Editorial
Mit unseren Waffen: Krieg dem Kriege

von Karl-Heinz Schubert

01/2016

trend
onlinezeitung

Das Feuer brannte, das sie geschürt.
Löscht es aus! Die Imperialisten,
die da drüben bei jenen nisten,
schenken uns wieder Nationalisten.
Und nach abermals zwanzig Jahren
kommen neue Kanonen gefahren. –
Das wäre kein Friede.
Das wäre Wahn.
Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
Du sollst nicht töten! hat einer gesagt.
Und die Menschheit hörts, und die Menschheit klagt.
Will das niemals anders werden?
Krieg dem Kriege!
Und Friede auf Erden.


(Kurt Tucholsky, Juni 1919)

Nach der Karnevalsabsage in Braunschweig warnte Boris Pistorius - seit 2013 niedersächsischer Innenminister (SPD) - im April 2015 in einem NWZ-Interview vor einer angeblich allgegenwärtigen Anschlagsgefahr, an die sich die Bürger*innen zu gewöhnen hätten. Zum Jahreswechsel fühlte sich dieser emsige Landespolitiker erneut berufen, "die Deutschen" via dpa wissen zu lassen, dass sie "vor dem Terrorismus nicht in die Knie gehen" dürften, sondern stattdessen nun "den dauerhaften Umgang mit einer latenten Anschlagsgefahr" zu erlernen hätten.  Mit anderen Worten: Die Kriege, die die BRD führt bzw. an denen sie seit Jahrzehnten beteiligt ist, haben nun endlich ihre Heimatfront.


Quelle: wikipedia

Seit 25 Jahren - unmittelbar nach dem Beitritt der DDR zum Staatsgebiet der BRD -  erledigt die Bundeswehr sogenannte  „friedenserhaltende“ und „friedenssichernde“ Maßnahmen außerhalb des eigenen Staatsgebiets für die globalen ökonomischen und geostrategischen Interessen nationaler und transnationaler Konzerne. Spätestens seit die NATO im März 1999 ihren Angriffskrieg gegen Jugoslawien begann, waren diese Interessenslagen nicht mehr zu verschleiern. Mit aktiver Hilfe der Bundeswehr wurden nicht nur Infrastruktur und Industrie sondern wurde Jugoslawien als Staat zerstört. Krieg und Profit - dieser Zusammenhang war unübersehbar und  die Anti-Kriegs-Proteste 1999 waren damals gesellschaftlich breit in der "wiedervereinigten" BRD aufgestellt. Das Protestpotential reichte von den linksradikalen Spektren bis in die bürgerliche Mitte, ja selbst bis ins Lager der Grünen, die als Regierungspartei jene kriegstreiberische Politik unter der verlogenen Fischer-Parole "Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz" maßgeblich mittrugen.

Seit diesem Krieg verzichtet die BRD als NATO-Mitglied - wenn es nicht anders geht - auf die Mandatierung ihrer Kampfeinsätze durch entsprechende UN-Beschlüsse. Die bürgerlichen "Volks"parteien, die in Gestalt von CDU, SPD, FDP und Grünen seitdem abwechseld das Regierungspersonal stellten, sorgten regelmäßig dafür, dass die entsprechenden Bundestagsmehrheiten fürs Kriegsführen innenpolitisch ziemlich geräuschlos zustande kamen. Im umgekehrten Verhältnis dazu zerfiel das damalige bundesdeutsche Anti-Kriegslager. Übriggeblieben ist eine Friedensbewegung, die ganz unbestimmt "Krieg als Mittel der Politik langfristig ausschließen" will,  und Friedenstauben als Aufkleber online verkauft.

Der Niedergang der Anti-Kriegsbewegung hat nicht zuletzt seine Ursachen in der ideologischen Diversion. TREND, nun seit 20 Jahren erscheinend, fungiert gleichsam als  begleitender Spiegel dieses Prozesses, in dem sukzessive Feindbilder medial aufgebaut wurden, um "die Deutschen"  gegen das Fremde, die Bedrohung von Außen und innere Feinde zu einer imaginierten Werte- und Kulturgemeinschaft zusammenzuschließen. Von dieser Diversion war 2004 TREND selbst betroffen, als drei durchgeknallte (Ex-)Linke das Partisan.net, die Domain von TREND, benutzten, um mit einer kulturalistisch-rassistischen Kampagne die Bundesregierung im Kampf gegen den "Islamismus" anzufeuern. Als sie von Antifaschist*innen kritisiert wurden, mahnten sie als Partisan.net Domain-Verwalter ihre Kritiker*innen ab und warfen ihnen den "Schulterschluss mit Islamisten" vor. Als der Konflikt weiter eskalierte, usurpierten sie die Partisan.net-Domain und schlossen sie. TREND konnte ab dem 1.3.2004 bis zum Mai 2004 dank solidarischer Webprojekte wenigstens in Notausgaben erscheinen.

"Krieg dem Kriege! Guerre à la Guerre! War against War! Oorlog aan den Oorlog!" mit diesem Titel erschien 1924 das Buch des Antimilitaristen Ernst Friedrich. Mit erschütternden Fotos wurden darin Verwundete, Verstümmelte, Hinrichtungen, Leiden, Elend und Sterben im Ersten Weltkrieg gezeigt. Kurt Tucholsky schrieb  in der Weltbühne über dieses Buch: "Dieses Buch sollten wir nicht unsern Freunden zeigen, denen, die schon Pazifisten sind, also nicht den alten Fehler wiederholen, der so oft gemacht wird: Missionare nach Rom zu schicken – sondern wir sollten es den Gegnern zeigen. In Versammlungen, in Schulen, in Vereinen, an Stammtischen – dieses Grauen kennt ja keiner von denen. Und man sollte das Buch auch Frauen zeigen, gerade Frauen zeigen."

Im jetzigen Medienzeitalter, wo die Brutalitäten des Krieges zu den Alltagsbildern gehören, sollten wir Tucholsky nicht allzu wörtlich nehmen, wenn wir dem Kriege unseren Krieg ansagen wollen. Doch der Kern seiner Botschaft, die antimilitaristische Aktion gegen die Kriegstreiber*innen zu richten, statt im eigenen Saft schmorend z.B. Friedenstaubenaufklärer zu verhökern, bleibt richtig. Und die Waffen in unserem Krieg gegen die Kriege, das sind Aufklärung, Delegitimierung, Zivilcourage bis zur Befehlsverweigerung und praktische Solidarität mit all denen, die in dieser Welt für ihre Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung mit dem Ziel einer menschwürdigen Gesellschaft kämpfen.

In diesem Sinne eröffnen wir mit der heutigen Ausgabe das dritte Jahrzehnt TREND und hoffen, recht viele unserer Berliner Leser*innen beim Veranstaltungswochenende

20 Jahre TREND Onlinezeitung
Wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen
wir wollen die ganze Bäckerei

29.1.-31.1.2015
Ein Veranstaltungswochenende über Programm und Politik
K9 - Kinzigstr. 9, 10245 Berlin (U-Bhf. Samariterstrasse)

zu sehen, um mit ihnen herzhaft zu diskutieren.

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