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aus ND vom 02./03. S. 15

KPD und KPD-O
Ein doppeltes Jubiläum
Die Alternative zu Stalins Partei neuen Typs

Von Theodor Bergmann
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An der Jahreswende 1918/19, mitten den revolutionären Unruhen nach dem Ersten Weltkrieg, kamen im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin Arbeiter, Soldaten, Intellektuelle zusammen, um die Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund) ins Leben zu rufen. 14 Tage nach der Beendigung des Gründungsparteitages waren Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von konterrevolutionärer Soldateska ermordet, war die Partei faktisch illegal.

Zehn Jahre später war die KPD eine politische Kraft in Deutschland. Doch stand es mit ihr nicht zum Besten. Ein Indiz dafür war u. a., daß selbst Mitglieder ihrer ersten Zentrale mittlerweile ausgeschlossen waren bzw. sich von ihr abgewandt hatten, so Paul Lange (Ausschluß 1920, Wechsel zur SPD) oder Paul Levi (unter Kritik wegen der Broschüre »Unser Weg. Wider den Putschismus«; 1921 Mitbegründer der Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft, später SPD) ...

Einen neuen Weg beschreiten wollten jene Kommunisten, die sich an der Jahreswende 1928/29, zehn Jahre nach der KPD-Gründung und ebenfalls im Preußischen Abgeordnetenhaus, zusammenfanden, um die Kommunistische Partei Deutschlands-Opposition (KPD-0) zu gründen. Vergleicht man die Anwesenheitslisten der beiden Gründungskonferenzen, so fällt auf, daß
12 der 74 Teilnehmer an der KPD-O-Gründung zu den Mitbegründern und führenden Funktionären der KPD gehört hatten; 43 waren einst im Spartakusbund und 53 in der Vorkriegssozialdemokratie.

Zu den maßgeblichen Initiatoren der KPD-0 gehörten August Thalheimer und Heinrich Brandler, einst führende KPD-Funktionäre. Sie waren im Gefolge der fatalen Weisung aus Moskau an die KPD 1923, in Deutschland die Macht zu erobern, abgesetzt worden. Etwa 50 als »Rechte«
ausgemachte Kommunisten wurden damals aus der KPD ausgeschlos-sen. Inthronisiert wurde eine ultralinke Equipe, von der man annahm, daß sie willig Moskauer Anweisungen ausführen würde. Doch auch die neue Parteispitze unter Ruth Fischer und Arkady Maslow hatte nach eineinhalb Jahren ausgedient und wurde durch eine Gruppe um Ernst Thälmann ersetzt, die treu die vom V. Weltkongreß der Komintern (1924) beschlossene Bolschewisierung aller kommunistischen Parteien, d. h.ihre Restrukturierung zu Parteien Stalinschen Typs, befolgte. War zwar diese Linie 1925 kurzzeitig modifiziert worden, erfolgte Ende 1927 /Anfang 1928 ein erneutes Um-schwenken auf ultralinken Kurs. Mit einer Geheimkonferenz der Thälmann- und der Stalinfraktion im Februar 1928 in Moskau begann die »Säuberung« von KPD und Komintern, die sich auf dem Vl. Weltkongreß der Komintern (Juli-September 1928) und mit dem Ausschluß führender »Rechter« auf der EKKI-Tagung im Dezember 1928 fortsetzte.

Die sich nun um Thalheimer und Brandler in der KPD-0 zusammenfindenden Kommunisten verstanden sich nicht als Gegenpartei, sondern als »organisierte Strömung in der kommunistischen Bewegung«. In taktischen und strategischen Fragen wurde die Eigenständigkeit der KPD-0 jedoch
sehr deutlich.

Sie erarbeitete 1928 die erste marxistische Analyse des Faschismus und zeigte eindringlicher als andere politische Kräfte die Gefahr auf, die der Arbeiterbewegung wie auch der bürgerlichen Demokratie drohte. Zur Bekämpfung des Fa-schismus forderte die KPD-0 die Einheitsfront aller
proletarischen Organisationen. Die Sozialfaschismusthese, die in fataler Weise die gesamte Sozialdemokratie als Zwillingsbruder des Nazismus erklärte, wurde entschieden abgelehnt, ebenso die KPD-Parole der »Einheitsfront nur von unten«. Die KPD-0 forderte, die Einheit der
überparteilichen Massen-organisationen (Gewerkschaften, Arbeitersport- und Kulturorganisationen) zu verteidigen und wandte sich entschieden gegen die Versuche der KPD, ihre Mitglieder, Funktionäre und Betriebsräte aus den freien Gewerkschaften herauszulö-sen, um sie in eigenständigen »roten« Organisationen zu isolieren.

Für die Spaltungspolitik der KPD-Führung hatte zwar die SPD-Spitze genügend Anlässe geliefert (z. B. durch ihren wü-tenden Antisowjetismus, mit dem Blutmai 1929 in Berlin oder dem RFB-Verbot in
Preußen), dennoch war sie töricht und widersprach den dringend gebotenen Notwendigkeiten in einer Zeit, da die faschistische Gefahr bereits gleich einem Damoklesschwert über der Weimarer Republik hing. Mit ihrer ultralinken Taktik begünstigte die KPD lediglich die Herrschaft der Reformisten in den proletarischen Massenorganisationen und isolierte sich selbst von den Werktätigen, deren Mehrheit eben nicht kommunistisch eingestellt war. Die SPD-Führung reagierte
übrigens mit gleicher Münze und nannte die Kommunisten »rotlackierte Nazis«. Derart wurden alle Bemühungen der KPD-0 und der SAPD sowie anderer linkssozialistischer Organisationen blockiert, eine wirkungsvolle antifaschistische Einheitsfront zu schaffen. Folge war die kampflose, demoralisierende Niederlage der einst stolzen deutschen Arbeiterbewegung Ende Januar 1933, als die Bour-geoisie im formal legalen Staatsstreich die politische Macht an die NSDAP übergab.
Was das Verhältnis der KPD-0 zur Sowjetunion betraf, so war für sie Solidarität selbstverständlich. Die führende Rolle der KPdSU in der Komintern hingegen schien den KPD-O-Mitgliedern überholt. Die sowjetische Partei sollte fortan nur noch die erste unter Gleichen sein und die Komintern von einer kollektiven Führung aus den erfahrensten Funktionären aller Parteien geleitet werden. Sie
verlangten zudem, auch die Probleme der Sowjetunion offen darzulegen und in der Komintern zu diskutieren.

Mit der Verhärtung des ultralinken Kurses, den innerparteilichen Verfolgungen in der KPdSU und den perfiden Schaupro-zessen Ende der 30er Jahre wurde die Kritik der KPD-0 an Moskau schärfer. Schließlich forderte sie im Interesse der Verteidigung der Sowjetunion »die Entfernung Stalins und seines Kreises von der Führung der KPdSU und damit auch des Sowjetstaates und der Kommunistischen Internationale«. Kein Wunder, daß in der »marxistisch-leninistischen« Historiographie die KPD-0 totgeschwiegen bzw. diskreditiert wurde.

Indes stand die KPD-0 mit ihren Positionen konsequent in der Tradition von Rosa Luxemburg und ihren Mitstreitern, die ihre Wurzeln im marxistischen Flügel der Vorkriegssozialdemokratie hatten. Doch vermochte sie sich nicht gegen die starken und selbstherrlichen Apparate der KPD wie der SPD durchzusetzen. Es ist indes gerade heute wichtig, die Viel-falt im Kommunismus wiederzuentdecken und alle jene großen Ketzer und Reformer von Rosa Luxemburg über Bucha-rin und Trotzki bis hin zu Tito und Chrustschow der Geschichte zurückzugeben.

In der stalinistischen Historiographie der Einfalt waren sie Unpersonen. Und der aktuelle Antikommunismus ignoriert solch große unabhängigen Geister im Kom-munismus, um zu »beweisen«, daß die Stalinschen Deformationen nur logische Folge revolutionärer Veränderungsver-suche waren. Doch ist die Geschichte des Kommunismus eine Geschichte von Alternativen.

Prof. Theodor Bergmann
Jg. 1916, Agrarwissenschaftler, einst Mitglied
der KPD-0, lebt und arbeitet in Stuttgart

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