LeserInnnenbrief
Die Mühen der Ebene der Erwerbslosenbewegung - die Gegenseite schläft nicht

von
Claudia Kratzsch

01/11

trend
onlinezeitung

Ein persönliche Stellungnahme von Anne Seeck *12/10* in der *trend*onlinezeitung, eine flapsige Beschreibung an der Form und dem Inhalt vom 3. Berliner Vernetzungstreffen an dem bundesweite Aktivistinnen aus Brandenburg, Dortmund und Bochum teilnahmen.

Leider wird in dem Artikel nicht analysiert warum dieses 3. Berliner Vernetzungstreffen so schwach besucht war und warum Sozialproteste und Krisenproteste scheinbar unabhängig voneinander agieren, es wird einfach so in den Raum gestellt.

Das Vernetzungsseminar am 3./4. 12. 2010 in Berlin hat bei der Artikelautorin, die auch gleichzeitig Mitveranstalterin und Vorbereiterin und Beantragende der finanziellen Ausstattung für das Seminar ist zu Frustrationen geführt und ihr keinen Spaß gemacht.

Zur Beginn wird die Schwäche „der“ Berliner Erwerbslosenszene beschrieben. Diese zeigt sich Annes Meinung nach an der geringen personellen Beteiligung.

Von diesen Wenigen sind dann auch noch mehrere aktiv in verschiedenen Initiativen und Bündnisse, wie die Autorin selber.

Dann wird eine Kritik vorgebracht am Regelsatzbündnis, an dessen derzeitiger Aktionsform, Briefe an Bundestags- und Landtagsabgeordnete zu schreiben und "Besuchen" in den Büros von Abgeordneten von u.a. SPD und Linke.

Es ist legitim, die Meinung zu haben, diese Erwerbslosenszene sei zu schwach und deshalb könne diese entsprechend ihrer momentanen Stärke nur Briefe schreiben.

Es ist eine Frage der Strategie, welches Mittel gerade geeignet erscheint einzusetzen in der politischen Auseinandersetzung um die materielle Existenzsicherung.

Macht sich die Erwerbslosenszene schwächer, weil sie Forderungen an den Staat richtet? Sollten wir also weiterhin stillschweigend und quasi privat intim die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen aufpolieren mit 1€ Jobs, unser Budget über kleinste Honorarverträge und Tafelgaben decken? Das machen nämlich viele von uns.

Nein, es ist vielmehr eine Niederlage, wenn eine jede individuelle Lösungstrategien entwickelt für ihre Existenzsicherung.

„Es ist also reformistische Scheiße und falsch, wenn sich Erwerbslose außerparlamentarisch organisieren und parlamentarisch für eine Verbesserung ihres materiellen Lebens streiten.“

Denn auch Gespräche mit Bundes- und Landtagsabgeordneten oder Schreiben an dieselben, sind Eingriff in den parlamentarischen Raum, zwar von außen, aber in den parlamentarischen Raum hinein.

Und selbst diese Strategien hängen doch auch sehr von den unterschiedlich verteilten Privilegien ab, wie richtiger Pass, richtige Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Grad der anerkannten Gesundheit.

Streiten ums Einkommen, ob mit oder ohne Lohnarbeit, gerade wo Arbeit und Einkommen sich unabhängig voneinander entwickeln, erscheint mir absolut notwendig neben dem Streit um den Sinn von Lohnarbeit und deren Bedingungen.

Die Debatte um den Regelsatz ist erzwungen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und deshalb auch erzwungen von den prozessierenden Erwerbslosen seit 2005. Auch deshalb, so denke ich, ist das existenzsichernde Einkommen sehr wohl ein wichtiges Interventionsfeld für Erwerbslose, Flüchtlinge und niedrig entlohnte Beschäftigte.

Eine Auseinandersetzung mit den ausführenden Parteien um das universelle Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen ist notwendig, mit einem erweiternden Feld von Bündnispartnerinnen wie den Milchbauern.

Polemisch ist der Vorwurf der „Beschäftigungstherapie für AkademikerInnen ", damit ist das Schreiben von Briefen und Artikeln an Bundes- und Landtagsabgeordnete gemeint. In der Berliner Erwerbslosenszene gibt es nicht nur die eine AkademikerIn und die Briefe ausformuliert hat in diesem Fall ein Mann.

Der politische Alltag von sich sozialpolitisch engagierenden Menschen und auch die Beteiligung an der Bundestagsbelagerung seien mit Frustrationen versehen sagt die Autorin.

Es ist schade das danach nichts mehr kommt außer, Hartz IV muss weg Auch diese Parole hat keine Systemsprengkraft.

Am Ende ihres Berichtes folgt eine PositivListe von engagierten Gruppen die alle außerhalb Berlins liegen. Auch ich finde das Engagement der Keas häufig aufbauend, ebenso das der Oldenburger, der Wuppertaler und anderer.

Erwähnt wird auch das Lesen von juristischen „Wälzern“, und dass praktische Arbeit, zum Beispiel die Fahrradreparaturen, sinnvoll seien. Sicherlich müssen nicht immer bei der Erwerbslosenarbeit juristische Wälzer gelesen werden, aber das Ergebnis des Studiums dieser Wälzer oder des Begleitens, des Zahltages kann neben gelebter Solidarität die Störung von Ämterroutinen sein.

Fahrradreparaturen sind zur Selbsthilfe auch sinnvoll, aber es bleibt die Frage: Welches Ziel hat eine kontinuierliche, politische Erwerbslosenarbeit? Wollen wir mit ihr die gröbsten Missstände ausbügeln, wollen wir universelle Rechte durchsetzen und wollen wir auch *verändern*?

Claudia, Mitstreiterin des Basta- Berlin und mitbeteiligt am Seminar. Seit dem April 2010 trifft sich basta, seit November in einem selbstverwalteten Hausprojekt. Wir sind im Wedding, weil dieser mit zu den ärmsten Bezirken Berlins gehört, ein stark migrantisch geprägtes Viertel ist, in dem politische und alternative Angebote rar sind.
 

Editorische Anmerkungen

Zu diesem LeserInnenbrief, den wir am 4.1.2011 erhielten, gibt es eine Stellungnahme von Anne Seeck.