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Materialsammlung zu den Filmveranstaltungen im September 2009
 


Rezept gegen wilde Streiks
Unternehmerverband zieht Konsequenzen aus den Herbst-Ereignissen

"Industriekurier" vom 9. Mai 1970

 

 

df. Düsseldorf, 8. 5. - "Der 3« September 1969 war für unsere rechtsstaatliche Ordnung ein rabenschwarzer Tag, war er doch der Auftakt für eine Welle wilder Streiks, die die den Sozialpartnern anvertraute Tarifautonomie aufs schwerste erschütterten", stellt der Unternehmerverband Ruhr-Niederrhein in seinem Jahresbericht fest.

 

Der Preis, der für die Wiederherstellung des Arbeitsfriedens bezahlt werden mußte, ei also nicht nur materiell, sondern auch ideell gewesen: Denn mit dem erzwungenen Bruch bestehender Vertrage sei ein Stück unseres Rechtsstaates preisgegeben worden, der davon lebe, daß Verträge für die Dauer ihrer Laufzeit auch eingehalten würden. "In welche Rechtsunsicherheit geriete eine Gesellschaft, die es zuläßt, daß rechtsgültig geschlossene Vereinbarungen jederzeit durch Streiks, Demonstrationen oder sonstige Kampfmittel von Gruppen annuliert werden könnten, die zur Einhaltung der Verträge gesetzlich verpflichtet sind. Allgemeines Chaos wäre die Folge."

 

Am Beispiel der englischen Verhältnisse, in denen wilde Streiks gesetzlich erlaubt und eine Alltagserscheinung seien, zeige sich deutlich, welche Bedeutung dem auf der Tarifautonomie der Sozialpartner beruhenden Tarifrecht für die wirtschaftliche Prosperität eines Landes zukomme. Dieses System unseres Tarifvertragswesens sichere bei Einhaltung seiner Spielregeln den Arbeitsfrieden und garantiere den Arbeitnehmern für einen bestimmten Zeitraum ein festes Einkommen.

 

Sollte sich in einer bestimmten konjunkturellen Situation erweisen, daß die vereinbarten Laufzeiten der Verträge zu lang seien, daß etwa ein rasanter konjunktureller Aufschwung vorzeitige Lohnerhöhungen nahelege, dann liege es nach unserem Tarifvertragsrecht allein in der Hand der autonomen Tarifpartner, die Frage einer Revision geltender Tarifverträge zu überprüfen und gegebenenfalls neue Verträge zu vereinbaren.

 

Die Bedeutung von Friedenspflicht und festen Laufzeiten der Verträge könne für die Preisgestaltung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gar nicht hoch genug bewertet werden. Von der Möglichkeit, den Anteil der Arbeitskosten an den Gesamtkosten über einen längeren Zeitraum hinweg, der mindestens ein Jahr betragen müsse, übersehen zu können, hänge es wesentlich ab, ob die Unternehmen bei ihrer Preisgestaltung jene Forderung erfüllen könnten, die mit Recht erhoben werde: Nämlich durch die Kosten gerechtfertigte Preise zu nehmen.

 

'Der Unternehmerverband zieht folgende Lehren aus den wilden Streiks:

"Die für die Unternehmerschaft sicherlich wichtigste Lehre ist, daß sie Forderungen, die mit dem Mittel illegaler Arbeitsniederlegungen durchgedrückt werden sollen, nicht widerstandslos nachgeben und sie schon gar nicht von heute auf morgen erfüllen darf. Sonst ermutige sie die Arbeitnehmer anderer Betriebe und Wirtschaftsbereiche geradezu, es den "erfolgreichen" Kollegen gleichzutun. "Wenn dann außerdem noch den Arbeitern die ausgefallenen Schichtet bezahlt werden - eine Vergünstigung, die nicht einmal legal Streikenden zusteht -, dann bleibt bei den Arbeitern nicht einmal die Spur eines schlechten Gewissens wegen der Beteiligung an illegalen Streiks zurück."


Die Unternehmerschaft sollte bedenken, daß Widerstand gegen wilde Streiks sich für sie letzten Kndes lohne. Wenn Arbeitnehmer bei einer Beteiligung an illegalen Streiks damit rechnen müssen, daß ihnen totaler Verdienstausfall drohe, dann würden sie es sich dreimal überlegen, ob sie die Arbeit niederlegen sollen. Entschlossener Widerstand gegen illegale Streiks könne deshalb den Arbeitskampf sehr schnell beenden.

 

 

Editorische Anmerkungen

Raubdruck
Schulungsmappe Streik
Interne Papiere der IG Chemie
ML-Press Amsterdam 1971 - Seite: 265f

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