Repression & Widerstand unter Hartz IV

Die Jobcenter ignorieren das Informationsfreiheitsgesetz

Interview mit Harald Thomé, Vorsitzender des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles

von Peter Nowak

7-8/11

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onlinezeitung

Harald Thomé (H.T.) ist Vorsitzender des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles aus Wuppertal und Referent für Arbeitslosenrecht

1) Was hat das Informationsfreiheitsgesetz ( IFG) mit den Jobcentern zu tun?                                    

H.T.: Das IFG wurde am 1. Januar 2006 eingeführt und gewährt  jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Da im Hartz IV-Bereich eine Menge Verwaltungsanweisungen anfallen, sind natürlich auch Jobcenter davon betroffen.

2) Können Sie Beispiele nennen?

H.T.: Der gesamte Bereich der Kosten der  Unterkunft    von Hartz IV-Empfängern ist über solche Verwaltungsvorschriften geregelt, aber auch das  Bildungspaket, die Regelung bei Erstausstattungen für Wohnraum.    Seit 1. Januar  2011 fallen auch kommunale  Behördenanweisungen unter das Bundes- IFG. Die Jobcenter müssen nun auch die auch die kommunalen Dienstanweisungen  jedem Interessierten zugänglich machen.    

4) Wie sieht es in der Praxis aus ?  

H.T.:   Ich habe im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und Baden-Württemberg Anträge gestellt und beantragt, dass diese Verwaltungsanweisungen und Richtlinien zu den Unterkunftskosten, zum Bildungs- und Teilhabepaket, aber auch zur Erstausstattung von Wohnraum und Bedarfen bei Schwangerschaft und Geburt an ihn herauszugeben. Nach einem Monat, dem spätesten Termin nach dem solche Information von amtswegen herauszugeben sind, wurden in  Bayern die Unterlagen lediglich  in 11, in Baden-Württemberg in 17 Fällen vollständig herausgegeben. Mehr als zwei Drittel der Jobcenter haben in beiden Bundesländern nicht geantwortet. Die übrigen schickten unvollständige Unterlagen. Ein Jobcenterleiter  hat mir sogar mit einer Anzeige bei der örtlichen Anwaltskammer wegen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gedroht.   

4) Wie wollen Sie weiter vorgehen?

H.T.: Ich habe die Angelegenheit zunächst öffentlich gemacht.  Nach dem 1. August werde ich mich an den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit  werden. Sollten die Behörden auch nach drei Monaten die Unterlagen nicht veröffentlichen, werde ich entsprechende  Untätigkeitsklagen  einleiten. 

5) Hatten Sie schon erfolgreich geklagt?

H.T.: Der Verein Tacheles hat 2006 in Sachen IFG gegen die Bundesagentur für Arbeit geklagt und sie dazu gezwungen, ihre internen Weisungen zum Arbeitslosengeld im Internet zu veröffentlichen. Auch die Informationen, die ich jetzt von den bayerischen baden-württembergischen Jobcentern angefordert habe, sollen veröffentlicht werden. Es ist schlimm genug, dass dies aus der Erwerbslosenbewegung heraus gefordert werden muss, die Behörden wären nach dem IFG von sich aus zur Veröffentlichung verpflichtet.

6) Welche Vorteile  haben die Betroffenen davon? 

H.T.: Die Betroffenen können so prüfen, ob die jeweilige behördliche Entscheidung rechtsmäßig ist, ob das Amt Ermessen ausgeübt hat oder können bei der Formulierung von Anträgen auf die wesentlichen, für die Entscheidung erheblichen Umstände hinweisen. Sie können aber auch prüfen, ob das Amt organisiert durch Weisung gegen geltendes Recht verstößt, letzteres ist ein Phänomen welches bei Hartz IV nicht selten vorkommt.

 

Editorische Hinweise

Das Interview erhielten wir von Peter Nowak.