Peter Trotzig
Kommentare zum Zeitgeschehen

Staatsverschuldung oder
Der Zusammenbruch der kapitalistischen Marktwirtschaft findet im Staatsbankrott seinen angemessen Ausdruck
 

7-8/11

trend
onlinezeitung

I.

Zunächst erscheint der bürgerliche Staat ganz unschuldig an seiner Verschuldung. Zu wenig Wirtschaftswachstum lässt die Steuereinnahmen einbrechen (70iger und 80iger Jahre des letzten Jahrhunderts) und „wohltätige“ Ausgaben haben zugenommen. Schärfere ökonomische Krisen erhöhen die Lohnarbeitslosigkeit und verringern (z.B. in Deutschland) die Einnahmen der Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung.

red. trend -  Der Autor gab uns den Hinweis, dass ihn folgende Artikel aus der bürgerlichen Presse zu seinem Kommentar angeregt haben:

Der Staat ist gefragt: er senkt die Steuern, um wieder mehr Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Er senkt oder friert ein die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen.

Die Ausgaben sinken aber nicht im gleichen Verhältnis wie die Einnahmen geringer werden. Im Gegenteil, sie nehmen eher zu.

Der Staat muss also gleichzeitig selbst sparen, bzw. seine Ausgaben zurückfahren. Er streicht soziale Leistungen, kürzt im Bildungsbereich, kürzt bei Ausbau und Instandhaltung des Straßennetzes usw. usf..

Als Investor und Nachfrager tritt der Staat kürzer und verhindert damit zum Teil die Ausdehnung des Marktes, die er eigentlich erzeugen will.

Er beginnt seinen Refinanzierungsbedarf immer stärker dadurch zu decken, dass er sein „Tafelsilber“ verkauft (Privatisierung von Staatsunternehmen und anderes Eigentum) und durch verstärkte Ausgabe von Staatsanleihen, also durch Geldbeschaffung auf den Finanzmärkten. Letzteres bedeutet nichts weiter, als das der Staat verstärkt Kredite aufnimmt. 

Die erste Etappe sich spiralförmig - im Rhythmus der Konjunkturzyklen - erhöhender Staatsverschuldung ist damit abgeschlossen. Die Wirtschaft scheint wieder zu blühen (vor allem 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts), was allerdings vor allem blüht, ist die sogenannte Finanzindustrie. Sie blüht, weil der Staat verstärkt ihr Kreditgeld nachfragt, sie blüht, weil die Investoren ihr Kreditgeld nachfragen, um z.B. Staatsbetriebe zu kaufen, sie blüht, weil die „kleinen Leute“ wegen sinkender Lohneinkommen, verstärkt Kredite für Häuser, Autos etc. nachfragen. Das steigert den Umsatz der Finanzindustrie und erweitert natürlich den Markt insgesamt durch Schaffung zahlungsfähiger Nachfrage.

 

II.

Die zweite Etappe beginnt damit, dass die Finanzindustrie selbst in die Krise gerät. Die Zahlungsunfähigkeit „kleiner Leute“, ihre Unfähigkeit, die Zinsen für die Kredite zu zahlen, wird zum Ausgangspunkt der jetzt in Gang kommenden Lawine der Staatsverschuldung. (Finanzkrise) Es zeigt sich, dass die Finanzindustrie in ihrer Maßlosigkeit des Guten zu viel getan hat, zu viel Geld unter die Leute gebracht hat, das nicht durch „real erwirtschaftete“ Einkommen zurück gezahlt werden kann und nun selbst zahlungsunfähig wird. Große Kreditinstitute stehen vor dem aus und müssen gerettet werden, weil sonst das ganze Kreditgeschäft zusammenbricht. Ohne Kreditsystem aber funktioniert ein entwickelter Kapitalismus überhaupt nicht. Banken sind „systemrelevant“. 

Und jetzt wird die Sache bunt, geradezu widersinnig und gewinnt an Fahrt. Der sowieso schon teils hochverschuldete Staat nimmt bei der Finanzindustrie, die er gerade retten muss, erneut in großem Umfang Kredit auf, um einzelne „systemrelevante“ Banken vor dem Zusammenbruch zu  bewahren und Konjunkturprogramme aufzulegen. Er verschuldet sich dabei in einem solchen Umfang, dass er selbst zahlungsunfähig zu werden droht. Für seine Anleihen muss er entweder enorme Zinsen zahlen oder die werten Anleger fangen an, ihm zu misstrauen und kaufen sie nicht mehr. Kaufen die Anleger die Anleihen nicht mehr ab, dann ist jedoch das Ende der Fahnenstange schnell erreicht. Kaufen sie die Anleihen zu horrenden Zinsen, dann dreht sich die Verschuldungsspirale des Staates um eine weitere letzte Windung weiter und führt letztlich zu drastischen Steuererhöhungen, wie jetzt in Griechenland, die eigentlich als kontraproduktive Todsünde schlechthin verpönt sind. Das ganze kommt aber auf jeden Fall zum Abschluss durch Staatsbankrott, worin der Zusammenbruch der kapitalistischen Marktwirtschaft ihren angemessenen Ausdruck finden wird.

III.

Der Staat war und ist ökonomisch gefragt und gefordert als Garant und Retter der kapitalistischen Marktwirtschaft, sollte und soll Rahmenbedingungen für rentable Kapitalverwertung schaffen und damit für erfolgreiches Wirtschaftswachstum sorgen. Letztlich wird er ganz unbeabsichtigt zum Sargnagel am ökonomischen Grab. Das Geld, dass er für sein segensreiches Wirken anfasst, entspringt keiner autonomen Reichtumsquelle, es stammt so oder so aus der gepriesenen, in immer schärfere Krisen dümpelnden Privatwirtschaft und muss durch diese „erwirtschaftet“ werden. (Alles Geld des Staates stammt aus Besteuerung von Einkommen und Umsatz von Ware und Geld, oder aus Kreditaufnahme. Wird es nicht aus dem „Wirtschaftskreislauf“ gesogen, sondern einfach in Staatsdruckereien gedruckt, dann ist es nichts wert.)

Ob der Staat spart, sich verschuldet oder Steuern erhöht, er bewegt sich immer in den Grenzen des „ökonomischen Bewegungsgesetzes der bürgerlichen Gesellschaft“, das seinem Wirken vorausgesetzt ist und dass er im übrigen ja gerade zu segensreichen Wirkung entfalten will.  Sein bewusstes Eingreifen zielt auf Wirschaftswachstum in Gestalt erfolgreicher Kapitalverwertung ab und resultiert doch letztlich im Staatsbankrott, der nichts anderes ausdrückt, als das Versagen eben dieser privatwirtschaftlichen Kapitalverwertung. Was die Pleite für das Einzelkapital, ist der Staatsbankrott für das gesellschaftliche Gesamtkapital.

Editorische Anmerkungen

Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.