Vor 30 Jahren: Mauer kaputt.

MfS,ZAIG,B-217 Berlin, 3.10.1989

Hinweise zur Aktion „Jubiläum 40"

Außerordentliche Kompliziertheit der politisch-operativen Lage, unter der die Aktion Jubiläum 40" durchgeführt werden muß, ist bekannt.

Plan der Maßnahmen, Befehle und Einsatzpläne sind darauf ausgerichtet -ausgehend von jüngsten Entwicklungen und Entscheidungen, der damit verbundenen Lageentwicklung, ständige Prüfung und evtl. Präzisierung erfor­derlich.

Besondere Beachtung und ständige Einschätzung erfordern

  • die Wirkungen der massiven Hetz- und Verleumdungskampagne des Gegners auf die Haltung/Verhalten der Menschen im Innern und daraus resultierende Gefahren der Durchführung von Gewalthandlungen u.a. Provokationen;

  • Entwicklung der innenpolitischen Situation, besonders durch Aktivitäten der feindlichen, oppositionellen Kräfte durch die zunehmende weitere Verschärfung der latenten und weiter wachsenden Unzufriedenheit, Ver­unsicherung in der Bevölkerung.

(In diesem Zusammenhang in Partei verbreitet Forderung, von Führung informiert zu werden.)

1. Pläne, Absichten feindlicher, oppositioneller Kräfte im Innern:

  • am 7.10.89 vorgesehene Konstituierung einer Initiative zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR - an weiterer Aufklärung wird gearbeitet, um entsprechende Zusammenkunft möglichst zu verhindern/ stören;

  • in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg am 6.10.89 im Rahmen einer sogen. Zukunftswerkstatt „DDR - wohin gehst Du" Bestrebungen, Pro­paganda für Sammlungsbewegung „Demokratischer Aufbruch" (Eppel-mann u.a. -siehe unsere Parteiinformation dazu) zu machen, vorbereitete Plattform zu diskutieren;

  • auch Initiatoren/Organisatoren des „Neuen Forums" wollen Aktivitäten fortsetzen - Aufgabe gestellt, vor allem Sammlung von Unterschriften, Verbreitung ihres Aufrufs zu unterbinden. In diesem Zusammenhang besonders Deachtenswert, daß Verbreitung der Resolution der Unterhal­tungskünstler auf entsprechenden Veranstaltungen ständig zugenommen hat und entsprechende Auflagen der Veranstalter völlig ignoriert werden. Nach unseren Feststellungen seitens zuständiger Parteiorgane bisher keine ausreichenden wirksamen Maßnahmen zur Einflußnahme und Unterbin­dung.

  • Plan der Kreise um Diakon Schatta (Kampagne gegen „Wahlbetrug"), 710.89, 1700 Uhr auf Alexanderplatz erneute Provokation zu organisieren versuchen (Flugblattverbreitung mit Aufrufen dazu).

2. Zu beachten sind auch zahlreiche Veranstaltungen in Kirchen bzw. kirchli­chen Räumen in der Hauptstadt im Zeitraum 6./7 Oktober, die sich teilweise direkt mit dem 40. Jahrestag beschäftigen bzw. anderweitig politisch motiviert sind (Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg, Elisabethkirche Berlin-Mitte, Evan­gelisches Gemeindezentrum Berlin-Hohenschönhausen / Diakon Schatta, Gethsemanekirche Prenzlauer Berg / „Mahnwache für politische Gefangene in der DDR"). Prüfung, bei Notwendigkeit noch gezielte Gespräche mit einzelnen kirchenleitenden Kräften zu führen, um evtl. erkennbare provoka­torische Absichten zu verhindern. Konsequente Unterbindung, daß von derartigen Veranstaltungen öffentlichkeitswirksame provokatorisch-demon­strative Aktivitäten ausgehen; Zusammenrottungen unmittelbar an diesen Objekten unterbinden; nach Auflösung solche Personen weiter unter Kon­trolle halten und erneute Zusammenrottungen an anderen Orten verhindern.

3. Vor allem im Zusammenhang mit

  • Anreise / Bewegung führender Repräsentanten

  • Parade, Fackelzug, Volksfeste (besonders zentrales Volksfest in Berlin-Mitte)

zur konsequenten vorbeugenden Verhinderung

  • provokatorisch-demonstrativer Aktivitäten / Zusammenrottungen

  • Zeigen von Transparenten /Rufen von Losungen

  • durchgängige Sicherung der Handlungsräume, um jegliche Störfaktoren und aktionen auszuschließen.

Gezielte Kontrolle bekannter feindlich-negativer Kräfte, um bei geringsten Hinweisen auf geplantes Wirksam werden diese konseqent zu blockieren bzw. zuzuführen, bei entsprechenden Personen aus den Bezirken möglichst Anreise in Hauptstadt verhindern.

Durchsetzung umfassender Reisesperrmaßnahmen und Sonderfahndun­gen, um Einreisen von Personen von Westberlin aus, von denen Gefahren ausgeben können, zu unterbinden.

In größerem Umfange Zurückweisungen vorgesehen, dabei teilweise kom­plizierte Bedingungen, besonders auf GÜST Bahnhof Friedrichstraße - auf entsprechende Reaktionen einstellen. Am 6.12.89 Ankunft Gorbatschow -vollständige Sperrung vorgesehen. (Einreise von Blüm im Zusammenhang mit Düsseldorfer Gastspiel gestattet; Treffen mit Eppelmann ebenfalls gestat-tet.)

4. Besondere Beachtung, daß angesichts Lage erhöhte Gefahren von Provo­kationen gegen Staatsgrenze - sowohl von außen als von innen;

  • 6. und 7.10.89 besonders von IGfM ausgehend Provokationen im Vorfeld GUST Friedrich-/Zimmerstraße und am Brandenburger Tor (Ballonak­tionen) vorgesehen,

  • provokatorische Anschläge gegen Grenzsicherungsanlagen - Zerstörung Streckmetallzäune u.a. — entsprechendes Vorgehen dieser Kräfte in letzter Zeit,

  • Möglichkeit weiterer Provokationen und Anschläge besonders an bereits bekannten gefährdeten Abschnitten - Vorfeld der GÜST, Raum Brandenburger Tor, Potsdamer Platz, Bernauer Straße u.a.,

  • Verhalten insbesondere der Antragsteller auf ständige Ausreise auf jüngste Vorgänge und Entscheidungen schließt wachsende Gefahren ein, durch Angriffe auf Staatsgrenze — evtl. auch in größeren Gruppen, siehe bisher unbestätigten Hinweis Leipzig, ihr "Problem" zu lösen; Beispielwirkung des aggressiven, gewaltsamen Handelns der DDR-Bürger besonders in Prag nicht auszuschließen (besondere Gefährdungssituationen auch für GÜST).

5. Sicherung der Volksfeste, besonders durch gesellschaftliche Kräfte, durch das politisch bewußte Auftreten aller progressiven Besucher gewährleisten. Nochmals auf Maßnahmen hinsichtlich Verhinderung des Auftretens von
Unterhaltungskünstlern, Moderatoren usw. im Sinne der Resolutionen/Aufrufe hinweisen; auf mögliche Zunahme Versuche einstellen, mit provokatori- schen Handlungen, provokatorischen Losungen, Störung politisch progressi-
ver Auftritte, rowdyhaften Handlungen, besonders auch gegen Sicherungs kräfte, Verlauf zu stören.

Durchführung des Feuerwerkes im Friedrichshain erfordert Räumung/ Sperrung von Teilen des Friedrichshains unmittelbar nach Beendigung der Volksfeste/Veranstaltungen, um Sicherheit zu gewährleisten. Gefahr von Zusammenstößen, Nichtverständnis für Maßnahmen. Alle Vor­kehrungen treffen, damit im Zusammenhang mit Feuerwerk keine Gefährdun­gen von Personen oder Objekten eintreten können.

6. Anreise der ausländischen Repräsentanten und Delegationen - kurze Zeitabstände der Ankunft und Fahrt vom Flugplatz zu Objekten erfordern straffes Regime und hohe Ordnung in allen entsprechenden Handlungsräumen. Ständige Kontrolle/Observation der Strecken erfolgt. 360 000 gesellschaftliche Kräfte zur Spalierbildung vorgesehen - Einweisung der Führungskräfte sei erfolgt. Gehe davon aus, daß diese durch entsprechende politische Vorbereitung auch erforderliche Disziplin wahren.

zitiert nach: Armin Mitter, Stefan Wolle (HG), "Ich liebe Euch doch alle...", Befehle und Lageberichte des MfS, Januar- November 1989, Berlin 1990, S.187-189

nach oben