Hartz IV-Ökonomie
David Ricardo und die Wiederkehr frühkapitalistischer Herrschaftsmethoden des LiberalismusVon Christian Girschner
03/08
trend
onlinezeitung„Nationalökonomie ist eine sehr gefährliche Wissenschaft.“
John Maynard Keynes„Schröder hat es dann getan. Der hatte diesen Willen – auch zur Macht. Er war der erste seit Helmut Schmidt, der gesagt hat: Wir können das mindestens genauso gut wie die Konservativen. Gerd Schröder hat Weichen gestellt. In die richtige Richtung.“ Franz Müntefering[1]
„Die Vertreter der kapitalistischen Klasse konnten hoffen, ihre Positionen zu halten oder sogar zurückzuerobern, indem sie die Ideale der individuellen Freiheit kidnappten, um sie gegen die Interventionen und reglementierenden Eingriffe des Staates in Stellung zu bringen. Das geeignete ideologische Instrument für diese Aufgabe war der Neoliberalismus. Aber zusätzlich bedurfte es einer praktischen Strategie, die vor allem die Entscheidungsfreiheit der Konsumenten betonte, und zwar nicht nur im Hinblick auf einzelne Produkte, sondern auf unterschiedliche Lebensstile, Ausdrucksweisen und eine breite Skala kultureller Aktivitäten. Diese neoliberale Wende setzte auf politischer wie auf ökonomischer Ebene voraus, dass sich eine neoliberale, marktgläubige Volkskultur herausbildete, die differenzierte Konsumgewohnheiten mit libertärem Individualismus verband. Eine Neoliberalisierung auf dieser Linie erwies sich als weitgehend kompatibel mit der kulturellen Strömung des sogenannten Postmodernismus, die sich nun, nachdem sie des Längeren eine Randexistenz geführt hatte, zu voller kultureller wie intellektueller Dominanz entfalten konnte.“
David Harvey[2]1.
Wer Aufmerksamkeit erringen will, muss dafür sorgen, dass das zu verkaufende Produkt vor allem neu ist. Nur so kann man gegenüber der Konkurrenz geschäftsdienlich glänzen und mit der Botschaft werben: modern, jung und attraktiv. Umgekehrt gilt für jeden von uns als Konsummonade: „Je unbemerkter der Prägungsdruck sich vollzieht, desto gesicherter sein Erfolg.“[3] Will man sich diesem entziehen, dann begibt man sich in Gefahr, „sein Prestige einzubüßen, seine beruflichen Chancen zu verspielen“[4]. Tatsächlich ist es inzwischen viel schlimmer geworden, als hier angedeutet. Denn wir haben uns in „Allesschlucker und Allesverdauer“ verwandelt: „Und da wir bei der Glätte und Bequemlichkeit der Bissen schon gar nicht mehr spüren, dass und was wir schlucken, da, wir also bereits reflexartig schlucken, absolvieren wir diese Verwandlung im Handumdrehen.“[5] „Vom Zuschauer wird angenommen, dass er von nichts eine Ahnung und auf nichts Anspruch hat. Wer stets nur zuschaut, um die Fortsetzung nicht zu versäumen, der wird nie handeln: und genauso hat der Zuschauer zu sein.“[6] Deswegen bedient sich die Politik längst der PR- und Bewusstseinsindustrie. Die Politik ist damit ein Bestandteil der alles verschlingenden >Bestie< der Unterhaltungsindustrie geworden: „Ob es Staatsbegräbnisse sind oder rauchende Schimpansen, Schiffskatastrophen oder Laufstegvorführungen, über Nacht errichtete Basen oder über Nacht verwüstete Städte – nicht nur stößt diese Bestie niemals auf Widerstand, sondern auch niemals auf etwas, was ihr Ekel einflößen könnte. Von Tabus hat sie nie etwas gehört. Solange sie nur pausenlos schlingen, Verschlungenes verarbeiten, Verarbeitetes ausscheiden und Ausgeschiedenes uns vorsetzen kann, solange ist es ihr völlig gleich, was ihr vor die Schnauze gerät. Bekanntlich scheut sie ja noch nicht einmal davor zurück, ihre eigenen Produkte wiederzukäuen, und zum zweiten Male zu eliminieren: Dann lässt sie Romane als Hörspiele fallen oder Songs als Evergreens aus sich herausrinnen. (...) Diejenigen, die uns zu unterwerfen entschlossen sind (...), wünschen ihre prospektiven Opfer so widerstandslos und so aufnahmebereit wie möglich. Da diese >power elite< nun weiß, 1. dass unser Widerstand nur dann minimal, unsere Aufnahmebereitschaft nur dann optimal ist, wenn wir mit Unterhaltung beliefert werden, 2. dass es keine Inhalte gibt, die sich wehren, also keine, die nicht in Unterhaltungsmaterial umgewandelt und als solches aufgetischt werden könnten, tarnt sie jeden Inhalt, von dem sie wünscht, dass er assimiliert werde, erst einmal als >Unterhaltung<. >Unterhaltung< ist mithin die Tendenzkunst der Macht.“[7] Aber auch gesellschaftskritische Strömungen wurden in dieses Unterhaltungsspektakel um Prestige, Erfolg, Gewinn etc. integriert. Deshalb besteht „kein Zweifel daran, dass Gesellschaftstheorie, vor allem linke, von Moden abhängig ist. Die Erfindung neuer Forschungsrichtungen, Vorschläge für neue Forschungsthemen usw. sind sehr einträglich, was Forschungsfinanzierung, wissenschaftlichen Ruf, Buchauflagen und anderes angeht. Mit Neuerungen kann man sich einen Namen und nicht nur einen Namen machen. Neuerungen verleihen den Sozialwissenschaften auch >Bedeutung<.“[8]
Derweil will uns der Zeitgeist vergessen machen, dass die politische Rezeptur des Neoliberalismus - wie Hartz IV - nichts anderes als ein wiedergekautes Sammelsurium von altertümlichen Methoden und Prinzipien des frühkapitalistischen Liberalismus ist. Man muss schon mit einer Lupe suchen, um etwas an dem Neoliberalismus zu finden, das sich von dem Liberalismus vor 200 Jahren grundlegend unterscheidet. Dennoch wird dies nicht nur von den Neoliberalen aus werbewirksamen Gründen verschwiegen, sondern auch kritische Sozialwissenschaftler arbeiten fleißig an dem Mythos mit, dass der Neoliberalismus etwas neuartiges sei. Schließlich eröffnet sich hier ein neues Beschäftigungsfeld für kritische Denker, wo man sich Lorbeeren verdienen kann. Manchmal nimmt es auch die merkwürdige Form an, dass man auf die politische und moralische Verkommenheit der Vertreter des Neoliberalismus zeigt, um zugleich den alten Liberalismus als ehrenwertes und mutiges Anliegen gegenüber der verabscheuungswürdigen, rückständigen Feudalherrschaft zu preisen: „Die Liberalen von heute sind borniert genug, um die zerstörerische Kraft der Märkte zu verdrängen. Sie kommt in ihrer neoliberalen Kommunikation nicht oder allenfalls mit dem Schumpeterschen Attribut „schöpferisch“ vor. Doch Marktliberale haben eine große Klappe, und wenn es ums Eingemachte, das heißt um die eigenen Privilegien geht, sind sie hasenherzig. Die alten Liberalen des 18. Jahrhunderts haben ihre Theorien, etwa die Metapher von der unsichtbaren Hand des Marktes, gegen die Eingriffe der Obrigkeit ins gesellschaftliche Leben entwickelt. Das war durchaus fortschrittlich und riskant. Heute sind die Neoliberalen nur noch reaktionäre Propagandaesel der herrschenden Eliten.“[9] Da wünscht man sich, anstatt der Neoliberalen von heute, doch die alten, fortschrittlichen Liberalen wieder zurück! Aber ein Blick in die Vergangenheit hätte den Autor etwas besseres belehrt. Deshalb bleibt es auch bei den meisten kritischen Veröffentlichungen zum Neoliberalismus unerwähnt, dass die bundesdeutschen >Reformen<, insbesondere Hartz IV, nichts anderes als die Rückkehr frühkapitalistischer Unterwerfungs- und Herrschaftsmethoden bedeuten, die der frühbürgerliche Liberalismus entwickelt, entworfen und durchgesetzt hat. Die Unkenntnis über diesen Sachverhalt bei den gesellschaftskritischen Autoren resultiert vermutlich daraus, dass Marx die Begründer des ökonomischen Liberalismus stets in den höchsten Tönen lobte, um sie dann kurzerhand zu wissenschaftlichen Vorläufern seiner >überlegenen< Theorie der Kritik der politischen Ökonomie zu erheben. Dass hierbei der direkt apologetische und politische Kampfcharakter der >klassischen politischen Ökonomie< für die damalige Bourgeoisie weggelobt wurde, wird bis heute von Vertretern der kritischen Theorie nicht zur Kenntnis genommen.
2.
Andere Autoren, die sich gegenüber der Flut kritischer Abhandlungen über den Neoliberalismus hervorzuheben versuchen, erlauben sich besondere akademische Stilblüten, die für die nötige Aufmerksamkeit beim Publikum sorgen sollen. Da kann beispielsweise ein Autor der Rosa-Luxemburg-Stiftung behaupten, dass die Mehrheit der Prekarisierten in der neoliberalen Politik der >Flexibilisierung< des Arbeitsmarktes und der Umwandlung des Sozialstaates in einen Suppenküchenstaat - kurz: die Prekarisierung des Lebens und der Arbeit - nur emanzipatorische Vorteile erkennen, sich also gar nicht als Opfer begreifen, deswegen der sozialen Kahlschlagspolitik zustimmen. Der Autor nennt dies „Prekarisierung von >unten<“[10]. Denn bei der Prekarisierung handelt es sich nämlich um „mehr als die Neuauflage eines einfachen Prozesses der Verelendung“. Mit dieser bahnbrechenden Feststellung soll ein weiteres Mal von links belegt werden, dass die altbackene marxistische These unzulänglich ist, dass das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt: Aus diesem Grund kann auch bei fortschreitender Prekarisierung nicht mit einem erhöhten Widerstand oder Protest durch die Betroffenen gerechnet werden. Folglich heißt es über die prekarisierten Menschen: „Sehr viele davon streben auch gar kein Normalarbeitsverhältnis mehr an, denn auch in den prekärsten Verhältnissen finden sich Momente erweiterter Selbstbestimmung und von Möglichkeiten andersartiger Lebensführung“. Die neoliberale Politik soll schließlich mehr sein als „Niedriglohn und Überausbeutung“, es „beinhaltet Momente erweiterter Selbstbestimmung und Selbstorganisation oder besser: des Selbstmanagements. Es sind nicht nur die Hochqualifizierten, die das Ende des >Nine-to-five-Trotts< begrüßen.“[11] Um dies zu untermauern, wird in nicht überzeugender Weise darauf hingewiesen, dass einerseits in der „massive(n) Ausweitung flexibilisierter Teilzeit-Arbeitsverhältnissen“ die „Teilhabe“ von vielen Frauen „an der Lohnarbeit“ angeblich erst möglich wurde. Andererseits würde es illegalisierten „Migrantinnen“ trotz „repressivster Maßnahmen“ gelingen, „im Niedriglohnsektor Arbeit zu finden, die ihnen sonst verwehrt wird.“ Dazu wird angefügt: „Es gilt also, solche Widersprüche konsequent ins Auge zu fassen, sonst wird der neoliberale Umbau als simpler Verelendungsprozess begriffen und damit verfehlt, warum diese Ideologie eigentlich so stark und wirkungsmächtig ist.“ Sieht man einmal davon ab, dass die empirische Grundlage für solche generellen Aussagen über eine „Prekarisierung von >unten<“ gänzlich fehlt, wird hier eine Banalität zur tiefgreifenden Erkenntnis erhoben, nämlich die, dass sich die Prekarisierten - wie alle anderen Zeitgenossen, inklusive der Intellektuellen - über ihre eigene Lage und die gesellschaftlichen Zusammenhänge allerlei verkehrtes zusammenreimen und sich nicht den ideologischen Formierungskünsten der neoliberalen Machtelite bzw. Medien und des immer stärker neoliberalisierenden bzw. sozialdarwinistisch strukturierenden Alltagslebens entziehen können[12]. Zudem gibt der Neoliberalismus seiner Prekarisierungsstrategie einen wirkungsvollen „Anstrich einer Befreiungsbotschaft“, welche gekoppelt wird mit der sozialdarwinistischen „Ideologie der Kompetenz“, und in Verbindung mit der hohen Arbeitslosigkeit wird „Arbeit zu einem raren Gut, das man sich um jeden Preis herbeisehnt und die Arbeitnehmer auf Gedeih und Verderb den Arbeitgebern ausliefert, welche denn auch die ihnen auf diese Weise gegebene Macht (...) gebührlich gebrauchen bzw. missbrauchen.“[13]
Der Autor spitzt aber seine Argumentation noch weiter zu. Als vermeintlicher Anhänger der Kapitalstruktur-Theorie freut sich dieser plötzlich, wenn die prekarisierten Menschen die unterwerfungsfördernde Einsicht in die unabänderlichen Sachzwänge der zukünftigen kapitalistischen Entwicklung besitzen, die ansonst nur der alles durchschauende Theoretiker des „Übergang(s) zur transnationalen informationstechnologischen Produktionsweise“ im voraus kennt, wenn er betont: „Die Menschen wissen häufiger als man denkt, dass das alte Normalarbeitsverhältnis kaum zurückzuhaben ist.“ Solche Sätze hört man sonst nur von neoliberalen Vertretern, um die alternativlose Kraft der entfesselten Marktkonkurrenz für alle ökonomischen und sozialen Probleme zu loben, dem sich jeder einsichtsvoll als >Arbeitskraftunternehmer< zu unterwerfen habe. Für den kritischen Sozialwissenschaftler ist deshalb klar, „warum prekarisierte Verhältnisse immer noch zustimmungsfähig sind, auch bei den >Betroffenen< selbst“[14]. Aus diesem Grund wird auch den kritischen Köpfen wie z.B. P. Bourdieu vorgeworfen, dass es nicht richtig ist, wenn „auf Seiten der Linken der Neoliberalismus als reine >Destruktivkraft< (Bourdieu...) oder >konservative Restauration< (Bischoff....) dargestellt wird.“ Es stellt sich vielmehr die Frage, destruktiv für wen? Denn es ist mir schleierhaft, wie man behaupten kann, dass Bourdieu den Neoliberalismus einseitig als destruktiv beschrieben hat. Vielmehr hat Bourdieu stets darauf hingewiesen, dass die Groß- und Finanzkonzerne, aber auch die Vermögensbesitzer, die Antreiber und gewinnbringenden Nutznießer des Neoliberalismus sind. Zum anderen handelt es sich beim Neoliberalismus für Bourdieu um ein gezieltes politisches Herrschafts- und Unterwerfungsprojekt der Eliten und nicht um eine unabänderliche Folge des sogenannten Postfordismus bzw. Übergangs „zur transnationalen informationstechnologischen Produktionsweise“, die stets eine dem politischen Kräfte- und Herrschaftsverhältnis äußerlich gegenüberstehende Kapitalstruktur unterstellt[15]: „Die Prekarität ist Teil einer neuartigen Herrschaftsform, die auf der Errichtung einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit fußt und das Ziel hat, die Arbeitnehmer zur Unterwerfung, zur Hinnahme ihrer Ausbeutung zu zwingen. (...) Die von der Prekarität bewirkten Dispositionen der Unterwerfung bilden die Voraussetzung für eine immer >erfolgreichere< Ausbeutung, die auf einer Spaltung zwischen einerseits der immer größer werdenden Gruppe derer, die nicht arbeiten, und andererseits der immer kleiner werdenden Gruppe derer, die immer mehr arbeiten, fußt. (...) Die Einrichtung einer darwinistischen Welt (...) könnte zweifellos nicht so erfolgreich sein, wenn sie nicht die Komplizenschaft jener prekarisierten Habitus fände, die eine solche Unsicherheit ständig erzeugt, die Existenz einer auf jeder Ebene, selbst in den höchsten Stellungen durch Prekarisierung gefügig gemachten Reservearmee, und mit ihr die dauernde Drohung der Arbeitslosigkeit. Denn letzte Grundlage dieser ganzen wirtschaftlichen Ordnung, die sich auf die Freiheit des Einzelnen beruft, ist tatsächlich die strukturelle Gewalt der Arbeitslosigkeit, der Verunsicherung, der Angst vor Entlassung: die Bedingungen des >harmonischen< Funktionierens des individualistischen Modells der Mikroökonomie und die individuelle >Motivation< zur Arbeit beruhen ganz auf einem Massenphänomen, der Existenz einer Reservearmee von Arbeitslosen. Einer Armee, die keine ist, weil Arbeitslosigkeit isoliert, atomisiert, individualisiert, demobilisiert und entsolidarisiert.“[16]
Nimmt man die Argumentation des oben zitierten Theoretikers der Rosa-Luxemburg-Stiftung buchstäblich ernst, dann fördert Hartz IV mit seinem Enteignungsprogramm, die Herabsetzung des Arbeitslosengeldes II unter das sozial-kulturelle Existenzminimum (damit: das >Fordern und Fördern<; der rechtliche Selbstunterwerfungsakt in Gestalt des >Eingliederungsvertrags<, also ein Vertrag - wie bei der Mafia - den man nicht ablehnen kann; Ein-Euro-Jobs, Verfolgungsbetreuung), Mini-Jobs, befristete Arbeitsverhältnisse, Wochenendarbeit, Niedriglöhne, Leiharbeit, das Zerlegen und Verramschen von Unternehmen durch Investmentfonds zwecks Erzielung von Höchstrenditen (mit der Folge der Lohndrückung, Arbeitszeitverlängerung, Entlassungen, Leiharbeit etc.), die Privatisierung des Gesundheitswesen und der Altersvorsorge zwecks Senkung der >Lohnnebenkosten< bzw. Renditensteigerung für das Kapital usw. die individuelle Emanzipation der „>Betroffenen<“, die deswegen der Politik der Prekarisierung ihres Lebens nicht nur freudig zustimmen, sondern diese auch einfordern. Letzteres soll schließlich die „Möglichkeiten andersartiger Lebensführung“ und des „Selbstmanagements“ eröffnen. In der Tat zwingt Hartz IV Millionen Menschen und die dadurch verdoppelte Kinderarmut zu einer >andersartigen Lebensführung< und zu einem >Selbstmanagement< in Armut und Angst. Die Argumentation des Autors entschuldigt also unter der Hand die neoliberale Machtelite, Konzerne und Vermögensbesitzer ungemein, die ja wohl aus der Sicht des in die Zukunft schauenden Theoretikers nur dem nachkommen, was der unausweichliche und eherne Entwicklungsgang des Kapitalismus in der Gestalt der „transnationalen informationstechnologischen Produktionsweise“ ihnen aufnötigt. Gleichzeitig „wissen häufiger als man denkt“, die herrschaftsunterworfenen „Menschen“ die unabänderliche Notwendigkeit ihrer Prekarisierung zu schätzen und stimmen deshalb der neoliberalen Politik zu.
Wie man sieht, der linke „Homo academicus” (P. Bourdieu), obwohl eine aussterbende Spezies an den Universitäten, kreiert also die wunderschönsten >Theorien< und Annahmen über das Neuartige am Neoliberalismus und der prekarisierten Gesellschaft. Prekarisierung darf eben nicht ein >einfacher Prozess der Verelendung< sein, schließlich machen Intellektuelle „damit Karriere, dass sie einfache Dinge kompliziert erscheinen lassen, aber irgendwie müssen sie sich ihr Gehalt ja verdienen.“[17]
3.
Wenn ein kritischer Autor die Selbstbestimmung und eine freiere Lebensführung der Individuen in der Prekarität entdeckt hat, die deswegen der neoliberalen Politik zustimmen, muss man sich nicht mehr wundern, wenn ein Teil der linken Opposition in diesem Land auf Sprachhülsen zurückgreift, die aus den neoliberalen Sprachlaboren stammen, um diese zugleich als Bestandteile einer neuen linken Politik anzupreisen. Diese Opposition nimmt deswegen kleine Korrekturen an der gängigen (neo)liberalen Phraseologie vor, indem man z.B. statt von Eigenverantwortung von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung spricht, welche nur jenseits staatlicher „Almosen“ existieren sollen. So heißt es beim Berliner Linksparteivorsitzenden entsprechend: „Wir dürfen (...) nicht vergessen, dass soziale und demokratische Emanzipation nicht Abhängigkeit von institutionellen Almosen ist. Ziel linker Politik muss immer die Selbstbestimmung des sozialen Individuums bleiben. Das bedeutet auch: Selbstbestimmung als Selbstverantwortung in Gesellschaft, frei von staatlicher Obrigkeit.“[18] Zudem darf man sich auch „im Postfordismus“ nicht „>vom Staat< jegliche Heilung (...) versprechen, etwa die Überwindung der Kapitaldominanz in den gesellschaftlichen Beziehungen“. Damit entsorgt man mit einem Schlag jede keynesianisch orientierte Wirtschafts- und Sozialpolitik. Und mit dem Ausdruck Kapitaldominanz wird so getan, als ob es sich bei der kapitalistischen Produktionsweise um ein Fußballspiel handelt, wo die eine Mannschaft die andere auf dem Platz dominiert. Damit wird unterstellt, dass die kapitalistische Produktionsweise ein der Gesellschaft äußerliches Phänomen ist, aber leider derzeit wie Mehltau über die gute, unschuldige Gesellschaft gekommen wäre. Tatsächlich ist das Kapital eine historisch besondere soziale Form der Produktion und Reproduktion, die sich als gesellschaftliche Arbeit privater und gegeneinander konkurrierender Produzenten konstituiert, was stets die Klassenstruktur, Individualitätsform, Herrschafts- und Machtverhältnisse mit einschließt, d.h. vielmehr, dem Kapital mit samt seinen hervorgebrachten Formen des Geldes, Profits, Zins usw. nicht äußerlich gegenübersteht, wie dies die in der Linkspartei weitverbreitete Floskel >Kapitaldominanz< beinhaltet. Die vom Berliner Linkspolitiker eingeforderte Rückwendung zum Individuum, die wie beim alten und neuen Liberalismus stets gegen den Staat gekehrt wird, entspringt aus der neoliberal-konservativen Rhetorik, die bekanntlich eine Rückbesinnung auf Pflichten und Verantwortlichkeiten eines jeden Mitgliedes zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft fordert. Die der kapitalistischen Konkurrenzdynamik offensichtlich enthobene Gemeinschaft - allerdings ein vorkapitalistisches und untergegangenes Relikt - stellt im neoliberal-konservativen Denken eben ein höheres Wesen dar, dem sich jeder pflichtbewusst zu unterwerfen hat, deswegen auch kaum noch Rechte und entsprechende materielle Ansprüche besitzt, sondern allenfalls „Almosen“ erhält. Aber auch nur dann, wenn man was für die Gemeinschaft leistet, bzw. „Selbstverantwortung in Gesellschaft, frei von staatlicher Obrigkeit“ in Gestalt des >workfare< zeigt. Am Beispiel des Berliner Linkspolitikers wird wieder einmal deutlicht, dass der Neoliberalismus nicht aus eigener Kraft stark geworden ist, sondern dadurch, dass sein politischer Gegner zu diesem längst übergelaufen ist und sich deswegen nicht nur den Sprachhülsen, sondern auch den Methoden des Neoliberalismus bedient, wenn es ihm vergönnt ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die Vorlage hierfür stammt von >New Labour< bzw. A. Blair: „Unter Berufung auf die Pflichten gegenüber der >Gemeinschaft< attackierte New Labour diejenigen Armen, die sich nicht >verdient gemacht< hatten, und drohte jungen Arbeitslosen, Alleinerziehenden, ja sogar Behinderten mit dem Entzug der Beihilfen, wenn sie keine (noch so ungesicherte und unqualifizierte) Arbeit annehmen. (...) So betont Blair in seinen öffentlichen Reden immer mehr seine >moralische Vision< für das 21. Jahrhundert, stellt den Egoismus und die moralische Laxheit unserer Gesellschaft an den Pranger, wettert gegen die Plagen der Kleinkriminalität und der sexuellen Promiskuität der Jugendlichen, predigt zugunsten der christlichen Werte, die sich im Familienleben (natürlich im traditionellen Sinne verstanden) verkörpern, und schlägt mitunter drakonische Maßnahmen vor (Gefängnis für sehr junge Straftäter, Ausgangsspeere für Jugendliche mit zügellosem sexuellem Appetit), um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.“[19] So sieht der therapeutische Ansatz der >Überwindung der Kapitaldominanz< von New Labour im Namen von „Selbstbestimmung als Selbstverantwortung“ in England aus.
4.
Aus der PR-Branche haben die professoralen Großunternehmer der heutigen Wirtschaftswissenschaft vor allem eines gelernt, da sie um Aufträge, Titel, Ranking und finanzielle Förderungen konkurrieren, dass sie ihre Empfehlungen für die Politik derlei auffrisieren, um den Eindruck zu erwecken, dass sie tiefgehende und schwer ergründete Erkenntnisse anzubieten haben, die außer ihnen sonst keiner besitzt. Vor allem die neoliberalen Vertreter dieser Zunft preisen sich deswegen so gerne als modern, alternativlos, ideologiefrei und fortschrittlich an, während sie den politischen Gegner mit wenig schmeichelhaften Attributen wie traditionell, rückwärtsgewandt und realitätsfremd denunzieren. Diese erfolgreiche Methode wird inzwischen von den Mainstream-Intellektuellen und –Journalisten mit großer Akribie kopiert, indem diese nicht nur die von den Ökonomen vorgegebenen neoliberalen Parolen und Denunziationen nachplappern, sondern diese beständig und einseitig mit ihrem neoliberalen Geschwafel in Wort und Bild in Szene setzen. Ist der Neoliberalismus aber wirklich so modern und fortschrittlich, wie es die neoliberalen Protagonisten und ihre Anhänger behaupten und die Medien nachbeten?
5.
Die Begrifflichkeit Neoliberalismus ist in den letzten Jahren zu einer gängigen Allerweltsfloskel geworden. Der inflationäre Gebrauch der Begrifflichkeit des Neoliberalismus in der klein gewordenen kritischen Öffentlichkeit spiegelt eine grundsätzliche Veränderung in der deutschen, europäischen und internationalen Politik wider. Bei einem Rückblick auf die früheren Schlagwörter vergangener Jahre fällt auf, dass man in den siebziger und achtziger Jahre nur selten auf die Wortschöpfung Neoliberalismus stößt. Vielmehr gibt es in diesen Jahren zahlreiche Analysen und Abhandlungen über den Aufstieg des Neo-Konservativismus und den damit ausgemachten Abstieg des Keynesianismus als scheinbar dominierendes wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Paradigma. Die damaligen Analysen zeigten auf, dass sich die Konservativen durch die Übernahme angebotstheoretischer und monetaristischer bzw. neoklassischer Wirtschaftskonzeptionen in ideologische Fanatiker des freien Marktes und Kapitals verwandelten[20].
Die vor etlichen Jahren stattgefundene Verdrängung der Kategorie des Neokonservativismus durch den Begriff Neoliberalismus in der kritischen Diskussion erklärt sich dadurch, dass sich auch die politischen und wissenschaftlichen Vertreter sozialdemokratischer Positionen im weitesten Sinne immer mehr ihren >keynesianischen Glauben< ablegten und zur neoliberalen Wirtschaftsdoktrin überliefen (Clinton, Blair, Schröder u.a.)[21]. Erst mit diesem Wandel der >Sozialdemokratie< und die damit stattgefundene Angleichung zwischen der neokonservativen und sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik konnte die Kategorie des Neoliberalismus die Begrifflichkeit des Neokonservativismus verdrängen und zur übergreifenden Bezeichnung für die so überall gleich vertretende und betriebene Wirtschaftspolitik werden. Wie lässt es sich jedoch ideengeschichtlich erklären, dass die liberalistische Konzeption des freien Marktes mit seinem rücksichtslosen Prinzip des Laissez-faire von seinen früheren ideologischen Gegenspielern - wie dem Konservativismus und der Sozialdemokratie - aufgesaugt und dort zum unhinterfragten wirtschaftspolitischen Paradigma wurde?
Mit der vor langer Zeit von Franz Neumann eingeführten Unterscheidung zwischen ökonomischen und politischen Liberalismus kann die stattgefundene ideologische Fusion des Wirtschaftsliberalismus mit dem Konservativismus und der Sozialdemokratie hinreichend erklärt werden. Denn erstens, so betont Neumann, sind ökonomischer und politischer Liberalismus keine „Zwillinge“, sondern stehen sich unverbindlich gegenüber. Zweitens kann sich deshalb der „ökonomische Liberalismus (...) mit jeder politischen Theorie verheiraten.“[22] Die dem ökonomischen Liberalismus zugrunde liegende „Eliminierung der Politik“[23] bildet nicht nur die Grundlage dafür, dass sich dieser mit jeder Staats- und Politikform amalgamieren kann, sondern dass er in seinem innersten Kern stets demokratiefeindlich ausgerichtet ist. Denn demokratische Staatsformen beinhalten für den ökonomischen Liberalismus stets die Gefahr, die Herrschaft des „freien Marktes“ und damit das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die damit verknüpfte Verfügungsgewalt darüber einzuschränken oder sogar in Frage zu stellen. Die wirtschaftsliberale Auffassung ist deswegen prinzipiell mit jedem politischen Regime vereinbar, welches die weitgehende oder vollständige Ausschaltung des Einflusses der herrschaftsunterworfenen Bevölkerung auf wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungen des Staates unter dem Banner der Durchsetzung des >freien Marktes< organisiert und institutionalisiert. Des Weiteren basiert die wirtschaftsliberale „Eliminierung der Politik“ auf der Zurückdrängung oder sogar vollständigen Aufhebung betrieblicher und gewerkschaftlicher Gegenmacht gegenüber der Entscheidungs- und Befugnisvollmacht des Kapitals.
Ein klassischer Vertreter des ökonomischen Liberalismus war für Neumann Adam Smith. Dieser hatte nie eine politische Theorie entwickelt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu seinen Lobpreisungen des freien Marktes und der kapitalistischen Arbeitsteilung stand. „Dieses Unterlassen ist aber außerordentlich wichtig. Er hat sich niemals über das Problem der Staatsformen, der Regierungssysteme und der Beziehungen zwischen gesellschaftlichem System und Regierungsform geäußert. Monarchie, Aristokratie, Demokratie, sie alles passen in sein System, vorausgesetzt, dass sie im freien Wettbewerb freies Spiel lassen.“[24]
Der Wirtschaftsliberalismus, d.h. als eigenständiges ideologisches Gedankengebäude und politische Kraft, ist also grundsätzlich in der Lage, sich mit den unterschiedlichsten Staatsregimes und politischen Kräften zu arrangieren. Die Neoliberalisierung des Konservativismus und der Sozialdemokratie ist damit nur ein Ausdruck dieser Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit einer ökonomischen >Theorie<, die sich darauf reduziert, die freie und allgegenwärtige Konkurrenz der Privateigentümer auf dem Markt durchzusetzen.
6.
In den gesellschaftskritischen Abhandlungen aus den siebziger Jahren kam man jedoch zu einer ganz anderen Einschätzung über die Rolle und Bedeutung des Neoliberalismus. Der Liberalismus galt als ein Phänomen vergangener Zeiten. Deswegen wurde auch der Neoliberalismus nur als eine vorübergehende bzw. längst verblichene Form des heutzutage sowieso gesellschaftlich überholten Liberalismus im >Spätkapitalismus< bzw. >Monopolkapitalismus< begriffen. Folglich beschäftigte man sich in der Politikwissenschaft bis weit in die achtziger Jahre nur am Rande oder kaum mit neoliberalen Ansätzen[25]. Die von Franz Neumann getroffene Unterscheidung zwischen ökonomischen und politischen Liberalismus wurde dabei gänzlich unterschlagen. Deshalb musste übersehen werden, dass der Neoliberalismus als wirtschaftspolitische Ideologie durch konservative, faschistische[26], sozialdemokratische Kräfte adaptiert werden kann.
Darüber hinaus waren sich die kritischen Autoren einig, dass eine liberale Wirtschaftspolitik nicht mehr mit den inzwischen historisch geschaffenen ökonomischen Bedingungen und Anforderungen des (Spät-)Kapitalismus vereinbar ist. Man ging ganz selbstverständlich von einer weiter anwachsenden staatlichen Regulation und sukzessiven Ersetzung des kapitalistischen Marktmechanismus durch den planenden Staat aus, um Krisen zu verhindern und abzumildern[27]. Aus diesem Grund wäre eine Rückkehr zum ungezügelten freien Markt unmöglich. Deshalb würde es auch „praktisch“ keine „politischen Theorien des Liberalismus im 20. Jahrhundert“ mehr geben[28].
Diese These wurde paradigmatisch in einer weit verbreiteten Abhandlung über die Entwicklung des Liberalismus in Deutschland ausgeführt. Dort wurde dargelegt, dass der Neoliberalismus als Reaktion auf die große Weltwirtschaftskrise der Jahre nach 1929 entstand, nämlich in Frontstellung zu den Gewerkschaften und ökonomischen wie sozialstaatlichen Staatsinterventionen der Weimarer Republik. Aber im Gegensatz zum frühkapitalistischen Liberalismus waren nun für den Neoliberalismus „gewisse staatliche Eingriffe (...) unabdingbar“ geworden, um eben den allseits gefährdeten freien Markt vor falschen Ansprüchen des Staates und den scheinbar grenzenlosen Ansprüchen der Lohnabhängigen zu >retten< und zu >sichern<: „Aufgabe des Staates sei es vor allem, durch gezielte Maßnahmen die Voraussetzungen für freie Konkurrenz zu garantieren und die Macht der Monopole so einzuschränken, dass sie eine marktbeherrschende Stellung nicht erhalten konnten. Im übrigen aber sei die Wirtschaft dem Mechanismus der freien Konkurrenz zu überlassen. Sozialstaatliche Maßnahmen wie Mindestlöhne, Höchstpreise, Arbeitsschutzgesetze usw. seien schädlich und überflüssig. Der neue Liberalismus wies also mindestens an der Oberfläche eine doppelte Frontstellung auf: Er wandte sich erstens gegen jede Form von Sozialismus, Gemeineigentum und staatlicher Planung, zweitens aber auch gegen monopolistische Tendenzen und deren Gefahren.“[29]. Für den Politikwissenschaftler R. Kühnl war der Neoliberalismus jedoch trotz dieser >Erneuerung< keine ernstzunehmende Wirtschaftstheorie, geschweige eine Grundlage für eine Wirtschaftspolitik nach dem >Nationalsozialismus<, sondern vor allem eine „Rechtfertigungs- und Verschleierungsideologie“ gegenüber kapitalismuskritischen Tendenzen[30]. Spätestens mit der Wirtschaftsrezession 1966/67 verlor der Neoliberalismus für Kühnl auch diese Funktion, da die Wirtschaftspolitik ohne massive staatliche Interventionen und Planungen nicht mehr auskommen kann. Die neoliberale Wirtschaftsauffassung wurde für ein entwickeltes und komplexes kapitalistisches Wirtschaftssystem als völlig obsolet angesehen: „Von der neoliberalen Ideologie blieben lediglich einige Relikte an wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühlen mancher Universitäten und in der Propaganda der Parteien erhalten, die auf die nichtmonopolistischen Gruppen des selbständigen Bürgertums zielen und daneben die Funktion haben, die Herrschaft der Monopole wenigstens notdürftig zu verbrämen. Von politischer Relevanz sind sie nicht mehr.“ [31]
Wie man heute sieht, handelt es sich hier um ein gravierendes Fehlurteil. Die Ursache hierfür liegt in der damals weit verbreiteten Unterschätzung der kapitalistischen Entwicklungsdynamik einerseits, und der Verkennung der zentralen Rolle und Bedeutung des politischen Kräfteverhältnisses für die kapitalistische Entwicklung andererseits. So ging man mehr oder weniger von einer stetigen, gradlinigen und vorhersehbaren stofflich-technischen Entwicklung des Kapitalismus, einschließlich der damit scheinbar wachsenden ökonomischen Steuerungsfunktion des Staates, aus, die eine Wiederkehr des Wirtschaftsliberalismus als dominante ideologische und politische Kraft vollständig ausschloss[32].
7.
Der ökonomische Liberalismus als Theorie der politischen Ökonomie entstand im Zuge des Aufstiegs des kapitalistischen Bürgertums im 18. und 19. Jahrhunderts. Eine Seite des frühen ökonomischen Liberalismus bestand darin, die Interessen des kapitalistischen Bürgertums im Kampf gegen den feudalen Despotismus ideologisch zu unterstützen und zu legitimieren, um so die kapitalistische Wirtschaftsform und die Herrschaft des Bürgertums gegenüber der feudalen Wirtschafts- und Herrschaftsweise durchzusetzen. Gleichzeitig formulierte der ökonomische Liberalismus erste grundlegende politische Handlungsanweisungen für den Staat, um so die gegenüber der feudalen Wirtschaftsweise behauptete überlegene Funktionstüchtigkeit des kapitalistischen Marktes und des Privateigentums an Produktionsmitteln in der Gestalt des >Laissez-faire< sicherzustellen und zu rechtfertigen. Dies erfolgte u.a. darüber, dass man die dargelegten Gesetze des Marktes als ewige und natürliche Ordnung des Verhaltens des Menschen begriff und damit als einzig vernünftige Wirtschaftsform legitimierte[33]. Die vermeintlich als natürlich gerechtfertigte kapitalistische Marktordnung beinhaltet vor allem: a) die Ablehnung staatlicher Hemmnisse und politischer Interventionen in den auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Marktprozess, um die ungehemmte Konkurrenz aller zum vermeintlichen Wohl der Gesellschaft zu institutionalisieren; b) ein allgemeines Recht, das unterschiedslos auf jeden anzuwenden ist, um so jeden in einen Eigentümer zu verwandeln, der wiederum mit allen anderen Eigentümern im Wettbewerb um ökonomische Gewinn- bzw. Einkommensvorteile steht[34].
Entsprechend stand die Entfesselung des Marktes gegenüber den feudalen Hemmnissen und Machtstrukturen im Zentrum der Theoretiker des ökonomischen Liberalismus bzw. der politischen Ökonomie. Aus diesem Grund konstituierte sich die politische Ökonomie von Anfang an als ideologische Waffe – mit wissenschaftlichem Anstrich - des aufsteigenden kapitalistischen Bürgertums im Kampf gegen die feudale Klasse, d.h., sie überführte und rationalisierte die ökonomischen Interessen der industriell-kapitalistischen Unternehmer in eine ökonomische Theorie.
8.
In der ökonomischen Theorie von David Ricardo (1772-1823), den Marx unter völliger Vernachlässigung seiner politisch-ideologischen Zielsetzungen als wissenschaftlichen Vollender der klassischen politischen Ökonomie Englands anpries[35] und in der Wirtschaftswissenschaft als „einer der bedeutendsten“ „Wirtschaftstheoretiker seiner Epoche“ angesehen wird[36], drehte sich alles um die Durchsetzung der Bedingungen für einen freien Markt bzw. des Laissez-faire. Die Vertreter der klassischen politischen Ökonomie wie Ricardo unterhielten deswegen sehr enge Beziehungen „zu Fragen der Tagespolitik (...). Und oft liefert diese Beziehung, d.h. die Betrachtung der Theorien im Licht der aktuellen politischen Probleme, für die sie eine Lösung suchten, den Schlüssel zum Verständnis der Intention und des Schwerpunktes der theoretischen Anstrengungen.“[37]
Dieser Aspekt wird in den wissenschaftlichen Darstellungen über die Entwicklung des ökonomischen Denkens weitgehend ausgeblendet und es wird unterstellt, dass die ökonomische Theorie quasi frei von politischen Interessen und Absichten und nur der Wahrheit bzw. der >reinen< Theorie verpflichtet gewesen sei[38]. Edwin Cannan kritisiert diese bis heute gängige Auffassung in der Wirtschaftswissenschaft, wenn er am Beispiel der Ricardianischen Schule feststellt: „Unter allen in bezug auf die Geschichte der englischen politischen Ökonomie verbreiteten Irrtümern gibt es keinen größeren als die Meinung, dass die ökonomischen Theorien der Ricardianischen Schule und Periode einen nahezu gänzlich abstrakten und unpraktischen Charakter gehabt hätten. (...) Bei ihnen waren praktische Ziele in der großen Mehrzahl der Fälle ausschlaggebend, (...) (und) die enge Verbindung zwischen den Wirtschaftstheorien und der Politik der Ricardianischen Periode (...) liefert den Schlüssel zu vielen Rätseln.“[39] Nur am Rande einer der üblichen dogmenhistorischen Darstellungen der Ökonomie weist ein anderer Autor auf den politischen Stellenwert der politischen Ökonomie in England hin, wenn er ausführt, dass Ricardo das ökonomische Denken in „England für mehr als ein halbes Jahrhundert“ beherrschte. „Die maßgeblichen Zeitschriften, (...), fielen in die Hände seiner Schüler; die Populärliteratur hallte von ricardianischen Ideen wider – in jenen Tagen fand die Politische Ökonomie ein etwa gleich großes Interesse wie es heute den Naturwissenschaften zuteil wird – und im Parlament lagen den Gesetzesvorlagen in zunehmenden Maße ricardianische Ideen zugrunde.“[40]
Betrachtet man also die ökonomische Theorie von Ricardo als eine politische Waffe der sich herausbildenden industriell-kapitalistischen Unternehmerklasse gegen die Reste der damaligen feudalen Herrschaftsordnung, und den heutigen Neoliberalismus als die modernisierte ideologische Waffengestalt der Konzerne und Vermögensbesitzer gegenüber den Lohnabhängigen, dann fällt auf, dass die >Argumente< der Neoliberalen hinsichtlich der Funktionsweise des Arbeitsmarktes und ihre Kritik am Sozialstaat nur wieder aufgewärmte Phrasen sind, wie sie von Ricardo und anderen Ökonomen gegen die englischen Armengesetze entwickelt worden waren. Der Neoliberalismus erweist sich in dieser Hinsicht als ein geistloses Imitat des rund 200 Jahre alten Originals. Es ist daher eine etwas sehr verkürzte Sichtweise, wenn behauptet wird, dass nur der Neoliberalismus im Gegensatz zum alten, aber angeblich fortschrittlichen Liberalismus sozialstaatliche Sicherungen für die Lohnabhängigenklasse bekämpft. So heißt es irreführend in einer umfangreichen Veröffentlichung über den Neoliberalismus: „Während sich der >klassische< Liberalismus als fortschrittliche Bewegung des Bürgertums in erster Linie gegen den Feudalstaat bzw. seine Überreste richtete, bekämpft der Neoliberalismus, verstanden als eine (Wirtschafts-)Theorie, Ideologie und Strategie, die den Staatsinterventionismus zurückdrängen und den Markt zum universalen, alle Gesellschaftsbereiche übergreifenden Regulierungsmechanismus erheben möchte, vorrangig den Sozialstaat.“[41]
9.
Ricardos Ausführungen über den Arbeitsmarkt und die Sozialpolitik sind von den aktuellen Forderungen und Ansichten der neoliberalen Ökonomen kaum zu unterscheiden. Für Ricardo durfte es nur einen >freien< Arbeitsmarkt geben, wo eine uneingeschränkte Konkurrenz zwischen den Arbeitenden existiert, die, um Überleben zu können, sich diesem zu ihrem eigenen Glück zu unterwerfen haben. Staatliche Einmischungen in diesen Arbeitsmarkt in Gestalt sozialer Rechte, eines Mindestlohns oder von sozialen Absicherungen für die Arbeitenden durfte es für Ricardo nicht geben. Denn nur ein freier, staatlich unreglementierter Arbeitsmarkt setzt die Lohnhöhe fest, die automatisch für Vollbeschäftigung, Reichtum und wirtschaftliche wie gesellschaftliche Harmonie sorgt[42]:
„Der Marktpreis der Arbeit ist derjenige Preis, der wirklich für sie auf Grund des natürlichen Wirkens des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage bezahlt wird. Die Arbeit ist teuer, wenn sie knapp ist, und billig, wenn sie reichlich ist.“[43] „Wie alle übrigen Verträge, so sollte auch die Festsetzung des Lohnes dem freien Wettbewerbs des Marktes überlassen bleiben und niemals durch das Eingreifen der Gesetzgeber eingeschränkt werden.“[44] Nur leider musste Ricardo zu seiner Zeit feststellen, dass dieser von ihm entdeckte heilige Grundsatz des freien Arbeitsmarktes durch die Existenz der englischen Armengesetze sträflich verletzt wurde, damit der Kapitalakkumulation und den Interessen der industriellen Kapitalisten im Wege standen. Schließlich begriff Ricardo die Armengesetze als Eingriff in die natürliche Freiheit und als unnatürliche Störung der ehernen Prinzipien der politischen Ökonomie. Er systematisierte und radikalisierte damit die Argumente der Gegner der Armengesetze und gab diesen einen wissenschaftlichen Anstrich[45]. Was darin endete, wie ein Historiker treffend bemerkt, dass die Armenunterstützung „die liberal-bürgerliche Kritik heraus(forderte), die in Zahlungen von Mindestlöhnen bzw. Lohnsubventionierungen einen unangemessenen Eingriff in den Arbeitsmarkt erblickte.“[46]
10.
Die von Ricardo scharf kritisierten Armengesetze, die aus den Jahren 1601 und 1795 stammten, legten fest, dass der Lebensunterhalt der Armen bzw. Arbeitslosen durch die Gemeinden erbracht werden muss, um sie vor dem Verhungern zu schützen. Die Unterstützung galt - vor allem aus Furcht vor der Französischen Revolution bzw. deren Prinzipien, die in England Anarchie und Revolten auslösen könnten[47] - mehr oder weniger als Recht und nicht als Gnade[48]. Dank der politischen und „wissenschaftlichen“ Agitation von Ricardo und anderen Wirtschaftsliberalen wurden diese Armengesetze 1834 durch neue ersetzt, die die Unterstützung der Arbeitslosen und Armen durch Geld bzw. Lebensmittel nicht mehr vorsahen, sondern die Aufnahme der Arbeits- und Mittellosen in die auf menschenunwürdige Unterwerfung, Willkür, Überwachung und Ausbeutung eingerichteten Arbeitshäuser[49]. Das neue Armengesetz war die Folge des „politischen Sieges des Bürgertums“ gegenüber den Landlords bzw. der Aristokratie und wurde „in ihrer extremsten Fassung verabschiedet und ohne jegliche Schonfrist in Kraft gesetzt. Das Prinzip des Laissez-faire war zu einem Prozess von kompromissloser Härte geworden.“[50] Ein damaliger Zeitzeuge beschrieb die politische Unterdrückungs- und Disziplinierungsfunktion der Arbeitshäuser gegenüber den Arbeitenden und Arbeitslosen so: „Die Einrichtung der Arbeitshäuser (...) ist aber derart, dass sie jeden abschrecken muss, der noch irgendwie Aussicht hat, sich ohne die Art der öffentlichen Mildtätigkeit durchzuschlagen. Damit die Armenkasse nur in den dringendsten Fällen beansprucht und die eigenen Anstrengungen eines jeden auf den höchsten Grad gesteigert werden, ehe er sich entschließt, sich von ihr unterstützen zu lassen, ist das Arbeitshaus zum zurückstoßenden Aufenthalt gemacht, (...) Denn auch das Arbeitshaus ist ein Gefängnis; wer sein Quantum Arbeit nicht tut, bekommt nichts zu essen, wer herausgehen will, muss erst um Erlaubnis bitten, die ihm je nach seinem Betragen oder der Meinung, der der Inspektor davon hat, verweigert werden kann. (...); die Paupers tragen eine Arbeitshaus-Uniform und sind der Willkür des Inspektors ohne Schutz überliefert. Damit ihre Arbeit nicht etwa mit der Privatindustrie konkurriere, gibt man ihnen meist ziemlich nutzlose Beschäftigung; die Männer klopfen Steine (...), die Weiber, Kinder und Greise zupfen alte Schiffstaue (...). Damit die >Überflüssigen< sich nicht vermehren, oder die >demoralisierten< Eltern nicht auf ihre Kinder wirken können, werden die Familien getrennt“[51]. Die Liberalen sagten damals - und heute mit fast den selben Worten die Neoliberalen - den Armen und Arbeitslosen: Gut, ihr „habt das Recht, zu existieren, aber auch nur zu existieren; das Recht, euch zu vermehren aber habt ihr nicht, ebenso wenig wie das Recht, menschlich zu existieren. (...) Leben sollt ihr, aber leben zum warnenden Exempel allen denen, die Veranlassung haben könnten, auch überflüssig zu werden.“[52] Entsprechend fungierten in England die Arbeitshäuser als staatlich angeordnetes Disziplinierungs- und Erpressungsmittel oder Hungerpeitsche des Kapitals gegenüber den Arbeitenden, damit diese jede Arbeit, jeden Lohn und die schlechtesten Arbeitsbedingungen akzeptieren. Das frühkapitalistische Hartz IV-Laboratorium Englands war davon geprägt, „ein ideologisches Dogma gegen offensichtliche menschliche Bedürfnisse durchzudrücken. (...) Die Doktrinen von Disziplin und Enthaltsamkeit waren von Anfang an wichtiger als jene der materiellen >geringeren Wünschbarkeit<; (...). Die nicht praktizierte Politik einer systematischen Aushungerung wurde ersetzt durch die Politik der psychologischen Abschreckung: >Arbeit, Disziplin und Enthaltsamkeit<. >Es ist unsere Absicht<, sagte ein Assistant Commissioner, >die Arbeitshäuser den Gefängnissen so weit wie möglich anzugleichen; und ein anderer: >wir möchten ... hier eine so strenge und abschreckende Disziplin durchsetzen, das die Armen sich fürchten und nicht eintreten wollen<. (...) Weder Witwen mit Kindern noch Alten, Invaliden oder Kranken (...) sollten die Demütigungen des Arbeitshauses erspart bleiben, damit ja nicht Leichtsinn und Schwindel unterstützt oder die Antriebe zu Fleiß ... Sparsamkeit ... Umsicht ... Familienpflichten ... eigenen Anstrengungen der Arbeiter während ihrer arbeitsfähigen Jahre gemindert würden...“[53] Es verwundert dann auch nicht, dass diese Arbeitshäuser „nicht nur von einer Sektion der Bourgeoisie ausging, sondern den Beifall der ganzen Klasse genießt, das beweisen unter andern die Parlamentsdebatten von 1844. Die liberale Partei hatte das neue Armengesetz erlassen; die konservative (...) verteidigte sie und ändert nur einige Lumpereien daran (...) So ist die Ausstoßung des Proletariats aus Staat und Gesellschaft ausgesprochen; so ist es offen erklärt, dass die Proletarier keine Menschen sind und nicht als Menschen behandelt zu werden verdienen.“[54]
Die Logik dieser rücksichtslosen Herrschaftsmethode des frühkapitalistischen Liberalismus gegenüber den Armen und Arbeitslosen wurde und wird heutzutage durch die konservativen und sozialdemokratischen Neoliberalen in der modernisierten Gestalt des „work-fare“ bzw. der Harz->Reformen< wiederbelebt und als Wunderwaffe gegen die Arbeitslosigkeit angepriesen. Wie sich doch die Worte und Methoden von damals und heute gleichen!
11.
Heute lassen sich die unterschiedlichsten Vertreter des Neoliberalismus gerne über den Sozialstaat als Hindernis für Vollbeschäftigung aus. So heißt es z.B.: Der Sozialstaat setze >Fehlanreize< für die Lohnabhängigen, da diese lieber, anstatt eine Arbeit zu suchen, die gewonnene Freizeit genießen. Denn sie nehmen das viel zu hohe Arbeitslosengeld rücksichtslos in Anspruch, als für einen niedrigeren Lohn zu arbeiten. All dies verhindere die Bildung eines >markträumenden< Lohnes und schafft damit >freiwillige< Arbeitslosigkeit[55]. Die Quintessenz der Ökonomen lautet stets, die Arbeitenden sind selbst schuld daran, wenn es Arbeitslosigkeit gibt: „Demzufolge sind die Armen und die Arbeitslosen ganz allein selbst verantwortlich für ihre missliche Lage. Sie neigen stets dazu, über ihre sozialen Verhältnisse leben zu wollen und sinken gerade deshalb immer tiefer. Indem sie immer mehr fordern, als ihre mittelmäßige Produktivität rechtfertigt, indem sie der sozialen Absicherung, den Renten und den Unterstützungsleistungen nachjagen, sorgen die von Natur aus opportunistischen und stinkfaulen Lohnempfänger, die ihr Schicksal nicht akzeptieren wollen, gerade dadurch für Unterbeschäftigung in den eigenen Reihen. Die Arbeitslosigkeit ist in dieser Sichtweise einfach nur das Opfer, das die Lohnempfänger wissentlich und bereitwillig als Gegenwert für die Illusion erbringen, das sich ein Armer bereichern kann. (...) Vor dem Hintergrund dieses Postulats dienen beeindruckende formale Logik der neoklassischen Theorie als Grundmasse und die schillernden Konnotationen ihrer Fachsprache als halluzinogenes Zusatzmittel. Sie sollen Bewunderung für die neoliberale Botschaft schlechthin wecken, dass nämlich die Lohnempfänger schuld daran sind, dass kein >wirklicher< Arbeitsmarkt geschaffen werden kann, und dass sie ihren Widerstand dagegen mit Arbeitslosigkeit bezahlen.“[56] Aber auch diese Argumentation der Neoliberalen ist nur eine billige Kopie von dem, was Ricardo schon vor rund 200 Jahren formulierte.
12.
Ricardo sah in den alten Armengesetzen von 1601 ein markthemmendes und deswegen anachronistisches Überbleibsel gut gemeinter Wohltätigkeit für die Armen. Außerdem besaßen die Armengesetze für Ricardo eine „verderbliche Natur“ für die Betroffenen[57], damit griff er die Argumente von Malthus gegen die Armengesetze (1798) auf[58]. Nach Ricardo bemühen sich die Menschen dank der Armengesetze nicht mehr um Arbeit, da sie ja mit Lebensmitteln oder Geld versorgt werden, um zu überleben. Aus diesem Grund kann sich auch kein adäquater Marktpreis für Arbeit herausbilden, weil es keine schrankenlose Konkurrenz zwischen den Arbeitsfähigen gibt, da sie ja aus dem für sie ungünstig sich entwickelnden Arbeitsmarkt in die Wohltätigkeit der Armengesetze fliehen können[59]. Für Ricardo sind es deshalb die alten Armengesetze selbst, die Arbeitslosigkeit und Armut erzeugen: „Das Gravitationsgesetz ist nicht gewisser als die Tendenz solcher Gesetze, Reichtum und Macht in Elend und Schwäche zu verwandeln, (...) bis schließlich alle Klassen mit der Plage allgemeiner Armut behaftet wären.“[60] Damit war für Ricardo die Ursache für Armut und Arbeitslosigkeit aufgedeckt und die entsprechende Medizin für dieses soziale Leiden seiner Zeit lautete dann einfach: Abschaffung der Armengesetze. Aus Rücksicht auf die politische Stabilität des Landes sollten die Armengesetze jedoch nur allmählich abgeschafft werden[61]. So agitierte Ricardo gegen diese Armengesetze nicht nur in seinen ökonomischen Schriften und politischen Artikeln, sondern auch als ein Abgeordneter im Parlament bzw. Unterhaus. Den Parlamentssitz hatte er sich - entsprechend der damals geübten Praxis - im Jahre 1819 gekauft[62]. Zudem wurde Ricardo mit Eintritt ins Unterhaus Mitglied des Ausschusses über die Armengesetze und nahm dort schon in einer seiner ersten Reden die feindlichste Position gegen die Armengesetze ein, da er diese vollständig beseitigen, während die Mehrheit diese nur einschränken wollte[63].
13.
Ricardo unterfütterte seine Kritik mit einem weiteren Argument, dass uns nur zu gut aus den neoliberalen Denkfabriken bekannt ist, wenn über die Nichtfinanzierbarkeit des Sozialstaates lamentiert wird. Letzteres soll schließlich aus der grenzenlosen Anspruchs- und Versorgungsmentalität der Lohnabhängigen entspringen, die der Sozialstaat erst bei ihnen erzeugt bzw. hervorgerufen hat. Diese Argumentationsfigur verwendete Ricardo schon vor rund 200 Jahren, wenn er behauptete, dass die Armengesetze, weil diese es den Arbeitenden gestatten, nicht zu arbeiten, obwohl sie es könnten, immer größere Armut erzeugen, da eine stetig wachsende Zahl von Arbeitsfähigen nicht mehr arbeiten wird. Und dies führt dazu, dass die Reichen einen immer größeren finanziellen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Armengesetze leisten müssen, um die beständig wachsende Anzahl der Armen zu versorgen. Dieser Zustand muss eines Tages zu einer finanziellen und ökonomischen Katastrophe nicht nur für die Reichen, sondern für die gesamte Gesellschaft führen. Bislang hätten die „Armengesetz noch nicht das ganze Reineinkommen des Landes verschlungen (...). Es ist nur der Strenge, mit der sie gehandhabt werden, zuzuschreiben, dass sie nicht übermäßig drückend geworden sind.“[64] „Die klare und direkte Tendenz der Armengesetze (...) dienen nicht, wie es die Gesetzgebung in wohlwollender Weise beabsichtigte, dazu, die Lage der Armen zu heben, sondern die der Reichen wie der Armen zu verschlechtern; statt die Armen reich zu machen, sind sie darauf berechnet, die Reichen arm zu machen; und solange die gegenwärtigen Gesetze in Kraft bleiben, liegt es ganz in der natürlichen Ordnung der Dinge, dass der Fonds für den Unterhalt der Armen nach und nach anwachsen muss“[65].
Den Begründern der Armengesetze werden von Ricardo nur gute Absichten unterstellt. Aber da diese einfach nicht die ökonomische Weisheit eines Ricardos bzw. Ökonomen besitzen, so erreichen sie nur das Gegenteil von dem, was sie wollen, nämlich den Armen zu helfen. Folglich wetterte Ricardo als der durchblickende Ökonom: „Diese verderblichen Tendenz dieser Gesetze ist für uns kein Geheimnis mehr, seitdem sie durch die geschickte Hand von Malthus völlig enthüllt worden ist, und jeder Freund der Armen muss ihre Abschaffung sehnlichst herbeiwünschen.“[66] Joachim Starbatty brachte Ricardos Position zu den alten Armengesetzen passend auf den Punkt, als er zusammenfasste: „Wenn Regierungen und Menschen durch Umverteilung und Mildtätigkeit offensichtlich nur Unheil anrichten können, dann scheint zunächst nichts anderes übrig zu bleiben, als die Armen ihrem Schicksal zu überlassen. Das ist Malthus und Ricardos düstere Welt. Kein Wunder, dass sich beide die zweifelhafte Auszeichnung teilten, für die Politische Ökonomie den Titel der >dismal science<, der >trostlosen Wissenschaft<, erworben zu haben.“[67] Allerdings übersieht diese Interpretation, die die Position von Ricardo trotz ihrer Trostlosigkeit als rein >wissenschaftlich< begreift, dass dieser hier erstmals in höchst rationalisierter Art und Weise und im Gewand der hohen Wissenschaft die politischen Interessen der industriellen Bourgeoisie vortrug[68].
14.
Ricardo brachte seine feindliche Ansicht über die Armengesetze in einem Brief auf den Punkt, wo er hervorhob, dass das größte Übel der Armengesetze darin liegt, dass diese bei den Armen die Idee auf ein Recht auf Wohlfahrt verankert hätten[69]. Die scheinbare „düstere Welt“ des Ricardos, die vielmehr eine direkt apologetische Welt der Interessen der industriellen Bourgeoisie darstellt, beinhaltet deshalb auch die Auffassung, dass das staatsfürsorgliche Handeln bei den Arbeitslosen moralisch und sozial verwerfliche Tugenden hervorruft. Dem konnte nur begegnet werden, wenn die Armen nur noch eine >Hilfe< erhalten: Marktdisziplin und Hunger. Schließlich wusste Ricardo, was uns heute die neoliberalen Apologeten wieder erzählen, dass soziale Sicherheiten die „Gewohnheiten der Armen“ (Ricardo) - wegen den daraus entspringenden „Annehmlichkeiten“ (Ricardo) - negativ bestimmen, deshalb müsse man die Gesetze für die Armen, „zu deren Wohlfahrt sie irrtümlicherweise eingeführt wurden“, abschaffen. Wollte man, so verkehrte Ricardo Ursache und Folge von Armut, die Armengesetze weiter erhalten, um den Armen zu helfen, würde man „eine Verschlimmerung des Elends“ herbeiführen. Statt ihre Armut zu überwinden, haben es sich die Armen in ihrer wohlbehüteten Armut eingerichtet und sich deswegen rücksichtslos vermehrt, wie dies eben die von Ricardo übernommene Pseudo-Bevölkerungstheorie von Malthus behauptete. Den Armen wird schließlich jegliche „Arbeitsanstrengung“ genommen und deswegen sind ihre „Gedanken fortwährend mit der Befriedigung der leiblichen Bedürfnisse“ beschäftigt[70]. Die Armengesetze haben deshalb bei den Arbeitslosen vor allem die „Unklugheit“[71] gefördert. Diese Sätze kommen einem doch recht bekannt vor. Heute sprechen die neoliberalen Soziologen von einer sozialstaatlich geschaffenen „Kultur der Abhängigkeit“ oder von der „sozialen Hängematte“ bzw. „sozialen Rundumversorgung“, die die Eigenverantwortung und –initiative bei den Armen abgetötet habe. Die Arbeitslosen und Armen sollen in den Augen der alten und neuen Liberalen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, anstatt sich auf den Staat zu verlassen. Wem die Einsicht dafür fehlt, da muss der Staat entsprechend nachhelfen. Deswegen gibt es eben nur eine Hilfe, die der Staat knallhart durchzusetzen hat: „Die Natur des Übels“, so polemisiert Ricardo gegen die Armengesetze, „weist auf das Heilmittel hin. Durch die allmähliche Einschränkung des Wirkungskreises der Armengesetze, durch die Erweckung der Wertschätzung von Unabhängigkeit im Armen, durch die Belehrung, sich nicht auf eine systematische oder zufällige Mildtätigkeit zu verlassen, sondern auf ihre eigenen Anstrengungen für Unterhalt, Klugheit und Vorsicht weder als unnötige, noch als unnütze Tugenden anzusehen, werden wir uns nach und nach einem gesünderen und heilsameren Zustande nähern.“[72] So formulierte Ricardo eine Argumentationskette, die im frühen 19. Jahrhundert mehrheitsfähig werden sollte: „Die Meinung der mittelständischen Ökonomen war die, dass alle Leute die Arbeit akzeptieren müssten, die der Markt anbot, wo und gegen welche Bezahlung er sie anbot, und dass jeder vernünftig Handelnde durch seine persönlichen oder durch freiwillige kollektive Sparmaßnahmen und Versicherung für Unfall, Krankheit und Alter Vorsorge treffen würde. Der Restbestand von Paupers konnte zwar nicht dem Hungertod ausgesetzt werden, aber man sollte ihnen nicht mehr als das absolute Minimum zukommen lassen – vorausgesetzt, dass es weniger als der niedrigste Lohn, der geboten wurde – und unter den entmutigendsten Bedingungen. Die Armengesetzte (>Poor Law<) dienten weniger dazu, den Unglücklichen zu helfen, als vielmehr dazu, die sich selbst schuldig bekennenden Versager der Gesellschaft zu brandmarken.“[73]
In der neoliberalen Propaganda von heute klingt es etwas moderner, wenn von der Eigenverantwortung, höheren Leistungsbereitschaft, Risikobereitschaft, Flexibilität und Mobilität, von der permanenten beruflichen Weiterbildung und der privaten Vorsorge für die >Lebensrisiken< gesprochen wird. Heute wie zu Zeiten von Ricardo wird daher, wie ein kritischer Analytiker 1844 über die Ricardosche Position in der englischen Politik schrieb, die Armut der Menschen also „aus dem schlechten Willen der Armen (...) erklärt“[74]. „Das legale Mittel gegen das soziale Gebrechen, die Wohltätigkeit, begünstige das soziale Gebrechen. (...) Was früher aus einem Wohltätigkeitsmangel, wurde nun aus einem Wohltätigkeitsüberfluss hergeleitet. Endlich wurde das Elend als die Schuld der Elenden betrachtet und als solche an ihnen bestraft.“[75]
15.
Mit der radikalen Kritik an den Armengesetzen war der „zynische(n) Ricardo“[76] nicht allein, vielmehr stellte diese den übereinstimmenden Kernpunkt der Prinzipien der politischen Ökonomie dar, wie sie u.a. von Townsend, Malthus, Bentham und Burke vertreten wurden: „Townsend, Malthus und Ricardo errichteten auf der dürftigen Grundlage der durch das Armenrechtsgesetz geschaffenen Verhältnisse das Gebäude der klassischen Nationalökonomie, das eindrucksvollste Begriffsinstrumentarium, das je zur Zerstörung einer überholten Ordnung ersonnen wurde.“[77] Mit der Abschaffung der Armengesetze sollte in den Augen dieser Ökonomen ein Zustand durchgesetzt werden, wo die Arbeiter durch die Drohung des Verhungerns zu einem unterwürfigen Verhalten gegenüber dem Markt und der industriellen Bourgeoisie gezwungen werden. Die Schaffung eines von allen sozialen Verpflichtungen und Begrenzungen enthobenen freien Arbeitsmarktes wurde nicht nur von Ricardo als das Heilmittel gegen Armut und Arbeitslosigkeit angepriesen, wie Polanyi zusammenfasste: „Keine Lohnfestsetzungen, keine Unterstützung für arbeitsfähige Arbeitslose, aber auch keine Minimallöhne und keine Sicherung des Rechts auf Lebensunterhalt. Die Arbeitskraft sollte als das behandelt werden, was sie war, nämlich eine Ware, deren Preis auf dem Markt festzusetzen war. Die Gesetze des Geschäftsverkehrs waren die Gesetze der Natur und somit die Gesetze Gottes. (...) Man überlasse die Armen dem Markt, und die Dinge würden sich von selber regeln.“[78] Damit entfällt die Anwendung politischer Unterdrückungs- und Unterwerfungsmethoden gegenüber den Arbeitern bzw. Arbeitslosen und besitzt für den Staat den Vorteil, die Sicherung von Recht und Ordnung mit „einem Minimum an Kosten und Mühen“ durchzusetzen[79]. Townsend brachte diese liberale Herrschaftserkenntnis bereits 1786 auf den Punkt, als er feststellte: „Der Hunger hingegen übt nicht nur einen friedlichen, stillen und unablässigen Druck aus, sondern ist auch der natürlichste Grund für Fleiß und Mühe, und bewirkt somit den größtmöglichen Einsatz und legt, (...), die dauernden und festen Grundlagen für guten Willen und Dankbarkeit.“[80] Denn: „Gesetzlicher Zwang zur Arbeit ist verbunden mit zuviel Mühe, Gewaltsamkeit und Geräusch, während der Hunger nicht nur ein friedlicher, schweigsamer, unaufhörlicher Druck, sondern als natürlichstes Motiv zur Industrie und Arbeit die machtvollste Anstrengung hervorruft.“[81] Daraus folgt zugleich eine heute wieder aktuell gewordene Regieanweisung der Liberalen an die Regierung: „Aufgabe der Regierung sei“ es, „die Not zu vergrößern, (...) damit das physische Druckmittel Hunger wirksam werden“ kann[82]. Mit diesen Handlungsanweisungen und Rechtfertigungen, die im Gewand der hohen und unabhängigen Wissenschaft von der Ökonomie vorgetragen wurden, sollte auf Kosten der Arbeitenden, Arbeitslosen und Armen die Sicherung und Förderung der Kapitalakkumulation und des Reichtums der Unternehmer zum Durchbruch verholfen werden.
16.
Die Abschaffung der alten Armengesetze (1834) ist zudem nicht nur die Geburt des Laissez-faire in England, was den freien Arbeitsmarkt, Goldstandard und Freihandel einschloss, sondern auch die der modernen Arbeiterklasse. Die Menschen und ihre Arbeitskraft haben nur noch als eine Ware wie jede andere zu gelten, was - zugleich und damit im Gegensatz zur „traditionellen Gemeinsamkeit einer christlichen Gesellschaft“ - die „Ablehnung jeglichen Verantwortungsgefühls für die Lebensverhältnisse ihrer Mitmenschen“ erforderte[83]. Denn Ricardo, Malthus und andere sind davon überzeugt, „dass es am besten sei, jeden für sich selbst sorgen zu lassen“[84]. Die heutigen neoliberalen Eigenverantwortungsphrasen haben hier also ihren Ursprung.
Die englische Welt des Laissez-faire lebte also von einer unerbittlichen und geschäftsdienlichen Rücksichtslosigkeit: „Es ist dem englischen Bourgeois durchaus gleichgültig, ob seine Arbeiter verhungern oder nicht, wenn er nur Geld verdient. Alle Lebensverhältnisse werden nach dem Gelderwerb gemessen, und was kein Geld abwirft, das ist dummes Zeug, unpraktisch, idealistisch.“[85] Dieser Wirtschaftsliberalismus, der an die „weltliche Erlösung des Menschen durch einen selbstregulierenden Markt“ glaubte, wurde in Großbritannien dann in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts „zu einem geradezu militanten Glaubensbekenntnis. Die Fabrikantenklasse drängte auf eine Novellierung des Armenrechtsgesetzes, da das bestehende die Entwicklung einer industriellen Arbeiterklasse, deren Einkommen von ihrer Leistung bestimmt war, verhinderte.“[86] Der heutige Fanatismus des Neoliberalismus will genauso wie sein historischer Vorläufer Konkurrenz und Marktsteuerung in allen gesellschaftlichen Bereichen (Kultur, Bildung, soziale Sicherung usw.) durchsetzen, was 1845 ein Beobachter des englischen Liberalismus auf den Punkt brachte, als dieser feststellte: „Daher die freie Konkurrenz in jeder Beziehung, daher das Regime des laissez-faire und laissez-aller in der Verwaltung, in der Medizin, in der Erziehung und bald wohl auch in der Religion“[87]. Dieser religiöse Eifer des englischen Wirtschaftsliberalismus forderte - wie heue der Neoliberalismus eines Hayeks und Friedmanns - nichts anderes, als dass sich alles, ob Staat, Eheschließung, Kindererziehung, Wissenschaft und Unterricht, Kunst, Berufswahl, Wohnform und Ästhetik, der Konkurrenz des kapitalistischen Marktes zu unterwerfen hätte[88]. Das Bürgertum bildete also einen „geradezu sakramentalen Glauben an die allgemeinen Segnungen des Profits“[89].
17.
Das beständige Lamentieren der heutigen Wirtschaftswissenschaftler und Politiker über zu hohe Unternehmenssteuern, die das ökonomische Wachstum und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Wohlstand verringern, ist ebenfalls keine sehr originelle Eigenleistung des Neoliberalismus. Denn auch hier hatte Ricardo schon die Argumentation vorgegeben, die heute unisono nachgeredet wird. So ist es nicht verwunderlich, wenn Ricardo in seiner Kritik der Armengesetze argumentiert, dass die wachsende Belastung durch die Armensteuer vor allem ein „Steigen des Getreidepreises“ verursacht, weil sich der „Gutsherr“ bei steigender Armensteuer durch erhöhte Kornpreise - im Gegensatz zum industriellen Kapitalisten - „schadlos“ hält[90]. Dagegen leidet das industrielle Kapital zweifach unter der wachsenden Last der Armensteuer: einerseits als direkten Abzug vom Profit und andererseits durch die höheren Löhne als Folge der gestiegenen Kornpreise[91].
Ricardo agitierte nicht nur gegen die zu hohe Armensteuer, sondern gegen Steuern allgemein, wenn er ausführte: „Dennoch ist es sicher, dass dieses Anwachsen des Kapitals ohne Besteuerung noch viel größer gewesen sein würde. Es gibt keine Steuern, die nicht eine Tendenz haben, die Kraft, Kapital anzusammeln, zu verringern. Alle Steuern müssen entweder das Kapital oder das Einkommen treffen. Wenn sie Kapital schmälern, dann müssen sie den Vermögensfonds, nach dessen Größe sich stets die Ausdehnung des produktiven Fleißes des Landes richtet, in entsprechendem Maße vermindern“[92]. Steuern „verhindern, dass das nationale Kapital in der für die Gesamtheit dienlichsten Art und Weise verteilt werde. Im Hinblick auf die allgemeine Wohlfahrt kann dem Verkehr und Austausch von Eigentum jeglicher Art nicht genug Erleichterung gewährt werden, da hierdurch jede Art Kapital am besten seinen Weg zu denjenigen findet, die es am vorteilhaftesten zur Hebung der Produktionen des Landes verwenden werden.“[93] Das liberale Motto von Ricardo lautete also: eine niedrige Besteuerung fördert die Akkumulation des Kapitals und aus diesem Grund sind die Staatsausgaben auf ein Minimum zu reduzieren[94]. Diese Abhandlung über die unsägliche und schädliche Steuerlast hatte zudem den politischen Zweck, dass die aufsteigende bürgerliche Mittelklasse endlich von jeder moralischen Verantwortlichkeit für die Wohlfahrt der Bedürftigen freigesprochen wurde[95].
18.
Das Hauptziel von Ricardo war allerdings nicht nur die Abschaffung der Armengesetze, sondern auch die Beseitigung der Korngesetze. Die Korngesetze sollten in England dafür sorgen, dass der Weizenpreis nicht unter eine bestimmte Höhe fällt, weshalb in diesem Fall kein Weizen mehr importiert werden durfte. Damit erhielten die Korngesetze in den Augen von Ricardo das feudale Grundeigentum und den Landadel ökonomisch und damit politisch am Leben[96].
Für Ricardo waren Armengesetze und Korngesetze protektionistische Maßnahmen des Staates zugunsten der Löhne und Rente, die den Profit des industriellen Kapitals schmälerten. Deshalb mussten diese beseitigt werden, um die Kapitalakkumulation und damit die Wohlfahrt der Kapitalisten zu fördern und zu sichern. Staatliche Protektion war für Ricardo nur noch für die Kapitalbesitzenden und nicht mehr für die Lohnabhängigen und den Landadel vorgesehen[97]. Das Laissez-faire-Prinzip von Ricardo[98] ist daher objektiv nichts anderes, als die staatliche Unterstützung für alle Einkommen abzuschaffen, mit Ausnahme der Unternehmergewinne, und alle möglichen Hindernisse der Kapitalakkumulation aus dem Weg zu räumen[99]. Es kann deshalb zu recht gesagt werden, dass „als Basis einer Kritik an den Korngesetzen wohl kaum etwas Wirkungsvolleres hätte erfunden werden können“ als die Ricardosche Theorie[100]. Dies beinhaltet auch, dass die Ricardosche Werttheorie und seine darauf aufbauende ökonomische Theorie nur zu diesem politischen Zweck, also der Abschaffung der Korngesetze, entwickelt wurden[101], d.h. genauer: Die Ricardosche Theorie hatte von Anfang an einen rein politisch-instrumentellen Zweck[102]. So fehlte in dem ersten Pamphlet gegen die Korngesetze (1815)[103] von Ricardo die Werttheorie noch, aber dort wurde sein in allen späteren Arbeiten beibehaltender Ansatz zur Kritik der Korngesetze und damit der Macht der feudalen Grundeigentümer erstmals ausgesprochen: „Die Profite der Bauern regulieren die Profite aller anderen Gewerbe.“[104] Darüber hinaus ergänzte Ricardo dieses Konstrukt um einen weiteren, politisch inspirierten Gesichtspunkt, um die Schädlichkeit der Korngesetze für das industrielle Kapital zu >belegen<, der da lautet, dass es zu einer fortschreitenden Erschwerung in der inländischen Produktion von Lebensmitteln und damit zu einer stetigen Verteuerung des Getreidepreises kommen muss. Dieser unabänderliche Anstieg des Kornpreises verursacht – gemäß der Ricardoschen Konstruktion - notwendigerweise steigende Löhne, was unmittelbar zu einer Verringerung des industriellen Profits[105], aber zu einem Steigen der Rente führt[106]. Aber dieser Zusammenhang ist nur solange gültig, wie kein preiswerteres Getreide importiert wird. Mit der Aufhebung des Importverbots von Getreide, so argumentierte Ricardo, würde also der Getreidepreis fallen. Mit diesem Fallen des Kornpreises sinkt dann auch die Höhe der Löhne, dadurch steigen die Profite des industriellen Kapitals[107], was wiederum die industrielle Produktion und damit auch den Wohlstand für alle vergrößert. Um diese These gegen die frühe Kritik von Malthus, der für die Korngesetze und die Interessen der Grundbesitzer eintrat, zu verteidigen, entwickelte Ricardo erst nachträglich die Werttheorie[108], die das Problem lösen sollte, „in welchen Einheiten die Kosten, Profite und Grundrenten bewertet werden sollen“[109], um so endlich zu >belegen<, dass die Profite unmittelbar von dem Kornpreis bestimmt werden. Mit diesem >wissenschaftlichen< Beweis konnten dann Ricardo und seine Anhänger gegen die Politik und Herrschaft der Landlords und Aristokratie agitieren. Die Ricardosche (Wert-)Theorie[110] ist in dieser Hinsicht konkretes Resultat des politischen Kampfes der industriellen Bourgeoisie gegen die letzten Rudimente der politischen Ökonomie der Landlords. Deshalb besitzt die Ricardosche Ökonomietheorie auch nur eine historisch begrenzte Relevanz, die sie auch nach Abschaffung der Armengesetze und Korngesetze verlor[111]. Der Niedergang der Ricardoschen Schule war also Folge ihres praktischen Erfolgs in diesen beiden Politikfeldern, sie wurde damit politisch obsolet und verfiel deshalb[112].
19.
Das >Maschineriekapitel< in Ricardos Hauptwerk[113] kann als vergessenes altliberales Vorbild für eine Argumentation gelten, wie sie derzeit vom neoliberalen ifo-Institut unter Leitung von Professor Sinn beständig vorgetragen wird. Für Herrn Sinn ist Deutschland eine „Basarökonomie“ geworden[114]. Schließlich wäre in Deutschland das Lohnniveau zu hoch, was die armen Unternehmer dazu drängt, entweder ihre Produktion ins Ausland zu verlagern, wo die Löhne niedriger sind, oder die menschliche Arbeitskraft über das normale Maß hinaus durch modernste Technik und Maschinerie zu ersetzen. Beides führt dann zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit, die aber nicht sein müsste, wenn die Löhne niedriger wären. Deshalb plädierte das ifo-Institut für die Einführung von Hartz IV und fordert heute Zwangsarbeit in Gestalt von Null-Euro-Jobs für Arbeitslose, damit die >Mindestlohnuntergrenze< weiter abgesenkt werden kann. Dank dann fallender Löhne steigen die Beschäftigtenzahlen, da ja die Unternehmer nicht mehr gezwungen sind, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern bzw. die Arbeitskräfte durch erhöhten Einsatz von Technik zu ersetzen. Bei Ricardo klang diese Argumentation ähnlich: Die hohen Löhne in England waren für ihn daran schuld, dass es zu seiner Zeit eine hohe Arbeitslosigkeit gab. Denn dadurch waren die Unternehmer gezwungen, menschliche Arbeit in einem größeren Umfang als notwendig durch die Maschinerie zu ersetzen. Ursache der hohen Löhne waren für Ricardo die hohen Getreidepreise[115], deswegen würde auch seine früher vertretene Kompensationstheorie nicht mehr greifen[116]: „Mit jeder Kapitals- und Bevölkerungszunahme werden die Preise der Nahrungsmittel allgemein steigen, weil es schwieriger ist, diese zu erzeugen. Die Folge eines Steigens der Lebensmittel wird ein Steigen des Lohnes sein, und jede Lohnsteigerung wird eine Tendenz haben, das ersparte Kapital in größerem Verhältnis als vorher zur Anwendung von Maschinen zu drängen. Maschinerie und Arbeit befinden sich in ständigem Wettbewerb, (...). Die Nachfrage nach Arbeit wird mit einer Vermehrung von Kapital weiter zunehmen, aber nicht im Verhältnis zu dessen Vermehrung; das Verhältnis wird notwendigerweise immer kleiner werden.“[117] Diese Argumentation hat zahlreiche Interpreten dazu verführt, Ricardo in seinen letzten Lebensjahren als pessimistischen Theoretiker darzustellen, was jedoch völlig irreführend ist[118]. Dieses Fehlurteil der Interpreten kommt zustande, weil sie die politische und ideologische Zwecksetzung von Ricardos Argumentation - wie überhaupt sein ökonomisches Hauptwerk - einfach ignorieren, vielmehr nur den unparteiischen Ökonom als Wissenschaftler sehen wollen, wie dies Marx als Interpretationsrahmen paradigmatisch vorgegeben hatte. So entgeht den Interpreten, dass die Argumentation von Ricardo auf eine nationale Besonderheit Englands hinweist, die für die von ihm festgestellte Problemlage verantwortlich ist: „In Amerika und vielen anderen Ländern, wo sich die menschlichen Nahrungsmittel leicht beschaffen lassen, ist die Versuchung zur Anwendung von Maschinen nicht annährend so groß wie in England, wo die Nahrungsmittel teuer sind und ihre Erzeugung viel Arbeit kostet.“[119] Mit dieser raffinierten These will Ricardo zwei politische Ziele erreichen[120]. Zum einen attackiert er hier in versteckter Form ein weiteres Mal die englischen Korngesetze, die den Import von Getreide weitgehend unmöglich machten. Da also kein Getreide importiert werden kann, müssen nach Ricardo die Getreidepreise und die Löhne vergleichsweise höher als in anderen Ländern sein, was eben dazu führt, dass die Unternehmer in verstärktem Umfang als nötig in die Maschinerie investierten, somit weniger Arbeiter als unter >normalen Umständen< beschäftigen, was eine künstliche Arbeitslosigkeit hervorruft. Zum anderen will Ricardo mit seiner Argumentation erreichen, dass auch die Arbeiter für die Abschaffung der Korngesetze gewonnen und dafür mobilisiert werden, weshalb er die Korngesetze und damit die Landlords für die hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich macht[121]. Schließlich verspricht Ricardo den Arbeitern, dass bei Beseitigung der Korngesetze die Löhne nicht zu ihrem materiellen Nachteil sinken (denn die Getreidepreise sinken zuerst), vielmehr die Arbeitslosigkeit durch die dadurch wieder möglich gewordene >normale< Anwendung der Maschinerie beseitigt und ihre soziale Lage erheblich verbessert wird. Mit Abschaffung der Getreidegesetze bzw. der Durchsetzung des Freihandels in England würde dann auch wieder Ricardos liberale Prämisse von der harmonischen Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gelten: „dass die arbeitende Klasse in gleicher Weise wie die anderen Klassen, an dem Vorteile der allgemeinen, aus dem Gebrauch von Maschinen entspringenden Wohlfeilheit von Gütern teilhaben würde.“[122] In den Pamphleten Ricardos und in seiner Agitation als Parlamentsabgeordneter gegen die Korngesetze ergänzt er diese Argumentation durch ein weiteres >Argument<, dass uns heute aus der Globalisierungsdebatte bzw. dem ifo-Institut nur allzu gut bekannt ist: „Ein wichtiger Punkt seines Pamphletes war schon während der Debatte des Jahres 1815 geäußert worden, dass nämlich – durch hohe Getreidepreise bedingt – Unternehmer und Investoren vor die Versuchung gestellt würden, England zu verlassen und in solchen Ländern zu arbeiten, in denen die Löhne niedrig und die Gewinne hoch wären.“[123] Ebenso behinderten die hohen Getreidepreise und die daraus entspringenden hohen Löhne für Ricardo den englischen Exporterfolg der Fabrikanten[124]. Alle ökonomischen und sozialen Probleme Englands würden, wie Ricardo 1820 in einem Artikel verlautbarte, verschwinden und eine harmonische Ordnung zwischen den Klassen ausbrechen, wenn die Korngesetze abgeschafft und der Freihandel in allen Bereichen durchgesetzt worden wäre[125]: „Durch Außenhandel ... könnten Wohlstand und Bevölkerung eines Landes auf unbegrenzte Zeit wachsen, denn das einzige Hindernis für Wachstum wäre Knappheit und infolgedessen relative Verteuerung von Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen.“[126] Und in einer seiner letzten Reden gegen die Korngesetze und für den freien Außenhandel vor dem Unterhaus im Mai 1822 brachte er seine Auffassung deutlich auf den Punkt: „Bevölkerung und Wohlstand würden einen Prosperitätsgrad erreichen, von dem sich die Vorstellungskraft der ehrenwerten Herren gegenwärtig kein Bild machen könnte“[127] Dementsprechend ist auch seine bis heute in der Wirtschaftswissenschaft unangefochtene Außenhandelstheorie nichts anderes als ein politisches Kampfmittel des Liberalismus gewesen, um gegen die Korngesetze zu polemisieren und zu agitieren[128].
20.
Die harmonische Ordnungsvorstellung von der kapitalistischen Gesellschaft der klassischen politischen Ökonomie und des Liberalismus im allgemeinen, die durch das Wirken des unbehinderten >freien Marktes< und Freihandels eintreten soll, ist ein ideologisches Konstrukt, was die Liberalen genau wissen. Dies lässt sich daran ablesen, wie Ricardo und seine modernen Jünger sich zur Frage der demokratischen Verfasstheit der Gesellschaft äußern. Denn wenn sich alles harmonisch in der kapitalistischen Gesellschaft und zur Zufriedenheit aller Menschen abspielen würde, wie sie behaupten, bräuchten die (Neo-)Liberalen auch keine Furcht vor der Demokratie zu haben. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Allerdings musste zu Zeiten Ricardos die Durchsetzung der Vorherrschaft des industriellen Kapitals und des freien Markt noch erkämpft werden. Dies bedurfte auch die liberal-bürgerliche Kontrolle des Staates und der Regierung, die jedoch damals noch in der Hand der Landlords und Aristokratie waren. Einen Umsturz der adligen Regierung ließ sich politisch nur durchsetzen, wenn das liberale Bürgertum die Unterstützung eines Teils der Arbeitenden gewinnen konnte. Die Arbeiter wollte Ricardo aus diesem Grund mit einer politischen Konzession hinter sich scharen und sie zugleich mit der kapitalistischen Ordnung versöhnen, indem er ihnen das politische Wahlrecht zugestehen wollte[129]. Aber da Liberale eine feindliche Grundeinstellung zur Demokratie haben, denn diese könnte von den Arbeitern und Mittellosen zwecks Abschaffung der kapitalistischen Privateigentumsordnung >missbraucht< werden, sprach sich Ricardo gegen ein unbeschränktes Wahlrecht für alle Menschen, also auch für alle Arbeiter, aus. Ein Wahlrecht für die Arbeiter sollte es nach Ricardo nur für diejenigen geben, wenn diese selbst über Vermögen verfügten und loyal zur kapitalistischen Wirtschaftsordnung standen[130]: Das Stimmrecht, so Ricardo selbst, sollte „natürlich nicht universal auf alle Menschen“ ausgeweitet werden, „sondern auf denjenigen Teil von ihnen, von dem nicht angenommen werden kann, dass er irgendein Interesse am Umsturz des Rechts auf Eigentum hat“[131]. Ricardo konnte sich aber noch strengere Beschränkungen des Wahlrechts vorstellen, um eine größere „Sicherheit für eine gute Auswahl der Repräsentanten“ zu garantieren[132]. „In England“, so fasste Polanyi die dortige historische Entwicklung des Wahlrechts zusammen, „wurde es zum ungeschriebenen Gesetz der Verfassung, dass die Arbeiterklasse das Stimmrecht verweigert bleiben müsse. (...) Erst nachdem die Arbeiterklasse die Hungerjahre (1840 - 46) durchgemacht hatte und eine fügsame Generation herangewachsen war, die die Segnungen des goldenen Zeitalters des Kapitalismus erntete; erst nachdem eine Oberschicht von Facharbeitern ihre Gewerkschaften geschaffen und sich von der düsteren Masse der armseligen Taglöhner getrennt hatte; erst nachdem die Arbeiter sich in das System gefügt hatten, welches das neue Armenrechtsgesetz ihnen aufzwingen wollte, erst dann wurde es ihrer besser bezahlten Schicht gestattet, an den staatlichen Gremien teilzunehmen. Die Chartisten hatten um das Recht gekämpft, dem Mahlwerk des Marktes, welches das Leben des Volkes zermürbte, Einhalt zu gebieten. Aber dem Volk wurden Rechte erst zugestanden, als die furchtbare Anpassung bereits vollzogen war. Innerhalb und außerhalb Englands, von Macaulay bis Mises, von Spencer bis Summer, gab es keinen Liberalen, der nicht seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass die Volksherrschaft eine Gefahr für den Kapitalismus darstellte.“[133] Für die (Neo-)Liberalen ist Demokratie und Meinungsfreiheit eben nur solange akzeptabel, wie diese im vorgegebenen Rahmen des Laissez-faire verbleiben und sich somit der Herrschaft des freien Marktes wohlgefällig unterordnen. Dies bedeutet aber umgekehrt auch: „Die liberal-ökonomische Theorie hat (...) das Ziel, die politische Macht der Demokratie zu schwächen.“[134] Der ökonomische Liberalismus strebt in diesem Sinne stets nach einer „Eliminierung der Politik“ und kann sich dadurch mit jeder politischen Regierungsform arrangieren, „vorausgesetzt, dass sie im freien Wettbewerb freies Spiel lassen.“[135] Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, sondern nur konsequent, wenn die meisten deutschen Neoliberalen nach 1933 zu den Unterstützern, Bewunderer und Beratern des NS-Regimes gehörten, deshalb „einen bedeutenden Platz in Forschung, Publizistik, Lehre und praktischer Wirtschaftsberatung des Dritten Reiches“ hatten[136]. Schließlich hatten die deutschen Neoliberalen schon die Demokratie der Weimarer Republik weitgehend abgelehnt und für eine Diktatur auf Zeit plädiert. Der Neoliberale von Mises schrieb 1927 dementsprechend, dass „der Faszismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen (...) für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. Das Verdienst, das sich der Faszismus damit erworben hat, wird in der Geschichte ewig fortleben.“[137]
21.
Seit Anfang der 80er Jahre fordern Weltbank und der Internationale Weltwährungsfond (IWF) gegenüber den verschuldeten >Entwicklungsländern< die Umsetzung von sogenannten Strukturanpassungsmaßnahmen, die aus dem Kochbuch des Neoliberalismus entsprungen sind. Diese Schocktherapien beinhalten stets das selbe: strenge Haushaltdisziplin, Handelsliberalisierung, Deregulierung und Privatisierungen[138]. Eine Konsequenz davon ist z.B. nicht nur die Streichung von sozialen Leistungen, sondern auch die Abschaffung der Subventionierung von Lebensmitteln, um einen unregulierten Lebensmittelmarkt hervorzubringen. Bei dieser Maßnahme, die häufig Proteste und Revolten bei den davon Betroffenen hervorgerufen hat, greift der Neoliberalismus ebenfalls auf eine mörderische Tradition und Erfahrung des alten Liberalismus erfolgreich zurück. Wie schon in den obigen Beispielen dargelegt wurde, ist auch in dieser Hinsicht die neoliberale Ideologie und Praxis nichts anderes als eine jämmerliche und widerliche Kopie des alten Liberalismus.
Denn der liberale Fanatismus für freie, staatlich unregulierte Märkte wurde bereits im frühkapitalistischen Zeitalter Englands in Stellung gebracht, um staatliche Interventionen in den Getreidemarkt bei Hungersnöten zu verhindern. Freie Märkte schaffen für Liberale stets Wohlstand und Harmonie für alle, gerade dadurch, dass sich jeder egoistisch verhält. Deswegen bedarf es keines staatlichen Eingriffs in den Getreidemarkt. Bekanntlich ist der Markt im Endresultat selbst sozial und bedarf keiner Belehrungen und Interventionen durch Politik und Staat. Dies war nicht nur die grundlegende Einstellung von D. Ricardo, sondern auch die von Adam Smith.
Smith war der Auffassung, dass „eine Hungersnot auf nichts anderes zurückgeht als allein auf den Versuch der Regierung, mit Gewalt und ungeeigneten Mitteln die Unannehmlichkeiten einer Teuerung zu beseitigen.“ Bei einem freien Handel und Verkehr „kann die Verknappung, selbst bei ungünstigster Ernte, niemals solche Ausmaße annehmen, dass es zu einer Hungersnot kommt.“ [139] Folglich behauptete Smith weiter: „So, wie der unbegrenzte und unbeschränkte Getreidehandel das einzig wirksame Mittel ist, dem Elend einer Hungersnot vorzubeugen, so ist er auch das Palliativmittel für die schlimmen Folgen einer Teuerung“[140]. Dieses geschäftsdienliche Dogma des englischen Liberalismus wurde beispielhaft in Indien angewendet und verteidigt. Nachdem der englische Kolonialismus die indischen Dorfgemeinschaften und damit auch das traditionelle Getreidesicherungssystem gegen Hungersnöte zerstört hatte, wurde dort der freie Getreidemarkt installiert[141]. Dank des freien Getreidemarktes verhungerten so Millionen Menschen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Indien, „weil die indische Dorfgemeinschaft zerstört worden war. (...) Die eigentliche Ursache der Hungersnöte der letzten fünfzig Jahre war der freie Getreidemarkt, verbunden mit örtlichen Einkommensausfällen. Missernten gehörten natürlich zum Gesamtbild, aber Bahntransporte von Getreide ermöglichten die Entsendung von Hilfe in bedrohten Gebiete; die Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass die Menschen nicht in der Lage waren, das Getreide zu den rapide steigenden Preisen zu kaufen, die sich auf einem freien, aber schlecht organisierten Markt als Reaktion auf den Mangel einstellen mussten.“[142] Zur Rechtfertigung für das staatliche Nichteingreifen in den Getreidemarkt griff die Führung der englischen Zentralregierung in Indien auf Adam Smith zurück: „Smiths Kritik an einer staatlichen Regulierung der Getreidepreise während einer Hungersnot gehörte am berühmten College der Ostindiengesellschaft in Haileybury seit Jahren zum Kanon. (....) Ähnlich wie Irland wurde Indien per offiziellem Dekret zu einem Laboratorium des Utilitarismus, in dem der dogmatische Glaube an omnipotente Märkte zur Überwindung der >Bürde der Armut< Millionen von Menschleben gefährdete. Zwischen 1877 und 1878 exportieren die Getreidehändler lieber die Rekordmengen von 6, 4 Millionen Zentnern Weizen nach Europa, anstatt den Hunger in Indien zu lindern.“[143] Der damalige englische Bevollmächtigte in Indien hatte darüber hinaus die „perverse Aufgabe (...), die Hilfsmaßnahmen möglichst abschreckend und wirkungslos zu gestalten. Indem er sich bis in Detail an die Anweisungen der Regierung hielt, wurde er für die indische Geschichte das, was der britische Finanzminister (...) Charles Edward Trevelyan zur Zeit des Großen Hungers in Irland für die irische Geschichte gewesen war: der personifiziert Inbegriff der freien Marktwirtschaft, hinter der sich der koloniale Völkermord verbarg.“[144]
22.
Fazit:
Die neoliberalen Protagonisten sonnen sich gerne in dem selbst inszenierten Schein und Spektakel des Neuen, Alternativlosen und Modernen, um im Gegenzug ihre Gegner als von der Geschichte überholte und ideologisch verbohrte Ewiggestrige zu denunzieren. Jedoch entgegen dieses schönfärberischen Propagandabildes kehren heute in den hoch entwickelten industrie-kapitalistischen Gesellschaften mit dem konservativen und sozialdemokratischen Neoliberalismus die fast 200 Jahre alten Unterwerfungs- und Herrschaftsmethoden des englischen Liberalismus wieder zurück, um nicht nur gegen den modernen Sozialstaat und eine keynesianisch regulierende Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu agitieren und zu kämpfen, sondern um alle gesellschaftlichen Bereiche dem >freien Markt< zu unterwerfen.
Die meisten Kritiker des Neoliberalismus sehen fälschlicherweise in diesem eine Ideologie, die erstmals den >regulierten< Arbeitsmarkt und den Sozialstaat bekämpft und kritisiert. Deshalb haben sie es bislang unterlassen, sich mit den historischen Anfängen des ökonomischen Liberalismus genauer auseinander zu setzen. Damit entgeht ihnen, dass beispielsweise die ideologischen Rechtfertigungsformeln für Hartz-IV schon von den Begründern der politischen Ökonomie in England entwickelt worden waren, die sich dann anschaulich in den fürchterlichen Armengesetzen von 1834, d.h. vor allem in Gestalt des Arbeitshauses, niederschlugen.
Ein Blick auf die Ursprünge des ökonomischen Liberalismus in England belegt, dass sich dieser schon von Anfang an in seinem Kampf gegen die feudale Herrschaftsordnung gegen jegliche staatliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt und gegen sozialstaatliche Sicherungssysteme ausgesprochen hatte. Dies ist nicht verwunderlich, da die englische, klassische politische Ökonomie hinter der Fassade ihrer wohlfeil gepflegten Wissenschaftlichkeit stets eine instrumentelle, eine politisch zweckbestimmte Theorie für die Interessen der industriellen Bourgeoisie war. Sie war keineswegs eine unabhängige, ehrliche Wissenschaft, die den Kapitalismus und seine Funktionsweise begreifen und erklären wollte. Die weit verbreitete sozialwissenschaftliche Vorstellung, die ökonomische Theorie würde sich unabhängig von der Politik bzw. politischer Herrschaftsinteressen entwickeln, wäre somit nur der theoretischen Wahrheit und Aufrichtigkeit verpflichtet, weshalb es auch zu evolutionären Erkenntnisfortschritten in der ökonomischen Theorie kommt, ist eine pure Illusion und ein Irrglaube[145].
Allerdings wird diese Illusion bis heute in der Dogmengeschichte der Wirtschaftswissenschaft und auch von Marxinterpreten über die klassische politische Ökonomie, insbesondere über D. Ricardo, überwiegend vertreten[146]. Die ökonomische Theorie ist, wie J. Robinson dagegen einmal eingestand, „stets sowohl zum Teil ein Vehikel für die herrschende Ideologie einer jeden Periode gewesen, als auch zum Teil eine Methode wissenschaftlicher Untersuchung“[147].
Vor allem die Ricardosche Theorie, die abstrakt-allgemeine Gesetze und Prinzipien der Ökonomie aufstellte, war eine versteckte wie elaborierte Rationalisierung politischer Interessen, d.h. vielmehr, das politische Ziel von Ricardo - sein Kampf gegen die feudalen Armen- und Korngesetze bzw. politische Herrschaft der Lords - bestimmte von Anfang an seine gesamte theoretische Konstruktion und Erklärung ökonomischer Sachverhalte.
Deshalb finden sich bereits bei Ricardo die zentralen Argumentationsfiguren, die derzeit die neoliberalen Ökonomen und Soziologen in diesem Land als vermeintlich neuartige Erkenntnisse der Wissenschaft verbreiten: Die Bedürftigen, Armen und Arbeitslosen sind unmittelbares Resultat einer falsch verstandenen Wohltätigkeit. Auch das in der (neo-)liberalen Propaganda ausgiebig gepflegte Bild von den untätigen, faulen und hinterhältigen Arbeitslosen und Arbeitenden, denen einfach die Tugend der Selbstverantwortung und Selbständigkeit fehlt, die man deshalb stets mit der Hungerpeitsche zur Arbeit antreiben muss, weil sie sonst die ihnen gewährte Mildtätigkeit hemmungslos ausnutzen (bekanntes Stichwort der Ökonomen: Fehlanreize durch zu hohe Lohnersatzleistungen), ist ebenfalls nur ein hohles Imitat der Argumentationsfigur von Ricardo und anderen englischen Ökonomen. Die Armen und Arbeitslosen sind in diesem Weltbild für ihre Lage immer selbst und allein verantwortlich, und dies enthebt den Rest der Gesellschaft von jeglicher gesellschaftspolitischer Mitverantwortung und Unterstützung, einschließlich eines moralischem Mitgefühls. Denn jede Hilfe für die Bedürftigen würde das Elend nur noch vergrößern. Verwundern muss es dann ebenfalls nicht, wenn Ricardo in diesem Zusammenhang gegen die stets zu hohe Besteuerung der Unternehmen wetterte. Darüber hinaus stand er wie die modernen Neoliberalen feindlich bis ablehnend demokratischen Willens- und Entscheidungsprozessen gegenüber, da die große Mehrheit der wählenden Besitzlosen in ihrer maßlosen Gier die Interessen der Bourgeoisie – niedrige Steuern, keine Wohltätigkeit für Bedürftige etc. - und den freien Markt, das Privateigentum und den Reichtum der Unternehmer gefährden kann. Des Weiteren nahm Ricardo das Lamentieren der Neoliberalen über die zu hohen Löhne als Ursache der hohen Arbeitslosigkeit vorweg, da u.a. nun die Unternehmen - statt in die zu teure >Arbeit< - in Maschinen investieren müssten, ebenso die damit verbundene Drohung des Kapitals an die Politik, dass die Unternehmen sich in anderen Ländern mit niedrigeren Löhnen niederlassen könnten. Und zu guter letzt darf eben auch die sattsam bekannte Lobeshymne über die wohlstandsfördernde Wirkung des Freihandels, was man gegenwärtig Globalisierung nennt, bei Ricardo nicht fehlen. Insoweit ist es nur konsequent, wenn bis heute die neoliberalen Ökonomen mit der Ricardoschen Außenhandelstheorie die Deregulierung des Welthandels und der Finanzströme rechtfertigen[148].
Soweit zeigt sich: Der Neoliberalismus unterscheidet sich in seinem politik-ökonomischen Kern nicht von den Grundsätzen und Forderungen des frühbürgerlichen englischen Liberalismus mit seinem Prinzip des >Laissez-faire< für alle Bereiche der Gesellschaft. Die derzeitige Wirtschaftswissenschaft erneuert mit diesem Rückgriff auf die längst verstaubten frühkapitalistischen Unterwerfungsmethoden des Liberalismus ihre Funktion als direkt apologetische und ideologische Waffe der Machtelite und des Kapitals im permanenten Herrschaftskampf um die kapitalistischen Arbeits- und Lebensbedingungen[149].
Aus diesem Grund wird auch bei den Neoliberalen – wie schon bei ihrem heimlichen Vorbild: D. Ricardo - die kapitalistische Ökonomie wieder in eine vorkapitalistische Markt- und Tauschökonomie umgelogen. Dies bedingt, dass die unmittelbare kapitalistische Produktion zu einer vorgesellschaftlichen, also herrschaftsfreien und damit zu einer rein stofflich-technischen Sphäre zwischen Mensch und Natur verkehrt wird. Diese Sphäre des ewigen Produzierens wird deshalb als überhistorischer und unveränderlicher Prozess des Wirtschaftens schlechthin begriffen. Die Geschichte der Ökonomie reduziert sich damit auf eine Geschichte der technischen Entwicklung und der dadurch bedingten stofflich-technischen Entwicklung von drei Sektoren (Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistung)[150]. Der für die Ökonomen über dieser so begriffenen Produktion schwebende und stets automatisch im Gleichgewicht befindliche Markt stellt dann die adäquateste und effektivste Vermittlungsform des produzierten Reichtums dar, der deshalb den Reichtum für alle Menschen beständig zu erhöhen vermag und so eine harmonische gesellschaftliche Entwicklung garantiert. Krisen und Missstände sind in dieser Weltsicht des Kapitalismus die Folge politischer Interventionen in den geheiligten und stets funktionierenden Markt. Daraus leiten sich seit Entstehung der klassischen politischen Ökonomie bis heute alle (neo-)liberalen Weissagungen und Forderungen hinsichtlich der Wirtschafts-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ab.
Theoretische Fortschritte sind daher dem (Neo-)Liberalismus fremd. Denn dieser ist völlig lernunfähig und autistisch eingestellt. Da der Neoliberalismus seine Grundlagen nicht aus dem Reich der Wissenschaft bezieht, hat er sich von vornherein gegen jede Kritik immunisiert. Der Neoliberalismus ist nicht nur im Vergleich zu den Anfängen der politischen Ökonomie „eine reine Luftnummer“[151], sondern vor allem eine politische Waffe, die „neue Voraussetzungen für die Kapitalakkumulation schaffen und die Macht der Wirtschaftseliten wiederherstellen soll.“[152]
ANMERKUNGEN[1] Interview mit Franz Müntefering 2007: „Ohne ein gewisses Maß an Arroganz hält man das nicht aus“, in: Süddeutsche Zeitung Magazin, 13. April, S. 24
[2] D. Harvey 2007: Kleine Geschichte des Neoliberalismus, Zürich, S. 56
[3] G. Anders 1987: Die Antiquiertheit des Menschen, München, Band 1, S. 171
[4] ebd., S. 172. „>Lerne dasjenige zu bedürfen, was dir angeboten wird!< Denn die Angebote sind die Gebote von heute.“ (ebd.)
[5] G. Anders 1987: Die Antiquiertheit des Menschen, München, Band 2, S. 138
[6] G. Debord 1996: Die Gesellschaft des Spektakels, Berlin, S. 214. Je mehr der Zuschauer „zuschaut, um so weniger lebt er; je mehr er akzeptiert, sich in den herrschenden Bildern des Bedürfnisses wiederzuerkennen, desto weniger versteht er seine eigene Existenz und seine eigene Begierde.“ (ebd., 26)
[7] G. Anders 1987: Die Antiquiertheit des Menschen, München, Band 2, S. 137f.
[8] W. Bonefeld 1997: Die Politik des neuesten Trends, in: Wildcat-Zirkular Nr. 38
[9] E. Altvater 2007: Eine schwarze Utopie, Die Zeit online Nr. 44
[10] M. Candeias 2007: Leben im Neoliberalismus, in: G. Arrighi u.a. (Hg): Kapitalismus reloaded, Hamburg, S. 319, alle nachfolgenden Zitate stammen von den S. 319 u. 320
[11] Auf der Grundlage der behaupteten „Prekarisierung von unten“ bzw. eines >Neoliberalismus von unten< fragt man sich, wie der Autor dann den kontinuierlichen Ausbau der strafrechtlichen Logik und ihre grenzenlos gewordene Anwendung im sozialen Bereich und öffentlichen Raum gegenüber den Prekarisierten und den sichtbaren Armen erklären will: „Für die Mittellosen und auch diejenigen, die früher oder später aus dem Sektor geschützter Beschäftigung herausfallen, bringt die Realisierung neoliberaler Utopien, entgegen den Behauptungen ihrer Verkünder, nicht etwa ein Mehr an Freiheit, sondern deren Schmälerung und Unterdrückung, und den Rückfall in einen repressiven Paternalismus und ungezügelten Kapitalismus früherer Zeiten, der heute zusätzlich von einem allwissenden und allmächtigen strafenden Staat gestützt wird.“ Denn: „Wirtschaftliche Deregulierung und strafrechtliche Reglementierung gehen Hand in Hand: der Abbau sozialer Investitionen bedingt notwendigerweise erhöhte Investitionen im Strafvollzug als einzigem Mittel zur Bewältigung der Auflösungserscheinungen, die vom Abbau des Wohlfahrtsstaates und der damit verbundenen allgemeinen materiellen Unsicherheiten im unteren Bereich des Klassengefüges ausgehen. (...) Zu dieser Entwicklung gehört auch die ständig steigende Zahl vertraglich verpflichteter Träger und Einrichtungen zur (Wieder)Herstellung der >Sicherheit< an Schulen, in Unternehmen, und im städtischen Bereich sowie die europaweite Verbreitung präventiver und reaktiver Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des öffentlichen Raumes: städtische Verordnungen bezüglich Beschränkung oder Verbots der Bettelei, Razzien gegen Obdachlose, diskriminierende Ausgangssperren für Jugendliche in benachteiligten Stadtvierteln (...), die zügellose Ausweitung der Videoüberwachung öffentlicher Bereiche und Verkehrsmittel und die zunehmende Beliebtheit elektronischer Überwachungsmaßnahmen, wobei alles darauf hindeutet, dass diese nicht zu einer Reduzierung der Inhaftierungen beitragen, sondern zusätzlich zu ihnen erfolgen Diese Entwicklung (...) zeigt auch die grundsätzliche Tendenz einer zunehmend strafrechtlichen Behandlung von Elend“ (L. Wacquant 2000: Elend hinter Gittern, Konstanz, S. 148, 134ff.; über den unmittelbaren Zusammenhang zwischen wachsender Arbeitslosigkeit bzw. Verelendung und dem Anstieg der Strafgefangenen gab schon die klassische Studie von G. Rusche/O. Kirchheimer „Sozialstruktur und Strafvollzug“ Aufschluss; 1938/1981, Frankfurt/M.).
[12] Inwieweit dies von den im kapitalistischen Laufrad befindlichen Subjekten durchschaut und kritisiert wird, ist eine politische Bewusstseins- und damit eine Herrschafts- wie Machtfrage. Der Lohnabhängige lebt „nicht eigentlich >in<, sondern nur >innerhalb< der Welt – innerhalb der Welt Anderer, eben der >herrschenden Klasse<, auch wenn die >Ketten<, die ihn an diese Welt der Anderen ketten, so weich und geschmeidig gemacht worden sind, dass er sie für die >Welt< hält, sogar für seine Welt, und er sich eine andere Welt schon gar nicht mehr vorstellen kann, und er diese auch unter keinen Umständen >verlieren< will, sie als die seine sogar mit Zähnen und Klauen verteidigt. Durch seinen Kampf um den Arbeitsplatz, an dem der Arbeitende oft Sinnloses oder Katastrophales herstellt, und auf den er ein Recht, gar ein heiliges, zu haben beteuert, beweist er, wie wenig er in seiner Welt lebt; dass er, ohne sich dessen bewusst zu sein, >weltlos< ist. Der Ausdruck >Mensch ohne Welt< bezeichnet also eine Klassentatsache.“ (G. Anders 1993: Mensch ohne Welt, München, S.XII)
[13] P. Bourdieu 1998: Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstandes gegen die neoliberale Invasion; Konstanz, S. 58, 51, 98f. Und: „Arbeitslose und Arbeitnehmer, die sich in einer prekären Lage befinden, lassen sich kaum mobilisieren, da sie ihrer Fähigkeit, Zukunftsprojekte zu entwerfen, beeinträchtigt sind.“ (ebd., 98)
[14] Woher dies der Autor so genau wissen will, bleibt rätselhaft. Dazu vielmehr: F. Schultheis/K. Schulz (Hg) 2005: Gesellschaft mit begrenzter Haftung. Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag, Konstanz; S. Fritsch 2003: Arbeit schützt vor Armut nicht, in: Psychologie heute, August; S. Becker 2004: Leben in der Warteschleife, in: Psychologie heute, März; E. Feyerabend 2005: Prekarität des >nackten Lebens<, in: Freitag Nr. 27; H.-U. Deppe 2003: „Weil du arm bist, musst du früher sterben“, in: Sozialismus Nr. 9; W. Seppmann 2006: Ausbeutung und Prekarisierung, in: Ossietzky Nr. 22; T. Lampert/L. E. Kroll/ A. Dunkelberg 2007: Soziale Ungleichheit der Lebenserwartung in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 42.
[15] Vgl. zur Kritik dieser Ansätze am Beispiel der Post-/Fordismustheorie : C. Girschner 2006: Ökonomismus und Funktionalismus. Eine Kritik an der Regulationstheorie von J. Hirsch, in: www.trend.infopartisan.net, Dezember.
[16] P. Bourdieu a.a.O, S. 100f., 112f.
[17] N. Chomsky 2003: Eine Anatomie der Macht, Hamburg, S. 266
[18] K. Lederer 2007: Allheilmittel Staat?, in: RosaLux Nr. 3, S.25; alle nachfolgenden Zitate stammen von hier
[19] K. Dixon 2000: Ein würdiger Erbe: Anthony Blair und der Thatcherismus, Konstanz, S. 48 u. 62f. Inzwischen gilt wohl auch für die neoliberalisierte Linke in diesem Land, was noch Bourdieu auf die angelsächsischen Länder bezog: „Die angelsächsische Ideologie hat immer etwas predigerhaft die unmoralischen Armen und jene deserving poor – verdienstvolle Arme – auseinandergehalten, die der Mildtätigkeit würdig sind. (...) Die Armen sind nicht nur unmoralisch, verdorben, Säufer, sie sind dumm und unfähig.“ (P. Bourdieu a.a.O., S. 52)
[20] Beispielsweise: H. Dubiel 1985: Was ist Neokonservativismus?, Frankfurt/M.; R. Saage 1983: Neokonservatives Denken in der Bundesrepublik, in: ders.: Rückkehr zum starken Staat?, Frankfurt/M., S. 228-282; K. Lenk 1989: Deutscher Konservativismus, Frankfurt/New York; K. Lenk 1994: Rechts, wo die Mitte ist, Baden-Baden
[21] K. Dixon 2000: Ein würdiger Erbe: Anthony Blair und der Thatcherismus, Konstanz; Ders. 2000: Die Evangelisten des Marktes, Konstanz; J. Gray 2002: Die Falsche Verheißung, Frankfurt/M.
[22] F. Neumann 1986: Demokratischer und autoritärer Staat, Frankfurt/M., 250
[23] ebd., S. 249
[24] ebd., S. 249
[25] T. Schiller 1987: Liberalismus, in: D. Nohlen (Hg): Pipers Wörterbuch zur Politik, S. 513ff.
[26] dazu: H. Schui u.a. (Hg) 1997: Wollt ihr den totalen Markt? Der Neoliberalismus und die extreme Rechte, München
[27] C. Offe 1973: Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Frankfurt/m.
[28] L. Döhn 1983: Liberalismus, in: F. Neumann (Hg): Handbuch politischer Theorien und Ideologien, Reinbek b. Hamburg, S. 19
[29] R. Kühnl 1983: Formen bürgerlicher Herrschaft, Reinbek b. Hamburg, S. 70f.
[30] ähnlich: L. Döhn, a.a.O.
[31] R. Kühnl, a.a.O., S. 72f.
[32] Hier bestätigt sich m.E. die These von F. Neumann über die Geringschätzung des politischen Geschehens bei kritischen Denkern: „Die marxistische Theorie leidet unter einem Missverständnis, nämlich der Verwechslung der politischen Analyse mit der Gesellschaftstheorie; diese wurde missverstanden als Aktionstheorie.“ (F. Neumann, a.a.O., S. 253)
[33] K. Polanyi 1978: The Great Transformation, Frankfurt/M.; K.-H. Brodbeck 2001: Die fragwürdigen Grundlagen des Neoliberalismus, in: Zeitschrift für Politik Nr. 1
[34] dazu: R. Knieper 1981: Zwang, Vernunft, Freiheit, Frankfurt/M.
[35] K. Marx 1890/1984: Das Kapital, MEW 23, Berlin/O., S. 20f.
[36] denn er war „in bezug auf Schärfe und Logik der Beweisführung allen seinen Zeitgenossen überlegen“, so Fritz Neumark 1972: Vorwort des Herausgebers, in: D. Ricardo 1972, a.a.O., S. 10
[37] M. Dobb 1977: Wert- und Verteilungstheorien seit Adam Smith, Frankfurt/M., 29f.
[38] vgl. M. Blaug 1971: Systematische Theoriegeschichte der Ökonomie, München; G. Denis 1974: Geschichte der Wirtschaftstheorien, Rheinfelden; R. Kanth 1992: Capitalism and Socialtheory, Armonk, New York, London, S. 84f.
[39] zitiert nach M. Dobb , a.a.O., S. 31
[40] M. Blaug, a.a.O., S. 254
[41] C. Butterwegge 2007: Rechtfertigung, Maßnahmen und Folgen einer neoliberalen (Sozial-)Politik, in: Ders. u.a. (Hg): Kritik des Neoliberalismus, Wiesbaden, S. 136
[42] Vgl. K. Pribram 1992: Geschichte des ökonomischen Denkens, Frankfurt/M., S. 298ff.
[43] D. Ricardo1972: Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung, Frankfurt/M., S. 82
[44] D. Ricardo, a.a.O., S. 89f.; vgl. R. Kanth 1986: Political Economy and Laissez-Faire, New Jersey, S. 51
[45] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 52
[46] G. Niedhart 1987: Geschichte Englands im 19. und 20 Jahrhundert, München, S. 52
[47] „Mit anderen Worten, ohne die Beihilfen zum Lohn wären die Armen in weiten Bereichen des ländlichen Englands zum Verhungern verurteilt gewesen. Schober wurden in Brand gesteckt, häufig kam es zu Unruhen, Gerüchte über Unruhen waren noch häufiger. In Hampshire, und nicht nur dort, drohten die Gerichte jedem mit der Todesstrafe, der >versuchte, gewaltsam den Preis von Waren auf dem Markt oder den Straßen zu senken<; (...). Es war klar, dass die Zeit für Präventivmaßnahmen gekommen war.“ (Polanyi 1978, a.a.O., S. 134f.)
[48] R. Kanth 1992, a.a.O., S.105; „Die Armenunterstützung gründete sich bis 1834 auf Bestimmungen aus dem 16. Jahrhundert. Sie stand unter der Aufsicht der Friedensrichter und wurde aus den Einnahmen der Armensteuer von den Gemeinden bestritten.“ (G. Niedhart, a.a.O., S. 52) „Die Friedensrichter von Berkshire, die am 6. Mai 1795 im Gasthaus Pelikan in Speenhamland bei Newbury in einer Zeit großer Not zusammentraten, beschlossen, dass zusätzlich zu den Löhnen Zuschüsse bezahlt werden sollten, und zwar nach einem gestaffelten, mit dem Brotpreis verbundenen Tarif, damit den Armen, unabhängig von ihren Einkünften, ein Minimaleinkommen garantiert werde. (...) Tatsächlich aber bedeutete das Speenhamland-Gesetz eine nicht geringere soziale und ökonomische Neuerung als das >Recht auf Lebensunterhalt< (...)“ (Polanyi 1978, a.a.O., S.114) „Speenhamland war eine Kriegsmaßnahme, eine der politischen Praktiken, durch welche die Verbreitung >französischer Prinzipien< unter jenen verhindert werden sollte, die nur zu guten Grund gehabt hätten, sich von ihnen anstecken zu lassen. Es gab damals Unruhen im Lande und immer wieder Gerüchte, dass der Preis des Brotes auch deshalb so hoch sei, weil heimlich Weizen zu den Konterrevolutionären nach Frankreich geschmuggelt werde.“ (H. Gerstenberger 1990: Subjektlose Gewalt, Münster, S. 238f.)
[49] „Die berüchtigte Reform des Armenrechtsgesetzes (1834) bewirkte die Abschaffung der allgemein üblichen, von den patriarchalischen Regierungen für die Pauper vorgesehenen Hilfsmaßnahmen. Das Armenhaus wurde von einem Zufluchtsort der Mittellosen in einen Ort der Schande und der seelischen Tortour umgewandelt, demgegenüber sogar Hunger und Elend vorzuziehen waren. Den Armen blieb nur die Wahl zwischen Hunger und Arbeit. Auf diese Weise wurde ein nationaler, wettbewerbsbestimmter Arbeitsmarkt geschaffen.“ (Polanyi 1979, a.a.O., S.137f.) Allerdings: „Im übrigen gab es auch nach 1834 noch Subventionen zum Lohn, und das Arbeitshaus(...), der programmatisch abschreckende Kern des neuen Armengesetzes von 1834 – Arbeitsfähige sollten ausschließlich in der Form von Einweisungen in Arbeitshäuser unterstützt werden -, wurde in den Industriestädten des Nordens aufgrund heftiger Widerstände kaum praktiziert. (...) Mit der Armenreform von 1834 änderte sich die Praxis nicht unmittelbar. Dazu waren die Widerstände, die sich vor allem im Norden (...) entwickelten, viel zu heftig.“ Dafür wurde aber eine neue Struktur der Armenpolitik geschaffen: „die Individualisierung der Armutsursachen bei gleichzeitiger Formalisierung der kontrollierenden Hilfe. Sie verwandelte bedürftige Menschen in >Fälle<. Während die offizielle Programmatik als Ursachen der Bedürftigkeit persönliche Schwächen der Bedürftigen festlegt“ (Gerstenberger, a.a.O., S. 239f.; vgl. Hobsbawm, a.a.O., S. 90).
[50] Polanyi 1978, a.a.O., S. 190
[51] F. Engels 1845/1974: Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW 2, Berlin/O., S. 496f.
[52] ebd., S. 496
[53] E. Thompson 1987: Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse, Frankfurt/M., S. 290f.
[54]F. Engels, a.a.O., S. 501f.
[55] vgl. C. Girschner 2007: Zur politischen Ökonomie der >Ein-Euro-Jobs<: ideologische und herrschaftliche Hintergründe, in: www.nachdenkseiten (August)
[56] L. Cordonnier 2001: Kein Mitleid mit dem Pöbel, Konstanz, S. 7ff
[57] D. Ricardo, a.a.O., S. 92
[58] R. Kanth 1992, a.a.O., S.105ff.; vgl. G. Steinmann 1989: Thomas Robert Malthus, in: J. Starbatty (Hg): Klassiker der ökonomischen Denkens, München, S. 168
[59] vgl. K. Polanyi 1977, a.a.O., S. 114
[60] D. Ricardo, a.a.O., S. 91
[61] D. Ricardo, a.a.O., S. 90; R. Kanth 1986, a.a.O., S. 50
[62] J. Starbatty 1985: Die englischen Klassiker der Nationalökonmie, Darmstadt, S. 19; R. Kanth 1992, a.a.O., S. 107
[63] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 51f.
[64] D. Ricardo, a.a.O., S. 91. Allerdings unterschlägt hier der listige Ricardo eine wichtige Ursache für das Ansteigen der Ausgaben für die Armengesetze, weil es doch ein schlechtes Licht auf die von ihm unterstützten Fabrikanten geworfen hätte. Denn die Fabrikanten nutzten die Armengesetze aus, um die Löhne unter das Existenzminimum zu drücken, wodurch die Armengesetze durch eine beständig anwachsende Zahl von Arbeitern in Anspruch genommen wurde, d.h. die Armenausgaben dienten als „öffentliche(s) Mittel zur Subventionierung der Arbeitgeber“ (K. Polanyi 1978, a.a.O., S. 139).
[65] ebd., S. 90
[66] ebd., S. 90
[67] J. Starbatty 1985, a.a.O., S.19
[68] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 84
[69] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 50
[70] D. Ricardo, a.a.O., S. 91
[71] ebd.
[72] Ebd., S. 90
[73] E. J. Hobsbawm 1982: Industrie und Empire I. Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750, Frankfurt/M., S. 89
[74] K. Marx 1844/1988: Kritische Randglossen, in: MEW 1, Berlin/O., S. 401
[75] ebd., S. 398
[76] ebd., S. 396
[77] K. Polanyi 1978, a.a.O., S. 297f.; vergl. Ders. 1979: Ökonomie und Gesellschaft, Frankfurt/M., S.133ff.
[78] K. Polanyi 1978, a.a.O., S.164
[79] ebd., S. 164f.
[80] zitiert nach K. Polanyi 1978, S. 160
[81] Townsend 1786, zitiert nach K. Marx 1890/1984, a.a.O., S. 676
[82] K. Polanyi, 1978, a.a.O., S. 165
[83] K. Polanyi 1978, a.a.O., S.144ff.
[84] F. Engels 1845, a.a.O., S. 496
[85] ebd., S. 487
[86] K. Polanyi 1978, a.a.O., S. 189f.
[87] F. Engels 1845, a.a.O., S. 487f.
[88] K. Polanyi 1979, a.a.O., S.141
[89] K. Polanyi 1978, a.a.O., S. 186
[90] D. Ricardo, a.a.O., S. 192f
[91] ebd.
[92] D. Ricardo, a.a.O., S. 25
[93] ebd., S. 126
[94] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 52
[95] ebd.
[96] ebd., S. 86;
[97] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 88f.
[98] „Die Ricardosche Lehre schien eine tragfähige Grundlage für die allgemeine Annahme des Laissez-faire-Prinzips als wirtschaftliche Leitmaxime zu bieten.“ (K. Pribram 1992: Geschichte des ökonomischen Denkens, Frankfurt/M., S. 324)
[99] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 88f.
[100] E. Cannan, zitiert nach M.Dobb 1977: Wert und Verteilungstheorien seit Adam Smith, Frankfurt/M., S.31
[101] Die u.a. auch von Ronald Meek vertretende Aufassung, die den Marxschen Ausführungen über Ricardo folgt, ist deswegen nicht zu halten, wenn er ausführt: „Ricardo hat niemals vor allem die Interessen irgendeiner sozialen Klasse verteidigt, ausgenommen der Interessen jener Klasse, die zufällig an die Steigerung der Produktion gebunden war“ (R.L. Meek 1973: Ökonomie und Ideologie, Frankfurt/M., 91; zur Kritik an diesem weitverbreiteten Grundverständnis in der ökonomischen Literatur: Kanth 1992, a.a.O.).
[102] R. Kanth 1986, a.a.O., S.87ff.; Ders. 1992, a.a.O., S. 84, 86
[103] Mit der Niederlage Napoleon Bonaparte (Waterloo 1815) ging auch die Zusammenarbeit zwischen aufsteigendem industriellen Bürgertum und den Großgrundbesitzern, den Lords, gegen demokratische bzw. revolutionäre Bewegungen in die Brüche. Aus diesem Grund erschienen 1815 zahlreiche politische Pamphlete gegen die Korngesetze, um die Herrschaft der Lords anzugreifen (Blaug, a.a.O., 157; vgl. Kanth 1986, a.a.O. 87).
[104] zitiert nach M. Blaug a.a.O., S. 184; „Sein häufig zitierter Satz, dass der Kornpreis Regulator der Preise aller übrigen Dinge sei, brachte seine theoretischen Überzeugungen auf eine bündige Formel.“ (K. Pribram 1992: Geschichte des ökonomischen Denkens, Frankfurt/M., S. 308; R. Kanth 1986, a.a.O. 88f.) Dieser Kernsatz seines Pamphletes von 1815 konnte Ricardo nicht einlösen, wie Blaug treffend formulierte: Durch diese „Argumentation entwickelte Ricardo die zentralen Sätze seines Systems, ohne dass er dabei an die Frage der Bewertung geriet. Für sich genommen ist seine Argumentation jedoch äußerst verletzlich. Er ging nicht nur von der Voraussetzung aus, die in Weizeneinheiten gemessenen Löhne seien konstant, sondern diese würden auch vollständig für den Kauf von Weizen ausgegeben. Sämtliche landwirtschaftlichen Produkte wären demnach Lohngüter, alle gewerblichen Erzeugnisse jedoch Luxusgüter, die niemals von Arbeitern beansprucht werden. Ist dieser Satz hinfällig, dann ändert eine Verschiebung der Austauschrelationen zwischen Korn und Tuch die Reallöhne. Dadurch wird es unmöglich, die durchschnittliche Profitrate herzuleiten. Also musste man das Problem unter weniger kühnen Annahmen erneut durchdenken. Nun musste unweigerlich das Wertproblem in Erscheinung treten.“ (M. Blaug, a.a.O., S. 185; vgl. R. Kanth 1992, a.a.O., S.110)
[105] „Der Profit, das kann nicht genug wiederholt werden, hängt vom Lohn ab“ (D. Ricardo, a.a.O., S. 118). Und „wenn das Steigen im Getreidepreis die Wirkung der Schwierigkeit der Produktion ist, dann werden die Profite sinken; denn der Fabrikant wird mehr Lohn bezahlen müssen“ (ebd., S. 120). „Die natürliche Tendenz des Profits ist demnach zu fallen; denn bei dem Fortschreiten der Gesellschaft und des Reichtums wird die erforderliche Zusatzmenge an Nahrungsmitteln durch das Opfer von immer mehr Arbeit erlangt.“ (ebd., S.100f.)
[106] „Das Steigen der Rente ist stets die Folge des zunehmenden Wohlstandes eines Landes und der Schwierigkeit, Nahrungsmittel für seine gewachsene Bevölkerung zu beschaffen.“ (Ricardo a.a.O., S. 70)
[107] „Es ist mein Bestreben gewesen, in diesem Werk zu zeigen, dass ein Sinken des Lohnes keine andere Wirkung haben würde, als den Profit zu erhöhen. Jedes Steigen des Profits ist der Kapitalbildung und der weiteren Bevölkerungsvermehrung günstig und würde daher höchstwahrscheinlich schließlich zu einer Erhöhung der Rente führen.“ (D. Ricardo, a.a.O., S. 305)
[108] R. Kanth 1992, a.a.O., S.108, 110
[109] W. Eltis 1989: David Ricardo, in: J. Starbatty (Hg): Klassiker des ökonomischen Denkens, München, S.198
[110] „Ricardo hat unentwegt als unabhängiger Abgeordneter im Unterhaus für die Abschaffung der Kornzölle plädiert; doch wusste er, dass das >landed interest< - quer durch die beiden großen Parlamentscliquen – das Unterhaus dominiert. (...) Ricardo hat das Unterhaus gezwungen, sich mit seinen parlamentarischen Initiativen auseinanderzusetzen und seine klare Beweisführung war die Grundlage für die politische Agitation der National Anti-Corn-Law-League, die unermüdlich und schließlich erfolgreich für Freihandel focht.“ (J. Starbatty 1985: Die Englischen Klassiker der Nationalökonomie, Darmstadt, S.99)
[111] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 94. Es ist eine Geschichtslegende, wenn Marx davon spricht, dass die Entstehung und Aufstieg der Ricardoschen Theorie „in die Periode des unentwickelten Klassenkampfs“ fällt (K. Marx 1890/1984, a.a.O., S. 20), und dieser deswegen eine Uneigennützigkeit und wissenschaftliche Zweckfreiheit andichtet. Dagegen soll der Niedergang der Ricardoschen Theorie für Marx eine Folge des verschärften Klassenkampfes der Arbeiterklasse sein, weshalb die darauf folgende politische Ökonomie erst eine apologetische Gestalt annimmt: Der Klassenkampf gewann „praktisch und theoretisch, mehr und mehr ausgesprochene und drohende Formen. Er läutete die Totenglocken der wissenschaftlichen bürgerlichen Ökonomie. Es handelt sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle uneigennütziger Forschung trat bezahlte Klopffechterei, an die Stelle unbefangener wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlecht Apologetik.“ (ebd., 21) Indessen kann von einer >Periode des unentwickelten Klassenkampfes< zur Zeit von Ricardo keine Rede sein: Mit der großen Französischen Revolution (1789) drohte auch in England das „Gespenst der Demokratie“, die als Bedrohung der Weltmachtstellung England angesehen wurde: „Deshalb sind sich die führenden Klassen England sehr bald einig: Dieser Unfug der Ausbreitung der Demokratie auch in den europäischen Kontinentalbereich muss eingeschränkt werden! (...) Innenpolitisch entspricht dem ein Rückfall in die, (...), Ausnahmegesetzgebung, die alles, was an liberalen und demokratischen Freiheiten in England vorher existiert hatte, wieder zurücknimmt. Das richtete sich gegen die demokratisch denkenden Intellektuellen (wie Thomas Paine) und Kleinbürger, aber auch bereits gegen Kräfte der werdenden Arbeiterklasse, die sich gegen diese Gesamtpolitik Englands wandten. Prompt sind in England die Ausnahmegesetzgebungen zum Verbot jeden Eintretens etwa für demokratisches Wahlrecht, für die Durchführung des Gleichheitsgedankens im bürgerlichen Recht usw. wieder da“ (Abendroth 1988: Einführung in die Geschichte der Arbeiterbewegung, Heilbronn, S. 25). Gegen die weit verbreitete Radikalen-, Ludditen- und Chartistenbewegung antwortete die „Staatsgewalt ... mit extremen Terrorismus.“ (ebd., 29; vgl. E. Thompson, a.a.O.) Auch die Einführung der Armenhäuser (1834) entfesselte in vielen Regionen einen blutigen Klassenkampf. Es ist daher, wie Kanth hervorhebt, eine Geschichtslüge, dass die Klassenkämpfe zu Zeiten Ricardos nur „latent“ (Marx) gewesen wären (R. Kanth 1992, a.a.O., S. 95): Wie kann man also - wie Marx es macht - unter diesen Umständen davon sprechen, dass die „politische Ökonomie nur Wissenschaft bleiben“ konnte, „solange der Klassenkampf latent bleibt oder sich in nur vereinzelten Erscheinungen offenbart(e)“? Damit wird der politische Kampfcharakter und die instrumentelle Zwecksetzung der Ricardoschen Theorie von Marx völlig geleugnet. Marx wird damit seiner eigenen >materialistischen< Analyse in der Bewertung von Ricardo untreu (R. Kanth 1992, a.a.O., S.120).
[112] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 86, 94; vergl. Kanth 1985: The decline of ricardian politics: some notes on paradigm-shift in economics from the classical to the neo-classical persuasion, in: Europäische Zeitschrift für Politische Ökonomie Nr. 1/2
[113] Das Kapitel „Über die Maschinerie“ wurde erst in der dritten überarbeiteten Auflage von 1821 in den >Grundsätzen< aufgenommen.
[114] Vgl. dazu R. Hickel 2006: Kassensturz, Reinbek b. Hamburg, S. 51-60; A. Müller 2006: Machtwahn, München, S. 248ff.; Ders. 2004: Die Reformlüge, München, S. 170ff.
[115] Ricardos Argumentation gegen die Korngesetze, die seine ökonomischen Arbeiten vom Anfang bis zum Ende bestimmte, lautete: „Die einzige Gruppe, die von den Korngesetzen profitierte, wären die Grundbesitzer, deren Interesse – und hiermit lieferte Ricardo das Schlagwort für die Gegner dieser Gesetze bis zu ihrer Aufhebung 1846 – denen aller anderen Bevölkerungsgruppen entgegenstünden. Besonders den Fabrikanten gereichten die Korngesetze zum Nachteil, weil Gewinne und Löhne in einem strengen Abhängigkeitsverhältnis zueinander ständen, was zu Folge hätte, dass erhöhte Getreidepreise und damit einhergehend proportional höhere Löhne die Gewinne der Unternehmer entsprechend schmälerten.“ (H.-J. Braun 1984: Wirtschafts- und finanzpolitische Entscheidungsprozesse in England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert, Frankfurt/M., Bern, New York, S. 69) „Ricardo wollte mit seinen Überlegungen in erster Linie darlegen, wie sehr die Korngesetze den Interessen Großbritannien schadeten. Durch diese Gesetze wurden die britischen Weizenproduzenten vor der Einfuhr ausländischen Weizens geschützt.“ (M. Blaug, a.a.O., S. 211) Dabei lässt sich Ricardo von „seiner ideologischen Voreingenommenheit gegenüber den Grundbesitzern“ leiten (ebd.; vgl. K. Pribram 1992: Geschichte des ökonomischen Denkens, Frankfurt/M., S. 302f.).
[116] „Es ist vor allem der Widerruf der Ansicht, dass jede Freisetzung von Arbeitskräften infolge einer Mechanisierung der Produktion mehr oder weniger reibungslos kompensiert werden würde“ (D. Kurz 1998: Ökonomisches Denken in klassischer Tradition, Marburg, S. 109). „Er schockierte seine Zeitgenossen mit der Behauptung, die Verwendung neuer Maschinen könnte den Interessen der Arbeiter schaden.“ (M. Blaug, a.a.O., S. 249)
[117] D. Ricardo, a.a.O., S. 293, vgl. S. 56
[118] „Selbst der Pessimismus, den man Ricardo nachsagt, ist vollständig durch den Kampf gegen die Korngesetze bestimmt.“ (M. Blaug, a.a.O., S. 212) Dagegen heißt es: „Ricardos Einschätzung der Auswirkung maschineller Produktion auf die Lage der Arbeiterklasse gibt sicherlich mehr Anlass, ihn als Pessimisten zu sehen.“ (H. Reichelt 1985: David Ricardo, in: I. Fetscher/H. Münkler: Pipers Handbuch der politischen Ideen, München, S. 610)
[119] D. Ricardo, a.a.O., S.. 293
[120] Marx hat die hinter der veränderten Argumentation im >Maschinerie<-Kapitel von Ricardo stehende politische Strategie und Zielsetzung völlig übersehen oder ignoriert. Entsprechend preist Marx die veränderte Argumentation von Ricardo als Folge seiner wissenschaftlichen Ehrlichkeit, was die meisten Marx-Interpreten bis heute unkritisch übernehmen: „Ricardo teilte ursprünglich diese Ansicht (d.h. die Kompensationsthese; C.G.), widerrief sie aber später ausdrücklich mit seiner charakteristischen wissenschaftlichen Unbefangenheit und Wahrheitsliebe.“ (K. Marx 1890/1984, a.a.O., S. 461)
[121] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 97f.
[122] D. Ricardo, a.a.O., S. 287
[123] H.-J. Braun, a.a.O. , S. 80
[124] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 109
[125] ebd., S. 96. Mit der Beseitigung der Korngesetze verschwinden bei Ricardo stets alle Konflikte und es entsteht eine allseitige Harmonie zwischen den Klassen. Marx macht daraus das Gegenteil, wenn er behauptet, Ricardo hat „endlich bewusst den Gegensatz der Klasseninteressen, des Arbeitslohns und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum Springpunkt seiner Forschungen“ gemacht (K. Marx 1890/1984: Das Kapital, MEW 23, Berlin/O., S. 20). Aber Interessensgegensätze gibt es bei Ricardo nur solange, wie es die den Freihandel einschränkenden Korngesetze gibt.
[126] zitiert nach W. Eltis 1989: David Ricardo, in: J. Starbatty (Hg): Klassiker des ökonomischen Denkens, München, S.203; vgl. zum wohlstandfördernden Außenhandel: D. Ricardo, a.a.O. S. 232f.
[127] ebd., S. 205
[128] Die Apologetik der Ricardoschen Theorie im allgemeinen und der Außenhandelstheorie von Ricardo im besonderen beruht darauf, die kapitalistische Produktionsweise in einen vorkapitalistischen Tauschhandel umzulügen. So heißt es entsprechend bei Ricardo: Er habe „zu zeigen versucht, dass jeder Handel, ob auswärtig oder inländischer, dadurch Nutzen bringt, dass er die Menge, nicht den Wert, der Erzeugnisse vermehrt. Ob wir nun den einträglichsten Binnen- und Außenhandel betreiben (...), wir werden keinen größeren Wert erlangen.“ (D. Ricardo, a.a.O., S. 234) Ricardo behauptet hier nichts anderes, als dass der Zweck der kapitalistischen Produktion und des Verkaufs der produzierten Waren nicht die selbstzweckhafte Vermehrung des für die Produktion vorgeschossenen Geldes ist, sondern die Vermehrung der >Erzeugnisse<. Damit wiederholt Ricardo das von A. Smith aufgestellte Postulat über die kapitalistische Ökonomie, welches bis heute von der ökonomischen Theorie als gültiger Grundsatz angesehen wird, dass nämlich der „Verbrauch allein (...) Ziel und Zweck einer jeden Produktion (ist)“ (A. Smith 1789/1993: Der Wohlstand der Nationen, München, S. 558). Marx hatte diese direkt-apologetische Argumentation von Ricardo noch in seinem Rohentwurf des >Kapitals< (>Grundrisse<) konsequent kritisiert, indem er u.a. davon sprach, Ricardo reduziert den kapitalistischen Außenhandel und die kapitalistische Ökonomie auf eine „einfache Zirkulation“ bzw. vorkapitalistischen Tauschhandel. Auf der Grundlage dieser Reduktion bzw. Verkehrung sind die späteren Lobeshymnen von Marx über Ricardos „wissenschaftlichliche(n) Unbefangenheit und Wahrheitsliebe“ kurios. Diese führten die spätere marxistische bzw. werttheoretische Weltmarktdebatte, die stets an der Ricardoschen Außenhandelstheorie kritisch anknüpfen wollte, um die Marxsche Theorie zu vervollständigen, in die theoretische Sackgasse, weil die Autoren den direkt-apologetischen Gehalt und die schon von Marx missachtete politische Zielsetzung der Ricardoschen Theorie völlig ignorierten. Deshalb konnte die Ricardosche Außenhandelstheorie auch nicht mehr von den Marxisten theoretisch adäquat kritisiert werden (vgl. C. Girschner 1999: Politische Ökonomie und Weltmarkt, Köln; Ders. 2004: Die verkehrte Welt des Außenhandels, in: G. Gerlach u.a. (Hg): Peripherie und globalisierter Kapitalismus, Frankfurt).
[129] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 138f.
[130] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 118
[131] R. Kanth 1986, a.a.O., S. 140, hier zitiert nach der Übersetzung von M. Schiffmann aus dem Artikel von N. Chomsky 1997: Ziele und Visionen, in: Schwarzer Faden, Nr.1, S.45
[132] ebd.
[133] K. Polanyi 1978, a.a.O., S 300f.
[134] F. Neumann 1986: Demokratischer und autoritärer Staat, Frankfurt/M, S. 255
[135] F. Neumann, a.a.O., S. 249f.
[136] W. Abelshauser 1996: Wirtschaftliche Wechsellagen, Wirtschaftsordnung und Staat: Die deutschen Erfahrungen, in: D. Grimm (Hg): Staatsaufgaben, Frankfurt/M., S. 222. Zu dem Verhältnis des deutschen Neoliberalismus zum NS-Staat, was an dieser Stelle nicht weiter dargelegt werden kann, siehe: H. Marcuse 1965: Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in: Ders.: Kultur und Gesellschaft, Frankfurt/M.; R. Neumann 1957; Theorie und Praxis des Neoliberalismus, Berlin/Ost; R. Ptak 2004: Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft, Opladen; D. Haselbach 1991: Autoritärer Liberalismus und soziale Marktwirtschaft, Baden-Baden; K. H. Roth 1995: Das Ende eines Mythos. Ludwig Erhard und der Übergang der deutschen Wirtschaft von der Annexions- zur Nachkriegsplanung (Teil 1: 1939 bis 1943), in: 1999, Nr. 4, (1998: Teil 2 von 1943 bis 1945 in: 1999, Nr. 1).
[137] Zitiert nach: H. Marcuse 1965: Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung, in: Ders.: Kultur und Gesellschaft, Frankfurt/M., S.23
[138] hierzu einige aktuelle Darstellungen: M. Chossudovsky 2002: Global Brutal, Frankfurt/M.; N. Klein 2007: Die Schockstrategie, Frankfurt/M.; J. Ziegler 2006: Das Imperium der Schande, München; Ders. 2004: Die neuen Herrscher der Welt, München
[139] A. Smith 1789/1978: Der Wohlstand der Nationen, München, S. 438
[140] ebd., S. 438f
[141] K. Polanyi 1978, a.a.O., S. 220f
[142] ebd., S. 220f.
[143] M. Davies 2004: Die Geburt der Dritten Welt, Berlin. Hamburg, Göttingen, S. 41
[144] ebd., S. 47
[145] R. Kanth 1992, a.a.O., S. 99
[146] vgl. dafür exemplarisch: M. Heinrich 1991: Die Wissenschaft vom Wert, Hamburg
[147] zitiert nach: R.L. Meek 1973: Ökonomie und Ideologie, Frankfurt/M., S. 258
[148] H. Siebert 2002: Die Angst vor der internationalen Arbeitsteilung – eine Auseinandersetzung mit den Globalisierungsgegnern, in: Aussenwirtschaft, Heft 1; dazu: C. Girschner 2004: Die verkehrte Welt der Außenhandelstheorie, in: O. Gerlach u.a. (Hg): Peripherie und globalisierter Kapitalismus, Frankfurt/M.
[149] Die „neue Wissenschaft der Nationalökonomie entsteht (...) als eine der wichtigsten ideologischen Waffen der Bourgeoisie im Kampfe gegen den mittelalterlichen Feudalstaat und für den modernen kapitalistischen Klassenstaat.“ (R. Luxemburg 1909/1910 (1985): Einführung in die Nationalökonomie, in: Dies.: Gesammelte Werke, Band 5, Berlin/O., S. 583
[150] ausführlich: C. Girschner 2003: Die Dienstleistungsgesellschaft. Zur Kritik einer fixen Idee, Köln
[151] N. Chomsky 2002: Eine Anatomie der Macht, Hamburg, S. 313
[152] D. Harvey 2007: Kleine Geschichte des Neoliberalismus, Zürich, S.28f.; vgl. B. Hamm 2004: Die neoliberale Offensive, in: Ders. (Hg): Gesellschaft zerstören – Der neoliberale Anschlag auf Demokratie und Gerechtigkeit, Berlin; vgl. N. Chomsky a.a.O., S. 311ff.
Editorische Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
Von Christian Girschner erschien im TREND:
Ökonomismus und Funktionalismus
Eine Kritik an der Regulationstheorie von J. HirschChristian Girschner studierte Politik- und Sozialwissenschaft an der Universität Bremen und promovierte dort über die allgemeine Weltmarktdynamik in der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie. 2003 veröffentlichte er:
Die Dienstleistungsgesellschaft
Zur Kritik einer fixen Idee
Hochschulschriften 46, 140 Seiten
EUR 14,-; SFR 24,50
ISBN 978-3-89438-273-5
Papyrossa Verlag