Lockerung der Residenzpflicht - noch kein Grund zum Feiern

von Peter Nowak

7-8/10

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Flüchtlingsräte und antirassistische Organisationen geht die Lockerung der Residenzpflicht in Brandenburg nicht weit genug.

Lange haben Flüchtlingsinitiativen und antirassistische Gruppen für die Abschaffung der Residenzpflicht gekämpft. Sie verpflichtet in Deutschland lebende Flüchtlinge, den von den Ausländerbehörden zugewiesenen Wohnort nicht zu verlassen. Für jede Ausnahme ist eine oft gebührenpflichtige Genehmigung erforderlich. Seit Jahren wurde dagegen für das Recht auf Bewegungsfreiheit für alle Menschen gestritten.

Nun scheint sich etwas zu bewegen. Ende Juli sind in Berlin und Brandenburg zwei Erlasse in Kraft getreten, die Flüchtlingen, deren Asylantrag geprüft wird oder die eine Duldung haben, den Aufenthalt im jeweils anderen Bundesland erlaubt. "Von den neuen Erlassen sind in Brandenburg etwa 1.100 Asylbewerber und 1.700 Geduldete betroffen, in Berlin ca. 1.700 Asylbewerber und etwa 3.500 Geduldete“, heißt es in einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Inneres. Von einem Stück mehr Freiheit für Asylbewerber spricht Berlins Innensenator Ehrhart Körting.

Nachbesserungen gefordert

In diesen Jubel möchte Kay Wendel vom Brandenburger Flüchtlingsrat nicht einstimmen. Es handele sich um einen Schritt in die richtige Richtung, der für viele Betroffene eine konkrete Verbesserung ihrer Lebenssituation bedeute, betont Wendel gegenüber ND. Damit sei auch eine Bresche in die bundesdeutsche Asylpolitik geschlagen worden. Das zeigt sich für Wendel daran, dass auch in anderen Bundesländern die Kritik an der Residenzpflicht wächst. So hat auch der Landtag von NRW einen von der Fraktion der Linken eingebrachte Resolution verabschiedet, nach der sich „Asylbewerber und Geduldete …erlaubnisfrei im gesamten Gebiet des Bundeslands Nordrhein-Westfalen aufhalten dürfen“.

Doch die Freude über die Lockerung der Residenzpflicht ist für die Flüchtlingsräte von Berlin und Brandenburg nicht ungetrübt. Denn in dem am 29.Juli veröffentlichten Ausführungserlass werden Flüchtlinge im Duldungsstatus, die nicht an der Paßbeschaffung mitwirken oder ihre Identität verschleiern, um einer Abschiebung zu entgehen, von der Erleichterung ausgeschlossen. „Dieser Vorwurf betrifft in der Praxis bis zu 50 Prozent der Geduldeten – in sehr vielen Fällen zu Unrecht“, erklärt Wendel gegenüber ND. Obwohl die Paßbeschaffung für geduldete Flüchtlinge oft nicht möglich sei, werde ihnen von den Behörden die Verletzung der Mitwirkungspflicht unterstellt. Die Flüchtlingsräte von Berlin und Brandenburg fordern an diesem Punkt eine Nachbesserung des Erlasses. Man werde genau beobachten, wie die Ausländerbehörden die Lockerungen umsetzen. Sollte die Residenzpflicht zur Sanktionierung von angeblich renitenten Flüchtlingen gebraucht werden, sei eine Klagewelle abzusehen, betont Wendel.

Lockerungen nur Heuchelei

Osaren Igbinoba von der Flüchtlingsorganisation The Voice kritisiert eine Pressemitteilung der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, in der die Lockerung der Residenzpflicht als „Erfolg für die Menschenrechte“ klassifiziert wird. „ Wir als THE VOICE REFUGEE FORUM können uns über die “Lockerungen” nicht freuen. Nicht nur, weil die Freiheit der Asylsuchenden, auch nach der Aufhebung, immer noch stark eingeschränkt ist, sondern auch, weil die Regelung zunächst nur die 1100 Flüchtlinge betrifft, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist“, heißt es in einer Pressemeldung der Flüchtlingsorganisation.
 

Editorische Anmerkung

Den Artikel bekamen wir vom Autor für diese Ausgabe.