Um Klartext zu reden: Der
jüngst vom ZDF zur Primetime ausgestrahlte Dreiteiler »Das
Weltreich der Deutschen« ist eine einzige Enttäuschung. Was soll
man von einer solchen Mischung aus angestaubtem Geschichtskitsch
und Unbelehrbarkeit halten? Haben wir vieles davon nicht schon
einmal gesehen, nämlich 2005, als im ZDF die TV-Dokumentation
»Deutsche Kolonien« lief? Es ergaben sich jedenfalls echte
Wiedererkennungseffekte, wenn etwa die Siedlerin Else Sonnenberg
und deren hartes Schicksal in »Südwest« abermals in epischer
Breite in Szene gesetzt werden. Selbst einer der zum deutschen
Kolonialismus befragten Geschichtsprofessoren gab seine
Kommentare nahezu wortgleich schon mal zu Protokoll.
Originalität sieht anders aus.
Vor allem aber hat man nichts
dazu gelernt. Schon vor fünf Jahren lautete der Vorwurf, einem
kruden Eurozentrismus aufgesessen zu sein. Der ziemlich
konventionelle Ansatz des jüngsten Dreiteilers, aus Gründen der
Allgemeinverständlichkeit einzelne ProtagonistInnen in den
Mittelpunkt zu stellen, wäre noch akzeptabel gewesen, wenn es
sich nicht fast ausschließlich um deutsche AuswanderInnen,
Kolonialmilitärs, Abenteurer etc. gehandelt hätte, deren
Erlebnisse geschildert werden. Zudem vermag eine solche stur
durchgehaltene Personalisierung von Geschichte nur sehr
unzureichend, komplexe historische Prozesse im Medium Film
angemessen aufzubereiten. Man entkommt dabei kaum der Gefahr, im
biographischen Klein-Klein stecken zu bleiben. Um dem zu
entgehen, reicht es auch nicht aus, einige wenige afrikanische
Historiker oder Persönlichkeiten aus Samoa ein paar knappe Sätze
in die Kamera sprechen zu lassen. Der notwendige
Perspektivenwechsel ist damit angesichts der weitgehend
germanozentrischen Erzählstruktur des Filmes nicht zu
gewährleisten. Hinzu kommen die terminologischen Entgleisungen,
etwa wenn unentwegt von »Eingeborenen«, »Ureinwohnern«,
»Stämmen« und »Steinzeitkulturen« die Rede ist –
Begrifflichkeiten, die ganz nebenbei ein evolutionistisches
Geschichtsbild unterschieben.
Ist in der von ZDF-Chefhistoriker
Guido Knopp zu verantwortenden Doku-Serie wenigstens eine neue
Sensibilität im Umgang mit den historischen (Film-)Bildern, die
so wirkmächtig unser Geschichtsbild prägen, an den Tag gelegt
worden? Auch hier Fehlanzeige. Das Phänomen des »Kolonialismus
der Bilder« bleibt weitgehend unreflektiert. Die visuellen
Dokumente aus den kolonialen Bildarchiven kommen in dem
Dreiteiler meist nur in illustrativer Funktion für den aus dem
Off gesprochenen Text zum Einsatz. So reproduziert die Regie die
darin eingeschriebenen Stereotype, anstatt die exotistischen
Bilderwelten zu entmächtigen und zur Überwindung des kolonialen
Blickes beizutragen. So wiederholt die Dokumentation die
Exotisierung von Körpern und Landschaften, auch wenn dies
ungewollt sein mag. Erneut blickt das »imperiale Auge« (Edward
Said) Besitz ergreifend auf den Raum der Fremde, den fremd
gemachten Raum.
Dabei soll keinesfalls pauschal
der Vorwurf der Kolonialapologetik erhoben werden. Das
Herrenmenschentum eines Carl Peters wird im »Weltreich der
Deutschen« in aller Deutlichkeit angeprangert. Der deutsche
Krieg gegen die Herero wird von einer Historikerin als das
bezeichnet, was er war, als »Völkermord«, wenn auch ein
Historikerkollege ein paar Sequenzen später dagegen hält. Die
Frage, ob die Gewaltakte an der Peripherie Einzelfälle waren
oder ob der Kolonialismus nicht ein permanenter Kolonialkrieg
gegen die kolonisierte Bevölkerung gewesen ist, bleibt außen
vor.
Nur noch wegzappen konnten kritische ZuschauerInnen, als es in
der Doku raunt, beim Kolonialismus habe es sich irgendwie doch
um ein Fortschrittsprojekt gehandelt. Auf die Idee, dass die
Kolonialherren ihre Überseegebiete nur »entwickelten«, um sie
nachher umso besser ausbeuten zu können, kommen die
FilmemacherInnen nicht. Schwer erträglich ist schließlich die
dröhnend daherkommende und aufgeblähte Präsentation der
»Menschenfresserei« der Melanesier. Sollte der Schauer
angesichts der »Wilden« und ihrer Gebräuche noch einmal so
richtig ausgekostet werden?
Gleichermaßen patzen Guido Knopp
und sein Team beim Buch zur Serie. Im Großen und Ganzen ist das
nicht falsch, was dort über die deutschen Kolonien zu lesen ist,
doch wirkt das Ganze zusammengeschustert. Vieles fehlt. Wo
treten die AfrikanerInnen als würdige Akteure ihrer eigenen
Geschichte auf, wo wird ihre Subjektivität und Autonomie ins
rechte Licht gerückt? Der Vorwurf, bei den einschlägigen
Publikationen kapitelweise abgekupfert zu haben, soll hier nicht
weiter verfolgt werden, zu monieren ist vor allem die
Schlichtheit der Darstellung. Auch hier gilt, was gleichermaßen
für den Film festzustellen ist: eine hartnäckige Ignoranz
gegenüber jeglichen postkolonialen Theorieansätzen.
Wenn ZuschauerInnen und
LeserInnen mehr über die Brillanz der digital generierten
Filmszenerien und die Abdruckqualität der Buchillustrationen
staunen, dann stimmt etwas nicht. Wer sich mehr Gedanken darüber
macht, wie die Knöpfe der Kolonialuniformen originalgetreu
nachzugestalten sind, aber zu wenig darüber nachsinnt, mit
welchem Konzept die Epoche des Kolonialismus als Verflechtungs-
und Globalgeschichte medial aufgearbeitet werden kann, der hat
Gelder und Sendezeit verschwendet. Das Publikum scheint dies
begriffen zu haben. Die TV-Dokumentation kam über einen mageren
Marktanteil von 7,6 Prozent nicht hinaus.
Joachim Zeller
arbeitet als Historiker in Berlin. Zuletzt ist von ihm
erschienen: Weiße Blicke. Schwarze Körper. Afrika(ner) im
Spiegel westlicher Alltagskultur, Sutton, Erfurt 2010.
Das Weltreich der
Deutschen. Dokumentarfilm, BROADVIEW TV, 2010, Regie:
Sebastian Dehnhardt, Ricarda Schlosshan und Manfred Oldenburg,
Co-Produzent: ZDF-Redaktion Zeitgeschichte Guido Knopp.
Guido Knopp: Das Weltreich der Deutschen. Von kolonialen
Träumen, Kriegen und Abenteuern. In Zusammenarbeit mit Anja
Greulich u.a. Pendo, München 2010. 272 Seiten, 19,95 Euro.
|