I.
Zunächst erscheint der
bürgerliche Staat ganz unschuldig an seiner Verschuldung. Zu
wenig Wirtschaftswachstum lässt die Steuereinnahmen
einbrechen (70iger und 80iger Jahre des letzten
Jahrhunderts) und „wohltätige“ Ausgaben haben zugenommen.
Schärfere ökonomische Krisen erhöhen die
Lohnarbeitslosigkeit und verringern (z.B. in Deutschland)
die Einnahmen der Arbeitslosenversicherung und
Krankenversicherung. |
red.
trend - Der Autor gab uns den Hinweis,
dass ihn folgende Artikel aus der bürgerlichen Presse zu
seinem Kommentar angeregt haben:
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Der Staat ist
gefragt: er senkt die Steuern, um wieder mehr
Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Er senkt oder friert ein die
Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen.
Die Ausgaben
sinken aber nicht im gleichen Verhältnis wie die Einnahmen
geringer werden. Im Gegenteil, sie nehmen eher zu.
Der Staat muss
also gleichzeitig selbst sparen, bzw. seine Ausgaben
zurückfahren. Er streicht soziale Leistungen, kürzt im
Bildungsbereich, kürzt bei Ausbau und Instandhaltung des
Straßennetzes usw. usf..
Als Investor
und Nachfrager tritt der Staat kürzer und verhindert damit zum
Teil die Ausdehnung des Marktes, die er eigentlich erzeugen
will.
Er beginnt
seinen Refinanzierungsbedarf immer stärker dadurch zu decken,
dass er sein „Tafelsilber“ verkauft (Privatisierung von
Staatsunternehmen und anderes Eigentum) und durch verstärkte
Ausgabe von Staatsanleihen, also durch Geldbeschaffung auf den
Finanzmärkten. Letzteres bedeutet nichts weiter, als das der
Staat verstärkt Kredite aufnimmt.
Die erste
Etappe sich spiralförmig - im Rhythmus der Konjunkturzyklen -
erhöhender Staatsverschuldung ist damit abgeschlossen. Die
Wirtschaft scheint wieder zu blühen (vor allem 90iger Jahre des
letzten Jahrhunderts), was allerdings vor allem blüht, ist die
sogenannte Finanzindustrie. Sie blüht, weil der Staat verstärkt
ihr Kreditgeld nachfragt, sie blüht, weil die Investoren ihr
Kreditgeld nachfragen, um z.B. Staatsbetriebe zu kaufen, sie
blüht, weil die „kleinen Leute“ wegen sinkender Lohneinkommen,
verstärkt Kredite für Häuser, Autos etc. nachfragen. Das
steigert den Umsatz der Finanzindustrie und erweitert natürlich
den Markt insgesamt durch Schaffung zahlungsfähiger Nachfrage.
II.
Die zweite
Etappe beginnt damit, dass die Finanzindustrie selbst in die
Krise gerät. Die Zahlungsunfähigkeit „kleiner Leute“, ihre
Unfähigkeit, die Zinsen für die Kredite zu zahlen, wird zum
Ausgangspunkt der jetzt in Gang kommenden Lawine der
Staatsverschuldung. (Finanzkrise) Es zeigt sich, dass die
Finanzindustrie in ihrer Maßlosigkeit des Guten zu viel getan
hat, zu viel Geld unter die Leute gebracht hat, das nicht durch
„real erwirtschaftete“ Einkommen zurück gezahlt werden kann und
nun selbst zahlungsunfähig wird. Große Kreditinstitute stehen
vor dem aus und müssen gerettet werden, weil sonst das ganze
Kreditgeschäft zusammenbricht. Ohne Kreditsystem aber
funktioniert ein entwickelter Kapitalismus überhaupt nicht.
Banken sind „systemrelevant“.
Und jetzt wird
die Sache bunt, geradezu widersinnig und gewinnt an Fahrt. Der
sowieso schon teils hochverschuldete Staat nimmt bei der
Finanzindustrie, die er gerade retten muss, erneut in großem
Umfang Kredit auf, um einzelne „systemrelevante“ Banken vor dem
Zusammenbruch zu bewahren und Konjunkturprogramme aufzulegen.
Er verschuldet sich dabei in einem solchen Umfang, dass er
selbst zahlungsunfähig zu werden droht. Für seine Anleihen muss
er entweder enorme Zinsen zahlen oder die werten Anleger fangen
an, ihm zu misstrauen und kaufen sie nicht mehr. Kaufen die
Anleger die Anleihen nicht mehr ab, dann ist jedoch das Ende der
Fahnenstange schnell erreicht. Kaufen sie die Anleihen zu
horrenden Zinsen, dann dreht sich die Verschuldungsspirale des
Staates um eine weitere letzte Windung weiter und führt
letztlich zu drastischen Steuererhöhungen, wie jetzt in
Griechenland, die eigentlich als kontraproduktive Todsünde
schlechthin verpönt sind. Das ganze kommt aber auf jeden Fall
zum Abschluss durch Staatsbankrott, worin der Zusammenbruch der
kapitalistischen Marktwirtschaft ihren angemessenen Ausdruck
finden wird.
III.
Der Staat war
und ist ökonomisch gefragt und gefordert als Garant und Retter
der kapitalistischen Marktwirtschaft, sollte und soll
Rahmenbedingungen für rentable Kapitalverwertung schaffen und
damit für erfolgreiches Wirtschaftswachstum sorgen. Letztlich
wird er ganz unbeabsichtigt zum Sargnagel am ökonomischen Grab.
Das Geld, dass er für sein segensreiches Wirken anfasst,
entspringt keiner autonomen Reichtumsquelle, es stammt so oder
so aus der gepriesenen, in immer schärfere Krisen dümpelnden
Privatwirtschaft und muss durch diese „erwirtschaftet“ werden.
(Alles Geld des Staates stammt aus Besteuerung von Einkommen und
Umsatz von Ware und Geld, oder aus Kreditaufnahme. Wird es nicht
aus dem „Wirtschaftskreislauf“ gesogen, sondern einfach in
Staatsdruckereien gedruckt, dann ist es nichts wert.)
Ob der Staat
spart, sich verschuldet oder Steuern erhöht, er bewegt sich
immer in den Grenzen des „ökonomischen Bewegungsgesetzes der
bürgerlichen Gesellschaft“, das seinem Wirken vorausgesetzt ist
und dass er im übrigen ja gerade zu segensreichen Wirkung
entfalten will. Sein bewusstes Eingreifen zielt auf
Wirschaftswachstum in Gestalt erfolgreicher Kapitalverwertung ab
und resultiert doch letztlich im Staatsbankrott, der nichts
anderes ausdrückt, als das Versagen eben dieser
privatwirtschaftlichen Kapitalverwertung. Was die Pleite für das
Einzelkapital, ist der Staatsbankrott für das gesellschaftliche
Gesamtkapital.
Editorische Anmerkungen
Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen
Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.