Extreme Rechte im Europaparlament (Teil III)
Zoff um Antisemitensprüche bei Rechtskonservativen

von  Bernard Schmid

7/8-09

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onlinezeitung

In der vergangenen Woche berichteten wir über die rechtskonservativen bis rechtsextremen Parteien im frisch gewählten und zusammengetretenen Europaparlament. Dort bestehen nun zwei Rechtsfraktionen, jenseits der Konservativ-Liberalen des Mainstreams: die 55köpfige Gruppe der „Europäischen Konservativen und Reformisten (Reformer)“, abgekürzt ECR, sowie eine Sammlung von Abgeordneten nationalkonservativer Parteien unter dem blumigen Namen „Europa der Freiheit und Demokratie“ (EFD) mit 30 Parlamentariern. Beide Fraktionen zählen zu den „Euroskeptikern“. In beiden Fällen hat die österreichische FPÖ, bislang jedoch erfolglos, um „Anschluss“ gesucht.

Bei der Erstgenannten hat es nun schon in den ersten Wochen mächtig Ärger gegeben. Dabei ging es konkret um Rechtsaußentendenzen und unverhohlen antisemitische Äußerungen eines polnischen Abgeordneten - der zu allem Überfluss noch dazu zu ihrem Fraktionsvorsitzenden gewählt worden ist. Ursprünglich hatten die britischen Konservativen geglaubt, mit ihren 25 Abgeordneten im Europaparlament die (insgesamt 55köpfige) ECR-Fraktion kontrollieren und anführen zu können. Doch dann ging bei der internen Wahl der Fraktionsvorsitz an einen Vertreter der polnischen Ex-Regierungspartei PiS – „Recht und Gerechtigkeit“, Prawo i Sprawiedliwość – der Brüder Kaczynski im Europaparlament, wo sie 15 Sitze zählt. Bis 2007 hat die rechtskonservative PiS in Warschau regiert, danach wurde sie als Regierungspartei durch die liberale „Bürgerplattform“ PO abgelöst.

Bei dem neuen Vorsitzenden der ECR-Fraktion handelt sich es um Michal Tomasz Kaminski (vgl. http://fr.wikipedia.org/ ). Der Abgeordnete, Jahrgang 1972, steht derzeit im Mittelpunkt eines Skandals: Ihm wird vorgeworfen, antisemitische und nationalistische Äußerungen getätigt zu haben. Kaminski gehörte in jüngerer Vergangenheit noch der rechtsextremen, judenfeindlichen und homophoben Partei „Nationale Wiedergeburt Polens“ (NOP, Narodowe Odrodzenie Polski) an. Diese Organisation behauptet von sich, bereits unter der pro-sowjetischen Diktatur in den Jahren von 1981 bis 89 in der Illegalität existiert zu haben. Seit 1992 ist ihre Existenz als Partei verbürgt, nachdem sie in jenem Jahr registriert wurde. Heute ist die NOP nationalrevolutionär ausgerichtet und gehört - zusammen mit anderen ultraradikalen Rechtskräften wie der deutschen NPD, der italienischen Fuerza Nuova und der französischen Splittergruppe Renouvau français („Französische Erneuerung“ oder „Wiedergeburt“) - der „Europäischen Nationalen Front“ ENF an. Letztere wurde 2004 gegründet.

In einem Radiointerview hatte der frühere Rechtsaußenpolitiker es im Jahr 2001 abgelehnt, dass im Namen der polnischen Nation um Entschuldigung für das Judenpogrom von Jedwabne (1941) - das, unter der Naziherrschaft, durch Polen verübt worden war - gebeten werde. Und er hatte in einem Interview mit einer offen rechtsextremen Zeitung erklärt, dass „die Juden“ angeblich „Polen viel Leid unter der sowjetischen Besatzung und unter dem Kommunismus zugefügt“ hätten.

Der Rabbiner der Zentralsynagoge von London, Barry Rubin, hat inzwischen die britischen Konservativen dazu aufgefordert, alle Verbindungen zu Kaminski abzubrechen. Unterdessen hat der britische Torypolitiker Edward McMillan Scott, der jüngst zum Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments gewählt worden ist, seinerseits scharfe Kritik an dem polnischen Politiker und Rechtsausleger geübt - und ist „zum Dank“ dafür aus seiner früheren Partei ausgeschlossen worden. Neben den britischen Konservativen hat ihn auch die ECR-Fraktion hinausgeworfen.

Die Mehrheit dort ist der Auffassung, es gehe den Kritiker/inne/n, die Kaminski seine (doch ziemlich frische) politische Vergangenheit vorwerfen, dabei in Wirklichkeit nur darum, „unsere Fraktion, die die Nationen und die Bürger verteidigt“ - und zwar gegen „einen Superstaat Europa“ - autoritär zum Schweigen zu bringen. So formulierte es der britische konservative Europaparlamentarier Geoffrey van Orden. (Zitiert nach ‚Le Monde’ vom 24. Juli o9) Kaminski bestreitet unterdessen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Doch für seine Fraktion, „ECR“, ist der Skandal längst perfekt; denn schon die Reaktionen der Mehrheit ihrer Abgeordneten auf die Kritik von McMillan und Anderen ist ausgesprochen skandalös.

Editorische Anmerkungen

Der Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.