Betrieb & Gewerkschaft
Große Solidarität – aber welche Perspektive?
Bericht von der Soli Demo für Nokia-Bochum am 22. Januar 2008

von der Gruppe Arbeitermacht

01/08

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Für die kurze Vorbereitungszeit von wenigen Werktagen und dem Demo-Termin (mittags an einem Arbeitstag) eine klasse Beteiligung. Die Schätzungen liegen zwischen 15000 und 30000. Eigentlich war der ganze Stadtteil auf den Beinen. An den Straßenrändern standen sehr viele, auf den Balkonen, an den Fenstern.

Die Demo

Es gab wohl kaum einen Betrieb in Bochum, der nicht eine Delegation geschickt hatte. Dabei waren auch ganze Schulklassen. Alle DGB-Gewerkschaften waren vertreten, aber auch die CGM. Peinlich auch die CDU-Delegation, etwa 10 Personen.

In zwei Betrieben gab es Arbeitsniederlegungen: Opel und Thyssen-Krupp-Steel.

Aus ganz Deutschland waren DemonstrantInnen gekommen. VW Beschäftigte aus Wolfsburg, Rüsselsheim und Kaiserslautern, von Ford-Köln, viele Delegationen und Grußadressen von verdi. Solidaritätsadressen gab es auch von den anderen Nokia-Standorten, so aus Ulm (Entwicklung).

Und auch aus Finnland kam ein Solidaritätsschreiben. Vielleicht sehen die KollegInnen in Finnland sehr deutlich, welche Bedrohung die Vorgehensweise der Nokia-Manager auch für ihre Arbeitsplätze bedeutet.

Es gab schon etliche emotionale Elemente, das waren nicht die Leute, die sonst auf Demos zu sehen sind. Es war eine Arbeiterdemo. Gerade die Spitze der Demo war bestimmt von den Nokia-ArbeiterInnen. Auch die Delegation der Bochumer Feuerwehrleute war beeindruckend- sie waren samt Löschzug gekommen.

Ein wenig ahnte man, wozu die Klasse fähig ist, wenn sie befreit wäre von der Führung der BürokratInnen. 

Die Kundgebung 

Die Kundgebung kann man eigentlich in zwei Teilen. Es war erfreulich, dass etliche KollegInnen von Nokia zu Wort kamen. Das waren keine Politprofis, die haben sich einfach ihren Frust von der Seele geredet, die Empörung über die Arroganz der Nokia-Bosse. Es waren aber auch authentische Dokumente des Abschieds von Illusionen über die Sozialpartnerschaft.

Dann die Reden von der Oberbürgermeisterin, von IGM Chef Huber und vom CDU-Wirtschaftsstaatssekretär aus Berlin: Viel starke Worte, aber mehr Desorientierung als klare Aussagen.

Vor allem kam zwischen den Zeilen nicht nur bei SPD und CDU, sondern auch der IGM-Spitze klar raus, dass bei aller „Anteilnahme“ und „Empörung über die Unanständigkeit“ von Nokia die Schleißung des Werks als „unvermeidlich“ akzeptiert wird. Das zeigte sich auch oder gerade dann als Huber damit drohte, dass die IG Metall kämpfe werden, wenn sich das Unternehmen „nicht bewege,“ sprich zu „ordentlichen“ Verhandlungen über Schließung und Sozialplan „zurückkehre.“

Wenn sich die Situation weiter verschlechtere, dann wäre aber auch die IG Metall zum Kampf bereit drohte Huber. Erhebt sich nur die Frage, was denn noch schlechter werden könnte, wenn der Betrieb geschlossen und alle gefeuert werden sollen? 

Zur Belegschaft 

1600 arbeiten in der Produktion, 400 in Entwicklung und Forschung, der Rest überwiegend in der Verwaltung. In der Produktion sehr viele Frauen, davon viele Migrantinnen. Dazu kommen noch einmal so viel, die als LeiharbeiterInnen beschäftigt sind und z.T. schon nicht mehr im Betrieb sind.

die Belegschaft hat kaum Kampferfahrung. Am Mittwoch nach der Bekanntgabe der Schließung wollten wohl etliche das Werkstor blockieren, sind aber zurück gepfiffen worden. Viele stehen irgendwie noch unter Schock. Sie hatten in Nokia Vertrauen entwickelt, den Sprüchen der Nokia-Manager vertraut.

Bisher haben sie fast immer ja gesagt, wenn Nokia Flexibilität von ihnen verlangte. Einmal haben sie sich verweigert, als Nokia eine Arbeitszeitverlängerung  ohne Lohnausgleich verlangte - ansonsten hat der Betriebsrat sämtliche Grausamkeiten mitgemacht. Mangelnde „Flexibilität“ kann man der Belegschaft nicht nachsagen von Seiten des Kapitals - gesichert hat es die Arbeitsplätze keinesfalls.

Unabsehbar war die Entwicklung sicher auch nicht. So hatte Nokia z.B. die Zahl der Azubis auf 20 runtergefahren – eine klares Signal, dass eine Verlagerung der Handyproduktion schon länger beabsichtigt war.

Besonders stinkt den Beschäftigten der Ethik-Katalog von Nokia. Jährlich müssen sich alle einem „Auditing“ zu ihrem Verhältnis zur Firma und ihren „ethischen“ Grundsätzen unterziehen. Die Verlesung dieser „Nokia-Grundsätze“ war pure Realsatire. 

Wohin? 

Wenn dieser Tag für irgendetwas gut war - er  hat den Beschäftigten bei Nokia absolut den Rücken gestärkt, ihnen gezeigt, das Solidarität tatsächlich lebt. Und das kann die Grundlage für Aktionen in nächster Zeit gelegt haben.

Auf die KollegInnen prasselt einiges ein. Sie haben nicht viel Zeit für Aktionen, müssen sich aber mit einer Vielfalt von Fragen auseinander setzen - leider auch mit falschen Ratgebern.

Wenn die Schließung des Werks verhindert werden soll, dann kann das nur über eine Besetzung und die entschädigungslose Enteignung des Betriebs sowie die Fortführung der Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten laufen.

Die Vertröstung auf weitere Verhandlungen, die ob eingestandenermaßen oder im Stillen um einen Sozialplan laufen, die Orientierung auf „Kaufboykott“ oder ähnliches wird Nokia nicht von eine strategischen Entscheidung abbringen, die, vom Profitinteresse des Konzerns aus betrachtet, durchaus rational ist.

Schließlich geht es Nokia wie jedem anderen Kapitalisten – ob nun aus Finnland, den USA oder der BRD – darum, nicht nur irgendeinen Profit, sondern einen möglichst großen zu machen. Aus diesem Grund hat Siemens seine ganze Handysparte in den letzten Jahren abgestoßen. Aus diesem Grund will Nokia nach Rumänien verlagern.

Ein Besetzungsstreik muss zugleich von Solidaritätsaktionen – am besten mit Solidaritätsaktionen - im Konzerne und anderen Betrieben in der Region und in der Branche verbunden werden. Nur so haben die ArbeiterInnen und Angestellten im Konzern noch eine Chance.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten durch die  ARBEITERMACHT-INFOMAIL, Nummer 342 vom 24. Januar 2008

Erstveröffentlicht bei

 www.arbeitermacht.de

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