„Zum ersten Mal seit 1945
wurde in Deutschland wieder ein Orden für besonders
engagiertes Vorgehen gegen Juden verliehen“, heißt es auf dem
rechtskonservativen Internet-Portal Politycall Incorrekt.
Gleich darunter gibt es Betätigungsmöglichkeiten: „Wer dem
Bundespräsidialamt zur ersten antijüdischen
Verdienstkreuzverleihung seit Kriegsende NICHT
gratulieren möchte“, kann eine Mail schreiben.
Der Kommentarbereich dieser
Seite wurde allerdings schon nach 24 Stunden geschlossen. Denn
dort tobte sich die Wut über diejenige, die Gegenstand der
Kritik war, in nicht mehr zitierfähigen Beschimpfungen aus. Es
war die Person Felicia Langer, die angegriffen wurde. Gegen
die Jüdin, die nur knapp der Vernichtung im
Nationalsozialismus entkommen war, die Kommunistin, die bis
Ende der 80er Jahre Mitglied des Zentralkomitees der
israelischen Kommunistischen Partei war und die selbstbewusste
Frau, die sich auf keine Nation und kein Vaterland festlegen
lässt.
Diese Kombination der Jüdin,
Kommunistin, Antinationalistin und emanzipierten Frau ließ
Rosa Luxemburg schon zur Hassfigur der deutschen Rechten
werden. Ihre dümmsten Nachfolger schwadronieren nach wie vor
vom Weltjudentum und sind in ihren Antisemitismus auch bereit,
mit den Islamisten zu paktieren, wenn sie sich nur nicht in
Deutschland ansiedeln.
Die schlaueren Epigonen der
Rechten scheinen die Lektion aus der Geschichte gelernt zu
haben. Sie respektieren Juden, wenn sie in Israel wohnen und
die israelische Politik verteidigen. Ihr durchaus auch
antisemitischen Mütchen kühlen sie dann an den Jüdinnen und
Juden, die Israel nicht als ihre Heimat anzusehen. Im Umfeld
von Politycall Incorrekt gibt es diese Sorte von Rechten.
Während Israel dort außerhalb jeder Kritik steht, ist jeder
Jude, der nicht gleichzeitig stolzer israelischer Staatsbürger
ist, zum verbalen Abschuss freigegeben.
Felicia Langer bietet sich für
sie besonders als Feindbild an. Sie hat nämlich etwas gemacht,
was den deutschen Rechten besonders verwerflich erscheint: sie
hat sich in Deutschland angesiedelt. Der schlaue Rechte hat
gelernt, da die Juden doch jetzt einen eigenen Staat haben,
sollen sie auch dort leben. Felicia Langer aber lässt sich auf
ein Heimat- und Vaterland festschreiben. Sie steht damit
durchaus in einer kosmopolitischen jüdischen Tradition, die
von den Nazis und ihren Verbündeten weitgehend zerstört wurde.
Die falschen Freunde Israels
haben auf Versuche diese Tradition wieder zu beleben, immer
mit besonderer Aversion reagiert. Die Juden sollen gefälligst
in Israel bleiben. Für den rechten Israelkritiker hat die
antisemitische Vorstellung von der Macht der Juden durchaus
Bedeutung. Seine Israel-Verteidigung ist oft gleichzeitig sein
Ticket, mit dem er belegen will, gar kein Antisemit sein zu
können. Das konnten wir in Deutschland schon in den späten
60er Jahre erleben, als sich NS-Täter und Mitläufer als
besonders laute Israel-Verteidiger aufspielten. Die damalige
Konkret-Publizistin Ulrike Meinhof hat damals in ihrer Kolumne
„Die falschen Freunde Israels“ die richtigen Worte dazu
gefunden.
Keine adäquate linke Antwort
Doch davon scheint heute wenig
übrig geblieben. Denn die Kampagne der rechten
Israel-Verteidiger fand keine adäquate linke Antwort. Es gab
einige Solidaritätserklärungen für Felicia Langer. Doch die
ließen sich in der Regel inhaltlich ein und verteidigten die
vehemente Israelkritik der Ausgezeichneten oder bekräftigen
sie noch. Doch genau darum geht es mir nicht. Ich verteidige
weder Langers Erklärungen zu Israel noch ihre manchmal
fragwürdige Bündnispolitik, die sie sogar dazu brachte, einen
Jürgen Möllemann vor dem Vorwurf des Antisemitismus zu
verteidigen. Ich verteidige das Recht einer linken Jüdin im
Jahr 2009, in Deutschland zu leben und hier ihre Meinung zu
vertreten. Ich verteidige das Recht von Frau Langer, sich
nicht auf einen Verhaltungscodex gegenüber Israel festlegen zu
lassen und sich für ihre Haltung nicht rechtfertigen zu
müssen. Das gilt natürlich auch für
Anhänger der israelischen Politik.
Henryk M. Broder hat genau so
das Recht, seine Lesart des Nahostkonfliktes zu verbreiten,
ohne einer Kampagne ausgesetzt zu sein, wie Michel Friedmann
und Felicia Langer. Es ist völlig normal, dass unter in
Deutschland lebenden Juden – wie zu vielen anderen Themen –
auch zur israelischen Politik unterschiedliche Ansichten
bestehen. Damit stehen sie in einer guten Tradition. Es gab
unter Juden in Deutschland immer pro, - nicht-, und
antizionistische Positionen.
Ein auch polemisch
ausgetragener Streit darum, ist das Normalste auf der Welt.
Antisemitische Töne bekommt die Auseinandersetzung erst, wenn
den Personen ihr Judentum vorgehalten oder abgesprochen wird.
Dazu gehört die Vorstellung, ein Jude müsse die israelische
Politik verteidigen ebenso wie das umgekehrte Ansinnen, er
müsse sie kritisieren oder sich überhaupt dazu äußern.
In Teilen der deutschen Linken
ist es üblich, sich ihre Kritik an der israelischen Politik
durch jüdische Stimmen beglaubigen zu lassen. Die Kritik daran
war berechtigt. Genau so vehement muss aber der Versuch von
Israel-Verteidigern zurück gewiesen werden, gegen Juden
vorzugehen, die eine andere Sicht auf Israel haben. Genau
diese Haltung vermisse ich gerade auch von einer
israelsolidarischen Linken.
Der Grund liegt daran, dass der Antisemitismus oft nur noch im
Kontext zu Israel gesehen wird. Ein Artikel von Christian J.
Heinrich in der August-Konkret zum Berliner
Antisemitismusforscher Wolfgang Benz ist dafür ein gutes
Beispiel. Dass es sich der Antisemitismus in erster Linie
gegen Juden richtet, völlig unabhängig von ihrer Position zu
Israel, kommt dabei gar nicht mehr vor.
In den letzten Jahren wurde viel über eine Israelkritik
diskutiert, in der antisemitische Elemente enthalten sind.
Dabei stellte sich natürlich zwangläufig die Frage, wann
Israelkritik antisemitisch wird. Jetzt wäre es an der Zeit,
eine Israelverteidigung mit antisemitischer Grundierung einer
genau so schonungslosen Kritik zu unterziehen. Dabei müsste
auch die Frage gestellt werden, wann die Israelverteidigung
mit antisemitischen Stereotypen einhergeht. Im Fall von
Felicia Langer ist diese Grenze überschritten worden.
Vor 20 Jahren, als in kleinen
Gruppen der Linken, die Auseinandersetzung mit dem linken
Antisemitismus begann, hätte sich wohl niemand träumen lassen,
dass einige der dort ausgetauschten Argumente einmal dazu
benutzt werden könnten, um in Deutschland lebenden Juden
klarzumachen, wie sie sich zu Israel zu positionieren haben.
Ein Argument von
israelkritischer Seite wird am Beispiel von Felicia Langer
gestärkt. Israel ist tatsächlich eine Schutzmacht für Juden.
Diejenigen Juden, die sich wie Langer nicht unter israelischen
Schutz stellen, sind dafür Hass und Hetze umso stärker
ausgesetzt. Das ist ein Grund einen Antisemitismusbegriff
stark zu machen, der den Schutz aller jüdischen Menschen auch
den von Frau Langer beinhaltet. Gerade weil Jüdinnen und
Juden, die ihren Schutzraum nicht in Israel sehen, besonders
stark von Antisemitismus betroffen sind, müsste eine
Öffentlichkeit, die gegen Antisemitismus agiert, auch
Solidarität mit ihnen zeigen. Unabhängig von ihrer Haltung zu
Israel.
P.S.: Zum eigentlichen
Streit um das Bundesverdienstkreuz und Frau Langer sage ich
aus folgenden Gründen nichts. Wenn, nachdem so viele Ex-, Post
und Halbnazis Träger dieses Kreuzes sind, ausgerechnet die
Preisverleihung einer Jüdin zum Gegenstand einer Kampagne
gemacht wird, und suggeriert wird, das jetzt erstmals ein
Preis für engagiertes Verhalten gegen Juden vergeben wurde,
muss jemand, für den Antisemitismus nicht nur ein
Lippenbekenntnis ist, deutlich machen, dass hier eine Grenze
überschritten wurde. Zudem bin ich der Überzeugung, dass wir
nicht über Antisemitismus diskutiert haben, um in Deutschland
lebenden Juden auf Linie zu bringen.
Editorische
Anmerkungen
Den Artikel
erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung.
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