Betrieb & Gewerkschaft
Porsche, VW und das Trauerspiel der Konzernbetriebsräte

von Martin Suchanek

7/8-09

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Porsche wird wohl in den VW-Konzern als weitere Marke integriert werden. Nicht der Spezialist für Sportwagen und andere Nobelkarossen expandiert, sondern umgekehrt einer der führenden Autohersteller der Welt, eines der Weltmarktmonopole übernimmt den „Mittelständer“ aus Stuttgart.

Eigentlich ist das – zumal in einer Krise – kein verwunderlicher Vorgang. Dass das größere Kapital das kleiner übernimmt und als eigenständigen Akteur vom Markt drängt, ist in der Marktwirtschaft die Regel. Es erschien nur in der Prosperität so, dass kleinere relative „dynamische“ Unternehmen wie Porsche oder Schäffler weit größere Konzerne wie VW oder Continental ebenso schlucken könnten wie umgekehrt. Was also die Kontrolle von Porsche durch VW betrifft, so wird des Verhältnis zwischen den beiden nur auf ihr reales ökonomisches Maß reduziert. 

Verkleisterung 

Anders natürlich die Kommentare der bürgerlichen Presse und die verlogenen Beiträge von Managern und Landespolitikern aller Seiten. Porsche hätte sich „überhoben“, das Land Niedersachsen als ein Hauptaktionär „unfair“ seine Macht ausgespielt. Überhaupt wäre Porsche-Manager Wiedeking ins Feuer der Familienfehde im Hause Porsche/Piech geraten.

So schmutzig diese Fehden auch ausgetragen werden mögen, so verhüllen sie das eigentlich Wesentliche, nämlich, dass die Zentralisation des Kapitals, der immer größere Zusammenschluss von Kapazitäten, Fabriken, Betrieben unter einem Kommando, also in einem Konzerne eine gesetzmäßige Folge der Akkumulation des Kapitals selbst ist. Die Konkurrenz ist nur das Schlachtfeld, auf dem entschieden wird, wer letztlich wen beseitigt, welcher Konzern den anderen schluckt. Schließlich überdeckten die Storys über die „Familienfehde“ die offensichtlich Krisen-bedingte drohende Insolvenz von Porsche, d.h. finanzielle Probleme, die weit über die Finanzspekulationen der Wendelins hinaus gingen.

„Normal“ ist im Kapitalismus auch, dass solche Übernahmen mit Rationalisierungen und Einsparungen bei den Beschäftigten verbunden sind – zumal wenn es um die Reaktion auf die Krise und die „Bereinigung“ und Vernichtung überschüssiger Kapitale geht. Angesichts der Krise der Branche gibt es für die Beschäftigen keine „sichere Lösung“. Ihre Arbeitsplätze, ihre Einkommen, ihre Arbeitsbedingungen stehen in jedem Fall zur Disposition, ob mit oder ohne Fusion, ob unter VW- oder Porsche-Dach. 

Betriebsborniert und kapitalistenhörig 

Dass sich die Eigentümer und Manager der beiden Unternehmen und ihre Lobbyisten in der jeweiligen Landespolitik Baden-Württembergs oder Niedersachsens für „ihre“ Sache, also die von Porsche oder VW ins Zeug legen, leuchtet durchaus ein, schließlich geht es um die Interessen „ihres“ Kapitals.

Bemerkenswert, aber auch typisch für deutsche Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre ist jedoch, dass sich die „Arbeitnehmervertreter“ der beiden Konzerne besonders engagiert für „ihr“ Unternehmen ins Zeug legen. So wetterte Porsche-Betriebsratschef Hück gegen die „Demontage“ Porsches durch VW, gegen eine „kalte“ Übernahme. Er drohte gar mit Streiks, wenn „sein“ Unternehmen nicht erhalten bleibe.

Ganz anders sah das noch aus, als Porsche VW aufzukaufen begann. Da war Herr Hück ganz begeistert von der „Zukunftsperspektive“, da hätte er sich jede Drohung von VW-KollegInnen gegen einen kommenden Zusammenschluss glatt verbeten. Mit Sprüchen wie „Wenn ich mir ein Haus kaufe, dann will ich auch darin wohnen“ verteidigte er das „Recht“ der Kapitalisten, ihre Verfügungsgewalt, auch gegen die Sicherungen des VW-Gesetzes, dass für Werksschließungen von der Zustimmung der „Arbeitnehmervertreter“ im Aufsichtsrat abhängig macht. Die „radikalen“ Sprüche von Kampf und Streik wirken angesichts von Hücks kriecherischer Unterwürfigkeit nur erbärmlich.

Damals rückten dafür die VW-Betriebsräte zur Demo aus, die mit dem VW-Gesetz auch die Eigentümer-Rechte des Landes Niedersachsen verteidigt wissen wollten. Ansonsten standen und stehen sie natürlich zum „Zusammenschluss“ – allerdings unter VW-Regie.

Stehen die Herrn Betriebsratschefs stramm auf Seiten der Unternehmerinteressen, stellt sie die Frage, wo denn die Gewerkschaft IG Metall bleibt. Die schwankt. Vor Ort wird „natürlich“ der „eigene“ Betrieb verteidigt. Schließlich läuft ohne jemanden wie Hück in Baden-Württemberg wenig und ohne die VW-Betriebsräte aus Wolfsburg in Niedersachsen gar nichts.

Nachdem die Betriebsräte und so mancher lokale Funktionär in eine unterschiedliche Richtungen drängen, gibt die IG Metall auf Bundesebene die nichts sagende „Mitte“ ab. Sozial und fair soll’s zugehen, langfristige Interessen soll ein Investor haben. Ansonsten mische man sich in Eigentumsfragen nicht ein.

Während die Betriebsratsspitzen klar Partei für „ihre“ Eigentümer ergreifen, lösen die IG-Metall-Chefs, Bezirksleiter und Verwaltungsstellen die Frage damit, dass sich Gewerkschaften zur Eigentumsfrage nicht weiter positionieren sollten, dass sollen eben die Privaten unter sich ausmachen.

So erklärt der Baden-Württembergische IG Metall-Vorsitzende Hoffman gegenüber der Presse am 13. Juli zwar richtig, dass sich die IG Metall „nicht vor den Karren einer der Kapitalseiten spannen lassen“ dürfe. Seine „Lösung“ besteht jedoch darin, sich überhaupt aus dem Verhandlungsprozess raus zuhalten und sich nur zu Wort zu melden, „wo es um ganz konkrete Arbeitnehmerinteressen geht.“

Die Eigentumsfrage gehört für die IG Metall Baden-Württemberg offenkundig nicht dazu. Hoffman gibt im selben Statement vielmehr Entwarnung bezüglich der „konkreten Arbeitnehmerinteressen“. Man solle den KollegInnen keine Angst machen, warnt er und erklärt: „Bei den heute erkennbaren Lösungen befürchte ich keinen Arbeitsplatzverlust bei Porsche.“

Solchen Unfug würde selbst Porsche-Betriebsratschef Hück nur schwer von den Lippen gehen. Während er und seine VW-Pendants mit konzernorientierter Borniertheit v.a. ihren Arsch und ihre Klientel auf Kosten der anderen zu retten trachten, macht die IG Metall Bürokratie auf gute Laune. Eine Alternative zu den Betriebsräten stellt das nicht dar, nur eine andere Form, die Beschäftigten an die Unternehmenspolitik eines (zukünftigen) Konzerns zu binden.

Das zeigte sich noch einmal bei der gemeinsamen Pressekonferenz der Konzernbetriebsräte Hück (Porsche) und Osterloh (VW) sowie IG-Metall-Chef Huber am 23. Juli, die unter dem Titel „Gemeinsam nach vorne“ die Beschäftigten auf die „großen Chancen“ des neuen Verbundes einschwören sollte. Zumindest was die Unterordnung von Gewerkschaftsführung und Betriebsratsvorsitzenden unter das Kapitalinteresse betrifft, soll offenkundig alles bleiben wie bisher. 

Unsere Alternative 

In Wirklichkeit wirft die ganze Frage der Übernahme, der drohenden Zahlungsengpässe, der Umstrukturierung der Konzerne wie der gesamten Autobranche gleich mehrere Fragen, aber auch Möglichkeiten auf: 

a) Es ist klar, dass Entlassungen, Personalabbau weiter drohen und noch massiv steigern werden. Daher ist gemeinsamer Widerstand gegen jede Entlassung, gegen jeden Verzicht und zugleich der  Kampf für Arbeitszeitverkürzung und Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Beschäftigten und Arbeitssuchenden notwendig. 

b) Die ganze Fusion, die Liquiditätsengpässe bei Porsche (die dazu führten, dass die Übernahmeinitiative an VW überging) verweisen doch auch darauf, dass die Beschäftigten, dass die Arbeiterklasse insgesamt, über die realen Verhältnisse im Betrieb, Finanzpläne usw. ganz und gar im Dunkeln gehalten werden. Auch von den Betriebsratschefs kommt mit Verweis auf „Geschäftsgeheimnis“ und „Verhandlungen“ dazu nichts. Dabei ist die Offenlegung der Bilanzen, der Konten, der Produktionspläne, der Verhandlungen mit Investoren für die Belegschaft und die Kontrolle durch die Beschäftigten und Experten ihres Vertrauens der einzige Weg, überhaupt klare Fakten für die Öffentlichkeit zu schaffen. 

c) Die Eigentumsfrage geht auch die Belegschaften etwas an. Natürlich nicht im Sinne von Hück und VW-Betriebsräten, die sich nur zum Lobbyisten der Kapitalinteressen machen. Wohl aber in folgendem Sinn: Die Krise insgesamt, die aktuellen Übernahmediskussionen, aber auch die strukturelle Krise der Branche werfen die Frage auf: Wie können nicht nur Entlassungen verhindert werden, sondern auch, was soll weiter produziert werden? Wer braucht eigentlich zukünftig Porsche-Sportwagen? Sollen private PKW mit etwas weniger Schadstoff-Emissionen allen ernstes das „Verkehrskonzept“ der Zukunft sein – oder geht es nicht darum dafür zu kämpfen, dass in der Autobranche zukünftig auch anderes produziert wird.

Eine solche Wende ist von den Kapitalisten – von VW wie Porsche nicht zu erwarten. Sie kann nur durch die entschädigungslose Enteignung der Eigentümer, der Porsches und Piechs herbeigeführt werden.

Die Politik des Landes Niedersachsen zeigt aber auch, dass Staatsbesitz für sich noch gar keine andere Unternehmenspolitik bedeutet und auch nicht bedeuten kann. Die Ministerialbeamten sind letztlich ebenso dem Kapitalismus verpflichtet wie die Manager.

Daher fordern wir die entschädigungslose Enteignung unter Arbeiterkontrolle, unter Kontrolle von Beschäftigten in den Unternehmen wie der Gewerkschaften. 

d) Das Beispiel VW-Porsche zeigt nicht nur die Perspektivlosigkeit der sozialdemokratisch geführten Gewerkschaften und die reaktionäre Bindung der Betriebsräte und lokalen Funktionäre ans „Unternehmenswohl“, es zeigt auch, dass eine „rein“ gewerkschaftliche Antwort, eine Antwort, die sich nur auf Lohn und Brot bezieht, in der aktuellen Krise zu kurz greift, letztlich nichts taugt zur Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse.

Die Eigentumsfrage selbst rückt ins Zentrum – mit ihr aber auch die Notwendigkeit einer politischen, einer gesamtgesellschaftlichen Antwort.
 

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 438
26. Juli 2009

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