SAG’ BEIM ABGANG LEISE SERVUS (und tschüss!)

von Bernard Schmid

 

7-8/11

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Die französische Armee zog – teilweise – aus der senegalesischen Hauptstadt Dakar ab. Kurz zuvor hätte der Sohn von Präsident Wade, den er (erfolglos) zu seinem Nachfolger aufzubauen sucht, die französischen Soldaten gerne auf Demonstranten schieen lassen. Doch der Wunsch wurde ihm verweigert. Infolge heftiger Unruhe und Massenproteste musste Präsident Wade vorläufig mit seinen Plänen zurückrudern...

Sag zum Abschied leise Servus: Die französische Armee in Dakar hielt sich nicht ganz an diese Devise, als sie jüngst ihre sieben Sachen zusammenpackte und die Kasernen verlieb.

Am Sonntag, den 31. Juli 2011 zogen neunhundert von bislang 1.200 ständig stationierten französischen Soldaten aus der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Senegal ab. Die Armee ihres Landes ist dort seit über zweihundert Jahren präsent. Seit dem 1. August unterhält Frankreich statt – wie bisher – drei offiziell nunmehr nur noch zwei grobe Militärbasen auf dem afrikanischen Kontinent, in Libreville an der Atlantikküste und in Djibouti am Horn von Afrika. Allerdings behält Frankreich eine so genannten Operationsplattform in Dakar bei, ähnlich wie im zentralafrikanischen Tschad, von wo aus Streitkräfte im Bedarfsfall in 15 Länder der Region transportiert werden können.

Die ausgedehnte Basis in Dakar wird hingegen in den Besitz des senegalesischen Staates übergehen, wie es ein im Februar 2010 zwischen beiden Ländern geschlossenes Abkommen vorsieht. Die in ihrer bisherigen Form seit dem 1. Juli 1974 existierende französische Truppe im Senegal unter dem Namen Forces françaises du Cap Vert (FFCV) wird aufgelöst, dagegen bleibt ein gutes Viertel von ihr unter dem neuen Namen Eléments français du Sénégal (EFS) auch weiterhin präsent. Diese Änderungen waren einerseits durch die senegalesische Regierung unter Präsident Abdoulaye Wade erwünscht worden, die sich dadurch ein bisschen als Verteidigerin der Souveränität des Landes aufspielen konnte. Andererseits fügen sie sich aber auch nahtlos in die neue französische Militärpolitik ein, wie sie im Juni 2008 durch ein „Weibbuch“ definiert worden ist. Demnach sollen weniger starke Kräfte permanent im Ausland – besonders in Afrika – stationiert sein. Dagegen sollen in höherer Zahl als bisher Militärs vom Boden des eigenen Landes aus auf „Krisenschauplätze“ eingeflogen werden können.

Um ihren – in Wirklichkeit unvollständigen – Abschied zu feiern, führte die französische Armee am 10. Juni dieses Jahres ein Licht- und Tonspektakel in Dakar auf. Darin zeigte sie dem Publikum Bilder von ihren beiden wichtigsten Einsätzen in der Region, die von Dakar aus gestartet wurden: 1977 und 78 hielt die französische Armee die Offensive der „Befreiungsbewegung der Westsahara“ Polisario auf, die gegen die 1975 begonnene Besetzung der früheren spanischen Kolonie durch das Königreich Marokko kämpfte. Marokko war und ist ein enger Verbündeter Frankreichs und der USA. Andere Bilder stammten von der französischen Militärpräsenz in der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), in Gestalt der Opération Licorne, und vom Einfliegen französischer Truppen über Dakar in den Jahren 2003 und 2011.

Eine militärische Intervention Frankreichs hatte noch viel näher am Ort stattfinden können, wäre es nach dem Wunsch des senegalesischen Präsidentensohns Karim Wade gegangen. Dieser ist nicht nur der Sohn seines inzwischen 85jährigen Vaters, der das Land seit Anfang 2000 regiert, sondern auch „Superminister“. In der Regierung ist er für Energieversorgung, Transport, Infrastruktur, Luftverkehr wie auch für „internationale Zusammenarbeit“ zuständig. Allerdings scheint der ehrgeizige junge Herr – den sehr viele Senegalesen schlichtweg für unfähig halten – es nicht zu schaffen, seinen Aufgaben zur Zufriedenheit der Bevölkerung nachzukommen. Am 27. Juni brachen jedenfalls heftige Unruhen in der Hauptstadt Dakar sowie, rund achtzig Kilometer weiter südlich, in der Küstenstadt Mbour aus. Den Grund des Zorns lieferten die häufigen Stromabschaltungen der nationalen Elektrizitätsgesellschaft Senelec, die aufgrund maroden Materials, wuchernder Korruption und zu geringer Investition in die Instandhaltung des Stromnetzes massive Schwierigkeiten hat, bei der Versorgung nachzukommen.

Seit dem Frühjahr 2011 hatten sich mitunter bis zu zwei Tage am Stück dauernde „Notabschaltungen“ – so genannte délestages, also „Netzentlastungen“ – gehäuft. Viele kleine Händler, die im Senegal sehr zahlreich sind, drohten dadurch allmählich in den Ruin getrieben zu werden. Und auch in den Häusern und Wohnungen wird das Leben ohne Kühlschrank, Ventilator und Fernseher, oder nur mit einem Notstromaggregat, nicht gemütlicher. An jenem 27. Juni kam der Zorn der Bevölkerung zum Überlaufen. Tausende wütender Menschen zogen los und fackelten Büros der Senelec, Fahrzeuge, Computer und besonders Unterlagen für Stromrechnungen ab. In mehreren Stadtteilen von Dakar brannten Senelec-Niederlassungen und auch öffentliche Gebäude. Zehn ihrer Niederlassungen wurden zerstört.

In dieser Stunde wurde es Karim Wade, dem starke Ambitionen auf die Nachfolge seines Vaters im Präsidentenamt nachgesagt werden, offenkundig äuberst mulmig zumute. Jedenfalls erzählte Robert Bourgi, ein in Paris ansässiger Rechtsanwalt mit senegalesischer, französischer sowie libanesischer Staatsbürgerschaft, den Inhalt eines Anrufs von Karim Wade bei ihm in jener Nacht. Bourgi gilt als zentraler Mittelsmann zwischen den Regierungen des Senegal und Frankreichs, aber auch als Lobbyist des – seit einem Militärputsch im August 2008 durch den früheren General Mohammed Ould Abdelaziz geführten – Nachbarstaats Mauretanien. Wie in ganz Westafrika dominieren auch im Senegal libanesische Händlerfamilien, mit denen Robert Bourgi zum Teil Verwandtschaftsbeziehungen unterhält, Teile der Ökonomie im Senegal.

Bourgi hat nun in der ersten Juliwoche dieses Jahres der französischen Öffentlichkeit erzählt, mit welchem Anliegen Karim Wade sich in jener Nacht an ihn gewandt hatte: Er solle doch bitte, bitte die französische Armee eingreifen und diese dem bösen Spuk ein Ende setzen lassen. Der Präsidentensohn habe ihm gesagt: „Da sind Tausende von Demonstranten, man weib nie, es könnten französische Interessen berührt werden.“ Man weib ja nie, und ist nie vorsichtig genug.

Frankreich unterhält tatsächlich wichtige ökonomische Interessen im Senegal, und mit 25.000 dort lebenden Auslandsfranzosen unterhält das Land dort die gröbte Gruppe von Staatsbürgern in Afrika. Robert Bourgi war jedoch nicht vom Ansinnen Karim Wades überzeugt. Laut eigener Wiedergabe antwortete er ihm: „Karim, Du bist in Panik. Sei ein bisschen kohärent (= logisch, übereinstimmend). Er antwortete mir: Die französische Armee muss für irgend etwas da sein. Ich erwiderte ihm, ich sei keine politische Autoritätsperson, sondern nur ein Anwalt in Paris.“ Es kam nicht zu einem Ausrücken der französischen Truppen in Dakar, das durch die Regierung in Paris offensichtlich nicht für opportun erachtet wurde. Dem war nicht immer so gewesen: Im Dezember 1962 hatte, bei einem Machtkampf zwischen dem damaligen (pro-französischen) Präsidenten Léopold Sédar Senghar und seinem stärker linksorientierten Premierminister Mamadou Dia, die französische Armee anlässlich der Auseinandersetzungen eingegriffen und – im Rahmen der so genannten Opération Cap Vert - zur Entmachtung des Premiers beigetragen. So hatten Franzosen dabei geholfen, den durch Dia und seine Anhänger kontrollierten Radiosender in Thiès, sechzig Kilometer von Dakar entfernt, auszuschalten. Auf die senegalesische Armeeführung, deren Spitze er kurzerhand austauschte, und letztendlich auch auf eine Mehrheit des Parlaments gestützt, konnte Senghor den Sieg davontragen[1].

Dieses Jahr gab es also keinen Befehl zum Ausrücken. Stattdessen wurde die senegalesische Armee am 28. Juni d.J. – nach der Nacht der schwersten Unruhen – rund um die öffentlichen Gebäude stationiert. Ein Kampfhubschrauber kreiste über der Hauptstadt, und Panzerfahrzeuge bewachten den Präsidentenpalast. Am Abend des 28. Juni erklärte Innenminister Ousmane Ngom, die Regierung sei entschlossen, „diese Akte der Plünderung und des Vandalismus mit aller Energie und sämtlichen gebotenen Mitteln zu unterbinden“, also die Riots zu unterdrücken. Diese waren im Laufe des Tages abgeklungen.

Aus ähnlichen Gründen wie denen, die jüngst zu seiner Zurückhaltung im Senegal führten, hat Frankreich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren seine Militärpräsenz auf dem afrikanischen Kontinent teilweise modifiziert. Und  es setzt verstärkt auf Interventionen vom eigenen Staatsgebiet aus. Denn es möchte nicht unbedingt als „Lebensversicherung“ für marode oder unpopulär gewordene Regime in innenpolitische Konflikte hineingezogen werden, und dabei hauptsächlich deren Interessen dienen – während Frankreich seine so genannten vitalen Interesse, beispielsweise den Zugang zu strategischen Rohstoffen, im konkreten Falle nicht tangiert sieht. „Selbstverwaltung der Krisen“ nannte dies die damalige Regierung im Jahr 1997, als die Ausrichtung der Militärpolitik in Richtung Afrika modifiziert zu werden begann. (Vgl. einen Artikel dazu vom Verfasser dieser Zeilen v. August 1997: http://jungle-world.com ).

Als marode und unpopulär muss die Regierung unter Präsident Abdoulaye Wade inzwischen gelten. Er hatte sich bei den Wahlen von 1999 gegen den seit fast dreibig Jahren amtierenden Amtsinhaber Abdou Diouf – dank der Wachsamkeit der Gesellschaft, die damals den geplanten Wahlbetrug etwa durch eifrigen Datenaustausch von Stimmbüro zu Stimmbüro per Mobiltelefon verhinderte - durchsetzen können. Anfänglich war der Amtswechsel im März 2000 vom autoritär regierenden „Sozialisten“ Diouf zum Liberalen Wade durch viele Einwohner/innen des Landes mit Hoffnungen auf einen demokratischen Aufbruch und einen Wandel zum Besseren begleitet worden. Sogar zwei aus der radikalen Linken hervorgegangen Parteien nahmen an seiner Viel-Parteien-Koalitionsregierung teil. Doch diese Zeiten anfänglicher Popularität sind lange vorbei.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Wunsch des alternden Abdoulaye Wade, unbedingt seinem Sohn den Weg zu seiner Nachfolge zu ebnen. Am 22. und 23. Juni, vier Tage vor den „Stromrevolten“, war es in Dakar bereits zu heftigen Zusammenstöben zwischen Tausenden von Demonstranten aus Opposition, Gewerkschaften und der „Zivilgesellschaft“ mit der Staatsgewalt gekommen. 102 Personen, unter ihnen auch dreizehn Polizisten, wurden dabei vor den Toren und in der näheren Umgebung der Nationalversammlung verletzt; ferner gingen mehrere Parteigebäude der Regierungspartei PDS sowie das Haus eines führenden Parteifunktionärs, Farba Senghor, in Flammen auf. Zudem wurden Gebäude des Justiz- sowie des Industrieministeriums im Stadtteil Plateau, wo sich auch die Nationalversammlung befindet, verwüstet. Gleichzeitig wurde einer der führenden Kritiker des Präsidenten – Alioune Tine, der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation „Afrikanisches Treffen für Menschenrechte“ (Raddho) – durch mutmablich gedungene Schläger in seinem Auto angegriffen. Er wurde erheblich verletzt und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden.

Drinnen im Parlament berieten die Abgeordneten an jenem 23. Juni einen – genau eine Woche zuvor, am 16. Juni, im Kabinett angenommenen – Entwurf für eine Verfassungsänderung, der dem Präsidenten den Weg zum „Wahlsieg“ bei den geplanten Wahlen im Februar 2012 wie auch zur Machtübergabe an seinen Sohn ebnen sollte. Demnach hätte es ausgereicht, wenn der stärkste Kandidat im ersten Wahlgang 25 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielte, um gewählt zu werden. Den Rest hätte das „Präsidentenlager“ dann schon besorgt: Es hätte genügt, den einen oder anderen „kleineren“ Kandidaten etwa ein bisschen finanziell zu motivieren, um für eine Zersplitterung der Stimmen herum zu sorgen, welche dem Präsidenten genutzt hätte.

Ferner sollte der Kandidat ein „Ticket“ mit einem „Vizepräsidenten“ bilden, und diesem im Laufe der Amtsperiode das Mandat übertragen können, ohne Neuwahlen durchzuführen. Alle dachten dabei an Karim Wade. Und der Präsidentensohn ist nun einmal höchst unpopulär: Bei den Kommunalwahlen vom 22. März 2009 erntete er eine vernichtende Wahlniederlage in der Hauptstadt Dakar, und die Opposition fuhr einen Sieg gegen die Präsidentenpartei PDS (Parti démocratique du Sénégal) ein. Aus diesem Grunde versuchte der Herr Papa nun einzugreifen, um seine politischen Karrierepläne zu retten: Erst erhob er ihn am 05. Oktober 2010 zum „Superminister“ mit vielfachen Zuständigkeiten, und nun wollte er ihn gar zu seinem Nachfolger aufbauen – am Wahlvolk vorbei. Doch dabei hatte er die Rechnung ohne den Wirt zusammengestellt. Bis hinein in die Präsidenten- und Regierungspartei PDS gab es kritische Stimmen und heftige Diskussionen. Alioune Tine, der am Tag der Debatte im Parlament durch Schläger attackiert wurde, zählte seinerseits zu den lautesten Kritikern dieser Pläne.

Auch Frankreich und die USA kritisierten dieses Vorhaben. Alain Juppé, der französische Aubenminister, erklärte etwa am 07. Juli 11, nachdem er betont hatte, der Senegal sei „ein befreundetes Land“ und unterstütze Frankreichs Militäreinsatz in Libyen (und zuvor im April d.J. in der Cöte d’Ivoire): „An der Macht bleiben zu wollen, auch indem man am Wahlgesetz herumbastelt, sich mit 25 Prozent der Stimmen wählen lassen, und durch die Bevölkerung gewünschte notwendige Reformen nicht durchführen: Leider führt so etwas immer zu demselben Ergebnis.“ Juppé meinte damit, die amtierende Regime schaffe es nicht, auf diese Weise die politische Stabilität des Landes, und damit eines wichtigen Staates der französischen Einflusszone in Afrika, zu garantieren. Zuvor hatte am 23. Juni 11 ein Sprecher des Pariser Aubenministeriums, Bernard Valero, noch Methodenkritik geübt, ohne wirklich auf den Inhalt der „Reform“pläne einzugehen: „Von der Form her kann man überrascht sein, dass eine so wichtige Reform weniger als ein Jahr vor einer entscheidenden Wahl und ohne vorherige Abstimmung mit den verschiedenen politischen Kräften vorgelegt wird.“

An jenem 23. Juni dieses Jahres musste Präsident Wade noch im Laufe des Tages, während der Beratungen zur Verfassungs„reform“ im Parlament, einen Rückzieher durchführen. Sein Justizminister Cheikh Tidiane Sy verkündete vor den Abgeordneten – die daraufhin applaudierten -, das Staatsoberhaupt verzichte auf die Änderung am Artikel 33 der Verfassung. Dies bedeutet, dass auch weiterhin eine absolute Mehrheit von 50 % der Stimmen im ersten Wahlgang oder eine relative Mehrheit in der Stichwahl erforderlich ist, um eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen.

Sein Regime ist dadurch nun angeschlagen, und die Opposition hat neuen Auftrieb erfahren, einschlieblich der vor 2000 unter Präsident Diouf regierenden und danach reichlich abgehalfterten „Sozialistischen Partei“, welche sich vor einem Comeback wähnt. Daneben gedeiht allerdings auch eine soziale Opposition aus der „Zivilgesellschaft“, die sich nicht durch solche Parteien repräsentiert fühlt. Als eines ihrer wichtigsten Sprachrohre dient in jüngster Zeit das Rapperkollektiv Y en a marre (ungefähr: „Das Mab ist voll“, „die Schnauze voll“), das am 19. März dieses Jahres gegründet worden war - dem Jahrestag des Abtritts des früheren Präsidenten Diouf im Jahr 2000 und ersten Regierungswechsel im Senegal seit der Unabhängigkeit. Die Staatsmacht scheint sich dieser Rolle bewusst zu sein. Am 25. Juli wurde einer der Gründer des Kollektivs, der Rapsänger „Thiat“, mit bürgerlichem Namen Cyrill Touré, durch die senegalesische Polizei festgenommen. Nachdem er ohne Nennung eines Grundes bei der Kriminalpolizei vorgeladen worden war, hielt diese ihn fest und verhörte ihn zu den angeblich von ihm verübten Delikten der „Präsidentenbeleidigung“ und „öffentlichen Beleidigung“. Die Anhänger des Kollektivs belagerten daraufhin jedoch die Räumlichkeiten der Polizei und schafften Matratzen herbei, um ihre Entschlossenheit zu unterstreichen, dort Tag und Nacht zu bleiben[2]. In der Nacht vom 26. zum 27. Juli 2011 kam er wieder frei[3].

Abdoulaye Wade sieht die politischen Gefahren für ihn und sein Regime. Deswegen forderte er kurz nach den letzten heftigen Unruhen die Opposition heraus und machte ihr am 14. Juli d.J. das „Angebot“, statt wie vorgesehen Ende Februar nächsten Jahres (am 26.o2.2012) zu wählen, eine vorgezogene Neuwahl in einem Zeitraum von 40 bis 60 Tagen durchzuführen: „Dann werde ich in die Arena treten, und gewinnen!“. Dadurch, dass die Oppositionsparteien auf ein solches Szenario nicht vorbereitet wären, versuchte er sie zu überrumpeln. Ferner lud er sie, in die Regierung einzutreten.

Einige Wochen später, am 23. Juli 11 – auf den Tag genau einen Monat nach den Unruhen vor dem Parlament – hielt die unter dem Namen „Bewegung des 23. Juni“ vereinigte Opposition dann eine Kundgebung in Dakar ab. Ihre Forderung lautet nunmehr, Abdoulaye Wade dürfe zur Präsidentschaftswahl 2012 gar nicht mehr antreten – um auf Nummer Sicher zu gehen, nicht Abdoulaye Wade als tatsächlichen oder angeblichen „Wahlsieger“ triumphieren zu sehen und danach noch Karim Wade als Nachfolger aufs Auge gedrückt zu bekommen. Wade go, Wade out! - oder in französischer Sprache: Wade dégage! – fordert nunmehr die Opposition; für sie stellt das „Nein zur dritten Amtszeit“ Abdoulaye Wades“ einen neuen verbindenden Minimalkonsens dar.

Die Kundgebung für eine Nichtkandidatur des Präsidenten war zunächst behördlich verboten worden, und fand dann am auberhalb des Stadtzentrums gelegenen „Obelisken-Platz“ doch noch statt. Laut Angaben der Veranstalter kamen dazu über 50.000 Menschen, die Polizei sprach von 8.000 bis 10.000 Teilnehmern, Regierungssprecher Moustafa Guirassy dagegen von „2.500 bis 3.000“. Der Chef der „Sozialistischen Partei“ – Regierungspartei unter den beiden ersten Präsidenten seit der Unabhängigkeit des Senegal 1960, Léopold Sédar Senghor und Abdou Diouf, und bis im Jahr 2000 -, Ousmane Tanor Dieng, konnte zu den Teilnehmer-inne-n sprechen. Aber auch frühere politische Weggefährten von Präsident Wade wie sein Ex-Premierminister Idrissa Seck, die mit gebrochen haben.

Aber am selben Nachmittag brachte das Regierungslager seinerseits mutmablich Hunderttausende Menschen zusammen, die es bis aus den entferntesten Landesteilen – an der Grenze zu Mali – mit Bussen mobilisiert und herbeigekarrt hatte. Dem „alten Fuchs“ Abdoulaye Wade ist also noch einmal eine Stärkedemonstration gelungen. Wie lange er sich dadurch an der Macht halten kann, muss die nähere Zukunft erweisen.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.