Widerstand gegen Sparpaket, Gesundheitsreform und kommunale Kürzungen
Welche Kampfstrategie gegen Regierung und Kapital?

von Lucy Redler

7-8/10

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In Griechenland und Spanien sind für den September weitere Generalstreiks angekündigt. Auch in Portugal, Frankreich und Italien kam es bereits zu Massenprotesten gegen die „Sparpakete“ der Regierungen. In Deutschland ist die Bewegung noch nicht so weit. Die Demonstrationen in Berlin und Stuttgart von über 40.000 Menschen am 12. Juni waren ein wichtiger Erfolg und haben deutlich gemacht, dass das Potenzial vorhanden ist, eine Protestbewegung gegen das Sparpaket und die Kürzungen der Regierung aufzubauen.

 Ziel muss sein, die Angriffe durch Massenmobilisierungen zu verhindern und Millionen auf einen ernsthaften Kampf gegen tiefe Einschnitte vorzubereiten. Denn das jetzige sogenannte Sparpaket ist nur die Spitze des Eisbergs. Weitere Attacken sind geplant – wie die Diskussionen über eine Eintrittsgebühr bei jedem Arztbesuch und die Verkleinerung des Wohnraums auf 25 Quadratmeter für Hartz-IV-EmpfängerInnen zeigen. Zudem drohen Kürzungen in einer Vielzahl von Kommunen und Arbeitsplatzabbau im Öffentlichen Dienst und in der Privatindustrie.
Protest- und Streikbewegung aufbauen

Um die Angriffe zu stoppen, braucht es jedoch mehr als das, was von den Gewerkschaftsführungen und Anti-Krisen-Bündnissen bisher geplant ist. Nötig ist eine Kampfstrategie zum Aufbau einer Protest- und Streikbewegung, die Massen mobilisiert, den Protest in die Betriebe trägt und damit den Druck auf die Gewerkschaftsspitzen für die Vorbereitung eines eintägigen Generalstreiks erhöht - spätestens dann, wenn das Sparpaket in dritter Lesung im Bundestag am 26. November beschlossen werden soll.

SAV-Mitglieder haben aus diesem Grund in den letzten Wochen in den Anti-Krisen-Bündnissen die Durchführung einer bundesweiten Demonstration in Berlin für Anfang Oktober, nach der ersten Lesung des Sparpakets, vorgeschlagen. Leider wurde dieser Vorschlag von der bundesweiten Koordinierung der Anti-Krisen-Proteste nicht aufgenommen. Auch DIE LINKE und ver.di Berlin, die anfangs Unterstützung signalisiert hatten, haben ihre Unterstützung zurückgezogen. Eine bundesweite Demonstration mit mehreren Zehntausend Menschen hätte eine Steigerung zu den Protesten am 12. Juni dargestellt und damit den Druck auf die Gewerkschaftsspitzen erhöht, die von ihnen ab 24. Oktober geplanten Aktionswochen nicht zum Dampf ablassen zu benutzen. Dass diese Möglichkeit der Einflussnahme nicht wahrgenommen wird, ist ein großer Fehler.

Trotzdem wäre es falsch, nun einfach die gewerkschaftlichen Proteste Ende Oktober und Anfang November abzuwarten und Berthold Huber und Frank Bsirske Rhythmus und Ausmaß der Proteste bestimmen zu lassen. AktivistInnen aus Anti-Krisen-Bündnissen, Gewerkschaften, die Partei DIE LINKE und linke Organisationen können eine wichtige Rolle dabei spielen, Druck von unten aufzubauen.
Für Demos und Streiks am 29. September

Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Notwendigkeit von Arbeitsniederlegungen wie in anderen Ländern herauszustellen, bietet der internationale Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) am 29. September. An diesem Tag finden mindestens in Griechenland und Spanien Generalstreiks und eine Demonstration des EGB in Brüssel statt. Betriebliche und gewerkschaftliche AktivistInnen sollten jetzt vom DGB und den Einzelgewerkschaften einfordern, an diesem Tag auch hier Streiks zu organisieren. Außerdem sollten sie in ihren Betrieben selbst Aktionen bis hin zu Arbeitsniederlegungen durchführen.

AktivistInnen sollten in allen Städten an gewerkschaftliche Gliederungen und DIE LINKE herantreten und die Durchführung gemeinsamer Demonstrationen am späten Nachmittag vom Mittwoch, den 29. September gegen das Sparpaket, die Gesundheitsreform und kommunale Kürzungen vorschlagen.

Dabei ist die Verbindung zu realen Kämpfen vor Ort wichtig – wie beispielsweise zur Bewegung gegen Stuttgart 21 oder zu Protesten gegen Kürzungen auf Landesebene wie in Sachsen oder Schleswig-Holstein.

Wenn Tausende in vielen Städten am 29. September auf die Straße gehen und Streiks und einen gemeinsamen Kampf bundesweit und international einfordern, kann das eine wichtige Wirkung erzielen.

GewerkschaftsaktivistInnen sollten sich zudem für Vertrauensleute- und Betriebsrätekonferenzen, noch im September, stark machen, damit dort über die nächsten Schritte im Widerstand diskutiert werden kann.
Für betriebs- und branchen-übergreifende Streiks in den Aktionswochen der Gewerkschaften

Erst für den Spätherbst, beginnend am 24. Oktober, haben die Gewerkschaftsoberen drei Aktionswochen angesetzt. Das ist sehr spät. Zudem ist noch ganz offen, wie intensiv dafür mobilisiert wird und wie viele Belegschaften einbezogen werden sollen. Offen ist auch, welchen Charakter die Aktionen genau annehmen sollen.

ver.di-Chef Bsirske meinte vor kurzem im Interview im ver.di-Mitgliedernetz: „Ja, der DGB-Bundesvorstand hat beschlossen, dass alle Gewerkschaften zu den Aktionswochen zwischen dem 24. Oktober und dem 13. November mobilisieren. Es wird mehrere regionale Demonstrationen und Kundgebungen der DGB-Gewerkschaften geben. Auch in vielen Bezirken werden gemeinsame Aktivitäten mit dem DGB und den anderen Gewerkschaften geplant. Während der Aktionswochen sollen möglichst viele Betriebs- und Personalversammlungen in den verschiedenen Branchen am selben Tag stattfinden, die schließlich – abgestimmt über die beteiligten Gewerkschaften beziehungsweise den DGB vor Ort – in eine gemeinsame Veranstaltung münden. Hier ziehen die Gewerkschaften und die Beschäftigten aus verschiedenen Branchen an einem Strang.“

Diesen Worten müssen Taten folgen. Praktisch muss das bedeuten, in möglichst vielen Betrieben branchenübergreifend am selben Tag zur selben Uhrzeit Betriebsversammlungen durchzuführen, um die Beschäftigten dann zu gemeinsamen zentralen Demonstrationen in den Innenstädten während der Arbeitszeit rauszuholen.

Das wäre auch die beste Mobilisierung für Massendemonstrationen am Samstag, den 13. November. Innerhalb der Gewerkschaften sollte eingefordert werden, dass nicht nur – wie bisher geplant – die IG Metall, sondern alle Einzelgewerkschaften ihre Mitglieder zum 13. November mobilisieren.

Für einen 24-stündigen, von den Gewerkschaften organisierten Generalstreik

Teile der Anti-Krisen-Bündnisse bereiten derzeit eine Blockade des Bundestags am Tag der 2. oder 3. Lesung des Sparpakets im Bundestag Ende November vor. Wieviel mächtiger wären solche Blockaden von Kreuzungen und Zufahrtswegen zum Bundestag, wenn nicht nur linke AktivistInnen demonstrieren, sondern die Gewerkschaften ihre Mitglieder mobilisieren würden!

Eine Kampagne für einen eintägigen Generalstreik spätestens am 26. November, den Tag der dritten Lesung des Sparpakets im Bundestag, könnte darin bestehen, diese Forderung in den kommenden Wochen, gerade aber auch auf den Demos am 13. November massenhaft zu erheben. Parallel dazu müssten in den Gremien auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene Anträge eingebracht werden, dass die Gewerkschaften einen solchen Generalstreik vorbereiten, dazu aufrufen und ihn organisieren. Wenn am 13. November Tausende DemonstrantInnen Plakate, Schilder, Transparente hochhalten und Unterschriften sammeln für die Vorbereitung und Durchführung eines eintägigen Generalstreiks könnten sie einen Weg aufzeigen, wie die Angriffe gestoppt werden können.
 

Editorische Anmerkung

Den Artikel spiegelten wir auf Empfehlung der Redaktion der SAV-Website


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