Betrieb & Gewerkschaft
Kita-Streik: Abgewürgter Arbeitskampf

Arbeitermacht-Korrespondenz

7/8-09

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Am Montag, dem 27.07.09, haben sich die Gewerkschaften mit der kommunalen Arbeit„geber“vereinigung auf ein Tarifergebnis geeinigt. Auch die Tarifkommission hat nach langer Diskussion dem Ergebnis mehrheitlich zugestimmt. Allerdings mit heftigen Bauchschmerzen, wie an den Gegenstimmen ablesbar ist.

Noch am 23. Juni war das Angebot der kommunalen Arbeit„geber“ abgelehnt und von ver.di als „unverschämt“ bezeichnet worden - kaum vier Wochen später jedoch wurde einem kaum besseren Verhandlungsergebnis zugestimmt. Von ver.di wird es den Beschäftigten als ein „erster Schritt in die richtige Richtung“ und als „akzeptables Ergebnis“ schmackhaft gemacht.

Dabei waren die Beschäftigten so kampfbereit wie noch nie und haben klar gemacht, dass sie auch in den unbefristeten Erzwingungsstreik gehen würden, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Von 220.000 ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen waren fast 150.000 über ein halbes Jahr an den Streikaktionen beteiligt. An etlichen Orten gab es gemeinsame Aktionen mit anderen Kräften, z.B. dem Bildungsstreik. Ohne Frage: Dieser Streik hatte genug Potential, um mehr zu erreichen, als das magere Ergebnis von ver.di und GEW.
Deshalb fordern wir alle Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst auf:
Lasst euch nicht mit diesem miesen Ergebnis abspeisen! Stimmt bei der Urabstimmung mit NEIN und fordert die Gewerkschaften auf, für einen Abschluss zu kämpfen, der euren Forderungen entspricht! Das jetzige Tarifergebnis ist der Ausverkauf eines langen Kampfes und verbessert weder Bezahlung noch Arbeitsbedingungen der Beschäftigten spürbar.
Nicht nur die konkreten Ergebnisse sind unzureichend. Vor allem muss der Ausverkauf des Streiks durch die Gewerkschaftsführung auch vor dem Hintergrund der gesamten Klassenkampfsituation gesehen werden. Mitten in der Wirtschaftskrise, welche die gesamte Klasse betrifft, muss ein einzelner Streik und sein Ergbenis auch daran gemessen werden, was er zur Stärkung der Gesamtbewegung, was er zur Weiterentwicklung des Widerstands gegen die Auswirkungen der Krise beiträgt. Hier zeigen Bsirske und Co. erneut, worum es ihnen geht: um die Sicherung des „sozialen Friedens“, also darum, Staat und Kapital möglichst wenig Ungemach zu bereiten, damit diese wieder aus der Krise herauskommen - auf Kosten der Beschäftigten.
Gerade kurz vor der Bundestagswahl Ende September wäre eine konsequente Weiterführung des Streiks ein wichtiges politisches Signal gewesen und hätte die alte wie jede neue Regierung stark unter Druck gesetzt - diese Chance hat die Bürokratie bewusst und absichtlich verpasst.

Davon abgesehen ist es klar, dass gerade in der Krise - also einem Generalangriff von Staat und Kapital auf die Massen - nur eine energische Antwort der ganzen Klasse, also politische Massenstreiks bzw. ein Generalstreik, wirklich ausreichend dafür sind, die Attacken des Klassengegners zurück zu schlagen.

Ergebnisse

Der Entgelttarifvertrag ist nach diesem Ergebnis eine komplett neue Tabelle und nicht mehr eingefügt in den TvöD-Entgelttarifvertrag. So fehlt schon mal die Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit! Von der Verhandlungsgrundlage, einer Höhergruppierung innerhalb des TvöD, ist man jetzt zu einer Abspaltung gelangt, die in Zukunft dazu dient, gemeinsame Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst zu vermeiden. Das bedeutet eine klare Spaltung der Beschäftigten.

So erhielten die neu Eingestellten ab 2005 durch die Einführung des Tarifvertrags öffentlicher Dienst (TvöD), der den Bundesangestelltentarif (BAT) ablöste, weit weniger Gehalt als die „Alt-Beschäftigten“.

Die nun vorgesehenen Entgelterhöhungen liegen zwischen 22 und 150 Euro monatlich, je nach Tätigkeit und Berufserfahrung. Das gesamte Werk ist aber noch gar nicht fertig gestellt, d.h. nicht alle können vor der Urabstimmung feststellen, ob es wirklich mehr Geld gibt.

Das erzielte Gehaltsniveau liegt nicht mal für alle Beschäftigten über dem BAT-Niveau von 2005!

Jene, die schon vor dem 1. 10. 2005 beschäftigt waren, erhalten 2,65% mehr, ca. 75 Euro brutto monatlich. Die gesamte durchschnittliche Erhöhung beträgt knapp 100 Euro und nicht wie ver.di es schön rechnet 150.

Auch der Tarifvertrag zur Gesundheitsförderung verdient seinen Namen leider nicht. Es mag als Erfolg gelten, dass die Arbeit„geber“vereinigung sich überhaupt auf solch einen Vertrag eingelassen hat, aber was sollte sie auch davon abhalten, wenn sie lt. Vereinbarung selbst entscheiden kann, ob eine Gefährdungsanalyse nötig ist?

Die Beschäftigten können lediglich einen Antrag stellen, wird dem widersprochen, können die Beschäftigten dagegen ebenfalls Widerspruch einlegen. Dann befasst sich eine Kommission - aus Arbeit„nehmer“vertreterInnen und Arbeit„geber“vertreterInnen paritätisch besetzt - mit der Sache. Das ist vor allem viel Bürokratie, ohne ergebnisorientiert zu wirken!
Erschwerend kommt hinzu, dass verschiedene Kommunen und Städte auch die lächerlichen Gehaltserhöhungen nicht zahlen werden, sondern entweder woanders einsparen oder die Kosten direkt an die Träger der Einrichtungen weitergeben und diese dann die Anzahl der zu betreuenden Kinder noch weiter steigern oder aber die Kitabeiträge für die Eltern erhöhen. Beides muss bekämpft werden! Nötig ist stattdessen praktische Solidarität und ein gemeinsamer Kampf von Eltern und Beschäftigten für bessere öffentliche Kinderbetreuung und angemessene Beschäftigungsverhältnisse - für die Bedürfnisse der Beschäftigten, der Eltern und nicht zuletzt auch der Kinder!

# Nein zu diesem Ausverkauf bei der Urabstimmung!
# Organisiert die Streiks an der Basis! Wahl und jederzeitige Abwahlmöglichkeit der Streikleitungen auf Streikvollversammlungen!
# Bildet Solidaritätsstrukturen in den Wohngebieten, mit anderen Belegschaften usw.!
# Kämpft weiter für eure ursprünglichen Forderungen, für bessere Bezahlung, Gesundheitsschutz und kleinere Betreuungsgruppen!
# Für eine bundesweite Konferenz von Basis-AktivistInnen, welche die weiteren Schritte diskutiert und einen Aktionsplan erarbeitet!
 

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir von

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 439
10. August 2009

 

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