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Editorial

Hoffnungen & Mythen
Anmerkungen zur Jahresplanung der trend-Redaktion

01/99
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1999 gilt der neuen Mitte als Schicksalsjahr der "Berliner Republik". Von daher ist davon auszugehen, daß der 10. Jahrestag der Löcherung der Mauer zum Anlaß genommen werden wird, um damit auch der neuen Geschichtsschreibung eine zusätzliche Legitimationskrücke einzuverleiben.  Die Geschichtsschreibung der "Berliner Republik"  wird eine sein, die sich ganz im genuin revisionistischen Sinne als Nach-Geschichte" eines Ernst Noltes begreifen wird.

Jener reaktionäre Diskurs wird etlichen linken Strömungen (von Bahamas über konkret bis zur jungle world und schließlich hinab bis zu den theoretischen Niederungen einer Interim) willkommener Anlaß sein, um durchdrungen vom Geiste der "kritischen Kritik", der "Arbeit am Begriff" und der "Propaganda der Tat" eine kulturpessimistisch raunende Gegenposition zu kaprizieren.

Die trend-Redaktion wird sich an diesem Geschäft nicht beteiligen, sondern versuchen aufzuzeigen, wie im Erosionsprozeß der DDR vorübergehend Nischen für konkrete Utopien enstanden. Utopien für eine nichtkapitalistische Gesellschaften als erste Anwort auf das Scheitern des realexistierenden Sozialismus. Wir werden eben nicht gegen die Verhältnisse anjammern, sondern jene radikalen, revolutionären, umstürzlerischen Konzepte des Winters 1989/90 wieder auffinden, mit ihren AutorInnen reden und deren Hoffnungen und Zukunftsentwürfe dokumentieren 

Für das Scheitern linker&radikaler Zukunftskonzepte gibt es 1999 im Sinne einer analysierenden Retrospektive einen weiteres gewichtige historisches Ereignis: Die portugiesische Nelkenrevolution vom 24. April 1974.

Nach der Niederschlagung des chilenischen Sozialismus im Jahr zuvor entflammte damals bei der Metropolenlinken erneut die Hoffnung auf das weltweite Ende von Imperialismus, Unterdrückung und Krieg, als in Portugal mit einem Schlag ein faschistisches Regime hinweggefegt werden konnte. Um diese ent-/getäuschte Hoffnung wird es uns bei der publizistischen Behandlung der Nelkenrevolution gehen.

Diese beiden Themen werden im Laufe des Jahres  neben der laufenden Serie "Aufruhr & Revolte" zu weiteren Schwerpunkten werden. "Aufruhr & Revolte" wird bis zum Jahresende 1999 abgeschlossen sein. Im Frühjahr und Sommer wird die "Nelkenrevolution" quasi als zweite Serie parallell dazu laufen und im Herbst durch die "Wende" abgelöst werden.

Auch auf dem Felde der Netzpolitik haben wir unsere Schwerpunkte deutlich gesetzt. Zum einen wollen wir zur weiteren Verankerung des Partisan.net beitragen helfen. Zum anderen wollen wir neben der organisatorischen Verzahnung der PartisanInnen untereinander vorrangig den politischen Diskurs im Partisan.net mitgestalten. Desweiteren wollen wir das Vernetzungskonzept Partisan.net offensiver nach draußen im linken&radikalen Sprektrum vertreten. Einladungen zu verschiedenen Foren liegen uns bereits vor.

Das vierte trend-Jahr im Internet wird spannend - drinnen wie draußen.

Karl Müller

Berlin, den 4. Januar 1999

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