5. Gustav
Adolfs schwedische Politik
Was den König von Schweden zum
Einfall in Deutschland veranlasste, war
ausschließlich eine weltliche Machtfrage: die
Frage, wer über die Ostsee herrschen sollte.
Gustav Adolf selbst hat in seinem Briefwechsel
mit seinem Kanzler Oxenstierna, in seinen
Verhandlungen mit den schwedischen Ständen
niemals einen anderen Grund angegeben. Um den
protestantischen Glauben in Deutschland zu
retten, hätte er nicht einen Mann, nicht einen
Taler geopfert. Was er diesem idealen Zwecke
opferte, waren einige Ballen wertloser Makulatur,
in denen er sich als Schirmherr des
Protestantismus aufspielte, um die gärende
Stimmung der deutschen Protestanten für seine
Eroberungszwecke auszunutzen. Ähnlich wie es um
mehr als hundert Jahre später der preußische
Friedrich für ähnliche Zwecke trieb. Was der
preußische König in der Instruktionsschrift für
seine Generale sagt: „Man beschuldigt den Feind
von den allerschlimmsten Absichten, so er gegen
das Land hege. Ist solches protestantisch wie in
Sachsen, so spielet man die Role eines
Beschützers der Lutherischen Religion; ist das
Land Catholisch, so spricht man von nichts als
Tolerance. Was euch hierin noch übrig bleibt, ist
der Fanatismus. Wenn man ein Volck wegen seiner
Gewissens-Freiheit animiren, auch ihm beybringen
kann, dass es von den Pfaffen und Devoten
bedrücket wird, so kann man sicher auf dieses
Volck rechnen; das heißt eigentlich, Himmel und
Hölle vor euer Interesse bewegen", das verstand
der schwedische König schon aus dem Effeff. Nur
dass, dem Unterschiede der Zeiten entsprechend,
der Schwede ebenso naiv verfahren mochte, wie der
Preuße zynisch verfuhr.
Denn freilich waren die
schwedischen Könige harte Lutheraner. Sie mussten
es aus politischen Gründen sein. Von der
mittelalterlichen Kirche hatte Schweden wenig
Gutes, aber viel Übles erfahren. Die katholische
Geistlichkeit war so reich, wie das Land arm war.
Es erhob sich kaum irgendein Widerstand, als auf
dem Raube ihrer großen Güter Gustav Wasa im
sechzehnten Jahrhundert die neue Monarchie
gründete. Er musste dabei mit dem mächtigen Adel
teilen. Die Städte standen noch auf einer niedrigen
Stufe; sie besaßen nichts als einen Haufen von
Schärenbooten und andere Armseligkeiten, die, wie
Gustav Wasa sagte, weder Hilfe noch Trost
versprachen. Noch konnte er nicht daran denken, das
Erbe der verfallenden Hansa, die Herrschaft über
die Ostsee, anzutreten. Bei seinem Tode im Jahre
1560 betrieben erst 62 schwedische Schiffe
auswärtigen Handel. In seinem Testamente erklärte
Gustav Wasa die lutherische Religion als die
Grundlage der schwedischen Monarchie und
verpflichtete seine Nachkommen, nie von ihr zu
weichen.
Die Notwendigkeit dieses Rats
erprobte sich sehr praktisch, als Erich, sein
ältester Sohn und Nachfolger, von Johann, einem
jüngeren Sohne Gustav Wasas, mit Hilfe des Adels
gestürzt und nach längerer Gefangenschaft vergiftet
wurde. Johann wurde durch eine, an einem damaligen
Fürsten sehr merkwürdige Sentimentalität, durch
Gewissensbisse über seinen Brudermord, in die Arme
der Jesuiten gejagt. Er betrieb eine katholische
Restauration und ließ seinen Sohn Sigismund zum
Könige von Polen wählen. Ein polnisch-schwedisches
Reich schien die Herrschaft über die Ostsee sicher
zu verbürgen. Aber die große Masse der schwedischen
Bevölkerung war mit ihren ökonomischen Interessen
an die Reformation geknüpft. Als Sigismund nach dem
Tode Johanns von Polen herüberkam, um sein
schwedisches Erbe anzutreten und die katholischen
Restaurationsversuche seines Vaters fortzusetzen,
stieß er auf einen unüberwindlichen Widerstand.
Sein Oheim Karl, der jüngste Sohn Gustav Wasas,
entriss ihm die Krone, um sie auf sein eigenes
Haupt zu setzen. Es blieb dabei, dass, wer in
Schweden herrschen wollte, ein harter Lutheraner
sein musste.
Ein harter Lutheraner, denn wie
die Voraussetzungen des Jesuitismus, so fehlten in
Schweden auch die Voraussetzungen des Calvinismus.
Der Adel war übermächtig und hatte die
Zwistigkeiten innerhalb des Königshauses trefflich
für seine Zwecke ausgenutzt. Die schwedischen
Bauern waren im Mittelalter nicht leibeigen
gewesen; sie in erster Reihe hatten Gustav Wasa auf
den Thron erhoben. Aber wie dieser ihnen schon mit
schnödem Undanke gelohnt hatte, so drückten seine
Nachfolger sie gewaltsam in die Dienstbarkeit des
Adels. An die Macht der Junker reichten die Städte
nicht heran. Wohl waren die Nachfolger Gustav Wasas
in den Kampf um die Herrschaft über die Ostsee
eingetreten, und König Erich hatte aus dem Bankrott
der geistlichen Ordensherrschaft in den baltischen
Provinzen Estland erworben, während Livland an
Polen fiel und Kurland von einem Ordensmeister als
weltliches Herzogtum in die Tasche gesteckt wurde.
Aber die inneren Wirren hinderten eine kräftige
Machtentfaltung nach außen, und als König Karl die
lutherische Monarchie wiederhergestellt hatte, warf
er das Reich durch den unmöglichen Versuch,
gleichzeitig den Adel durch blutige Strenge zu
bändigen und im Kampfe mit Dänemark, Polen und
Russland die Herrschaft über die Ostsee zu
erringen, in neue Zerrüttung.
Karl starb im Jahre 1611, und
ihm folgte sein Sohn Gustav Adolf im Alter von 17
Jahren. Er begann seine Regierung kläglich genug
mit dem Frieden von Knäröd, den er durch
demütigende Bedingungen von den Dänen erkaufte, die
tief in das schwedische Reich eingedrungen waren.
Noch aber schwebten alte Kämpfe mit Polen und
Russland, noch hatte selbst der polnische König
Sigismund seine Ansprüche auf die schwedische Krone
nicht aufgegeben, er behandelte Gustav Adolf als
Usurpator. Der junge König hatte nur einen Weg,
seine Krone zu sichern: Er musste die Macht, die
der schwedische Adel tatsächlich besaß, auch
rechtlich anerkennen. Er gab der schwedischen
Ritterschaft das entscheidende Wort auf den
Reichstagen, er gab ihr neue Rechte über die
Bauern, er gab ihr die Offiziersstellen des Heeres,
er tat keinen Schritt ohne ihre Zustimmung in der
auswärtigen Politik, kurz, die schwedischen Junker
gewannen eine so überwiegende Stellung, dass sie
mit ihren „fürnehmen Privilegien" verächtlich auf
den deutschen Adel als einen „Sklaven der Fürsten"
herabsahen und sich mit den reichsunmittelbaren
Fürsten in Deutschland verglichen. Der Vergleich
hinkte, denn das kleine Schweden besaß die
Bedingungen nationaler Einheit, die dem großen
Deutschland fehlten; die schwedischen Junker
brauchten die monarchische Gewalt, welche die
deutschen Fürsten unablässig zu zerstören
trachteten. Aber in ihrer völligen Herrschaft über
diese Gewalt mochten sie sich wohl als die wahren
Souveräne des Landes betrachten.
Gustav Adolf selbst tat mit
seinen Zugeständnissen an die schwedische
Ritterschaft genau das, was er nicht lassen konnte.
Die schwedische Monarchie musste ein starkes Heer
besitzen, wenn sie auf die Dauer nicht die Beute
der übrigen Ostseestaaten werden wollte. Ein
starkes Heer konnte in Schweden aber allein auf dem
Grundbesitze begründet werden. Das absolute
Königtum, das von den Vorgängern Gustav Adolfs
erstrebt worden war, hatte sich als unmöglich
erwiesen; möglich war das schwedische Königtum nur
als junkerliche Militärmonarchie. Wenn aber die
schwedischen Junker die Kriege der Könige
gewissermaßen in Entreprise nahmen, so waren sie
selbstverständlich durchaus nicht geneigt, auch die
Kriegslasten auf den eigenen Schultern zu tragen.
Sie wälzten diese Lasten nach Möglichkeit auf die
beherrschten Klassen ab. Die Steuern stiegen auf
eine wahnsinnige Höhe; wer keine eigene Wohnung
besaß und für Lohn arbeitete, war vogelfrei für die
Aushebung; sonst bestand für die männliche
Bevölkerung zwischen 18 und 30 Jahren eine Art
Konskriptionssystem, dessen Hauptlast auf die
ländliche Bevölkerung fiel. Doch darf man nicht
übersehen, dass die Kriege Gustav Adolfs bei den
ausgepressten Klassen deshalb noch nicht unpopulär
waren. Sie alle und namentlich die Städte hatten
ein lebhaftes Interesse an der schwedischen
Herrschaft über die Ostsee. Zudem brachten
siegreiche Feldzüge große Reichtümer ins Land. Die
damaligen Kriege waren systematische Plünderungs-
und Raubzüge; wie die Hugenotten, wie die Königin
Elisabeth von England, so trieb Gustav Adolf den
Seeraub in großem Stile. Es war namentlich seine
Methode, verkehrsreiche Häfen zu erobern, sie stark
zu befestigen und von den aus- wie eingehenden
Schiffen Zölle von oft ungeheuerlicher Höhe zu
erheben. Auf dem Kriegsdienste lastete noch nicht
solche Schande wie hundert Jahre später; wenigstens
für den besitzlosen Proletarier war er ein
Glücksspiel, das manchen Gewinn enthielt. Man muss
diese Verhältnisse im Auge behalten, um zu
verstehen, wie ein armes Land von anderthalb
Millionen Einwohnern – und mehr hatte Schweden im
Jahre 1630 noch nicht, einschließlich aller bis
dahin gemachten Eroberungen – jahrzehntelang
blutige Kriege führen und die schwersten Lasten
tragen konnte, weshalb der Reichstag, auf dem die
Bürger und Bauern auch eine gewisse Vertretung
hatten, Gustav Adolfs Einbruch in Deutschland mit
seiner Zustimmung begleitete.
Nach und nach hatte Gustav Adolf
sich rund um die Ostseeküste verbreitet. Schweden,
Finnland, Estland hatte er von seinem Vater
überkommen, von Russland eroberte er Kexholm,
Kardien und Ingermanland, von Polen Livland und
preußische Küstenstriche, namentlich die wichtigen
Seeplätze Memel, Pillau, Elbing, sowie das Recht,
von allen im Hafen von Danzig ein- und ausgehenden
Waren einen Wertzoll von
3%
Prozent zu erheben. Memel und
Pillau waren die Haupthäfen des Herzogtums Preußen
und gehörten unter polnischer Hoheit dem Schwager
Gustav Adolfs, dem Kurfürsten von Brandenburg, der
ihm nie das geringste Leid zugefügt hatte. Um ein
Beispiel von Gustav Adolfs Kriegführung zu geben,
sei kurz jene Eroberung Pillaus dargestellt. An
einem schönen Sommertage des Jahres 1626 erschien
Gustav Adolf mit einer starken Kriegsflotte vor
Pillau und offenbarte dem nichtsahnenden
Kommandanten der schwachen Besatzung, er solle sich
erklären, ob er Freund oder Feind sein wolle. Er,
Gustav Adolf, komme als Freund und werde von dem
Gebiete seines Schwagers nicht eine Handvoll Erde
mehr nehmen als diesen schlechten Sandplatz, den er
eine Zeitlang zu seinem Rückhalt brauche; bei der
geringsten Feindseligkeit aber, und wenn nur ein
Schuss falle, werde er dieses Landes öffentlicher
Feind sein und ihm rechtschaffen in die Wolle
greifen. Vergebens bat der Kommandant um Aufschub,
vergebens sandten die preußischen Behörden und
Städte Botschaften mit der Bitte, die Ankunft des
Kurfürsten abzuwarten: Gustav Adolf wies sie ab,
wie eine alte Schrift sagt, „mit harten scharfen
Reden, mit Blut und Hals in zweischlagen
Bedräuungen". Er nahm den „schlechten Sandplatz"
und machte aus ihm eine Goldgrube, die er nimmer
wieder herausgab. Im Jahre 1629 warf der
schwedische Zoll in Pillau eine halbe Million Taler
ab, genauso viel wie der dänische Sundzoll, der in
dem damaligen Europa den sprichwörtlichen Ruf einer
Goldgrube genoss.
Sah man von Dänemark ab, mit
dessen Könige Gustav Adolf natürlich trotz
lutherischer Glaubens- und germanischer
Stammesgemeinschaft wie Katz' und Hund lebte, war
von dem ganzen Ostseegebiete wesentlich nur die
mecklenburgisch-pommersche Küste noch frei von der
schwedischen Oberherrschaft. Ebendeshalb war aber
auch, sobald Wallenstein in diesen Gebieten eine
starke Reichsgewalt aufrichtete mit dem
ausgesprochenen Zwecke, das dominium maris baltici,
die Herrschaft über die Ostsee, an sich zu reißen,
der schwedischen Militärmonarchie die Frage
gestellt: Sein oder Nichtsein. Seit Jahren
beobachtete Gustav Adolf mit gespanntester
Aufmerksamkeit die Fortschritte der kaiserlichen
Waffen im nördlichen Deutschland. Er hatte sich
sogar schon der antihabsburgischen Koalition, die
sich in der Mitte der zwanziger Jahre bildete, als
Feldhauptmann zur Verfügung gestellt; damals hatte
ihm der dänische König den Rang abgelaufen, nicht
zum wenigsten deshalb, weil er als Herzog von
Holstein zugleich deutscher Fürst war und somit den
inneren Krieg besser entfachen konnte als der
schwedische König, der mit dem Deutschen Reiche
nicht das geringste zu tun hatte. Trotz seiner
Eifersucht auf Dänemark hatte Gustav Adolf dann
gemeinsame Sache mit ihm gemacht, um Stralsund vor
Wallenstein zu retten. In seinem polnischen Kriege
verfolgte er zugleich antihabsburgische Tendenzen,
denn Polen hing durch eine Reihe von Interessen,
von denen hier nur die gleiche Bedrohung durch die
türkischen Angriffe genannt sein mag, mit dem Hause
Habsburg zusammen. Wallenstein hatte denn auch den
Polen Hilfstruppen gesandt und wies die
schwedischen Gesandten rücksichtslos ab, als Gustav
Adolf in den Verhandlungen über den Frieden von
Lübeck mitreden wollte. Die Gegensätze waren
bereits hoch gespannt, als Richelieu seinen Feldzug
gegen das Haus Habsburg unternahm. Er fand bei
Gustav Adolf leichtes Gehör, als er sich zum
Vermittler zwischen Polen und Schweden erbot und
den schwedischen König zum Angriff auf deutsches
Gebiet anstachelte. Er sprach nur aus, was Gustav
Adolf längst selbst erwogen hatte.
Es war bei alledem ein
gefährliches Unternehmen. Frankreich hatte mit dem
italienischen Kriege vollauf zu tun und konnte nur
Hilfsgelder leisten. Die Niederlande waren auch
durch den Krieg mit Spanien viel zu sehr
angestrengt, um zu einem Kriege gegen den Kaiser
geneigt zu sein, ebenso wie Gustav Adolf wohl mit
dem Kaiser, aber nicht mit Spanien anbinden wollte.
Dazu kam heftige Handelseifersucht; die Niederlande
verstanden sich zu nichts als zu geheimen
Werbungen, die Gustav Adolf in ihren Gebieten
vornehmen durfte, und denen setzten sie auch noch
die größten Hindernisse entgegen. Von England war
auch nicht mehr zu erlangen als die Erlaubnis zu
Werbungen. Dänemark lag am Boden, was bei der
gegenseitigen Missgunst freilich eher ein Vorteil
als ein Nachteil für Schweden war. Hätte Gustav
Adolf auf gütlichem Wege zu seinem Ziele kommen
können, er hätte es gewiss vorgezogen. Er verschob
sogar den formellen Abschluss des Bündnisses mit
Frankreich, um noch einmal gütliche Verhandlungen
zu versuchen. Immer aber handelte es sich für ihn
um den Rückzug der kaiserlichen Macht von der
Ostseeküste und aus der norddeutschen Niederung
überhaupt. Von religiösen Fragen sprach er nie. Die
Vorstellung, dass ein König einen Krieg unternehmen
könne, um die Untertanen eines anderen Monarchen in
ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit zu schützen,
lag ganz außerhalb des Gedankenkreises, worin sich
die damaligen Machthaber bewegten. Die damaligen
wie die heutigen Machthaber, nur dass man damals
heuchlerische Vorspiegelungen dieser Art nicht
einmal verstand. Selbst aber wenn dem nicht so
gewesen wäre, wo waren denn die Leiden der
deutschen Protestanten, für die Gustav Adolf
angeblich das Schwert ziehen wollte? Dass der
Kaiser in seinen Erblanden die katholische
Restauration in unbarmherziger Weise betrieb, war
sein Recht, für dessen gehörige Verbriefung gerade
Gustav Adolfs protestantische Glaubensbrüder
gesorgt hatten. Woran aber Gustav Adolf
unüberwindlichen Anstoß nahm, nämlich an der
Aufrichtung der kaiserlichen Macht im nördlichen
Deutschland, das war ohne jede Bedrückung der
Protestanten erfolgt; Wallensteins Politik beruhte
gerade auf einer Ausgleichung der religiösen
Gegensätze. Und selbst das Restitutionsedikt lässt
sich in diesem Zusammenhange nicht verwerten. Ehe
es erlassen wurde, hatte sich Gustav Adolf schon
zum Kriege entschlossen und sogar schon das später
veröffentlichte Kriegsmanifest entworfen; nachdem
es erlassen war, hat er noch einmal gütliche
Verhandlungen mit dem Kaiser angeknüpft, ohne jede
Bezugnahme auf das Edikt, immer mit dem Programm:
Weg mit der kaiserlichen Macht von der Ostseeküste,
und ich will Frieden halten.
Nun waren weder der Kaiser noch
sein Feldherr die Leute, sich solchem Ultimatum zu
unterwerfen. Wallenstein bedrängte vielmehr immer
heftiger die Hansastädte. Der Krieg war
unvermeidlich, und es fragte sich nur, wie er
geführt werden sollte. In den letzten Oktobertagen
des Jahres 1629 hat Gustav Adolf auf dem Schlosse
von Uppsala noch einmal mit den schwedischen
Reichsräten, den Führern der schwedischen Junker,
die ganze Frage durchgesprochen. In den Protokollen
findet sich wiederum kein Wort von Religion. Es
heißt darin: Der Stein wäre auf sie gelegt worden
nicht durch ihre, sondern durch des Kaisers Schuld,
indem er Schweden zu nahe gekommen wäre. Entweder
müssten sie erliegen oder den Stein abwälzen;
entweder den Kaiser in Kalmar erwarten oder in
Stralsund aufsuchen. Man entschied sich dann für
den Offensivkrieg, wesentlich aus dem Grunde, weil
Schweden die Kosten des Krieges nicht tragen könne,
Deutschland sie tragen müsse. Gustav Adolf
erklärte, der deutsche Krieg müsse mit deutschem
Blut und deutschem Geld geführt werden. Er rief:
Siegt der König, so werden die Deutschen die Beute
sein. Er sagte, das deutsche Volk würde gegen sein
eigenes Vaterland und gegen seine eigene Obrigkeit
kämpfen müssen. Welch liebliches Programm für den
„teuren Gottesstreiter", der aus zarter Sorge für
das bedrängte Gewissen der deutschen Protestanten
sie aus den jesuitischen Krallen erretten wollte!
Noch einige Zahlen mögen dies
königliche Programm beleuchten. In den drei Jahren,
wo Gustav Adolf selbst noch den Krieg führte,
betrug in Schweden:
|
das Militärbudget |
die Heeresziffer (nominell) |
1630 |
9.535.625 Taler |
40.000 Mann |
1631 |
5.568.407 Taler |
79.700 Mann |
1632 |
2.220.198 Taler |
198.500 Mann |
Man sieht: Je höher die
Heeresziffer steigt, umso mehr sinkt das
Militärbudget. Dabei bezieht sich das Militärbudget
auf die Gesamtheit der schwedischen Heeresmacht,
eingerechnet die in Schweden, Finnland und den
baltischen Provinzen zurückgelassenen Truppen, die
sich im Jahre 1630 auf 37.000 Mann beliefen,
während die von uns angegebene Heeresziffer sich
auf die in Deutschland kämpfenden schwedischen
Heere beschränkt. Diese Heere sind in Deutschland
rekrutiert und von Deutschland verpflegt worden.
Rechnet man dagegen nur die ungeheuren
Brandschatzungs- und Kontributionssummen, die
Gustav Adolf den deutschen Fürsten und Städten
auferlegte, sobald sie in seine Gewalt fielen, und
die Erträge der Zölle auf, die sofort in den
eroberten Häfen erhoben wurden und sich nach
zeitgenössischen Angaben „nicht nur auf 15 bis 30,
sondern 40, ja sogar 50 vom Hundert" beliefen, so
versteht man die Klage einer deutschen Flugschrift
aus dem Jahre 1636: „Kupfer habt ihr aus eurem
Lande geführt, Gold und Silber aber hinein.
Schweden war vor diesem Kriege hölzern und mit
Stroh gedeckt, jetzt ist's steinern und prächtig
zugerichtet." Einer Flugschrift beiläufig, die von
keinem einseitigen Parteistandpunkte aus
geschrieben ist, sondern als „deutscher Brutus" der
aufdämmernden Klarheit der deutschen Massen über
die wunderbaren Erretter, die ihnen aus allen
Himmelsgegenden erstanden, den ebenso richtigen wie
trockenen Ausdruck gab: In Summa, ein jeder, er
sei, wer er wolle, hat nur sein eigenes Bestes
gesucht.
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