Die
Linkspartei darf überwacht werden, damit hatte das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Klage vom
Fraktionschef der Thüringer Linken Bodo Ramelow abgewiesen.
Eine “offene Beobachtung” sei gerechtfertigt, d.h. die
Sammlung von Informationen aus Zeitungen und anderen
öffentlich zugänglichen Materialien ohne Einsatz
nachrichtendienstlicher Mittel. Daraufhin erklärte der
Historiker und wissenschaftliche Direktor der Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe am 25.7.2010 dem
Nachrichtenmagazin FOCUS, dass die Linkspartei mit
nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden sollte. Die
Linkspartei predige im “Hinterzimmer die Revolution” und
kämpfe für einen “Systemwechsel”.
Hubertus Knabes Feindbild ist die Linkspartei, das hat er mit
seinem Buch “Honeckers Erben” von 2009 untermauert. Dabei ist
die Linkspartei, jedenfalls dort wo sie an der Macht ist,
längst im Kapitalismus angekommen. Sie macht mit bei der
Sparpolitik und allem, was im Kapitalismus so an der
Tagesordnung ist. Im Berliner Stadtbezirk Neukölln
protestierten die Grünen und nicht “Die Linke” gegen eine
Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus, was zur
Auflösung der Zählgemeinschaft von SPD, Grünen und Linken
führte. Im Bund übt sich die Partei noch in verbaler
Radikalkritik. Warum sollte man die Linkspartei also mit
nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen lassen? Die paar
Altstalinisten sterben auch bald weg. Im Osten ist “Die Linke”
Volkspartei. Sie hat es geschafft, das DDR-Bild zu prägen und
damit die Ostalgie anzuheizen. Das Potential der Ostalgie
haben übrigens auch Rechtsextreme entdeckt, ein autoritärer
Sozialismus sei gut, er müsse nur national sein. In der DDR
herrschte Ordnung, es gab kaum Kriminalität und Ausländer. So
stellt sich der anständige Deutsche eine Gesellschaft vor.
Nicht nur die Linkspartei, sondern auch große Teile der
außerparlamentarischen Linken haben ein Problem mit der Kritik
an der DDR, auf dem linken Auge scheinen viele blind zu sein.
So hörten sie sich am 17.1.2010 im Kato in Berlin- Kreuzberg
fast ohne Murren auf der Veranstaltung “Die DDR und die
radikale Linke” die von der Antifa-Gruppe “arab” organisiert
und dem Enkel eines ehemaligen DDR-.Botschafters in den USA
moderiert wurde, einen langen Vortrag eines ehemaligen
NVA-Offiziers an. “Konterrevolutionäre Kräfte” waren danach
für den Aufstand am 17. Juni 1953 ebenso wie für 68 in der
Tschechoslowakei und den Solidarnosc- Aufstand in Polen
verantwortlich. Ein Sozialismus mit menschlichem Angesicht,
das sei nicht machbar. Inge Viett, die als RAF-Kämpferin in
der DDR untergetaucht war, wartete mit dem Satz auf: “Wir
wissen heute noch nicht, welche Mauern, Dämme oder
Abwehrschirme wir bauen werden müssen, um die nächsten Anläufe
zu verteidigen.” So macht Sozialismus wirklich Spaß. Am besten
einmauern, damit keiner weglaufen kann. Viele Linke, vor allem
auch in der Linkspartei, verteidigen den Realsozialismus.
Dabei lassen sich selbst “soziale Errungenschaften” leicht
widerlegen. Was nützt zum Beispiel ein Recht auf Wohnen, wenn
die Altbauten verfallen und sich eine Wohnungsnot ankündigt.
Was nützt ein Recht auf Arbeit, wenn ich gleichzeitig zur
Arbeit gezwungen bin. Was nützt eine Vereinbarkeit von Beruf
und Familie, wenn ich als Frau doch hauptsächlich für
Kindererziehung und Haushalt verantwortlich bin und
Gleichberechtigung nur ein schöner Wunschtraum bleibt. Was
sollen diese ständigen Rechtfertigungen von Linken, nur um das
eigene Lebenswerk nicht zu beschädigen.
All
das scheint Hubertus Knabe anzustacheln. Dabei muß man den
Totalitarismustheoretikern (“Diktaturenvergleicher”) lassen,
sie legen den Finger in die Wunde. Und das schmerzt die Linke,
die es bisher nicht geschafft hat, mit einer kritischen
Aufarbeitung des Realsozialismus, also ihrer eigenen
Geschichte, zu beginnen. Wenn man DDR-Aufarbeitung betreibt,
kommt man an Hubertus Knabe nicht vorbei. In seinem Buch “Die
Täter sind unter uns”, das manchmal in Richtung
Verschwörungsideologie geht, hat er mit der Aufarbeitung
abgerechnet und damit auch einiges für die Opfer des
Realsozialismus in der DDR getan. So rechnet er mit dem
angeblichen “Rentenunrecht” ab, dass die ehemaligen
Systemträger beklagten. In der DDR gab es nämlich ein
Rentenunrecht. Während viele, vor allem Frauen, in Altersarmut
lebten, bekamen Privilegierte Sonderrenten. Auch heute haben
die Täter wieder viel höhere Renten als ihre Opfer. “Je länger
sie daran mitwirkten, das Regime am Leben zu halten, desto
höher sind ihre Altersbezüge.”, so Knabe. Und “Die Faustregel
lautet: Je stärker sich ein DDR-Bürger mit dem System anlegte,
umso geringer ist heute seine Rente....einen Ausgleich für die
geraubten Lebenschancen gab es nicht...”
Oder
das Thema juristische Aufarbeitung mit dem Strafgesetzbuch der
DDR. Das führte dazu, dass kaum ein Täter nach der “Wende”
inhaftiert wurde. Bis Mitte 1998 wurden 20 Stasi-Offiziere
verurteilt, 12 bekamen Geldstrafen, 7 eine Freiheitsstrafe zur
Bewährung. Knabe schreibt: “Aus dem Korps der 91 000
hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter musste nur einer ins
Gefängnis.” Wegen zweifachen Totschlags. Nur 43 DDR-Bürger bei
ca. 200 000 politischen Gefangenen und vielen (Grenz-) Toten,
aber 51 (!) bundesdeutsche Agenten, mußten ins Gefängnis.
Das
alles ist beschämend, wenn man bedenkt, wofür Menschen in der
DDR inhaftiert wurden. Ein 27jähriger Theologe, der als
Friedhofsarbeiter tätig war, verlieh das Buch ”1984” von Georg
Orwell an Freunde. Wegen ”staatsfeindlicher Hetze” bekam er
eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten. Als ein
Dachklempner ein weißes Band (stand für Ausreise) am Auto
befestigt, und nicht den Anweisungen der Polizei folgt, das
Band zu entfernen, wird er wegen ”Beeinträchtigung staatlicher
oder gesellschaftlicher Tätigkeit” zu 18 Monaten Haft
verurteilt. Als ein hartnäckiger Ausreiseantragsteller das
Zeichen ”A” an seinem Wohnungsfenster befestigt hatte, wird er
wegen ”Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher
Tätigkeit” zu 15 Monaten verurteilt.
Auch
Todesschützen an der Grenze mußten fast nie ins Gefängnis. Man
versuchte allerdings die Organisatoren des Grenzregimes
anzuklagen. 29 Personen erhielten bis Mitte 2002
Freiheitsstrafen ohne Bewährung, acht von ihnen bekamen fünf
oder mehr Jahre Haft.
Dass
Hubertus Knabe sich für die Opfer des DDR-Regimes einsetzt,
rechne ich ihm an, obwohl ich ihn als politischen Gegner
ansehe. Denn auch ich will den Systemwechsel, gerade weil ich
in der DDR sozialisiert wurde, als Teil der Subkultur und
Ausreiseantragstellerin ein abweichendes Leben in der DDR
führte und einen Systemwechsel erlebt habe. Eine Gesellschaft
mit dieser enormen sozialen Spaltung kann nicht normal sein,
der Kapitalismus ist eben nicht alternativlos. Und gerade das
führt bei den vielen Verlierern in den neuen Bundesländern zur
Ostalgie. Es gibt aber kein Zurück und wenn es um Perspektiven
geht, dürfen diese nicht autoritär sein, deshalb ist die
DDR-Aufarbeitung so wichtig.
Hubertus Knabes Lebensthema ist die DDR-Aufarbeitung und das
hat Gründe.
Seine Eltern, die Mutter war schwanger mit Hubertus, flohen
1959 aus der DDR. 1978 gründete er ein Komitee für die
Freilassung des DDR-Dissidenten Rudolf Bahro. 1979 lernte er
seine spätere Frau in der DDR kennen, die 1981 ausreisen
durfte. 1980 bis 1987 war ihm die Einreise in die DDR
verboten. Hubertus Knabe wird von Wissenschaftlern und von
links kritisiert. Vom Bundespräsidenten Horst Köhler erhielt
er dagegen das Bundesverdienstkreuz.
Auch wenn uns jetzt wieder das “Vereinigungsgefeier” erwartet,
und viele es nicht mehr ertragen können, denn die sozialen
Folgen in den neuen Bundesländern (und auch alten) waren
verheerend, eine differenzierte DDR-Aufarbeitung ist immer
noch notwendig. Ich lehne sowohl die Totalitarismustheorie,
die mit dem Diktaturenvergleich den Nationalsozialismus
verharmlost und die DDR dämonisiert, als auch die
Verharmlosung durch die DDR-Systemträger, die Verklärung durch
die Wendeverlierer, die Banalisierung durch Medien ab.
Wir
sind das den vielen Opfern des DDR-Unrechtsstaates schuldig.
Editorische Anmerkung
Den Artikel
bekamen wir von der AutorIn für diese Ausgabe.
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