Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Front National: Antisemit Yvan Benedetti doch nicht auf Dauer, sondern für zwei Jahre ausgeschlossen

7-8/11

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Was blüht einem Parteimitglied, das öffentlich Sprüche klopft wie folgenden: „Ich bin Antizionist, Judenfeind (antijuif) und Antisemit“? Das ferner ein Mitglied des parteieigenen Jugendverbands körperlich angegriffen haben soll, und in Stellungnahmen die aktuelle Parteiführung harsch kritisiert hat?

Viele Beobachter glaubten jedenfalls, dass die sich „modern“ und mehr oder minder geläutert gebende Vorsitzende (seit Januar 2011) des Front National, Marine Le Pen, einen Ausschluss verhängen werde. Der Delinquent, um den es ging und noch immer geht, ist der 1965 geborene Yvan Benedetti. Bis zum 01. August 2010 war er die „Nummer zwei“ in der Hierarchie der offen faschistischen und antisemitischen Splittergruppe L’Oeuvre française unter Pierre Sidos; danach legte er dieses Amt „auf Bitten von Jean-Marie Le Pen“ nieder, um den innerparteilichen Wahlkampf für einen der beiden Kandidaten um den Vorsitz - Bruno Gollnisch - zu koordinieren.

A propos L’Oeuvre française: Dieser 1968 gegründeten Gruppierung gehörten u.a. auch die vier jungen Männer aus Reims an, die im Jahr 1995 - am Rande des jährlichen 1. Mai-Aufmarschs in Paris „zu Ehren der Nationalheiligen Jeanne d’Arc“ - den Marokkaner Brahim Bouraam in der Seine ertränkten. Ebenfalls aus den Reihen von L’Oeuvre française kam der 20jährige Alexandre Gabriac, von dem im März 2011 Fotos bei Facebook auftauchten, die ihn beim Posieren mit zum Hitlergru erhobenem, rechtem Arm zeigen. Gabriac war damals Kandidat des FN bei den zwei Tage später im zweiten Durchgang stattfindenden Bezirksparlamentswahlen (im Raum Grenoble), und zugleich jüngster Regionalparlaments-Abgeordneter ganz Frankreichs (in Lyon) sowie Mitglied im „Zentralkomitee“ genannten dritthöchsten Führungsgremium der rechtsextremen Partei. Infolge der Peinlichkeit, die das Auftauchen der Fotos am Vor-Vorabend der Stichwahl zu den Bezirksparlamenten für die Partei bedeutete, schloss deren Chefin Marine Le Pen den jungen Mann aus.

Ähnliches hätte man, nach all seinen Sprüchen, auch gegenüber Yvan Benedetti erwarten können. Hatte doch FN-Generalsekretär Steeve Briois (der Mann, der den höchsten aktuellen Wahlerfolg der Partei in Hénin-Beaumont verkörpert) anlässlich des Ausschlusses von Alexandre Gabriac noch erklärt: „Es gibt keinen Platz beim Front National für Personen, die dieser Ideologie anhängen.“ Und er fügte damals hinzu: „Es ist auch eine Botschaft für, die versuchen sollten, Entrismus zu betreiben (Anm.: d.h. ihn zu unterwandern, als Doppelmitglieder anderer, ,radikalerer’ Organisationen). Ich denke an L’Oeuvre française.“ (Zitiert n. Les dossiers du Canard enchaîné: Les dégâts de la Marine, Juli 2011, S. 47.)

Nachdem am 16. Juni d.J. der elfköpfige Ausschuss für Disziplinarstrafen der Partei zusammengetreten war und beraten hatte, lag die letztendliche Entscheidung nunmehr allein bei der Chefin. Denn der Ausschuss kann Empfehlungen abgeben, aber den definitiven Beschluss fällt der o. die Parteivorsitzende. Nach der Sitzung hatte man nun einige Wochen lang nichts mehr dazu vernommen. Aber am Sonntag, den 10. Juli 2011 vermeldete nunmehr die Nachrichtenagentur AFP, die Entscheidung sei nunmehr gefallen: Marine Le Pen sei einer Empfehlung der Disziplinarkommission gefolgt und habe einen Ausschluss auf Zeit für eine zweijährige Dauer verhängt. Ein entsprechendes Schreiben sei abgeschickt, aber dem Empfänger bislang noch nicht zugestellt worden. Angesichts des - inhaltlich - gravierenden Charakters offenkundig ein Ergebnis, das unterhalb der Erwartungen vieler Beobachter bleibt.

Bruno Gollnisch seinerseits hat sich „sehr enttäuscht“ über den, seinen (sozusagen…) rechten Arm Benedetti betreffenden, Beschluss erklärt. Der prominente Parteifunktionär fügte hinzu: „Ich bedauere diesen Ausschluss, es war ein Aktivist von groer Qualität. Ich hätte es gern gesehen, dass Marine Le Pen mehr Fingerspitzengefühl an den Tag legt.“ In der ausgestreckten rechten Hand… ?

Aktuelle Ergänzung zu: FN, FPÖ & Adolf Hitler

Jüngst berichteten wir (-> vgl. http://www.trend.infopartisan.net/trd0611/t410611.html ) über die gemeinsame Pressekonferenz von FN-Chefin Marine Le Pen und des FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache am 08. Juni 11 im Europaparlament in Strasbourg. In deren Verlauf wurden Strache und Le Pen ausfällig, weil Journalisten hatten wissen wollen, warum FPÖ-Kommunalparlamentarier in österreichischen Kleinstädten zum Teil gegen die Aberkennung der früher an Adolf Hitler verliehenen „Ehrenbürgerschaft“ gestimmt hatten.

In ihrem Interview mit dem österreichischen Magazin NEWS (Ausgabe vom 07.07.11) wurde Marine Le Pen mit einer Nachfrage konfrontiert („…ist es verboten, Sie zu fragen, was Sie von der Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in manchen österreichischen Gemeinden halten?“), die ihr ganz offenkundig nicht behagte. Sie belie es daraufhin jedenfalls bei folgender Antwort: „Gar nichts ist verboten. Nur habe ich mich damals bei der Pressekonferenz mit Monsieur Strache in Straßburg ausführlich dazu geäußert, und damit soll es auch gut sein.“
 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.