Ein großer Erfolg
Kongress der Liga für die Fünfte Internationale (L5I)

Bericht der Gruppe Arbeitermacht

7-8/10

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Im Juni 2010 trafen sich Delegierte der Sektionen der Liga für die 5. Internationale (L5I) in der Türkei. Sie debattierten die internationale Arbeit unserer Organisation und verabschiedeten Dokumente und Resolutionen als Leitlinien für unsere Arbeit in den kommenden Jahren.

Dies war der 8. Kongress der Liga seit ihrer Gründung als demokratisch-zentralistischer Organisation im Sommer 1989. Mitglieder der Liga aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Schweden und Britannien nahmen teil. Der Kongress durfte auch einen Delegierten der 2009 neu etablierten Sektion aus den Vereinigten Staaten von Amerika sowie einen Sympathisanten der Liga aus Nepal begrüßen, der Mitglied der sozialistischen Jugendgruppe Revolution ist.

Nepal 

Der Kongress widmete sich in einer gesonderten Diskussion der Entwicklung in Südasien und die gegenwärtige Krise in Nepal im besonderen. Der Kongress bestätigte seine Orientierung auf die Hilfe beim Aufbau einer Ligasektion in Nepal und der Errichtung einer wahrhaft revolutionären sozialistischen Alternative zu den Maoisten, die den nepalesischen ArbeiterInnen und Bauern so viel versprochen, aber bisher wenig davon eingelöst haben.

Die Diskussion zu Nepal konzentrierte sich auf das Scheitern der maoistischen Etappen-Strategie, wonach es erst eine längere Phase bürgerlicher Demokratie geben könne und danach erst Sozialismus. Im Gegensatz zu den Maoisten befürworten revolutionäre SozialistInnen die Strategie der permanenten Revolution, die besagt, dass Demokratie nur durch Sozialismus errungen werden kann. Außerdem wurden die Ereignisse vom Mai 2010 diskutiert, die weithin als Generalstreik angesehen werden. Das Problem war jedoch, dass der Generalstreik in der Hauptstadt Katmandu nicht von den ArbeiterInnen ausging, sondern von maoistischen Kadern aus den ländlichen Regionen durchgesetzt wurde. Es handelt sich also nicht um eine freiwillige Aktion der Arbeiterklasse, was auch dazu führte, dass der Generalsstreik so unbeliebt wurde, dass die Aktionen nach wenigen Tagen abgebrochen werden mussten, weil die Arbeiterklasse und die linke Intelligenz in der Hauptstadt dieses Spiel nicht mitspielten. Das verdeutlicht einmal mehr das Problem einer Strategie, die nicht die Arbeiterklasse und deren Selbsttätigkeit als zentrales revolutionäres Subjekt begreift.

Wegen verweigerter Einreisevisa konnten die Delegierten aus Pakistan bedauerlicherweise nicht am Kongress teilnehmen. Der Kongress verurteilte einhellig die Einwanderungsgesetze, die die Rechte von nicht-privilegierten Menschen aus „Drittweltländern“ auf Reisefreiheit beschneiden.

Sri Lanka und Pakistan

Auch die Delegierten aus Sri Lanka waren am Kommen verhindert wegen der kritischen politischen Entwicklungen in ihrem Land. Beide Sektionen entboten Grüße in Verbindung mit vielversprechenden Berichten an den Kongress. In ihnen spiegelten sich die Fortschritte wider, die die GenossInnen in beiden Ländern gemacht haben. Die Arbeit der Sozialistischen Partei von Sri Lanka wurde als großer Erfolg gewertet. Die erste Ausgabe der Zeitschrift „Revolution“ ist auf Sinhalesisch erschienen und zum internationalen Frauentag fanden gelungene Veranstaltungen statt. Auch KandidatInnen als Teil einer Linken Front wurden zu den letzten Wahlen aufgestellt.

Als die GenossInnen aus Sri Lanka als Abspaltung von der CWI-Tendenz 2006 zum ersten Mal mit der Liga in Kontakt kamen, war die Lage in ihrem Land anders als heute: Sri Lanka war in einen Bürgerkrieg verstrickt. Die Sozialistische Partei Sri Lankas (SPSL) muss sich nun der Aufgabe eines Kampfes für Demokratie und Arbeiterrechte stellen, der nach dem Krieg notwendig geworden ist. Unsere Sektion konnte ArbeiterInnen im Gesundheitswesen in die Interniertenlager im Norden Sri Lankas entsenden, dort aktive Solidaritätsarbeit verrichten, aber auch politische Diskussionen mit tamilischen Flüchtlingen führen. Während des Bürgerkriegs verteidigte die SPSL prinzipienfest das tamilische Selbstbestimmungsrecht und Nationalitätenrechte und nutzte ihren Einfluss in der Gewerkschaftsbewegung, um Rückhalt in der Arbeiterklasse gegen den Chauvinismus zu gewinnen.

Die pakistanische Sektion der Liga entsprang der Bewegung zum Sturz des Diktators Muscharraf, die von radikalen Anwälten angeführt wurde und schließlich eine fast Jahrzehnte lange Diktatur beendete. In letzter Zeit entfachten die Ligamitglieder eine Kampagne gegen den Krieg in den nordwestlichen Grenzgebieten. Sie nahmen hierbei einen klar antiimperialistischen Standpunkt ein und riefen zur Beendigung des Krieges auf - anders als viele pakistanische Linke, die die Soldaten gegen die DorfbewohnerInnen und WiderstandskämpferInnen unterstützen.

Der Kongress begrüßte auch Delegationen von Revolution, der sozialistischen Jugendorganisation, die an den Debatten teilnahmen und über die Dokumente mit abstimmten. Die Liga bestätigte nochmals ihre Verbundenheit mit Revolution beim Aufbau einer internationalen Jugendorganisation, die noch mehr junge Leute in den Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus hineinbringt.

Beschlüsse

Die Hauptbeschäftigung des Kongresses war die Verabschiedung der Perspektiven- und Aufgabendokumente sowie die Änderungen zum neuen programmatischen Manifest als Aktionsprogramm gegen die Krise. Im Verlauf der Diskussion wurden dem Manifest wichtige Forderungen zur Verteidigung des Rechts für ImmigrantInnen auf Benutzung der eigenen Sprache an Schulen und darüber hinaus in Ablehnung der Idee einer amtlichen Staatssprache angefügt. Die Losung ‚Abschaffung der Börsen’ wurde hingegen vom Kongress verworfen. Stattdessen wurde zur Verstaatlichung der Banken und Finanzinstitutionen aufgerufen.

Der Kongress nahm auch eine Resolution zum Charakter von China an. In ihr wird Chinas Entwicklung im letzten Jahrzehnt untersucht, auch das exponentielle Wachstum seiner Wirtschaft und seine wachsende Machtstellung innerhalb der internationalen Weltordnung. Wir kamen zu dem Schluss, dass China nun ein imperialistischer Staat ist und dass seine weitere Entwicklung einer der Schlüsselfaktoren in der Weltpolitik ist.

Die wachsende Arbeiterbewegung in China weist bedeutsam auf künftige revolutionäre Kämpfe hin, die nicht nur die Zukunft Chinas, sondern die der ganzen Welt in den kommenden Jahrzehnten beeinflussen werden. Das Auftauchen einer neuen imperialistischen Macht, v. a. mit einem solchen Wirtschafts- und Militärpotenzial wie China kündet von einer neuen multipolaren Weltordnung und von steigenden Spannungen mit den etablierten imperialistischen Nationen, v. a. den USA.

Die deutsche Sektion der Liga brachte eine Entschließung über die Frage der Regierungslosung ein. Dies war eine Reaktion auf den Vorschlag einiger Delegierter, in das neue Programm die Forderung nach einer „Regierung von ArbeiterInnen, Bauern und der armen Bevölkerung“ als Reflex auf die Existenz von halbproletarischen Schichten in den riesigen Elendsquartieren auf der Welt aufzunehmen. Die Entschließung lehnte diesen Antrag ab und plädierte stattdessen für die Beibehaltung der Position der „Arbeiter- und Bauernregierung“. Dies wurde vom Kongress angenommen.

Der Kongress debattierte auch Resolutionsentwürfe zum Maoismus und zum Islamismus, die v.a. dazu gedacht sind, die Arbeit unserer Mitglieder und SympathisantInnen in Südasien anzuleiten. Längere Diskussionen der anwesenden Delegierten lieferten mehr Informationen und Ideen für die Resolutionen, die bald veröffentlicht werden sollen.

Der Kongress von 2006

Der letzte Ligakongress wurde 2006 in einer für unsere Organisation schwierigen Zeit abgehalten. Spaltungen in der österreichischen und britischen Sektion wie auch der Verlust etlicher Mitglieder der deutschen Revolution-Gruppe ereigneten sich in diesem Jahr. Dies war Resultat des Rückzugs von ehemaligen GenossInnen und Disputen über taktische Fragen. Der damalige Kongress war gekennzeichnet von der Haltung aller anwesenden GenossInnen, mit frischer Energie und Entschlossenheit voran zu schreiten. Im Ergebnis haben diese Bemühungen nun die ersten Früchte getragen. Seit 2006 hat sich die Liga mitgliedermäßig verdreifacht und hat neue Sektionen gewonnen. Wir stehen ferner in Diskussion mit Gruppen in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Aufgaben

Das Dokument zu den Aufgaben der Liga in den kommenden Jahren hob die Bedeutung nicht nur des Wachstums, sondern auch der Festigung der neuen Sektionen hervor. Natürlich muss die stärkere Teilhabe der asiatischen Sektionen trotz der Einreiseprobleme für GenossInnen aus diesen Ländern gesichert werden. Gemäß unseren Perspektiven werden die kommenden Jahre von einem gesteigerten Niveau von Klassenkämpfen bestimmt sein. Demnach liegen unsere Prioritäten auch in größerer Einflussnahme in Betrieben und Gewerkschaften, größerem Engagement für Solidaritätsaktionen bei wichtigen Streiks, stärkerer Rekrutierung von ArbeiterInnen und MigrantInnen. Wir haben eine Reihe von neuen GenossInnen in unsere internationalen Führungsgremien in der Absicht gewählt, mehr Erfahrung und Unterstützung für unsere Sektionen zu erhalten und schneller auf viele Anfragen, die wir von überall her bekommen, antworten zu können.

Nach dem Kongress wurden Kaderschulungen für Delegierte und GenossInnen, die am Europäischen Sozialforum teilnahmen, abgehalten. Sie konzentrierten sich auf die Stadien des revolutionären Parteiaufbaus mit Seminaren zu den  Streiks in Minneapolis 1934 und der Lage in Frankreich 1934/35. Eine Konferenz von weiblichen Liga- und Revolutionmitgliedern diskutierte die für die nächsten vier Jahre geplante Arbeit, um mehr Frauen zu gewinnen. Hier fließt die Erfahrung vom Aufbau eines revolutionären Frauenkollektivs in Österreich, die Erstellung einer neuen Schrift über den Sozialismus und Frauenbefreiung in Großbritannien sowie die Arbeit mit Gewerkschaftsaktivistinnen ein. Der Kongress und die Konferenz erneuerten ihre Verpflichtung, alles zu tun, damit der Anteil der weiblichen Mitglieder in Revolution und L5I wächst.

Ein neues Zeitalter der Krisen, des Widerstands und der Revolution ist angebrochen

Der Kongress diskutierte auch unsere Position der Charakterisierung der politischen Periode, die mit der Krise 2008 begonnen hat. Einige GenossInnen argumentierten, wir sollten sie als ‚revolutionäre Periode’ kennzeichnen, nachdem die Liga die Periode ab 2001 als ‚vorrevolutionär’ bezeichnet hatte, geprägt durch die Tendenz zur Stagnation der Produktivkräfte. Die Befürworter dieser Position betonten die wirkenden objektiven Faktoren in der Weltwirtschaft als Beweis für die Tendenzen zu Niedergang und folglich der Entwicklung von vorrevolutionären und revolutionären Situationen. Der Kongress erörterte diese Fragen und beschloss, diese Charakterisierungen zu revidieren, weil sie zu abstrakte Verallgemeinerungen darstellten, die den entscheidenden subjektiven Faktor für die Periodencharakterisierung als vorrevolutionär’ oder ‚revolutionär’ vernachlässigten.

Die Mehrheit meinte außerdem, dass solche Charakterisierungen, wenn sie auf längere Perioden angewandt würden, Gefahr laufen könnten, sich ändernde Situationen und Konjunkturen zu verwischen, wo die Veränderungen im Verhältnis der Klassenkräfte als Resultat von Siegen und Niederlagen eine entscheidende Rolle spielen und die Änderung von Taktiken bedingen. Solche Situationen und Konjunkturen können als ‚nicht’, ‚vor’ oder ´konterrevolutionär’ eingestuft werden als Folge einer konkreten Verbindung von objektiven und subjektiven Faktoren.

Der Kongress klärte auch, dass die Periode nach 1989, weithin als „Globalisierung“ unter unangefochtener US-Vorherrschaft bezeichnet, nunmehr zu Ende gegangen ist. Die bisherigen Machtverhältnisse, die vorherrschenden globalen Einrichtungen und ihre Ideologie sind zwar noch nicht vollständig zusammengebrochen, stecken aber in der Todeskrise.

Nichtdestotrotz war der Kongress insgesamt der Ansicht, dass wir in eine Periode eingetreten sind, von der wir noch nicht absehen können, wie lange sie dauern wird, von der aber schon Trotzki in den 20er und 30er Jahren sagte, dass “die revolutionäre Krise des Systems als ganzes“, von den normalen zyklischen Krisen oder katastrophischen Wirtschaftskrisen unterschieden ist.

Der Kongress verabschiedete ein Perspektivdokument, das die Weltlage als historische revolutionäre Krise des Kapitalismus bezeichnet, in der der revolutionäre Kommunismus erneut eine Massenerscheinung werden kann. Aber wir müssen auch klar erkennen, dass die proletarische Führungskrise sich in einer gewaltigen Ungleichheit der Antworten der Arbeiterklasse auf die Krise manifestiert. Der Schlussabschnitt der vom Kongress verabschiedeten internationalen Perspektive fasst die Schlussfolgerungen des Kongresses über die kommenden Kämpfe und die Aufgaben der Revolutionäre wie folgt zusammen:

„Die Liga für die 5. Internationale hat die Entwicklung der gegenwärtigen Krise korrekt analysiert, von ihren Anfängen der Kreditklemme 2007/08 bis zur derzeitigen ungleichmäßigen und stockenden zyklischen Erholung in den imperialistischen Kernländern. Wir haben gezeigt, dass alle Elemente der Stabilisierung und von Kredit getriebenen Expansion in Zusammenhang mit der Globalisierung ihre Grenze erreicht haben und sich sogar in ihr Gegenteil verkehrt haben, als Ursachen eines systemischen Zusammenbruchs. Wir glauben, dass die Wirtschaftskrise von 2008 nicht nur eine besonders scharfe zyklische Rezession in Gang gebracht hat, sondern auch, wie Trotzki sagte ‚eine revolutionäre Krise des Systems als ganzes’, d.h. eine ausgedehnte Periode, die mehrere industrielle Zyklen umfasst, in denen die allgemeine Tendenz sich auf die Stagnation und den Niedergang der Produktivkräfte zu bewegt.

Das bedeutet nicht, dass in einer solchen revolutionären Krise es nicht kürzere Expansionsphasen, Erholungen oder gar Wachstum der Produktivkräfte geben kann, aber es besagt, dass solche Perioden kurzlebig seien müssen und keine längerfristigen Merkmale tragen können. Es bedeutet auch nicht, dass bestimmte Sektoren der Weltwirtschaft etwa nicht  beträchtlich wachsen können, wie es in den USA fast durchweg in den 1920er Jahren geschah. China spielt derzeit eindeutig eine solche Rolle, obwohl das Land keineswegs unanfällig gegen einen wirtschaftlichen Zusammenbruch ist.

Selbst in einer solchen Periode wirkt die ungleichzeitige und kombinierte Entwicklung in jedem Land und ist bedingt durch die Tendenz zum Zusammenbruch, aber in Verbindung mit der Lage in einzelnen Ländern (auch Regionen und Erdteilen) können sich besondere Merkmale zeigen, die sogar zum allgemeinen Charakter in Widerspruch stehen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt besagt, dass wir uns am Beginn, nicht am Ende einer solchen revolutionären Krisenperiode befinden. Deshalb können wir Erholungen und Stabilisierungen wie auch Krisen und Zusammenbrüche und notwendigerweise Übergänge zwischen beiden erwarten.

Die Umweltkrise ist Bestandteil dieser historischen Krise und zeigt die physischen Grenzen der kapitalistischen Entwicklung, die Unfähigkeit des Profitsystems, den Grad von Anpassung zu dulden, um die Krise zu mildern, sowie die eigennützigen Prioritäten der herrschenden Cliquen. Der Klimagipfel von Kopenhagen und die BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zeigen die Verbindung der Geschäftsinteressen der großen Ölkonzerne mit dem Bedürfnis der USA nach strategischer Kontrolle von Rohstoffreserven und ihrem Rückgriff auf zunehmend umweltzerstörerische Naturausbeutung (Tiefseebohrungen) und die Schwächung der Gewerkschaften, deren Kontrolle Sicherheit gewährleisten könnte.

Es ist augenfällig, dass eine solche neue revolutionäre Krisenperiode die Spannungen zwischen Staaten steigen lässt, wenn die unangefochtene US-Hegemonie nach 1990 zu Ende geht. Eine neue Periode der Teilung und Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten, alten und aufstrebenden, gewinnt an Fahrt. Ihre Brennpunkte sind der Nahe Osten und Zentralasien (Palästina, Irak, Afghanistan, Pakistan). Der zionistische Staat Israel versucht, die sich sammelnden Kräfte gegen ihre ethnischen Säuberungen und kollektiven Strafaktionen  gegen die PalästinenserInnen auseinander zu treiben. Auch die Versuche der USA, ihre Hegemonie in Lateinamerika zurück zu erobern, werden vorrevolutionäre und revolutionäre Situationen verursachen. Spannungen zwischen den etablierten imperialistischen Mächten und China werden die Instabilität und die Möglichkeit von künftigen Konflikten in Afrika, Asien und Lateinamerika steigern, zumal die dynamische neue Macht nach Märkten, Rohmaterial und strategischen Verbündeten sucht.

Europa

In Europa droht die Kapitalistenklasse mit gewaltigen Attacken auf die Arbeiterklasse, versucht große Teile des „Wohlfahrtsstaates“ zu demontieren und viele der Errungenschaften der Arbeiterklasse nach dem 2. Weltkrieg wieder einzukassieren. In Osteuropa droht ein neues Zeitalter der Verknappung mit einem immer stärker um sich greifenden Niedergang des Lebensstandards großer Teile der Bevölkerung, die seit 1991 weiter verarmt.

Der revolutionäre Charakter dieser systemischen Krise sagt uns, wenn die Arbeiterklasse eine bedeutsame Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, die Zerstörung ihrer sozialen und demokratischen Errungenschaften im Kapitalismus, die Barbarei der Massenarbeitslosigkeit, Rassismus, Faschismus, weitere Umweltzerstörung und Krieg vermeiden will, muss sie nicht nur Widerstand gegen all diese Bedrohungen hier und jetzt leisten; sie muss auch bewusst die Kampfziele der meisten ihrer Massenorganisationen neu justieren. Die Gewerkschaften und politischen Parteien der Arbeiterklasse haben seit dem Zusammenbruch der 3. Internationale 1933 und dem schließlichen Scheitern der 4. Internationale beim Aufbau einer revolutionären Massenführung nach dem 2. Weltkrieg 1948-51 die Arbeiterklasse in die Irre geführt. Die Ersetzung des Kapitalismus durch den Sozialismus durch die Mittel von nationaler und internationaler Revolution muss abermals das bewusste Ziel der organisierten Arbeiterbewegung weltweit werden.

Der Widerstand gegen diese Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltkrise bricht überall aus. ArbeiterInnen, Bauern, Armut, Jugend und Unterdrückte sind angewidert von den Bankern und Politikern und gehen zur Aktion über, um ihre eigenen Lebensbedingungen zu verteidigen. Aber in den meisten Ländern sind die Gewerkschaften und Betriebsorganisationen in den vergangenen beiden Jahrzehnten zahlenmäßig und hinsichtlich ihrer demokratischer Lebenskraft und Militanz im Vergleich zu den 70er und 80er Jahren geschrumpft.

Arbeiterbewegung

In den Vereinigten Staaten, Britannien und vielen anderen Ländern haben sich die Beschränkungen der Gewerkschaften auf Organisierung der Arbeiteraristokratie oder den öffentlichen Dienst als Schwäche erwiesen, die bekämpft und überwunden werden muss. Die Vernachlässigung der Gewinnung von prekär Beschäftigten, EinwanderInnen, Frauen und JungarbeiterInnen  und dem Kampf für ihre Belange und die der Erwerbslosen durch die großen Gewerkschaften ist ein verhängnisvoller Fehler, den die Gewerkschaften mit weiteren Niederlagen bezahlen werden, wenn dieser Kurs nicht korrigiert wird.

Nichtsdestotrotz gibt es mächtige Gegenbewegungen, die oft von kleineren Gewerkschaften oder Basisausschüssen und Koordinationen in Lateinamerika (Argentinien, Brasilien, Venezuela u.a.) sowie nun auch in China geführt werden. In Europa (Frankreich, Italien, Griechenland) spielen kleinere Gewerkschaften oft eine dynamischere Rolle. Aber die politischen Hauptorganisationen der Massen - nationalistisch, liberal, populistisch, sozialdemokratisch, stalinistisch oder maoistisch - blockieren die Kämpfe ebenso oft oder führen den Widerstand in die Irre, statt zum Sturz des kapitalistischen Systems.

Reaktionäre Kräfte erscheinen jedoch auch auf dem Plan  und haben das verschreckte Kleinbürgertum ,die nicht klassenbewussten ArbeiterInnen sowie das Lumpenproletariat als Rekrutierungsfeld erkannt, um neue Bewegungen zusammen zu schweißen, die auf Rassismus, religiösem Fanatismus und Härte im Dienst von Kapital und Ordnung basieren.

Die gegenwärtige Krise zeigt in aller Deutlichkeit, was unbrauchbar, verrottet, inkonsequent und veraltet in Politik und Praxis der Führung der Arbeitermassenorganisationen sowohl bei Gewerkschaften wie politischen Parteien ist. Hier reift eine objektive Grundlage heran für die Bestrebungen, diese falschen Führer herauszufordern und sie durch eine neue revolutionäre Führung zu ersetzen. Für den Sieg in den unmittelbaren Kämpfen gegen die Absichten, die Auswirkungen der Krise auf den Rücken der Arbeiter, Bauern und städtischen Armut abzuladen, bedarf es der Schaffung von demokratischen Massenorganisationen als Kampfmitteln, die diese Führungskrise der Arbeiterklasse lösen können. Langfristig hängt davon die gesamte Zukunft der menschlichen Zivilisation ab. Zu diesem Zweck braucht die Arbeiterklasse eine 5. Arbeiterinternationale und neue revolutionäre Parteien in jedem Land.

In der kommenden Periode werden unsere Hauptlosungen lauten:

  • Die Kapitalisten, Banker und reichen Landbesitzer sollen die Kosten ihrer Krise zahlen!

  • Nein zu allen Sparmaßnahmen und Kürzungen! Stattdessen Kampf für ein Programm von öffentlichen Arbeiten (Bau, Ausstattung und Personal für Krankenhäuser, Wohnungen, Schulen, Bekämpfung von Umweltschäden)!

  • Stopp allen Versuchen, die Krise auf Kosten der Ausgebeuteten zu lösen - durch Massenstreiks, Betriebs- und Landbesetzungen, organisiert von demokratischen Arbeiter- und Bauernräten!

  • Für umfassende und unbefristete Generalstreiks in vielen Ländern mit der Perspektive der Errichtung einer revolutionären Arbeiter- und Bauernregierung, deren Grundlage kämpfende Räteorgane sind!

  • Solidarität mit den nationalen  Befreiungskämpfen der PaslästinenserInnen, KurdInnen,  TamilInnen, TibetanerInnen und BaskInnen! Verteidigung der Roma und der muslimischen Minderheiten in Europa!

  • Kontinentale und weltweite Mobilisierung in Solidariät mit allen, die unmittelbar von Angriffen betroffen sind!

  • Gegen alle imperialistischen Kriege! Strengster revolutionärer Defätismus in den imperialistischen Kernländern! Bedingungslose Verteidigung der nicht-imperialistischen Länder, die vom Imperialismus angegriffen werden, und von Widerstandsbewegungen in besetzten oder angegriffenen Ländern!

5. Internationale

Die Sektionen der Liga für die 5. Internationale sind wie fast alle, die die Fortsetzung des Vermächtnisses von Lenin und Trotzki beanspruchen, bedauerlicherweise immer noch Propagandaorganisationen und keine Parteien. Wir sind Organisationen, die die Grundlagen für neue revolutionäre Parteien in unseren Ländern zu legen versuchen und insbesondere eine neue Internationale gründen wollen. Darum haben wir die Aufgabe, die revolutionären Ziele zu formulieren, das dafür notwendige Programm zu erarbeiten und dafür zu an so vielen Fronten des Klassenkampfs wie möglich zu streiten. Dies erfordert den Kampf in Massenorganisationen und unter den bestehenden Führungen, wann immer diese Aktionen organisieren und zugleich den Einsatz für die Bildung von massenhaften Basiskräften, die imstande sind, die alten Führungen zu kontrollieren und sie schließlich abzulösen.

Die Losung der 5. Internationale ist durch den venezolanischen Präsidenten Chavez vor kurzem popularisert worden. Dies hat dazu geführt, dass viele sozialistische Gruppen und Intellektuelle, auch aus der 4. Internationale, sich für die Schaffung einer 5. Internationalen ausgesprochen haben, wozu die L5I bereits 2003 aufgerufen hat. Dadurch, dass die Losung durch den populistischen Präsidenten eines bürgerlichen Staates aufgestellt worden ist, haben andere TrotzkistInnen diese Losung abgelehnt und sie anscheinend in ihrem Mangel an Engagement für eine neue Internationale als Tagesaufgabe für die Massenorganisationen der Arbeiterklasse bestärkt.

Wir sind dagegen der festen Überzeugung, dass die Internationale auf die Tagesordnung gehört - statt eines platonischen Aufrufs an Propagandagruppen, die 4. Internationale wiederaufzubauen. Revolutionäre Einheit zwischen solche Gruppen auf einer prinzipienfesten programmatischen Grundlage ist unser notwendiges Ziel, es muss aber verbunden sein mit der Intervention auf allen Foren, auf denen sich internationalistisch gesinnte KlassenkämpferInnen treffen.

Obgleich die Liga für die 5. Internationale Chavez scharf kritisiert und gegen die Art von 5. Internationale ist, die er aufbauen will, sollten wir eine Konferenz, die offen wäre für alle Arbeiterorganisationen, die Imperialismus und Kapitalismus aktiv bekämpfen, als Chance begreifen, das Programm der sozialistischen Revolution zu propagieren. Die Liga ist entschlossen, jede Gelegenheit dazu in den kommenden Jahren zu ergreifen.

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Artikel durch

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 498
24. Juli 2010


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