einzelheiten vom Wahlabend der ‚Antizionistischen Liste’ am Abend des o7. Juni. Ein Wahlabend, der durch das Bekanntwerden der Ergebnisse natürlich ein bisschen verhagelt wurde.  

Die Zeitung veröffentlicht dazu u.a. folgenden Erlebnisbericht, von einem Zeitpunkt, an dem die ersten Resultate über die Bildschirme flimmerten: „Am Applausmesser gewinnt der ‚Menhir’ (Anm.: Spitzname des gebürtigen Bretonen Jean-Marie Le Pen). Bei jedem Erscheinen Le Pens im Fernsehen bereitet der Saal“ - Anm.: der Mob war in Dieudonné M’balas eigenem Theater im 11. Pariser Bezirk versammelt - „ihm einen Triumph. Seine lautesten Fans sind verschleierte Frauen. (… ) Seitdem das Eis zwischen Le Pen und Dieudonné gebrochen war (Anm.: im November 2006, gegenüber der Öffentlichkeit jedenfalls), sind Dieudonnés Fans auch Le Pens Fans.“ 

Aus dem weiteren Bericht ergibt sich jedoch, dass die Zeitung - die eher an der moslemfeindlichen Linie innerhalb des rechtsextremen Lagers festhält, die zu einer zuvörderst antisemitisch ausgerichteten Linie in Widerspruch getreten ist - dies weniger klasse als vielmehr kritikwürdig findet. Es wird offenkundig, dass der Berichterstatter über die vielen Schwarzen, Moslems und (angeblich) Linken in jenem Saal, die Le Pen ihre Zustimmung ausdrücken, eher die Nase rümpft.  

Aber es wird ebenso offenkundig, dass es innerhalb des Spektrums der extremen Rechten offenkundig eine Arbeitsteilung gibt. Die Zeitung druckt sogar das von Alain Soral kolportierte - aber höchstwahrscheinlich falsche - Gerücht ab, dass Jean-Marie Le Pen selbst an seinem Wohnort für die Dieudonné/Soral-Liste gestimmt habe. Auch wenn Le Pen immer wieder für fast jede Provokation gut ist, würde dies denn doch erstaunen. Aber es trifft auch zu, dass Jean-Marie Le Pen am 18. o5. 2009 öffentlich erzählte, dass Dieudonné respektive seine Ehefrau ihn - den alternden Chef des FN - angerufen und um Rat gefragt habe, als die Wortführer der ‚Liste Antisioniste’ mit der Polizei in Konflikt gerieten. (Vgl. http://www.leparisien.fr/) Dies geschah am 13. Mai o9 vor dem Pariser Innenministerium, als man Dieudonné und seine Leute zunächst nicht durchlassen mochte, um ihre Kandidatenliste einzureichen. Mindestens gibt es also einen paternalistisch-schulterklopfenden Umgang Jean-Marie Le Pens mit demjenigen Splitter der extremen Rechten, das bei Dieudonnés und Alain Sorals „(Wahl-)Abenteuer“ mittat. Vielleicht gab es aber auch wirklich eine Art Arbeitsteilung: die klassische extreme Rechte für eher migrantenfeindliche Abstammungsfranzosen und konservativ-reaktionäre Mittelständler; die neuartige Liste, um eher „anti-system-orientierte“, rechtsstehende bis politisch verwirrte Leute und Franzosen migrantischer Herkunft anzuziehen…? 

Um der gegenwärtig sehr verbreiteten politischen Verwirrung entgegen zu wirken: Nicht alle „Antizionisten“ (= Gegner/innen des Anspruchs Israels auf Errichtung eines jüdischen Nationalstaats im Nahen Osten) sind Antisemiten, und umgekehrt. Es gibt Antisemiten, die nicht gegen den israelischen Nationalismus sind: Viele Altnazis der Nachkriegszeit (die oberflächlich philosemitisch „geläutert“ auftraten und ihre Ideologie so übertünchen konnte) ebenso wie der frühe Jean-Marie Le Pen der 1950er und 1960er Jahre waren etwa der Auffassung, der israelische Nationalismus sei eine gute Sache. Denn aufgrund seiner Existenz würden perspektivisch alle Juden Europa verlassen und sich so von den „abendländischen“ Völkern sozusagen „entmischen“. Umgekehrt gibt es linke Antizionist/inn/en in Israel, wie etwa die dortigen Kommunisten, die gegen den Zionismus und für einen gemischten jüdisch-arabischen Staat eintreten. Ihnen haftet gewiss nichts Antisemitisches an. Aber eines steht unverrückbar und unmissverständlich fest: Diese jüngst zusammengestellte „Antizionistische Liste“ besteht unverkennbar und ausschließlich aus Antisemitenpack. 

Vgl. auch als „Schmankerl“ folgendes Foto, das Dieudonné zu jenen Zeiten zeigt, als er (von 2006 bis Anfang 2009) am Rande des Front National als vager Sympathisant herum spukte: Dieudonné, der frühere Antirassist, umgeben von Mitgliedern des DPS: des uniformierten Ordnerdiensts der rechtsextremen Partei… (S. unter folgender Adresse: http://www.innommables.net/2009/05/des-militants-fn-tabassent-un-noir/)

Editorische Anmerkungen

Der Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.