Seit dem 3. Juli 2010 ist
das Projekt stattweb.de/ Stattzeitung für Südbaden
eingestellt. Was veranlasste uns dazu?
Die StattZeitung für Südbaden
war, verglichen mit anderen kleinen, linken
Zeitschriftenprojekten, vergleichsweise früh im Internet
vertreten. Es muss gegen Ende des letzten Jahrtausends gewesen
sein, als sich regionale linke Nachrichten aus der Redaktion
erstmals tagesaktuell im Web finden ließen. Zunächst noch ohne
größere Raffinesse, war der Bearbeitungsaufwand letztlich sehr
groß, der Komfort für LeserInnen und RedakteurInnen hingegen
gering.
Trotzdem: Nachdem die Website
einmal fertiggestellt war, lag es nahe, sie auch für Nachrichten
aller Art zu verwenden - zwischen den Terminen der StattZeitung
(print). Hinzu kam eine Überlegung über die geänderten
Verhältnisse. So, wie Lorenz Vollmer das sehr richtig für die
Ära der Gründung der StattZeitung geschildert hatte, waren die
Verhältnisse ab ca. 1995 nicht mehr. Kaum hatte das Internet
sich weitgehend durchgesetzt, war das Berichts-Monopol der
großen Ortszeitungen gebrochen. Die Badischen Neuesten
Nachrichten (BNN) konnten nicht mehr - wie noch im Jahrzehnt
zuvor – Berufsverbotsfälle aus Staatsraison totschweigen oder
die Räumung eines Jugendzentrums einfach in aller Stille
betreiben lassen. Alle, die es überhaupt interessierte, konnten
über das Netz erfahren, was beteiligte Einzelpersonen und
Gruppen vorhatten oder zumindest dachten. Von daher das neue
Konzept. Analog dem Spruch “think global - act local” sollte
unter dem drögen Zeitungsdeutsch ausgegraben werden, was
wirklich die Menschen bewegte. Welche sozialen Kräfte im Land
aufeinander stießen - und wo unter Umständen einzugreifen wäre.
Technisch war die erste Webseite
schnell an ihre Grenzen geraten. Aktualität ließ sich angesichts
des Überarbeitungsaufwands selbst durch geringste Textinputs
kaum gewährleisten, redaktionelle Zusammenarbeit oder
Interaktivität der LeserInnen noch sehr viel weniger. Schon
wenige Jahre, nachdem stattweb.de erstmals das Licht der
Web-Welt erblickte, stand deshalb eine grundlegende
Überarbeitung an. Es muss im Jahr 2005 oder 2006 gewesen sein,
als Jan Peter Althoff ein Content-Management-System entworfen
hatte, das nicht nur ein ansprechenderes Layout mit sich
brachte, sondern überdies einen geringeren Arbeitsaufwand mit
einer größeren Interaktivität und Aktualität der Webseite
verband. Dies war nicht zuletzt auch inhaltlich von Bedeutung.
Tatsächlich gab es einige Fälle, in denen das Konzept von
StattZeitung und StattWeb voll aufging - hier verbanden sich
konzeptionelle Passgenauigkeit mit funktionierenden
Arbeitsprozessen und technischen Möglichkeiten. So etwa im Fall
des verspäteten Berufsverbotsopfers in Baden-Württemberg, das
Frau Schavan vor ihrem Abgang sich noch selbst darbrachte.
Am besten geglückt war in diesem
Zusammenhang wohl im letzten Jahr die Berichterstattung über die
großen Bewegungen gegen die NATO-Selbstfeier in Strasbourg. Hier
gelang es wirklich, theoretische Überlegungen und Berichte von
Teilnehmenden zusammenzubringen. Vorbereitungen vorher,
Erfolgseinschätzungen nachher, Prozessberichte bis heute
brachten etwas zuwege, was keine Zeitungslektüre hätte ersetzen
können. In diesem Zeitraum konnten wir uns über sehr gute
Zugriffszahlen freuen. Diese Zahlen zeigten unserer Seite jedoch
die Grenzen auf – aufgrund verschiedener technischer Ursachen
litt stattweb.de unter einer gewissen Trägheit beim Laden der
Startseite. Bei vielen gleichzeitigen Zugriffen konnte der
Ladevorgang ausreichen, um sich zwischen Klick und Erblicken der
News genüsslich einen Kaffee zu machen.
Das Ganze hätte
juristisch-organisatorisch nicht klappen können ohne die
tatkräftige Unterstützung der Druckwerkstatt Renchen. Nicht nur,
dass diese über die Jahre weg die Kosten für die Herstellung von
StattZeitung zum allergrößten Teil trugen, sie sicherten auch in
zunehmendem Umfang die Kommunikation mit der Leserschaft. Wie
viele Hinweise auf Veranstaltungen wären unterblieben, wenn der
Telefon- und Mail-Service in der “Mühle” nicht so prompt
funktioniert hätte.
Das Problem lag vor allem in der
Zeit zwischen Höhepunkten wie dem NATO-Gipfel. Was war mit der?
Dass in Zeiten der Wirtschaftskrise da einfach nichts geschah,
war kaum anzunehmen. Wie hätten wir aber von den vielen Orten,
wo es Massenentlassungen, Betriebsratskampf und auch Streiks
gab, lebendig berichten können. Die aktiven Redaktionsmitglieder
saßen in der Regel weit vom Schuss. So lange ein Martin
Höxtermann noch gesund genug war, um sich umzutun, wurde der
Mangel kaum sichtbar. Nach seinem traurigen, viel zu frühen Tod
zeigte sich aber eins: StattWeb war in der Gegend und allmählich
über Baden hinaus als Ort für Ankündigungen und für
Handlungsaufforderungen sehr beliebt. Als einer der
nachträglichen Berichterstattung über das Stattgefundene leider
viel weniger.
An dieser Stelle und beim Wechsel
der Redaktion kam es zu dem - vielleicht verhängnisvollen -
Entschluss, den Berichtsraum auszuweiten, um auch über
Ereignisse außerhalb Badens berichten zu können. Der offen
ausgesprochene Hintergedanke war es, auf diese Weise vor allem
von den Unis mehr beitragswillige MitarbeiterInnen zu gewinnen.
Nicht allen liegt schließlich der schöne Breisgau und das
herrliche Markgräfler-Land so am Herzen.
Wir haben darauf zwar einigen
Zuspruch erhalten- vor allem von Stuttgart aus, von wo Thomas
Trueten sich kräftig beteiligte. Auch immer wieder durch
Einzelbeiträge, die auf jeden Fall hochwillkommen waren. Schon
sehr viel früher stieg mit Sebastian Friedrich ein junger und
engagierter Redakteur bei StattZeitung und StattWeb ein, der
beiden Medien frischen Wind und neue Themen brachte. Außerdem
verwaltete er nach Ausscheiden von Jan Peter Althoff die Website
- und hatte dank gelegentlichen technischen Probleme so manche
schlaflose Nacht. Trotz dieser erfreulichen Fortschritte war das
Grundproblem damit nicht gelöst. Das Durchsichtigmachen der
eigenen Region bis auf den Grund des gelebten Lebens wurde nicht
mehr geleistet. Vor allem hat durch die Ausweitung StattWeb
seine Griffigkeit, sein “Alleinstellungsmerkmal” verloren.
Die Rechnung ist nicht
aufgegangen, was dauerhaftte Mitarbeit in der Redaktion angeht.
Wir können heute sagen, dass StattWeb sich damit zwar in eine
allgemeine Linksfront eingereiht hat: Kampf gegen Rechts, Kritik
des hemmungslosen Neoliberalismus der Regierung, Bekämpfung der
Kriegsgefahr. Nicht, als ob alles wertlos wäre, was in diesem
Rahmen geschrieben wurde. Nur es hätte oft gerade so gut in
“Linkezeitung” oder in “scharf-links” stehen können - oder in “Seemoz”,
die das Prinzip der lokalen Beschränkung noch am ehesten
erfüllen. Angesichts des Ausscheidens Fritz Güdes - aus Alters-
und Augengründen - schrumpft die Zahl der verbleibenden
MitarbeiterInnen so sehr, dass an ein selbständiges Weitermachen
kaum zu denken ist.
Die StattWeb-Seite wird mit dem
heutigen Tag eingefroren. Alle Archiv-Artikel und Buchtipps
bleiben online lesbar. Wir würden uns freuen, wenn der ein oder
andere Beitrag für Wissbegierige eine Grundlage für
weitreichendere Analysen sein könnte. Dieses Archiv - bestehend
aus über 1200 Artikeln - stellt insgesamt eine lokale Geschichte
dar, die jeden Tag rege in Anspruch genommen wird.
Die Redaktion bedankt sich auch
auf diesem Weg bei allen, die zu dem Projekt etwas beigetragen
haben, sei es durch die zahlreichen Beiträge, Kommentare,
Terminhinweise, Anregungen und Kritiken.
Über das Archiv sowie die
Büchertipps sind die Artikel der Stattzeitung für Südbaden sowie
viele Artikel aus stattweb.de weiterhin abrufbar. Alle Texte
dürfen unter der Angabe von AutorIn und Quelle an anderer Stelle
veröffentlicht werden.
Editorische Anmerkung
Den Artikel spiegelten wir von der
stattweb - Seite.

|