Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Aktuelle Ergänzung zum Thema "Rassistisches Trinkgelage"
Inzwischen konnten mehrere moslem- und judenfeindliche „Aperitif“-Veranstaltungen stattfinden

7-8/10

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Wir berichteten kürzlich in dieser Ausgabe (vgl. Die Schweine von heute sind die Suppe von morgen) über eine neue, relativ „witzig“ daherkommende Aktionsform in der französischen rassistischen Aktivistenszene. Seit etwa einem Jahr kommt in Frankreich unter dem Namen „Riesen-Aperitif“ (Apéro géant) eine Form von Partys unter freiem Himmel in Mode, die per Verabredung in Facebook-Gruppen organisiert werden und bei denen reichlich Alkohol fließt. Seitdem dabei am 12. Mai in Nantes ein junger Mann sturzbetrunken von einer Brücke fiel und zu Tode kam[1], stehen die Behörden dem Phänomen jedoch eher ziemlich ablehnend gegenüber. Daraufhin wurde ein für den 23. Mai in Paris unter dem Eifelturm geplanter „Riesen-Aperitif“ behördlich verboten. 

Wenige Zeit später hatten die rassistischen Aktivisten begonnen, die Methode für sich und ihre „Sache“ zu entdecken. Am 18. Juni dieses Jahres sollte der „Riesen-Apero mit Schweinewurst und Wein“ in einem Pariser Stadtteil mit hohem Einwandereranteil, im 18. Arrondissement, stattfinden. Aufgrund behördlichen Verbots konnte die „Provokation“ am geplanten Ort nicht veranstaltet werden, stattdessen hielten die Veranstalter als Ausweichveranstaltung jedoch eine Kundgebung in der Nähe des Triumphbogens ab. (Vgl. AN 14/2010) - Einige Zeit später fand, am Freitag, den 9. Juli, am ursprünglich geplanten Versammlungsort des rassistischen „Riesen-Aperitifs“ eine  Gegenveranstaltung unter dem Titel „Antirassistisches Picknick“ statt. An ihm nahmen rund 250 Personen teil, und Vertreter fast aller Linksparteien sowie verschiedener Initiativen hielten kurze Ansprachen. Die antifaschistische Versammlung bezog sich ausdrücklich auf das vorausgegangene „rassistische Provokation“.

Hinter derselben steckte mabgeblich der Bloc identitaire. Letzterer trat dabei auch unter dem Namen seiner im Raum Paris aktiven Jugendstruktur ,Projet Apache’ auf. Dieses „Apatschen-Projekt“ enthält in seinem Namen eine doppelte Anspielung: Einerseits auf die Idee, dass die „eingeborenen“ Franzosen heute in derselben Situation sein wie die nordamerikanischen Indianer v.a. im 19. Jahrhundert: „Wenn die Einwanderung in unser Land ungebrochen anhält und uns überschwemmt, dann werden wir ausgerottet oder in Reservate gesteckt...“ (Jean-Marie Le Pen hatte dieselbe Idee schon in den späten 80er Jahren als Agitpropmasche benutzt und tauchte in prächtigem Federnschmuck auf Propagandaplakaten von 1990 auf, dabei allerdings eher einen Sioux-Häuptling denn einen Apatschen darstellend.) Ferner bezieht der Titel ,Projet Apache’ sich auch auf den Namen einer Jugendbewegung, die im frühen 20. Jahrhundert – die Bezeichnung tauchte erstmals im Jahr 1902 auf -  in ärmeren Pariser Stadtteilen anzutreffen war. Es handelte sich dabei um eine Art von Jugendbanden männlicher Jugendlicher aus den Unterklassen, die durch einige Untaten auf sich aufmerksam machten und den braven Bürger erschreckten, einen frühen Vorläufer des Rockerphänomens. Allerdings entstammen die heutigen „Apatschen“ des rechtsradikalen Bloc identitaire nicht den (sofern noch vorhandenen und nicht durch die Gentrifizierung verdrängten) Pariser Unterklassenbezirken, sondern bestehen in aller Regel aus Bürgersöhnchen aus den – eher wohlhabenden – westlichen Vororten von Paris. – Circa eine Woche vor dem anberaumten Termin, am zweiten Wochenende im Juni, tauchten dann in der und um die rue Myrha im 18. Pariser Bezirk eine Reihe von Plakaten der „Apatschen“ auf. Diese waren in schwarzer Farbe und im „Jugendstil“ gehalten und kündigten den „Aperitif Schweinewurst und Wein“ an.

In den darauffolgenden Tagen und Wochen wurden weitere, ähnliche Veranstaltungen in anderen französischen Städten angemeldet; und ihrerseits durch die Präfekturen verboten. Auffällig war besonders eine in Lyon geplante Initiative für einen „Riesen-Aperitif“. Dort verfügt der Bloc identitaire über eine sehr aktive Jugendgruppe unter dem Namen ,Rebeyne!“. Dieser Name steht für einen Lyoner Dialekt-Ausdruck für den Begriff „Aufruhr, Revolte“. Letzterer wurde historisch vor allem durch eine gleichnamige Hungerrevolte in Lyon im April 1529, ,La Grande Rebeyne’, die sich gegen Spekulationen mit Getreidepreisen richtete, bekannt.

Einen der bislang letzten Anläufe hat dann der Front National in die Hand genommen. Dessen Jugendvereinigung, der FNJ, rief zunächst für den 08. Juli zu einem „Apéro“ mit Schweinefleisch und Wein im westfranzösischen Nantes auf. Unter behördlichem Druck wurde die Anmeldung jedoch zurückgezogen, nachdem der FN-Jugendorganisationen mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen im Falle irgendwelcher Zwischen- oder Unfälle, Reibereien oder Auseinandersetzungen gedroht worden war[2].

Stattfinden konnte hingegen inzwischen ein weiteres Trinkgelage, obligatorisch mit Schweinewurst und Wein und unter dem Motto „Gegen die Islamisierung Frankreichs“, am Freitag den 16. Juli in Toulon. Dazu rief zuerst eine bislang absolut unbekannte Struktur namens ,Comité Toulon Nation’ auf, kurze Zeit darauf trat dann aber auch der Front National im Bezirk selbst als Mitveranstalter auf. Die Veranstaltung sorgte im Vorfeld für eine Polemik[3], wurde in diesem Falle jedoch nicht behördlich verboten. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 2010 wurden Bilder von der Veranstaltung auf die Webseite von ,Novopress’, der Nachrichtenagentur des Bloc identitaire, gestellt und waren dort am 17. Juli gegen fünf Uhr früh abrufbar. (Wir verlinken eine solche faschistische Webseite an dieser Stelle nicht, sie ist jedoch im Internet leicht aufzufinden.) An ihr nahmen einige Dutzend Menschen im Hafenbereich von Toulon teil.

Am Nationalfeiertag, dem 14. Juli, hatte in der Kleinstadt Marzy - im Westen der Region Bourgogne/Burgund - ebenfalls eine solche Veranstaltung mit 60 bis 80 Teilnehmern an Bord der Loire stattgefunden[4]. Sie wurde von einem Vertreter des Bloc identitaire (seinem regionalen Aufbauleiter in der Auvergne, Claude Jaffres) mit veranstaltet. An ihr nahm auch der FN-Kandidat bei den letzten Regionalparlamentswahlen im März 2010, Marcel Stéphan, teil. Laut eigenen Worten „als Privatperson“.

Editorische Anmerkung

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.