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Die örtliche PDS mauert
Material zur Antifa-Demo
in Wurzen am 27.2.
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kamue@partisan.net
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Liebe FreundInnen,

in Wurzen will am 27.2. ein breites Bündnis auf Grund der starken rechten Strukturen und faschistischen Aktivitäten eine Demonstration durchführen. Die örtliche PDS hat mit öffentlichen Verlautbarungen und Austrittsdrohungen, weil Angela Marquardt diese Demonstration angemeldet hat, eine öffentliche Kampagne gegen die DemonstrantInnen entfacht und
damit eine wesentliche Grundlage für ein mögliches Verbot geschaffen.

In der Anlage überlasse ich Euch mein Schreiben an die Kreisvereinigung
mit der Bitte ev. ähnliches zu machen oder mit anderen Formen die  Demonstration
zu unterstützen.

Mit antirassistischen Grüßen
Angelo Lucifero

Anlage

An Kreisvorstand PDS Muldentalkreis
per Fax
03425 927779
0341 2116344

Sonntag, 21. Februar 1999

Demonstration am 27.2. in Wurzen


Liebe FreundInnen,

ich bitte Euch, die öffentliche Distanzierung und den Versuch die Demonstration am 27.2. zu verhindern zurückzunehmen.

Ich selbst bin in Thüringen in verschiedenen Initiativen aber auch in  meiner Gewerkschaft gegen Rechts aktiv und durfte insbesondere im Zusammenhang  mit
den Demonstrationen 1997 und 1998 in Saalfeld meine ganz persönlichen Erfahrungen mit öffentlichen Distanzierungen und den daraus folgenden Rufmordkampagnen machen. Der lachende Dritte war und werden immer die Rechtsextremen seinen.

Man kann und muß sicherlich über die Vorgehensweise des Leipziger  Bündnisses gegen Rechts streiten. Auch ich habe in der Frage des Vorgehens eine von ihnen abweichende Einschätzung. Dies betrachte ich jedoch nicht als Belastung, sondern als normale und notwendige Erscheinung  antifaschistischer Bündnisse, um in diesem Disput den besseren Weg gegen Rechts zu finden.

Dieser Disput kann und darf jedoch nicht über eine Öffentlichkeit (Medien) ausgetragen werden, die durch ihre Art der Berichterstattung einen wesentlichen Anteil an der Hoffähigkeit rechtsextremer und rassistischer Haltungen hat.

Wenn Ihr bezweifelt, daß es die richtige Methode sei eine ,von außen hereingetragene Demonstration" durchzuführen, dann erinnert mich das sehr  an die Vorwürfe der CDU/SPD und der Medien im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Saalfeld, die bis Heute sich vor einer offensiven Auseinandersetzung mit rechten Strukturen scheuen.

Im Kampf gegen Rechts gibt es nicht die ,richtige Methode", sondern viele gleichberechtigt nebeneinanderstehende Vorgehensweisen, die geprägt sind  von den persönlichen Erfahrungen. Es gibt meines Erachtens auch keinen  legitimen Anspruch, Menschen das Demonstrationsrecht zu verweigern, weil sie ,von außen" kommen. Die Konsequenzen wären fatal und arbeiten der Strategie der Rechten geradezu in die Hände. Diese orientieren bewußt in Regionen wo sie wenig öffentlichen Widerstand zu befürchten haben und setzen genau auf die
Karte, daß die BürgerInnen Vorort, solange sie in Ruhe gelassen werden und sich die Gewalt nur gegen Fremde und Linke wendet, sich mit den Verhältnissen arrangieren. Daß Konservative und viele BürgerInnen in diese Falle gehen (wollen), kann ich noch nachvollziehen. Daß aber nun die PDS mit solchen Argumenten kommt und sich noch nicht einmal vor Erpressungen scheut, ist eine ungemeine Schwächung antifaschistischer Aktionsbündnisse und skandalös.

Euer Anspruch ,nichts ohne die Menschen Vorort", ist im Grundsatz auch  meine Position. Trotzdem kann es das Recht anderer Menschen, sich gegen Rechts  zu wehren, nicht eingrenzen. Die leidtragenden rechter Strukturen sind nicht nur die Wurzener, sondern alle Menschen, die eine andere politische und Lebenskultur haben; ob Leipziger, Erfurter, Nichtdeutsche oder oder. Ob in Saalfeld, Altenburg, Weimar oder anderswo mache ich auch die Erfahrung,  daß die ,Menschen vorort" , keine anderen Menschen sind, sondern viele sich  mit
den Rechten arrangieren, ja sogar insgeheim oder auch offen Sympathie  hegen
und die, die sich gegen Rechts wenden als die Störenfriede begreifen. Nur eine Minderheit ist bereit Flagge zu zeigen. Das neofaschistische Konzept der ,national befreiten Zonen" setzt genau  auf diese Karte.

Ihr fragt das Bündnis gegen Rechts und die Angela Marquardt, ob sie die Kinder und Jugendlichen vor rechten Übergriffen schützen werden und befürchtet, daß die Rechte sich nicht alles gefallen lassen wird. Merkt Ihr nicht, daß Ihr damit die Menschen, die aktiv gegen Rechts etwas tun zu den Tätern macht und die Rechten, aber auch die politisch Verantwortlichen und die Medien aus ihrer Verantwortung entlaßt? Verzeiht mir die Offenheit, aber das ist skandalös. Es ist genau diese Umkehrung der Verhältnisse, die das Treiben der
Neonazis möglich macht und hilft die AntifaschistInnen zu isolieren. Genau diese Art des sich mit den Verhältnissen Arrangierens hat die Neofaschisten soweit gebracht, daß sie Vielerorts hoffähig geworden sind  und die Linken zum Problem gemacht werden.

Wer meint den Königsweg gegen Rechts gefunden zu haben und glaubt andere Formen des Widerstandes, wie so etwas abwegiges wie das grundgesetzliche Recht eine Demonstration durchzuführen, in Frage stellen zu können, wird  ein böses Erwachen haben. Wird erleben dürfen bzw. erlebt, wie rechtsextreme Haltungen zur Tagespolitik und neofaschistische Gewalttäter zum sozialarbeiterischen Problem heruntergespielt werden.

Wie vieler totgejagter Flüchtlinge bedarf es denn, um zu begreifen, daß in diesem Land sich Menschen unabhängig ihrer Meinungsunterschiede  zusammentun müssen, um unter Anwendung verschiedener Formen des Widerstandes, dem nazistischen Treiben ein Ende zu setzen.

Noch mal auf Euere Frage kommend, wer schützt einem vor rechten  Übergriffen, sage ich in aller Offenheit, daß ich mich selbst als Nichtdeutscher und  oft genug Ziel rechtsextremer Übergriffe mehr von Leuten des Bündnisses gegen Rechts geschützt fühle als von sogenannten ,demokratischen Bündnissen", denen nicht selten auch die CDU angehört, die unter anderem mit ihrer rassistischen Politik der vergangenen 16 Jahren, der Asylrechts  Abschaffung und der Unterschriftenkampagne gegen die AusländerInnen die Saat gelegt  hat. Bündnisse, die immer wenn es darauf ankommt aller Erfahrung nach es bei scharfen Presseerklärungen bewenden lassen und oft, wenn die Opfer nicht ihrem Bild entsprechen, noch nicht einmal das auf die Reihe bekommen.

Mit antirassistischen Grüßen
Angelo Lucifero

Kein Mensch ist illegal!
Stopp Diskriminierung von Flüchtlingen!

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